Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Insgesamt gewährleistet der Gesetzentwurf damit die Zugänglichkeit des brandenburgischen Gesetzblattes in einer Breite, wie sie bisher noch nicht gegeben war.

Beim Betrieb des elektronischen Verkündungssystems wird größter Wert auf Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit aller Komponenten gelegt. Sollte es dennoch einmal zu einem Ausfall des Systems kommen, trifft der Gesetzentwurf auch für diesen Fall Vorsorge. So sollen von jeder Ausgabe des elektronischen Gesetz- und Verordnungsblattes zwei beglaubigte Abschriften erstellt und sicher aufbewahrt werden.

Um die Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers zu gewährleisten, lässt der Gesetzentwurf bei vorübergehenden Störungen der elektronischen Verkündung außerdem eine zeitweilige Rückkehr zur Veröffentlichung des Gesetz- und Verordnungsblattes in gedruckter Form zu.

Meine Damen und Herren! Die Einführung der elektronischen Normenverkündung ist ein weiterer bedeutender Schritt hin zu einem modernen Land Brandenburg. Für diesen Schritt bitte ich Sie um Unterstützung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir setzen mit dem Redebeitrag der Linksfraktion fort. Der Abgeordnete Loehr spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Unter Verkündung wird die amtliche Bekanntmachung einer Rechtsvorschrift in einem der laufend erscheinenden oder jedermann zugänglichen Publikationsorgane verstanden; soweit die Definition.

Besser hat es das Bundesverfassungsgericht formuliert. Verkündung heißt, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können.

Die Verkündung eines Gesetzes schließt folglich das Gesetzgebungsverfahren ab und ist damit der letzte Bestandteil des Rechtssetzungsaktes selbst. Geregelt wird dies in Artikel 81 der Landesverfassung.

Heute liegt uns ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor, der künftig die elektronische Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen möglich machen will. Es geht also um einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung, einen Schritt in Richtung Arbeitserleichterung für die Landtagsverwaltung, die Landesregierung und die Ministerien.

Zur Erforderlichkeit besagt der Gesetzentwurf: Ohne eine Änderung des Artikels 81 der Landesverfassung ist die Einführung der elektronischen Ausfertigung und der elektronischen Verkündung von Gesetzen und Rechtsvorschriften nicht möglich. Denn, so weiter im Text, bislang sind Ausfertigung und Verkündung nach Artikel 81 der Landesverfassung an das Medium Papier gebunden. Der Begriff der Ausfertigung erfordert in seiner bisherigen Bedeutung die Herstellung und handschriftliche Unterzeichnung einer Papierurkunde.

Ob dem tatsächlich so ist, kann hier und heute noch nicht abschließend beurteilt werden. Eines dürfte jedoch klar sein: Wir reden hier über einen rein technischen Vorgang im Gesetzgebungsakt, aufgrund dessen die Landesverfassung, das zentrale Rechtsdokument des Landes Brandenburg, geändert werden kann. Wir wollen die Notwendigkeit dieser Verfassungsänderung hinreichend prüfen und prüfen lassen. Wir sind der Ansicht, die Verfassung sollte nur geändert werden, wenn dies zweifellos unabdingbar ist.

Wir hätten uns auch gefreut, wenn die Verfassungsänderung nicht so spät auf den Weg gebracht worden wäre. Denn als verfassunggebende Partei sehen wir uns selbstverständlich in Verantwortung und stimmen der Überweisung an die Ausschüsse zu.

Lassen Sie mich noch einmal kurz zum Gesetzentwurf selbst kommen. Auf unsere Nachfrage im Rechtsausschuss konnte die Ministerin über die entstehenden Kosten leider keine Auskunft geben. Soweit mir bekannt ist, unterstützt das Beratungsunternehmen mit dem außergewöhnlichen Namen „Information, Menschen und Technik in Bewegung“, kurz IMTB, das Ministerium der Justiz im Rahmen dieses Projekts. Vielleicht kann die Beratungsfirma die Kosten beziffern.

Zum Inhalt: Aufgabe und Ziel des Gesetzes ist die Bereitstellung der bisher in gedruckter Form veröffentlichten Informationen künftig auf einer elektronischen Plattform, auf die interne und externe Nutzer jederzeit kostenfrei zugreifen können. Die Linke ist natürlich dafür, dass Gesetzblätter und Verordnungen künftig auch auf elektronischem Wege bekanntgemacht werden. Beabsichtigt ist, den Zugang zu dem Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg für Bürger sowie auch Nutzer, die das Blatt beruflich verwenden wollen, zu vereinfachen. Ich erinnere hier an den Sonderausschuss für Bürokratieabbau.

