Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

In Nordrhein-Westfalen ist das Hochschulfreiheitsgesetz - darauf werden Sie sich bezogen haben, davon gehe ich aus - bereits im Herbst 2006 verabschiedet worden. Im dortigen Parlament sind die Argumente dazu hinreichend ausgetauscht worden.

Verehrte Kollegen von der FDP, Sie sprechen in Ihrem Antrag von „hemmenden Regularien und überflüssigen Vorschriften“. Sie wollen weniger staatliches Weisungsrecht und weitreichende Kompetenzen. Das haben Sie hier nochmals vorgetragen, Herr Büttner. Was aber verbirgt sich in Wahrheit dahinter, wenn Sie - wie Sie es fast immer machen - weniger Staat und mehr Markt fordern? Was passiert, wenn die Mittel der Hochschulen an das Einwerben von Drittmitteln gekoppelt sind? Der Hochschullehrer Christoph Butterwegge hat es wie folgt zusammengefasst:

„Die Freiheit, von der da die Rede ist, bedeutet in Wirklichkeit Marktabhängigkeit. Statt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, müssen sich die Hochschulen demnächst um die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Wissens kümmern.“

- Also nur noch Mainstreamforschung? Ich will hier ausdrücklich noch auf zwei Punkte eingehen. Darüber, ob Hochschullehrerinnen und -lehrer verbeamtet werden müssen, kann man in der Tat trefflich streiten.

(Zustimmung des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Sie haben in Ihrem Beitrag zwar die Beamten genannt, dies in Ihrem Antrag aber ein Stück weit hinterfragt. Fakt ist jedoch, dass uns der Konkurrenzkampf um die besten Köpfe keine Wahl lassen wird. Ich erinnere hier ausdrücklich an die Diskussion zu Lehrerinnen und Lehrern. Wir haben sie nicht verbeamtet, weil wir das so schön finden, sondern das ist ein Alleinstellungsmerkmal, hier in Brandenburg Beschäftigung zu suchen und zu finden. Wir versprechen uns davon durchaus Positives. Das wird ähnlich auf die Hochschulen zutreffen, und deshalb würde ich es an dieser Stelle nicht hinterfragen, sondern ausdrücklich so stehen lassen.

Auch das von Ihnen als Grundlage verwendete nordrhein-westfälische Gesetz will die Beamten an den Hochschulen nicht in

frage stellen, sondern ihnen dort ausdrücklich weiter eine Beschäftigung ermöglichen.

Auch die Frage der Hochschulleitungsstruktur ist eine eifrig diskutierte. Ein Hochschulrat ohne Beteiligung von Lehrenden und Studierenden ist aus unserer Sicht - das sage ich hier ausdrücklich - nicht akzeptabel; denn dann würde ein mehrheitlich extern besetzter Aufsichtsrat Entscheidungen treffen, die andere umsetzen und im schlimmsten Fall ertragen müssen. Das kann nicht der richtige Weg sein. Darüber werden wir uns auch in Zukunft noch zu unterhalten haben.

Lassen Sie uns die Fragen also ausführlich und vor allem gemeinsam mit denen, die es betrifft, diskutieren und in eine Novellierung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes einfließen lassen. Den vorliegenden Antrag lehnen wir ab. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Melior. - Das Wort erhält die CDU-Fraktion. Herr Prof. Dr. Schierack, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, wir von der Union stehen für eine größtmögliche Autonomie der Hochschulen. Ich glaube, wir sind in Brandenburg bereits auf einem sehr guten Weg. In den vergangenen Jahren - Frau Melior hat das soeben beschrieben, ich war noch nicht dabei, aber ich habe es mir von meinen Kollegen sagen lassen - gab es im Plenum eine breite Diskussion, die letzten Endes in ein gutes Hochschulgesetz mündete.

Der Antrag der FDP ist gut gemeint. Ich habe mich über das Hochschulfreiheitsgesetz in Nordrhein-Westfalen informieren können, als ich am Montag und Dienstag in Düsseldorf war. Dort habe ich mit den Fachpolitikern gesprochen und mich in der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf mit dem Rektor, Herrn Prof. Pieper, und dem Prorektor Prof. von Allemann ausführlich unterhalten, und ich habe die hier bestehenden Rahmenbedingungen im Hochschulgesetz und die Forderung der FDP hier im Land abgeglichen. Die FDP fordert im Antrag die Auflösung des Doppelcharakters der Rechtsstellung. Es geht darum, dass Universitäten und Fachhochschulen als Körperschaften des öffentlichen Rechts verselbstständigt werden sollen. Dazu hat das Brandenburgische Hochschulgesetz eine eindeutige Regelung: Es gibt diesen Doppelcharakter, aber die Hochschulen können entsprechend dem Gesetz auch andere Rechtsformen annehmen - das ist heute schon möglich -, und damit herrscht in Brandenburg praktisch schon diese Wahlfreiheit, die Sie in Ihrem Antrag fordern.

