Protokoll der Sitzung vom 15.03.2001

Nutzen Sie das Mitspracherecht, damit solche Irritationen, wie sie mit der Veröffentlichung der besagten Broschüre bei Sportvereinen ausgelöst wurden, sich nicht wiederholen. – Aus diesem Grund unterstützen wir den Antrag der PDS-Fraktion.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Volk! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr Frau Seidel-Kalmutzki das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Privatisierung von Sportflächen an den Betroffenen und am Gesetz vorbei – so was läuft nicht mit der SPD.

[Beifall bei der SPD]

Wir haben uns bisher und wir werden uns auch künftig an bestehende Gesetze halten. Schon deshalb ist der hier vorliegende Antrag für uns gegenstandslos. Die von der PDS monierte Dokumentation des Senats zur Wasserstadt Berlin war nicht darauf ausgerichtet, Wohnungsbaugrundstücke am Wasser an

den Markt zu bringen, sondern sie sollte lediglich aufzeigen, welche Wohnungsbaupotentiale in Wasserlagen, die un-, unter- oder fehlgenutzt sind, aktiviert werden könnten. Sportnutzung konnte nur auf insgesamt sechs der untersuchten Potentialstandorte, und zwar in Reinickendorf, Spandau und Köpenick festgestellt werden. Die Flächenanteile lassen sich den Sportnutzungen im Einzelfall nur eingeschränkt zuordnen, da es sich um unterschiedliche Eigentumsformen sowie Miet- und Pachtverhältnisse handelt. Bei tatsächlicher Inanspruchnahme der Berlin gehörenden Flächen ist selbstverständlich § 7 Abs. 2 Sportförderungsgesetz anzuwenden, wonach bei höherrangigem Interesse Berlins an einer Nutzung dieser Flächen eine Zustimmung des Abgeordnetenhauses, also unser aller, erforderlich ist und in Anbetracht der Vereinsnutzung ein adäquates Angebot vorliegen müsste.

Uns allen ist die Diskussion aus dem vergangenen Jahr um die Änderung des Sportförderungsgesetzes noch gegenwärtig und damit auch die berechtigte Kritik an dem Senat. Ich glaube, nein, ich weiß, dass dem Senat wohl bewusst wurde, dass man an § 7, Abs. 2 des Sportförderungsgesetzes nicht vorbeiregieren kann. Aber das war hier auch überhaupt nicht beabsichtigt. Im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr, im Unterausschuss Sport, Ausschuss für Jugend, Familie und Sport und in der Kleinen Anfrage von Herrn Over wurde deutlich darauf hingewiesen, dass eine Privatisierung von Sportflächen mit der Untersuchung nicht gewollt ist und jegliche Veränderung der jetzigen Nutzung weder an den Betroffenen noch am Gesetz vorbei betrieben wird. Dieses sollte eigentlich genügen. Den mehrheitlichen Ablehnungen des Antrags in den genannten Ausschüssen schließt sich die SPD-Fraktion an und fordert gleichzeitig auf, nicht unnötige Ängste und Befürchtungen bei einem Sportverein zu schüren, indem man mit reißerischen Überschriften und unbegründeten Anträgen agiert.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön, Frau Kollegin! – Die Rednerliste ist damit erschöpft. Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der PDS bei Enthaltung Fraktion der Grünen die Ablehnung des Antrags. Wer dem Antrag in der Fassung der Drucksache 14/272 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist die Opposition. Gegenprobe! – Das ist die Mehrheit und die Koalition. Enthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 7, Drucksache 14/1028:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie, Schule und Sport vom 22. Februar 2001 zum Antrag der Fraktion der PDS über Rechtsextremismus konkret und vor Ort bekämpfen – Konzepte Berliner Pädagoginnen und Pädagogen gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt unterstützen und fördern, Drucksache 14/766

Der Ältestenrat empfiehlt für die Beratung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Fraktion. Ich höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Frau Schaub von der PDS hat sich zu Wort gemeldet und erhält es hiermit auch. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schule ist einer der Orte, denen besondere Verantwortung in der Auseinandersetzung gegen rechtsextremistisches Gedankengut zukommt. Für Heranwachsende ist sie wohl der Ort, an dem entweder die tägliche Auseinandersetzung gegen rechtsextremistische Gedanken und Handeln stattfindet oder aber solches geduldet wird. Wie in der Gesellschaft insgesamt gibt es auch an den Schulen eine gewisse Hilflosigkeit, wie Rechtsextremismus wirkungsvoll begegnet werden kann. Niemand hat ein Rezept dafür. – Herr Landowsky, ich

fände es gar nicht so verkehrt, wenn Sie denn auch zuhören würden, statt hier zu stören. –

[Landowsky (CDU): Entschuldigen Sie, gnädige Frau!]

