Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Und, meine Damen und Herren, die Deutsche Volksunion existiert erst seit 1987, und so bleibt die Frage im Raum stehen: Welchen unsrigen geistigen Vater meinen Sie?

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur namentlichen Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung)

Gibt es Abgeordnete im Plenarsaal, die keine Gelegenheit hatten, ihre Stimme abzugeben?

(Der Abgeordnete Helm [CDU] gibt sein Votum ab.)

Ich schließe die Abstimmung und bitte Sie um etwas Geduld für die Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der DVU in der Drucksache 4/7530 bekannt: Für den Antrag haben 6 Abgeordnete mit Ja und 55 Abgeordnete mit Nein gestimmt. Es gab null Enthaltungen. Damit ist dieser Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

(Ergebnis der namentlichen Abstimmung siehe S. 6355)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 15 und rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Gegen die Einführung einer generellen Schuldenbremse

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/7508

Der Abgeordnete Christoffers beginnt die Debatte für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider ist es relativ spät, dass wir zu diesem Thema kommen. Ich möchte mich bedanken, dass die Möglichkeit bestand, das Thema von der morgigen auf die heutige Sitzung zu verlegen.

Um es vorweg zu sagen: Meine Fraktion lehnt die Einführung einer Schuldenbremse als wirtschaftlich total unvernünftig dezidiert ab. Wir halten es für den falschen Weg, zu versuchen, über dieses Instrument die wirtschaftliche Entwicklung und vor allem auch die Finanzbeziehungen der Länder neu zu ordnen.

Was ist der Hintergrund? Meine Damen und Herren! Die Föderalismusreform II hatte einmal eine große Aufgabe. Durch sie sollten die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern generell neu geregelt werden, also über den horizontalen und vertikalen Finanzausgleich, über Finanzausgleichsgesetze und Ähnliches. Davon ist nichts übrig geblieben. Man ist an dieser Aufgabe gescheitert.

Meine Damen und Herren! Wie immer, wenn man über grundsätzliche Finanzbeziehungen redet, redet man nicht nur über den Fluss von Geld, sondern man redet über die Werte und die Inhalte, wie - in diesem Fall zumindest - sich der föderale Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahren hätte entwickeln sollen. Ich finde es sehr bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, diese Aufgabe zu lösen. Übrig geblieben ist eine sogenannte Schuldenbremse, die eigentlich keine Schuldenbremse ist, sondern eher eine Entwicklungsbremse für zukünftige Generationen darstellt. Darauf komme ich noch zurück.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Als bekannt wurde, wie tief die Krise auch auf die öffentlichen Finanzen durch den Verlust von Steuereinnahmen rückwirken wird, ging ich davon aus, dass das Thema endgültig vom Tisch sei. Ich habe mich leider geirrt.

Was ist als Vorschlag herausgekommen?

Erstens: Der Bund soll 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts als Schuldensumme aufnehmen können. Im Klartext heißt das 8 Milliarden Euro. Wenn man sich die Neuverschuldung, vor der wir jetzt stehen, vorstellt - 40 Milliarden bis 50 Milliarden Euro hat der Bundesfinanzminister angekündigt -, dann muss ich sagen: Diese Zahl ist absurd. Traut sich einer von Ihnen zu, eine Prognose abzugeben, wie die Welt 2020 aussehen wird? Ich traue mir das nicht zu. Möglicherweise gibt es Prognosedaten, die darauf hindeuten, dass wir im Jahre 2020 eine dermaßen dynamische wirtschaftliche Entwicklung haben werden, dass wir keine Schulden mehr aufzunehmen brauchen.

Zweitens: Was soll eigentlich der Stabilitätsrat bewirken? Ich darf daran erinnern: Es gibt eine Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes für den föderalen Staatsaufbau. Der Stabilitätsrat wird natürlich in diese Hoheitsrechte des Parlaments eingreifen können, ob man das will oder nicht. Deshalb haben wir verfassungsrechtliche Bedenken. Das Mitspracherecht von Parlamenten wird de facto über diese Regelung in einem Kernbereich ausgehebelt. Um zu erkennen, dass nicht nur wir diese verfassungsrechtlichen Bedenken haben, empfehle ich jedem, die Protokolle der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu lesen. Ich glaube, dass dort einige Sachverhalte deutlich geworden sind.