Auf eigenen Wunsch hat die Viadrina im Jahre 2008 eine Stiftungsuniversität gegründet. Es wurde eigens dafür sogar ein Gesetz verabschiedet. Da besteht schon sehr viel Autonomie, und man ist auf die Universitäten zugegangen. Damit entfällt, mit wenigen Ausnahmen, für die Viadrina die allgemeine ministerielle Fachaufsicht. Damit besteht diese Wahlfreiheit heute schon. Wenn die FDP eine Vertiefung der Thematik wünscht, wären wir durchaus bereit, dies im Ausschuss zu behandeln.

Zu der weiteren Forderung der FDP: freie Entscheidung in der Finanzierung. Aus meiner Sicht haben die brandenburgischen Hochschulen bereits eine weitgehende Autonomie bei den Finanzentscheidungen. Es gibt zum Beispiel den Globalhaushalt, der ihnen für investive und nichtinvestive Maßnahmen zur Verfügung gestellt wird. Die werden von der Hochschule bereits jetzt schon selbstständig bewirtschaftet. Zudem gibt es bereits eine Hinwendung zu ergebnisorientierten Steuerungen für die Hochschule. Es gibt eine leistungsorientierte Mittelverteilung. Darüber, ob nun gröbere Zielvereinbarungen von Vorteil sind, sind sich selbst die Fachleute der Universitäten nicht einig.

Zum Problem Hochschule und Beamtenverhältnis: Ich halte das für ein schwieriges Thema. Zum einen wäre es gut, wenn wir nicht zu viel verbeamten würden. Zum anderen würde - das zeigt insbesondere die Besoldungsstruktur bei den neuen Professoren W1, W2, W3 - ein reines Angestelltenverhältnis von großem Nachteil für unsere Professoren an den Hochschulen bezüglich der Besoldung sein.

(Beifall des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Dadurch entstünde in diesem Land ein großes Problem bei der Auseinandersetzung und im Wettbewerb mit anderen Ländern. Wenn wir das wirklich wollten, müssten wir über die Finanzierung nachdenken. Das wäre mehr, als wir bisher bereitstellen.

Zu der Forderung, Leitungsstruktur verändern: Ich meine, dass die Leitungsstruktur in den Brandenburger Hochschulen bereits gut arbeitet. Sie kann heute schon von der Hochschule frei gewählt werden. So steht es im Gesetz. Ob auch bei uns eine echte Professionalisierung, wie sie im Angelsächsischen möglich ist, wo der Dekan einer Fakultät nur für die Organisation und nicht mehr für Forschung und Lehre verantwortlich ist, ist fraglich. Das halte ich unter den Finanzierungsmöglichkeiten in unseren deutschen Ländern für Utopie. Das halte ich nicht für finanzierbar. Wenn die FDP die Überweisung in den Ausschuss will, werden wir uns dem nicht verschließen, aber ich sage noch einmal: Das bestehende Hochschulgesetz in Brandenburg halte ich für qualitativ gut, und es hält auch der Entwicklung in der Wissenschaft stand. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten Frau Geywitz und Bischoff [SPD])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schierack. - Wir setzen die Aussprache mit der Fraktion DIE LINKE fort. Der Abgeordnete Jürgens hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag zeigt, aus welchem Holz die FDP geschnitzt ist. Das Holz ist leider morsch, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Wir werden den Antrag ablehnen, und zwar aus zwei Gründen. Der erste Grund ist, Herr Büttner und liebe Kollegen von der FDP, dass Sie leider die Zustände im Hochschulland Brandenburg nicht kennen. Das ist von meinen Kolleginnen und Kollegen auch schon angedeutet worden. Wir haben Globalhaushalte im Land Brandenburg. Wir haben die leistungsbezogene Mittelvergabe. Wir haben die Zielvereinbarungen mit den Hochschulen. Wir haben

bereits jetzt das Berufungsrecht für die Hochschulen. Wir haben an zwei Hochschulen im Land einen Pilotversuch zur Bauherreneigenschaft. Die Hochschulen haben die Möglichkeit, Körperschaftsvermögen zu bilden. Die Hochschulen haben die Möglichkeit, sich organisatorisch als Stiftungshochschule aufzustellen.

(Senftleben [CDU]: Und seit wann haben wir das alles?)

- Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass man die damalige Ministerin dafür lobt, dass wir die Autonomie erweitert haben. Zu dem Punkt komme ich gleich.

Das heißt, alle Punkte, die Sie hier anführen wollen, gibt es bereits im Land Brandenburg. Ihre Forderungen sind daher obsolet. Auch die Profilschärfung der Hochschulen findet bereits statt.

Ich möchte ein letztes Beispiel nennen: Wenn Sie die Zeitung gelesen haben, haben Sie mitbekommen, dass die Fachhochschule Eberswalde jetzt Hochschule für nachhaltige Entwicklung heißt. Damit schärft sie ihr Profil ganz entscheidend. Das findet in den Hochschulen also schon statt. Dazu brauchen wir keinen Extra-Antrag. Es gibt bereits viel Autonomie an den Hochschulen in Brandenburg. Wir haben leider zu wenig - und das ist die Kritik, die meine Fraktion auch damals an dem Gesetzentwurf der alten Landesregierung hatte - Mitbestimmung in den Hochschulen. Die Fraktion DIE LINKE hat immer mehr Demokratie an den Hochschulen angemahnt. Dagegen, dass wir die Autonomie erhöht haben, hatte man nichts. Das können Sie, Herr Senftleben, gern noch einmal im Protokoll nachlesen.