Die PDS hat natürlich auch kein Rezept dafür, sie hat die Initiative engagierter Pädagogen aufgegriffen, dem Haus und seinem zuständigen Ausschuss einen Antrag zur Unterstützung der Pädagogeninitiative vorgelegt. Der beinhaltet erstens Fertigstellen bereits konzipierter Unterrichtsmaterialien, zweitens Aufbau einer Beratungsstelle für Schüler, Eltern und Lehrer, drittens Entwicklung von Bildungs- und Informationsmaterialien, die vor allem im Freizeitbereich eingesetzt werden können, und viertens Durchführung einer einjährigen Fortbildungsreihe für Lehrerinnen aus allen Bezirken zur Schaffung eines Multiplikatorensystems. In diesem Punkt war die Senatsverwaltung schneller als die Parlamentarier und konsequenter als die Vertreter der großen Koalition im Ausschuss, die unseren Antrag ablehnte. Die Seminarreihe ist mit einer Eröffnungsveranstaltung in der FriedrichEbert-Stiftung seit Mitte Februar im Gange, und ich wünsche ihr, dass sie Lehrerinnen und Lehrern Mut und hilfreiches Instrumentarium geben möge.

[Beifall bei der PDS]

Die große Koalition jedenfalls hat unseren Antrag abgelehnt. Die Begründung finde ich interessant. Einen Änderungsantrag hat es weder von der CDU noch von der SPD gegeben, der Versuch wurde erst gar nicht unternommen. Herr Schlede hat es nicht einmal für wert befunden, sich zu diesem Antrag überhaupt äußern, nachdem er das Berliner Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus – „respekt“ heißt es und wurde am gleichen Tag behandelt – als hilfloses Programm von Sozialarbeitern, vollkommen abgehoben und als mit den seit Jahren bekannten Leerformeln bezeichnet hatte. Und Sie, Frau Neumann, fanden dann sogar, der Antrag sei erledigt, die Lehrerschaft sei sensibilisiert. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich:

Nur in einem funktionierenden Beziehungsgeflecht zwischen Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern kann in den Schulen wirksame Arbeit am Thema geleistet werden.

Besonders Letzterem stimme ich zu. Ich frage Sie allerdings erstaunt: Sollte Ihnen entgangen sein, dass dieses für das Funktionieren von Schule so notwendige Beziehungsgeflecht eben von Ihrer großen Koalition systematisch zerstört worden ist? Nicht zuletzt deshalb braucht die Berliner Schule, brauchen Berliner Lehrerinnen und Lehrer Unterstützung und Hilfsinstrumente, um leisten zu können, was die Gesellschaft zu Recht von ihnen erwartet. Sonntagsreden oder Dienstagsstatements gegen Rechtsextremismus vor laufenden Kameras haben wir ausreichend gehört. Lassen Sie Taten folgen. Korrigieren Sie Ihre Entscheidung aus der Abstimmung im Ausschuss und stimmen Sie dem PDS-Antrag zu! Das Signal wäre spät, doch nicht zu spät. Sie wollen den vorgeschlagenen und zu einigen Teilen durch die Senatsverwaltung – nun hört er das Lob nicht mal – schon beschrittenen Weg, und Sie wollen nicht nur reden und die Verantwortung der Senatsverwaltung und den Lehrerinnen und Lehrern überlassen. Anderenfalls bliebe nur der schale Geschmack, Sie können dem Antrag nicht zustimmen, weil er von der PDS kommt. Und damit wären Sie allerdings kaum auf der Höhe der Zeit. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS]

Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Schlede, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegin Schaub! Also, wenn ich Programme aus Ihrem Munde zur Behebung oder Eindämmung des Rechtsextremismus betrachte, dann haben die doch immer nur eine Linie: Das sind alles Deklarationen, die bringen aber in der Praxis nichts. Wir – die SPD darf ich in diesem Fall gleich mal mit eingemeinden – von der CDU-Fraktion waren der Auffassung, dass die Maßnahmen, die der Berliner Senat ergriffen hat,

um gegen Rechtsextremismus zu sensibilisieren, vielleicht nicht unbedingt ausreichen. Aber Ihre Erleuchtung ist keine Ergänzung für das Programm. Das ist das Problem bei diesem Antrag gewesen. Denn das, was Sie vorgeschlagen haben, wird alles bereits gemacht. Man sollte sich doch in diesem Hause davor hüten, ständig den Lehrern irgendwelche Erkenntnisse vermitteln zu können aus diesem Hause heraus. Die Lehrer sind doch ausreichend sensibilisiert für dieses Phänomen.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Sie müssen doch nicht schlau gemacht werden durch dieses Parlament, welche Bedeutung Rechtsextremismus hat für das Schulleben und wie dieser das gesellschaftliche Leben und das Jugendleben beeinträchtigt. Aber es ist vollkommen richtig, was die Grünen gesagt haben, ich will das ausdrücklich hier bestätigen, dass es ein Missverhältnis gibt zwischen 5 Millionen DM für Jugendprogramme gestrichenen und 1,5 Millionen DM für ein Programm gegen Rechtsextremismus investierten Mitteln.

