Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Uhr in unserem Plenarsaal zeigt an, dass wir uns bereits seit zwei Minuten laut Zeitvorgabe - in der Nachmittagssitzung befinden. Ich bitte Sie daher, Platz zu nehmen und Ihre Diskussionsrunden vor der Tür oder nach der Debatte weiterzuführen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer Christoph Schulze braucht immer das Läuten.

(Zuruf: Ja, ja!)

Ich kann natürlich auch läuten.

(Glocke der Präsidentin - Vietze [DIE LINKE]: So viel Zeit muss sein, Frau Präsidentin!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetz zur Strukturreform des amtlichen Vermessungswesens

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/6675

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 4/7517

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich schade, dass der zuständige Minister jetzt nicht hier ist, aber die Zeit drängt.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das amtliche Vermessungswesen an die heutigen Erfordernisse angepasst werden. Darin spiegeln sich die rasante technische Entwicklung in der Geoinformation und der Anspruch zunehmender Komplexität von Entscheidungsvorgängen wider.

Die Bedeutung des amtlichen Vermessungswesens für Wirtschaft und Verwaltung ist immens. Die damit gewonnenen Daten sind für Statistik, Raum- und Bauleitplanung und viele andere Bereiche, insbesondere für die Wirtschaft, unverzichtbar geworden.

Der Landtag hat sich mit diesem Gesetzentwurf schwergetan. Zeitweise ging das Gerücht um, dass es in dieser Wahlperiode keine Beschlussfassung geben soll. Der Gegenbeweis wird heute angetreten.

Durch die nunmehr vorliegende Neuregelung soll das staatliche Handeln auf die Kernkompetenzen beschränkt und Aufgaben auf den freien Berufsstand der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure ausgelagert werden. Die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure sollen in Zukunft für die Erfassung von Liegenschaften zuständig sein. In diesem Zusammenhang haben die Kommunen zu Recht auf das wohl gravierendste Problem hingewiesen, welches mit dieser Aufgabenübertragung verbunden ist.

Mit dem ersten Gesetz zur Funktionalreform im Land Brandenburg gingen 1995 die Aufgaben nach dem Vermessungsund Liegenschaftsgesetz auf die Kommunen über. Gleichzeitig wurde das Personal durch die kommunalen Gebietskörperschaften übernommen. Herr Kollege Ziel weiß es noch genau: Das war der mit Abstand größte Posten der Funktionalreform, der hier behandelt worden ist.

Durch die Neuregelung zur Liegenschaftsvermessung wird den Kommunen diese Aufgabe faktisch wieder entzogen. Das ruft berechtigte Kritik hervor. Schließlich behalten die Kommunen den überwiegenden Anteil des Personals und das vor dem Hintergrund der vorgesehenen Reduzierung der Landeszuweisungen.

Die Praxis in den meisten Kommunen sieht allerdings schon heute weitgehend so aus, dass in wesentlichen Umfängen Aufgaben aus dem Vermessungsbereich an die Vermessungsingenieure abgegeben werden. Trotzdem bleibt abzuwarten, wie sich die Neuordnung praktisch auswirken wird und wie sie von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Erreichbarkeit von Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren im berlinnahen Raum sehr gut ist, während die entfernteren Landesteile eher schlecht versorgt sind. Eine Grundstruktur muss gegeben sein. Deshalb schlagen wir vor, die Auswirkungen der Neuregelung aufmerksam zu begleiten und gegebenenfalls zeitnah gegenzusteuern.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung sah vor, künftig keine Abmarkungen mehr vorzuschreiben. Dieses Vorhaben ist in der Anhörung vor dem Innenausschuss heftig kritisiert worden. Dabei wurde deutlich, dass ein solcher Verzicht nur wenig mit der Abschaffung von Normen und Standards zu tun hat. Der Innenausschuss empfiehlt Ihnen nach einstimmiger Zustimmung zu einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, die Abmarkungspflicht beizubehalten. Wenn Sie dem folgen, wäre es ein Beispiel dafür, dass man aus einer Anhörung auch konkrete Schlussfolgerungen ziehen kann.

Ein Defizit des Gesetzentwurfs ist - so der Gutachter Prof. Noack -, dass es die Landesregierung versäumt, die von der EU vorangetriebene und in Kraft gesetzte INSPIRE-Richtlinie im Gesetz zu verankern und so voranzutreiben. Mit dem Gesetzentwurf bleibt also noch einiges offen und genügend Gestaltungsbedarf für die nächste Wahlperiode. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Holzschuher.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben einen Gesetzentwurf vorliegen, der, wie auch Herr Scharfenberg einräumt, ein moderner ist, einer, der in die Zukunft weist und der in wesentlichen Teilen auch von allen Beteiligten unterstützt wird.