Der zweite Grund, aus dem wir den Antrag ablehnen, ist, dass wir damit aus unserer Sicht einen völlig falschen Weg im Hochschulbereich beschreiten würden. Sie wollen ein Hochschulfreiheitsgesetz, aber eigentlich müsste es „Hochschulfremdbestimmungsgesetz“ heißen; denn - das, was Frau Melior hier gesagt hat, trifft genau zu - es soll dem Primat des Wettbewerbs und der Marktwirtschaft der Hochschulen dienen und nicht mehr dem Primat der akademischen Weiterbildung und der akademischen Ausbildung.

Der Ursprung dieses Hochschulfreiheitsgesetzes liegt in NRW, wie Kollege Schierack schon gesagt hat. Es fußt auf den Forderungen des CHE, eines Instituts, das - von der Bertelsmann Stiftung seit Jahren unterstützt - ganz prononciert versucht, den Hochschulbereich neoliberal umzugestalten. Die Streichung der Hochschule als staatliche Einrichtung lehnen wir als Linke komplett ab. Die Bezeichnung als staatliche Einrichtung sichert den staatlichen Einfluss in der Hochschule und unterstreicht die Einbettung der Hochschule in das staatliche Gefüge. Das ist vor allen Dingen deshalb wichtig, weil Bildung eine staatliche Aufgabe ist.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Deswegen muss es hier auch die Bezeichnung geben, wie sie jetzt in unserem Gesetz steht.

Herr Abgeordneter Jürgens, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Wanka zu?

Aber gerne doch.

Wie kommen Sie auf die Idee, dass das Centrum für Hochschulentwicklung Gütersloh eine neoliberale Entwicklung der Hochschulen vorantreibt?

Frau Ministerin!

(Heiterkeit und Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Entschuldigung! Frau Ex-Ministerin, wenn man Sie fünf Jahre lang als Frau Ministerin angesprochen hat, dann kann das schon einmal passieren.

Frau Wanka, liebe Kollegin, Sie kennen sicherlich die Empfehlung, die das CHE in den letzten Jahren zur Entwicklung der Hochschullandschaft in ganz Deutschland abgegeben hat. Meine Fraktion stellt immer wieder fest, dass das ganz klar neoliberale Strukturen sind. Es soll der Markt und der Wettbewerb in den Hochschulen so gestärkt werden, dass es zu Rückschritten kommt, die wir für falsch halten. Die Bildung, auch die Hochschulbildung, ist eine staatliche Aufgabe. Das will das CHE nicht mehr so prononciert machen, wie wir es gerne hätten.

Was die FDP mit ihrem Antrag fordert, wäre eine Unterordnung der akademischen Belange unter wettbewerbspolitische Entscheidungen. Das lehnen wir als Linke ab. Deswegen lehnen wir auch den Antrag ab. - Danke schön.

Herr Jürgens, es gibt noch eine Frage des Abgeordneten Goetz, die auch rechtzeitig angemeldet wurde.

Bitte, Herr Goetz.

Herr Kollege, wären Sie in der Lage, den Begriff „neoliberal“ zu definieren?

Herr Goetz, dazu müsste ich hier eine längere Vorlesung halten. Dafür reicht meine Redezeit nicht aus.

(Och! bei CDU und FDP)

Wir beide können uns gerne verabreden; dann kann ich Ihnen das erklären.

(Zurufe von der CDU)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Niels von der Fraktion GRÜNE/B90 fort.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich gefreut, dass ich mehrere Parallelen zu

der NRW-Debatte von 2006 entdeckt habe. Auch dort wurde Herr Butterwegge zitiert, allerdings mit einer anderen Passage. Es ist so, dass wir als GRÜNE/B90 - ich habe allerdings die Rede nicht von dort kopiert, das möchte ich gleich sagen ebenfalls sagen: Ja, wir haben in Brandenburg Nachholbedarf, was die Freiheit der Hochschulen bei bestimmten Entscheidungen angeht. Wir unterscheiden uns dennoch elementar von der FDP. Deswegen möchte ich jetzt vortragen.

Es ist tatsächlich so, dass es mehrere Novellen gab und der Slogan „Mehr Freiraum für die Hochschulen“ angepriesen wurde. Die neuen Steuerungsinstrumente wie Zielvereinbarungen, Leistungsindikatoren und Ansätze zur globalen Haushaltsführung sind ein Weg. Allerdings gibt es immer noch die Stellenplanbindung. An dieser Stelle könnte durchaus noch Bewegung ins Spiel kommen. Auch die Beschränkung des kameralistischen Wirtschaftens kann man unseres Erachtens zunehmend lockern. Es wurde bereits mehrmals von der Ministerin gesagt, dass uns eine Novelle zum Hochschulgesetz in Brandenburg ins Haus steht.