Auch wenn wir die inhaltliche Debatte im Rechtsausschuss erst führen wollen, haben wir doch schon heute einige Anmerkungen: Solange es in Brandenburg an einem entsprechenden Ausbau der Infrastruktur für breitbandiges Internet mangelt, kann man nicht auf die Papierform verzichten. Denn dass alle Lan

desteile tatsächlich bis Ende 2009 breitbandig erschlossen sind, darf zumindest bezweifelt werden. Zudem hat die ausschließlich elektronische Verbreitung den Mangel, dass, sobald der entsprechende Server nicht seinen Dienst verrichtet, die Gefahr besteht, dass die Gesetzestexte nicht zugänglich sind. Vor großen elektronischen Pannen ist niemand sicher, wie wir es Anfang dieser Woche im Zusammenhang mit der Beantragung der Abwrackprämie erleben mussten.

Es ist angedacht, dass die Bürgerinnen und Bürger bei ihren Amtsgerichten über dort zur Verfügung gestellte Computer die elektronischen Verordnungen und Gesetze einsehen können. Die Ministerin hat gesagt - darüber war ich erfreut -, dass es zusätzlich noch die gedruckte Fassung geben soll. Das heißt doch sicherlich, Frau Blechinger, dass eine weitere Schließung oder Zusammenlegung von Amtsgerichten nicht beabsichtigt ist. Dies würde nämlich den Zugang für die Bürgerinnen und Bürger erheblich erschweren. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Der Abgeordnete Holzschuher spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz hat einen technischen Namen; Sie sagten selbst: Es ist eine technische Umsetzung. In Wahrheit soll damit eine neue Ära in der deutschen Rechtsgeschichte eingeleitet werden. Deshalb finde ich es schon gut, dass wir einmal kurz darüber reden, was es eigentlich bedeutet. Eine neue Ära, ein neues Zeitalter, das elektronische Zeitalter - vielleicht sollten wir auch sagen, das virtuelle Zeitalter - der Gesetzgebung soll beginnen.

Die deutsche Rechtsgeschichte ist eine lange Geschichte. Das erste schriftlich fixierte Gesetz, das noch auf germanischrechtliche Ursprünge zurückgeht, ist die Lex Salica vom Beginn des 6. Jahrhunderts, aus der Merowingerzeit. Die erste Urkunde, die dieses Gesetz wiedergibt - nicht ganz aus der Zeit, aber immerhin stammt sie aus dem Jahr 794 -, befindet sich in der Stiftsbibliothek St. Gallen. Sie existiert seit 1 200 Jahren und dokumentiert, was Recht und Gesetz zur Merowingerzeit war. Die erste umfassende rechtliche Darlegung in deutscher Sprache ist der vielleicht allseits bekannte Sachsenspiegel vom Beginn des 13. Jahrhunderts. Auch da liegen mehrere handschriftliche Dokumente vor, das älteste in Heidelberg wohl auch vom Beginn des 14. Jahrhunderts, jetzt 700 Jahre alt. So lange existieren diese fixierten Urkunden.

Wenn wir heute entscheiden wollen, dies in die Ausschüsse zu geben, dann sollte uns klar sein, dass wir auch darüber diskutieren müssen, ob diese neue Ära nun wirklich in jeder Hinsicht erstrebenswert ist. Ich habe Ihnen einen USB-Stick mitgebracht. Wir werden im Ausschuss zu diskutieren haben, was man wohl in 500 Jahren mit diesem Ding wird anfangen können, wenn man unsere heutigen Gesetze lesen möchte. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Nach dieser spannenden Frage setzt der Abgeordnete Schuldt für die DVU-Fraktion die Debatte fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Ausfertigungs- und Verkündungsgesetz des Landes Brandenburg und die für dieses Gesetz notwendigen Verfassungsänderungen sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass immer mehr berufliche und private Rechtsanwender zur Vereinfachung ihrer Tätigkeit das Weltnetz, übrigens von Ihnen Internet genannt, als Arbeitsmittel nutzen.

Insofern ist es richtig und wird von der DVU-Fraktion ausdrücklich begrüßt, wenn Politik und reales Leben miteinander harmonieren. Zu einer solchen Harmonie trägt selbstverständlich auch bei, wenn einerseits durch die amtliche Bereitstellung von Gesetzen und Verordnungen mehr Transparenz bei den Rechtsanwendern und Normadressaten geschaffen wird und andererseits auch die Verfügbarkeit von Normen für jedermann schneller und nachhaltiger besteht.

Die Einbeziehung technischer Möglichkeiten in Politik und Rechtsanwendung kann und darf jedoch nicht dazu führen, dass diejenigen, die nicht im gleichen Maße Zugang zu moderner Medienkommunikation haben, ältere Menschen etwa, Behinderte oder sozial Schwache, die sich einen Zugang zum Weltnetz einfach nicht leisten können, auf der Strecke bleiben. Politik und Alltag in Übereinstimmung zu bringen bedeutet in diesem Sinne auch, Realitätssinn zu bewahren und Gerechtigkeit gegenüber denen obwalten zu lassen, die auf die schriftliche Ausfertigung von Normen angewiesen sind.