Wir haben aber auch einen Beschlussvorschlag des Innenausschusses vorliegen, der sich auf Änderungsvorschläge stützt, die die Regierungsfraktionen erarbeitet haben und die da ansetzen, wo aus unserer Sicht etwas zu unkritisch in die Zukunft geguckt wurde, die ein bisschen die Bodenständigkeit wiederherstellt - wie man in dem Zusammenhang sagen kann -, jedenfalls was den ersten Teil des Änderungsantrags angeht.

Wir haben den Vorschlag: Wie bisher soll es der Regelfall bleiben, dass Abmarkungen vor Ort konkret im Boden erkennbar bleiben sollen, dass für jeden Eigentümer, auch für jeden sonst Interessierten erkennbar ist, wo ein Grundstück anfängt und aufhört, und dass man nicht darauf angewiesen ist, dies mit Hilfe von Satellitennavigationssystemen ermitteln zu müssen, die nicht diese Bodenständigkeit besitzen, die das Land Brandenburg, die Brandenburger und auch unsere Fraktion auszeichnet. Wenn Sie so wollen, ist das eine Art positiv verstandener Konservativismus.

In gewisser Weise ist auch der zweite Teil etwas, wie man sagen kann, Konservatives. Wir wollen nämlich, dass etwas bleibt, was sich bewährt hat. Deswegen habe ich Sie nicht so ganz verstanden, Herr Kollege Scharfenberg. Wir wollen, dass etwas bleibt, was Sie jetzt als wegfallend kritisieren, nämlich die Möglichkeit für die Kommunen, für die Katasterämter vor Ort, wie bisher Vermessungstätigkeiten auch im Auftrag von privaten Dritten entfalten zu dürfen.

Dahin zielt ein weiterer Änderungsvorschlag der Regierungsfraktionen, der mit zur heutigen Beschlussempfehlung des

Innenausschusses gehört. Wir wollen gerade, dass die bisherige Fassung, die eine Vermessung lediglich von Amts wegen bei öffentlichen Angelegenheiten vorsah, ausgedehnt wird, sodass die Katasterämter wie bisher neben den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren tätig werden können. Das ist im Übrigen nicht nur eine Frage, die sich mit Funktionalreform und Gebührenaufkommen befasst. Es geht aus unserer Sicht - aus Sicht der SPD-Fraktion - durchaus etwas weiter. Wir wollen zeigen: Wir sind nicht bereit, den Weg zu gehen, den man in den vergangenen Jahren manchmal zu unkritisch eingeschlagen hat - auch wir Sozialdemokraten vielleicht manchmal zu unkritisch eingeschlagen haben -, alles auszulagern, zu privatisieren und damit Kompetenzen beim Staat, bei den Kommunen aufzugeben.

Wir wollen diese Kompetenz, vermessen zu können, in den Kommunen erhalten. Das ist gerade in dieser Zeit ein richtiges Signal an die Kommunen und an die Bürger im Land. Wir wollen einen - wenn Sie so wollen - starken Staat, keinen, der alles regelt, aber einen, der die Fähigkeit hat, überall da regulierend einzugreifen, wo es möglicherweise zu Unstimmigkeiten auf dem Markt kommen könnte. Ein ganz kleiner Aspekt davon ist eben auch die Antragsvermessung durch die Katasterämter vor Ort.

Ich bin froh, wenn wir nachher dem Antrag so, wie er vorliegt, zustimmen. Damit haben wir ein wenig mehr Kompetenz bei unseren starken Kommunen im Land gesichert. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Claus.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die parlamentarische Befassung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist ein Beispiel für die Schwerfälligkeit des Brandenburger Gesetzgebers.

Die Befassung mit dem Gesetzentwurf zur Strukturreform des amtlichen Vermessungswesens in diesem Haus war gemessen an dessen Umfang eine eher schwere Geburt, wie man sagen kann, obwohl man eigentlich nur von einem Reförmchen sprechen kann.

Die mit der vorliegenden Initiative verfolgte Absicht, das öffentliche Vermessungswesen zu modernisieren und die normative Basis für eine zukunftsorientierte Vermessung und ein Geoinformationswesen zu schaffen, ist doch wohl reichlich überzogen worden. Ein Vermessungsgesetz soll dem Bürger, der Wirtschaft, der Verwaltung dienen und nimmt strukturpolitisch keine unbedeutende Funktion wahr. Das Verhältnis aus gesamtgesellschaftlichem Nutzen und Aufwand für Vermessungsarbeiten muss erhöht werden, und zwar so, dass sich das Ergebnis auch qualitativ vergrößert. Ob der Ansatz der Landesregierung, gemessen am Istzustand, das leisten kann, da haben zumindest ich bzw. wir als Fraktion derzeit noch gewisse Zweifel. Denn dazu müsste man in die Zukunft sehen können, und das können wir alle nicht.

