Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Zum Zweiten haben wir längst zu diesem Aktionsbündnis eingeladen, Herr Cramer. Mit den Verkehrsbetrieben, mit den Umweltverbänden und mit den Sportvereinen wollen wir diesen Tag in Berlin organisieren. Es kommt darauf an, dass wir ein Angebot machen, das von den Menschen bejaht wird: Wir haben Lust auf Stadt und wollen uns in einer besonderen Art und Weise an diesem Tag in der Stadt bewegen! – Da werden sicherlich sehr viele mitmachen. Dieses Aktionsbündnis gibt es, und auch Sie sind herzlich eingeladen, Vorschläge zu machen und an einzelnen Ort etwas zur Organisation beizutragen.

Die nächste Zusatzfrage wird vom Abgeordneten Berger gestellt.

Herr Senator! Ich frage Sie, weil Herr Abgeordneter Hoffmann offensichtlich große Sorge hat, dass der Autoverkehr an einem solchen autofreien Tag in Berlin beschränkt werden könnte, ob Sie ihn darüber informieren könn

ten, dass in unserem Nachbarland Italien diese autofreien Sonntage auf helle Begeisterung gestoßen sind, und zwar gerade mit und wegen gesperrter Innenstädte. Dort haben sich Hundertausende begeisterter Menschen bewegt und gefeiert, es hat Kultur in einem Ausmaß auf der Straße stattgefunden wie sonst nie. Können wir nicht einen „italienischen Frühling“ als „Berliner Sommer“ wiedererleben und auch zur Kenntnis nehmen, dass in Italien eine breite Mehrheit der Bevölkerung – nach Umfragen 86 % – eben gerade die Sperrung der Innenstädte für solche autofreien Sonntage befürwortet haben? Warum sollte Berlin provinzieller sein als italienische Städte?

Herr Senator Strieder!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Mit einem Schriftsteller: „Das ist ein weites Feld.“, denn die mittelalterlichen Städte in Italien sind in der Regel gerade nicht autofrei und leiden auch in ihrer Attraktivität erheblich unter dem Verkehrsverhalten der Italiener sowie der Touristen. Zweitens gibt es unterschiedliche Rechtssituationen in Deutschland und in Italien. Und drittens gibt es auch unterschiedliche Verhaltensweisen.

Interessant an dem Beispiel Italien scheint mir zu sein, dass die Stadt Rom im „Heiligen Jahr“ diesen riesigen Ansturm von Besucherinnen und Besuchern bewältigt. Das wird nicht mit dem Individualverkehr bewältigt, sondern über intelligente Mobilität. Es ist für Europa von höchstem Interesse, wie diese Stadt es schaffen kann, diese Menschenmassen zu befördern, ohne dass täglich in der Innenstadt von Rom ein Verkehrskollaps stattfindet. Allerdings ist es de facto so, dass angesichts der Menschenmassen, die sich durch die Stadt bewegen, Rom zu einer großen Fußgängerzone im Innenbereich geworden ist.

Aber darum geht es in Berlin nicht, sondern darum, dass wir ein paar Mal am Sonntag eine Aktion machen, wie man sich anders als mit dem Auto in der Stadt bewegen kann, Stadt zu genießen, zu sehen, dass wir attraktive Mobilität auch außerhalb des Autos anbieten. Das ist eine Werbeaktion für Spaß und Lust auf Berlin und auf der anderen Seite eine Werbeaktion für den öffentlichen Personennahverkehr, für das Fahrrad fahren in der Stadt, für das Rollerbladen und für das Skaten.

Wir hoffen auf schönes Wetter, so dass alle mitmachen und diesen Sonntag genießen können. Wir sind nicht in der Situation, dass wir nur alles immer verbieten, anordnen oder Ähnliches mehr. Es geht nicht um Befehl und Gehorsam, sondern um Überzeugung und attraktive Angebote.

Die letzte Zusatzfrage kommt vom Abgeordneten Gaebler.

Herr Senator Strieder! Ein Beispiel aus einem anderen europäischen Land wurde bereits genannt. Nun sind auch in der Stadt Paris, die für CDU-Abgeordnete vielleicht eher als Vergleichsmaßstab dient, autofreie Sonntage durchgeführt worden. Können Sie etwas über die dortigen Erfahrungen berichten, insbesondere hinsichtlich der Freiwilligkeit bzw. der Sperrung ganzer Innenstadtbereiche? Welche Reaktionen der Autofahrerinnen und Autofahrer waren dort zu beobachten, die sicherlich nicht weniger autobegeistert sind als deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer?

Herr Senator Strieder!

Herr Abgeordneter Gaebler, vielen Dank für diesen wichtigen Hinweis! Wie wir alle wissen, ist natürlich in Paris eher eine Situation des Verkehrskollapses gegeben als in Berlin und dort gibt es erhebliche innerstädtische Verkehre. Das ist eben so, in Berlin gibt es immer noch Reflexe aus vergangener Zeit, und die Trauerarbeit über das Zurückliegende ist noch nicht überall geleistet worden.