Mit dieser Intention, dass also die elektronische Bereitstellung nicht alternativ, sondern kumulativ zunächst weiterhin als Druckerzeugnis herausgegebener Normsetzungen zu erfolgen hat, wird die DVU-Fraktion der Ausschussüberweisung beider Gesetze zustimmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Werner spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst haben wir es mit einer Verfassungsänderung zu tun. Eine Verfassungsänderung geht normalerweise immer mit einer großangelegten öffentlichen Debatte, mit Anhörungen und dergleichen einher. Ich meine aber, dass es hier um einen relativ geringfügigen Eingriff in die Verfassung geht.

(Zurufe von der SPD)

Ich meine, im Verhältnis zu Grundrechten und Staatszielen ist es doch eher ein Eingriff, der wohl nicht diese große Öffentlichkeit erzeugt. Nun kann man sicherlich geteilter Meinung

sein, wie es Kollege Loehr schon angesprochen hat, ob der Abs. 1 des Artikel 81 bereits die elektronische Verkündung umfasst. Da kann man Haarspalterei betreiben, man kann es aber auch sein lassen und so vorgehen, wie es im Gesetzentwurf vorgesehen ist.

(Schulze [SPD]: Der Begriff Haarspalterei ist bei mir völ- lig fehl am Platze!)

- Ich weiß, lieber Kollege Schulze: Wenn ich wieder einmal zum Friseur ginge, wäre es bei mir ähnlich.

Insofern kann es aber auch nicht schaden, wenn wir diesen Absatz 4 ergänzen, einfach wegen der Rechtssicherheit, dass wir auch die verfassungsrechtliche Norm verankert haben, die Verkündung der Gesetzblätter auf diesem Wege vorzunehmen.

Nun mag es Nutzer geben, die sehr konventionell veranlagt und an Papier gewöhnt sind oder aus welchem Grunde auch immer keinen Zugang zu elektronischen Medien haben. Für sie gibt es die Möglichkeit, beim Amtsgericht Einsicht zu nehmen oder auch Kopien anfertigen zu lassen. Ich vermag nicht einzuschätzen, wie groß die Zahl der Nutzer ist, die tatsächlich nicht die Möglichkeit hätten, auf elektronische Medien zuzugreifen. Es wäre vielleicht zu überlegen, ob man Gemeinde- und Amtsverwaltungen dazu anhalten könnte, entsprechende Ausfertigungen, Kopien oder Ausdrucke zur Verfügung zu stellen.

Auf ein Problem haben meine Vorredner schon hingewiesen. Es gibt bedrucktes Papier aus Gutenbergs Zeiten, das heute noch in gutem Zustand ist, teilweise noch älteres beschriebenes Papier. Papier kann aber auch nach 30 oder 40 Jahren zerfallen sein. Insofern wissen wir nicht - darüber haben wir schlicht noch keine Erkenntnisse -, was wir in 300, 500 Jahren mit so einem elektronischen Medium anfangen werden. Insofern ist schon richtig, gesetzlich zu fixieren, dass mindestens zwei Urschriften zu dokumentieren und zu archivieren sind. Natürlich muss auch die Papierqualität entsprechend sein,

(Schulze [SPD]: Pergament!)

sodass man dieses Schriftstück in 300, 500 Jahren identifizieren kann und es bis dahin nicht zerfallen ist. Insofern bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Überweisung beider Gesetzentwürfe zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Das Schlusswort hält die Landesregierung. Frau Ministerin Blechinger, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne der Debatte im Rechtsausschuss vorgreifen zu wollen, hat mich der Redebeitrag des Abgeordneten Loehr doch motiviert, auf zwei Punkte einzugehen.

Da ich den Abgeordneten im Rechtsausschuss selten eine Antwort schuldig bleibe, habe ich mich noch einmal darüber informiert, dass das, was mir erinnerlich war, auch stimmt, nämlich dass ich auf die Frage nach den Kosten geantwortet habe. Ich habe nämlich gesagt, die Kosten belaufen sich auf weniger als

1 Million Euro. Das kann man im Protokoll nachlesen. Sollten Sie eine konkretere Antwort haben wollen, bin ich gern bereit, diese im nächsten Rechtsausschuss zu geben.

(Dr. Klocksin [SPD]: Das ist für die Frage auch nicht ent- scheidend!)

- Das denke ich auch. Deshalb habe ich das nicht auf Heller und Pfennig benannt. Die Größenordnung beläuft sich aber auf alle Fälle auf weniger als 1 Million Euro.

Zum Thema Notwendigkeit der Verfassungsänderung weise ich auf zwei Dinge hin. Der Begriff der Ausfertigung in Artikel 81 erfordert in seiner bisherigen Bedeutung die Herstellung und handschriftliche Unterzeichnung einer Papierurkunde. Ebenso spricht der Ausdruck „Gesetz- und Verordnungsblatt“ dafür, dass es sich um eine auf Papier gedruckte Veröffentlichung handeln muss. Auch der Begriff des Ausgebens in Artikel 81 Abs. 3 setzt im inneren Wortsinn ein Gesetzesblatt in körperlicher Form voraus.

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass Österreich und das Saarland vor der Einführung der elektronischen Verkündung ihre Verfassung ebenfalls geändert haben.