Zweifel haben wir indes nicht, dass die Abgabe öffentlichrechtlicher Aufgaben im schlicht hoheitlichen Bereich auf Öffentlich bestellte Vermessensingenieure der richtige Weg ist. Aus Sicht der Bürger, der Wirtschaft und der allgemeinen

Verwaltung ist es zunächst völlig unerheblich, wer die amtliche Vermessungsaufgabe im Land oder in den Kommunen übernimmt. Sowohl die Katasterämter als auch die Öffentlich bestellten Vermessensingenieure verfügen in gleicher Weise über fachlich und rechtlich hochqualifizierte Ingenieure und über neueste Vermessungstechnik.

Gerade aber bei der Umsetzung der Aufgabenauslagerung auf die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure krankte der Gesetzentwurf der Landesregierung von Anfang an. Heute findet die Debatte zu den gesetzgeberischen Mängeln dieser Landesregierung hoffentlich ein glimpfliches Ende, meine Damen und Herren. Nun endlich haben Sie selbst als anfangs völlig beratungsresistente Koalitionsfraktionen im Laufe der parlamentarischen Befassung ein Einsehen gehabt und erkannt, dass es eben nicht tragfähig ist, dass nach dem Willen der Landesregierung zum Beispiel die Kommunen nicht mehr befugt sein sollen, Abmarkungen vorzunehmen, und dass es nach dem Willen der Landesregierung zukünftig möglich sein soll, statt der amtlichen Gebäudeeinmessung auch von privaten Dritten erstellte Unterlagen zur Fortführung des Liegenschaftskatasters zu verwenden. Diese Mängel - das wurde ja schon angesprochen wurden zum Glück behoben, und insgesamt kann man sagen, dem gefundenen Kompromiss kann man zustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Petke.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Holzschuher, es ist bemerkenswert, dass wir bei einem solchen Gesetzentwurf, den ich eher als fachlichen Gesetzentwurf charakterisieren würde, über konservative Grundüberzeugungen und anderes mehr sprechen. Aber das macht ja eine Landtagsdebatte sicher aus.

Die Landesregierung hat uns im September einen Entwurf vorgelegt, der aus mehreren Gründen notwendig geworden ist. Da ist zum einen die technische Entwicklung. Jeder kann nachvollziehen, was sich im Bereich der Navigation in den letzten Jahren getan und welche enormen Fortschritte es gegeben hat. Das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf den hier zu entscheidenden Bereich. Zum anderen haben der Haushalt des Landes und die Haushalte der Kommunen den Gesetzentwurf notwendig gemacht; denn es sind Daten auf dem Markt, es werden Leistungen erbracht, die auf der anderen Seite von den Kunden bezahlt werden. Zum Dritten gehört es zu dem Thema, das sich der Landtag am Beginn der Legislaturperiode notwendigerweise auf die Fahne geschrieben hat, nämlich zur Verwaltungsmodernisierung. Verwaltungsmodernisierung heißt, dass wir bei allem, was wir tun, schauen, dass es kunden- und bürgerfreundlich, aber eben auch bezahlbar und zukunftsweisend ist.

Die einzelnen Punkte sind angesprochen worden. Ich denke, der Gesetzentwurf und der Vorschlag des Innenausschusses, dem ein Vorschlag der Koalitionsfraktionen zugrunde liegt, sind ein vertretbarer Kompromiss. Wenn Sie sagen, Kollege Scharfenberg, wir müssten beobachten, wie sich das entwickelt, so entgegne ich: Das werden wir tun; das tun wir natürlich bei allen Punkten, aber speziell bei diesem Gesetzent

wurf bietet es sich an, die Auswirkungen dessen, was wir entschieden haben, in der Praxis abzuwarten und gegebenenfalls neu zu bewerten.

Ich entnehme der Formulierung eine Anspielung auf den nächsten Tagesordnungspunkt, was die Auswirkung einer Anhörung betrifft.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Sehr feinsinnig! - Görke [DIE LINKE]: Nur mit den Lottozahlen klappt es noch nicht!)

- Lag ich richtig? Kollege Scharfenberg, ich höre zu, wenn Sie sprechen. Das ist ja wohl selbstverständlich. Manchmal gibt es sogar eine Reaktion auf das, was Sie sagen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Vorausgesetzt, Sie sind da!)