Drittens: Meine Damen und Herren! Wahlkampf ist für bestimmte Entscheidungen manchmal durchaus hilfreich; das kennen wir auch aus Brandenburg. Aber hier soll eine Entscheidung getroffen werden, deren Folgen wir möglicherweise noch gar nicht recht verinnerlicht haben. Was wird denn passieren? Spätestens ab dem Jahre 2012 wird das Land Brandenburg in der Struktur seines Haushalts darauf hinwirken müssen, bis zum Jahre 2020 keinerlei Schulden mehr aufzunehmen. Im Klartext bedeutet das: Mitten in der Zeit einer Krise und der wegbrechenden Steuereinnahmen sollen wir als Land Brandenburg einen finanzpolitischen Kurs fahren, der uns die Hände fesselt im Rahmen von Investitionsunterstützung, der Unterstützung notwendiger Entwicklungen. Das ist doch abenteuerlich in dieser Situation.

(Zuruf von der CDU: Wir werden uns einiges nicht mehr leisten können!)

Wer ist denn verpflichtet, gegenwärtig Schulden zu machen? In der Verfassung gibt es eine klare Regelung, die die Schuldenaufnahme auf die Höhe der Investitionen begrenzt. Das halte ich für richtig. Diese Regelung ist zureichend. Wir sollten uns, statt über eine Schuldenbremse nachzudenken, lieber darüber verständigen, was heute eigentlich eine Investition ist. Es geht also um unser Investitionsverständnis. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu beantworten, ob die Mittel tatsächlich in sinnvolle Investitionen gelenkt werden, die es uns ermöglichen, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung nicht nur des Landes Brandenburg kontinuierlich zu steigern.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Niemand redet dem Vorhaben das Wort, die Schuldenaufnahme so exorbitant zu betreiben, dass die Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland in irgendeiner Art und Weise bedroht ist. Wir als Politik dürfen aber nicht die Möglichkeit aus der Hand geben, antizyklisch zu agieren. Die entsprechende Notwendigkeit sehen wir gegenwärtig. Eine der wichtigsten Konsequenzen aus der Weltwirtschaftskrise 1929

ist es doch, in einer solchen Situation den Geldhahn nicht zuzudrehen, den Geldstrom also nicht zu verknappen. Vielmehr müssen jetzt staatliche Hilfen in Größenordnungen bereitgestellt werden, um unsere wirtschaftliche und soziale Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Ich wiederhole: Man darf sich den Zugang zu diesem Instrument nicht politisch selbst verbauen. Möglicherweise geschieht das auch nur vor dem Hintergrund des Wahlkampfes, weil man den Eindruck erwecken will, man habe alles im Griff - die Krise, die Staatsverschuldung -, und letztlich könnten wir heute entscheiden, wie die Welt 2020 aussehen werde. Ich halte ein solches Agieren politisch für äußerst bedenklich.

Deswegen lehnen wir die Einführung einer Schuldenbremse ab. Wir waren uns darin bisher immer mit dem Finanzminister dieses Bundeslandes einig. Ich darf daran erinnern: Nicht die Schulden an sich sind das Problem. Entscheidend ist die wirtschaftliche Fähigkeit eines Landes, die Schulden zurückzuzahlen. Hören wir bitte auch auf mit der Behauptung, die Schulden würden allein eine Belastung für künftige Generationen bedeuten. Kreditfinanziert werden heute zum Beispiel Maßnahmen im Straßenbau, im Schulbau und im Bereich der Investitionsunterstützung. Die entsprechenden Werte werden von der neuen Generation übernommen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Sie haben unsere Fraktion immer auf Ihrer Seite, wenn Sie sagen: Schulden dürfen nicht exorbitant die Leistungsfähigkeit eines Landes begrenzen. - Sie werden uns aber immer in einer politischen Kontrahaltung finden, wenn Sie so tun, als könne man per Beschluss die gewünschte Welt des Jahres 2020 herbeiführen, und wenn Sie deshalb ein Instrument aus der Hand geben, das wir alle dringend brauchen werden, um künftige Entwicklungen im Land Brandenburg - und nicht nur hier - gestalten zu können. - Vielen Dank.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Bitte, Herr Homeyer.

Herr Christoffers, ich habe aufmerksam zugehört.

Danke schön.

Deswegen stelle ich Ihnen folgende Frage: Würden Sie meine Meinung unterstützen, dass die Zinszahlungen in Höhe von ca. 900 Millionen Euro, die allein Brandenburg jedes Jahr leisten muss, nicht dazu beitragen, die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern?