Ich bin der Auffassung, dass die ganz normale Jugendarbeit, die effiziente Jugendarbeit ohne Fingerzeig, das wirksamste Mittel gegen Extremismus ist.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Leider haben wir in den letzten Jahren zuviel von dieser normalen Jugend- und auch Schulsozialarbeit im Rahmen des Haushalts streichen müssen. Ich beklage das und bin der Auffassung, dass dies nicht unbedingt durch Sonderprogramme wettgemacht werden kann. Dennoch, der Schwerpunkt ist richtig erkannt, es sind 1,5 Millionen DM für Initiativen gegen jugendlichen Rechtsextremismus in diesem Jahr im Haushalt eingestellt.

Ich hatte bei der Diskussion – Sie hatten sehr viele Gesichtspunkte vorgetragen, Frau Schaub – über eine dieser Initiativen, nämlich „respekt“, aber das Gefühl, es seien zu viele sozialarbeiterische Ansätze in diesem Programm. Ein Programm gegen Rechtsextremismus mit einer Eröffnungsveranstaltung im MartinGropius-Bau durchzuführen mit einem Titel – wie hieß er noch?

[Frau Martins (Grüne): 7 Hügel und eine Wiese!]

„7 Hügel und eine Wiese“ – das ist abgehoben, das ist bar jeder Realität. Wen bekomme ich denn zu dieser Veranstaltung? Sicherlich wird kein einziger rechtsextremistischer Zirkel kommen. Auf der anderen Seite wird es auch nicht möglich sein, mit einer solchen abgehobenen Veranstaltung im Martin-GropiusBau andere zu sensibilisieren gegen rechtsextreme Ansätze. Deshalb habe ich der Initiative an diesem Punkt den Respekt versagt und sie aufgefordert, in die Wirklichkeit zurückzukehren.

Dagegen finde ich beispielsweise rechtsextremistische Ansammlungen im weiteren Umfeld von Sportveranstaltungen. Ich habe in diesem Zusammenhang die Präsidentin vom BFC Dynamo angesprochen und sie gefragt, ob sie solche Ansammlungen bei Veranstaltungen schon wahrgenommen hat.

[Frau Seidel-Kalmutzki (SPD): Richtig!]

An solchen Stellen muss ich diese Menschen abholen, wenn ich denn überhaupt heute in der Lage bin, in die sehr abgeschottete rechtsextremistische Szene hineinzukommen. Jeder in diesem Haus weiß, wie schwer das ist. Aber ich bin mir jedenfalls völlig sicher, dass ich an dieses Phänomen nicht mit einer Veranstaltung im Martin-Gropius-Bau herankomme.

Die Initiativen müssen dorthin gelegt werden, wo sie richtig sind, nämlich in die Schulen. Insofern halte ich es für richtig, dass die Senatsschulverwaltung schon einmal zehn Multiplikatoren ins Feld schickt, die andere Schulen auf Gesamtkonferenzen für das Phänomen sensibilisieren, soweit sie das nicht bereits sind. Aber unterschätzen Sie bitte nicht die Berliner Lehrerschaft und die Berliner Schulen! Die sind gegenüber diesem Phänomen bereits in hohem Grad wach geworden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Ich freue mich, dass so viele Abgeordnete im Saal sind. Die Presse und die anderen Medien haben uns gänzlich verlassen, die Zuschauer auch. Aber wir haben an

diesem Thema Interesse. Das muss auch einmal lobenswert hervorgehoben werden.

Zu einer Kurzintervention hat nun Frau Abgeordnete Schaub das Wort.

[Widerspruch bei der CDU – Atzler (CDU): Geben Sie das doch zu Protokoll!]

Vielen Dank für Ihre freundliche Empfehlung, Herr Atzler! Ich tue dennoch, was ich für richtig halte.

[Dr. Steffel (CDU): Sie hat ja auch Haare auf den Zähnen!]

Meine Damen und Herren! Ich sagte, niemand hat ein Rezept, wie man mit diesem komplizierten Problem umgeht. Aber wenn man unseren Antrag genau liest, dann heißt es in der Überschrift – ich zitiere als Privatissimum für Herrn Schlede, der den Antrag vielleicht nicht gelesen hat: „Konzepte Berliner Pädagoginnen und Pädagogen gegen Rechtsextremismus,“ – es geht nicht um ein Konzept der PDS – „Fremdenfeindlichkeit und Gewalt unterstützen und fördern“. Dieser Intention haben Sie sich bisher mit Ihrer Stimme enthalten.

Wenn Sie hier dieses Konzept so vehement verwerfen, dann frage ich Sie, wer hier eigentlich Regierungspartei ist. Wenn ich es richtig weiß, dann haben wir hier eine große Koalition. Aber ein Konzept Ihrer Partei, Herr Schlede, vermisse ich bis heute. – Vielen Dank! [Beifall bei der PDS]