(A) (C)

(B) (D)

Sen Strieder

Moderne innerstädtische Verkehrspolitik stellt nicht in erster Linie die Frage, was alles mit dem Auto möglich ist, sondern wie man in der Stadt bequem und attraktiv mobil ist.

[Niedergesäß (CDU): Deshalb brauchen wir die U 5!]

Dann gibt es einen Mix der unterschiedlichen Möglichkeiten und Mittel, um diese Mobilität zu erreichen. Dahin werden wir auch in Berlin kommen, aber manches dauert eben in Berlin länger.

Damit ist die erste Mündliche Anfrage erledigt.

Nun habe ich die Frage an den Abgeordneten Gaebler, ob er auf seiner Mündlichen Anfrage besteht, die inhaltlich auf die gleiche Thematik abzielt, oder ob er Frau Thieme-Duske den Vortritt lässt. –

[Gaebler (SPD): Bitte sehr!]

Dann hat Frau Abgeordnete Thieme-Duske das Wort zur Mündlichen Anfrage über

Strategien zur Einstellung von jungen Lehrern

Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Strategie verfolgt der Senat angesichts des hohen Durchschnittsalters der Berliner Lehrerschaft, und welche Maßnahmen wird er einleiten, um möglichst viele junge Nachwuchskräfte einstellen zu können?

2. Wie wird der Senat in diesem Zusammenhang das Instrument der Altersteilzeit für beamtete und angestellte Lehrer einsetzen?

Das Wort zur Beantwortung hat Herr Bürgermeister Böger. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Thieme-Duske! Sie haben in der Tat zunächst einmal Recht, dass das Durchschnittsalter der Berliner Lehrerinnen und Lehrer relativ hoch ist, auch wenn – ich möchte das nicht entschuldigend, sondern nur den Sachverhalt beschreibend hinzufügen – ein ähnlicher Sachverhalt in anderen westdeutschen Bundesländern zu beklagen ist. Ich habe kürzlich gelesen, dass in Bremen das Durchschnittsalter bei 55 Jahren liegt. Wir liegen glücklicherweise noch einige Jahre darunter, aber es ist eine Tatsache, dass wir dringend eine Ergänzung und Verjüngung der Berliner Lehrerschaft benötigen. Der entscheidende Faktor ist, dass wir eines möglichst großen Einstellungskorridors bedürfen, wie Sie auch sehr genau wissen. Das ist die erste und vorrangige Bemühung.

Nach den gegenwärtigen Planungen werden in diesem Jahr Aufstockungen der Neueinstellungen in Höhe von insgesamt knapp 800 Stellen vorgenommen. Wir haben bereits in diesem laufenden Schuljahr zum zweiten Halbjahr 105 Neueinstellungen vorgenommen, davon 25 Berufsschullehrer. Wir haben Aufstockungen von Teilzeitbeschäftigten im Umfang von 65 Stellen vorgenommen, was es während eines laufenden Schuljahrs bislang noch nicht gegeben hatte, aber dringend notwendig ist, um den Unterrichtsausfall zu minimieren.

Zugleich prüfen wir und haben es abgefragt, wie viele Referendare und Referendarinnen jetzt fertig werden. Wir planen, dass diejenigen Referendare, die im laufenden Schuljahr fertig werden, und unterstellt, dass ihre Fächer nicht gerade Überhangsfächer bei uns sind – was ich glaube, unterstellen zu können –, direkt nach ihrem Referendariat noch im laufenden Schuljahr eingestellt werden. Ich setze darauf, dass auch die Personalräte diesen außerordentlichen Vorgang mittragen, denn das ist die energischste Verjüngung, die wir insgesamt bekommen.

Im Übrigen haben wir – wie Sie wissen – die Ausbildungskapazität für Referendare und Lehramtsanwärter von 1 500 auf 1 800 Plätze gesteigert. Auch das bedeutet – zumindest in der zweiten Ausbildungsphase – eine jüngere und aktive Lehrerschaft.

Nun zu 2 und zum Instrument der Alterszeit: Hier möchte ich Ihnen die Zahlen nennen, damit klar ist, um welches Potential es geht. Auf Altersteilzeit haben Lehrkräfte einen Antragsberechtigung, wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet haben und vollbeschäftigt sind. Zum Stichtag 1. November 1999 waren insgesamt 5 232 der aktiven Lehrkräfte von rund 34 000 – also mehr als 10 % – vollzeitbeschäftigt und mindestens 55 Jahre alt. Davon sind 3 554 Beamte und 1 678 Angestellte; von diesen wiederum waren 752 Beamte 60 Jahre oder älter. Das heißt, dies wäre das antragsberechtigte Potential.

Wir verfahren gegenwärtig wie folgt: Anträgen von angestellten Lehrkräften wird entsprochen, soweit eine Erstattung des den Beschäftigungsumfang übersteigenden Vergütungsanspruchs durch die Bundesanstalt für Arbeit wahrscheinlich ist. Auch Anträge von schwer behinderten Beamten werden vom 55. Lebensjahr an bewilligt. Darüber hinaus wird Anträgen von Beamten, abgesehen von einigen speziellen Regelungen für Funktionsträger grundsätzlich stattgegeben, wenn diese das 60. Lebensjahr vollendet haben.