Herr Homeyer, würden Sie mir zustimmen, dass wir ohne die Aufnahme der Kredite in der Vergangenheit möglicherweise in einer weitaus gravierenderen wirtschaftlichen und sozialen Situation als gegenwärtig wären? Noch einmal: Sie haben mich an Ihrer Seite, wenn es darum geht, über die Verwendung der aufgenommenen Mittel zu debattieren und insoweit eine qualitative Verbesserung herbeizuführen. Das heißt nicht, dass man sich das Instrument einer kreditfinanzierten Entwicklung aus der Hand nehmen lassen darf.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Der Abgeordnete Bischoff setzt die Debatte für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch zu fortgeschrittener Stunde ist ein wichtiges Thema hier im Parlament aufgerufen. Ich muss offen gestehen, dass es selten so hitzig und emotional zugegangen ist. Kollege Christoffers hat von hier vorn auf eine mögliche Schuldenbremse geschimpft. Ich will das Thema ins rechte Licht zu rücken versuchen.

Wenn wir von den 18 Milliarden Euro Schulden, die wir, das Land Brandenburg, derzeit haben, jedes Jahr 100 Millionen Euro zurückzahlen würden - Klammer auf: wir haben noch nie zurückgezahlt; Klammer zu -, dann wären wir, vorausgesetzt, es kämen keine Schulden hinzu, in 180 Jahren mit der Rückzahlung fertig.

Herr Kollege Christoffers, Sie haben gesagt, die Schuldenaufnahme sei gerechtfertigt gewesen - auch ich sage: zum Teil ja; wir haben sie als Regierungsfraktion mit beschlossen -, weil damit Straßen und Schulen gebaut worden seien. Diese werden aber in 180 Jahren längst nicht mehr da sein.

Wir haben einen Schuldenberg aufgenommen, der uns täglich zu einer Zinszahlung von 2,4 Millionen Euro verdonnert. Das sind jährlich - mein Kollege hat es gerade gesagt - weit über 700 Millionen Euro. Ich sagen Ihnen ganz offen: Wir können Zins- und Schuldenschranken noch und nöcher einbauen - in erster Linie sind die Abgeordneten dieses Parlaments, der anderen Landesparlamente und des Bundestages als Haushaltsgesetzgeber selbst dafür verantwortlich, eben nicht den Weg der grassierenden Neuverschuldung fortzusetzen.

Ich will noch eine Zahl nennen: In jedem Jahr gehen 7 % unseres Haushalts allein für die Tilgung von Zinsen drauf. Kollege Christoffers, von den 18 Milliarden Euro Schulden sind allein 10 Milliarden deshalb aufgelaufen, weil wir damit Zinsen für die anfangs aufgenommenen Kredite zahlen mussten. Wir haben inzwischen 10 Milliarden Euro Zinsen gezahlt!

Ich wundere mich, dass gerade Sie gegen eine Schuldenbremse die übrigens wirksam sein müsste - eintreten. Schließlich sind die Zinszahlungen nicht in Schul- oder Straßeninvestitionen geflossen, auch nicht an die Stadtsparkasse Schwedt, sondern an Großbanken wie die Deutsche Bank und an internationale Fonds. Das ist das Fischfutter für die sogenannten Finanzhaie,

die Sie in Sonntagsreden immer kritisieren. Diesen Weg wollen wir auf keinen Fall weitergehen.

(Beifall bei der SPD)

Um weiter zu versachlichen, was Sie gesagt haben: Sie haben den Eindruck erweckt, die Schuldenregel werde statisch sein. Die für die Länder vereinbarte Schuldenregel funktioniert nach einem einfachen Prinzip: In konjunkturell schlechten Zeiten ist es den Ländern durchaus erlaubt, Kredite aufzunehmen. Wir, die Länder, müssen allerdings gleichzeitig darlegen, wie wir in konjunkturell guten Zeiten diese Kredite in einem Zyklus wieder zurückzahlen. Der Bund macht dasselbe mit seiner Neuverschuldungsmöglichkeit, wenn auch mit einem Aufschlag.

Ich stimme allerdings in einem Punkt mit Ihnen überein: Die Föderalismusreform II ist keine große Reform, sondern im wahrsten Sinne des Wortes ein Reförmchen geworden. Wir hätten uns eine Bundessteuerverwaltung gewünscht. Wir hätten uns auch gewünscht, dass die grundsätzlichen Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern auf neue Füße gestellt worden wären. Aber das Ergebnis halte ich persönlich durchaus für vorzeigbar.