Um das Ziel der Einstellung junger Lehrer noch weiter gehender zu erreichen, ist der Senat bemüht, das Instrument der Altersteilzeit so weit wie möglich auszuschöpfen. Ich mache keinen Hehl daraus, an sich ist das eine sehr vernünftige und sinnvolle Maßnahme. Allein das Problem besteht im Vergleich zu anderen Verwaltungen bei mir darin, dass man mit Altersteilzeit hervorragend und auch Kosten dämpfend Überhänge abbauen kann. Unser Problem ist, dass wir keine Überhänge haben, sondern – wie soll ich das sagen? – Unterhänge, jedenfalls den Bedarf gegenwärtig sehr knapp befriedigen können. Ich habe, wenn ich auf Altersteilzeit gehe – – Das bedeutet, 50 % der Stunden werden gegeben, und ich muss fast, glaube ich, 80 % des Gehalts zahlen. Das heißt, hier komme ich in ein Konsolidierungsproblem. Wir sind dabei, gemeinsam mit der Innenverwaltung, dies noch einmal wohlwollend zu prüfen, damit wir doch verstärkt von diesem Instrument Gebrauch machen können.

Erste Zusatzfrage durch die Fragestellerin – bitte sehr!

Herr Senator! Angesichts der herausragenden Bedeutung gerade von Altersteilzeit für eine langsame Erneuerung innerhalb der Lehrerschaft: Werden Sie sich im Senat mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass von diesem Instrument auch im Lehrerbereich trotz der von Ihnen dargestellten Schwierigkeiten Gebrauch gemacht wird?

Herr Senator – bitte!

Frau Abgeordnete Thieme-Duske! Sie können davon ausgehen, dass ich mich insbesondere im Senat, aber auch an allen anderen Stellen intensiv dafür einsetzen werde, dass wir zunächst einmal objektiv und sicher den Bedarf an Lehrkräften, an Stellen darstellen können. Zum Zweiten werde ich mich nachdrücklich dafür einsetzen, dass wir eine kontinuierliche Verjüngung der Lehrerschaft hinbekommen. Ich glaube nicht, dass man mit Blick auf die pädagogischen Notwendigkeiten nur ausschließlich auf ein oder zwei Haushaltsjahre gucken darf. Wir werden, wenn wir unseren Kurs nicht ändern, ohnehin in den Jahren 2003/2004 große Probleme bekommen, weil wir dann so viele Lehrer einstellen müssten, die wir überhaupt nicht am Markt haben. Insofern ist hier eine kontinuierliche Erneuerung notwendig.

Die zweite Zusatzfrage von der Fragestellerin – bitte sehr!

(A) (C)

(B) (D)

Wie werden Sie die Lehrer und Lehrerinnen, die im Laufe des nächsten Schuljahres aus Altersgründen oder anderen Gründen ausscheiden, ersetzen?

Herr Senator!

Frau Abgeordnete! Wir werden – und haben auch dort die Zusage des Innensenators – jede aus Altersgründen ausscheidende Lehrkraft sofort ersetzen und dort keinen Freiraum mehr lassen.

Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Mutlu. – Bitte sehr!

Herr Senator! Wie viele Kräfte gibt es derzeit in Teilzeit im Berliner Schulwesen? Wie viele davon haben einen Antrag auf Aufstockung gestellt, und in wie vielen Fällen wurde – Sie haben das zwar genannt, aber akustisch kam das nicht an – schon eine Anerkennung ausgesprochen?

Herr Senator!

Herr Abgeordneter! Wir haben in diesem laufenden Schuljahr rund 800 teilzeitbeschäftigten Kräften einen Brief zukommen lassen mit der Möglichkeit, sofort auf volle Stelle gehen zu können. Diese 800 können nicht die Gesamtzahl von Teilzeit sein, sondern es sind diejenigen, die auf Zwangsteilzeit gekommen sind, weil wir sehr lange nur mit Zweidrittelstellen eingestellt haben. Von diesen 800 haben zwischenzeitlich 200 geantwortet. Von diesen 200 sind ungefähr 120, die jetzt sofort bereit waren, ihre Stelle als volle Stelle wahrzunehmen. Dem werden wir auch entsprechen. Das ist der Sachverhalt, den wir gegenwärtig haben.

Ich darf noch etwas zur Teilzeit sagen, weil es in der Öffentlichkeit auch schief angenommen wurde, dass es Lehrkräfte gibt, die ein Angebot zur Erhöhung haben und es nicht wahrnehmen. Selbstverständlich ist Teilzeittätigkeit etwas, was wir auch immer selbst gefordert haben, und an sich eine vernünftige arbeitsmarktpolitische Regelung. Das möchte ich nicht zum Vorwurf machen. Ich kann sehr gut verstehen, wenn sich jemand im Schuljahr auf die halbe Stelle eingestellt hat, dass er nicht auf den Plutz volle Stelle arbeiten will. Dessen ungeachtet bin ich froh, dass immerhin rund 120 gesagt haben: Ja, wir machen dies sofort! – Es ist schon vor drei Tagen vollzogen worden.