Protokoll der Sitzung vom 28.11.2002

lfd. Nr. 2 A:

II. Lesung

Gesetz zur Änderung des Berliner Pressegesetzes

Dringliche Beschlussempfehlung Recht Drs 15/1028 Antrag der CDU Drs 15/116

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne somit die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf Artikel I und II – in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses ist es unkorrekterweise als Artikel III bezeichnet – sowie die Überschrift und die Einleitung in der Fassung der Beschlussempfehlung in der Drucksache 15/1028.

Eine Beratung ist vorgesehen. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme des Gesetzes in der neuen Fassung der Beschlussempfehlung. – Das war jetzt natür

lich eine Vorinformation. In der Reihe der eingegangenen Wortmeldungen hat zunächst für die Fraktion der CDU der Herr Abgeordnete Braun das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Rudolf Augstein Anfang dieses Monats starb, wurde vielen von uns noch einmal mehr als deutlich vor Augen geführt, welche Bedeutung die freie Presse für uns hat. Viele von uns sind mit dem „Spiegel“ politisch groß geworden. Wir ärgern uns über die Zeitung und über viele Berichte, aber keiner von uns will sie missen.

[Wieland (Grüne): Ha! Wer hat ihn denn eingesperrt damals?]

Zur Berichterstattung und zur freien Presse gehört auch das Wissen, wem die Druckerzeugnisse gehören. Nach einer, wie ich finde, viel zu langen Diskussion im Ausschuss – mindestens anderthalb Jahre – ist es der Union gelungen, auch die anderen Fraktionen dazu zu bringen, dass künftig das Berliner Pressegesetz vorschreibt, dass jedes Druckerzeugnis in periodischen Abständen die Inhaberverhältnisse offen legen muss.

Wir reden gern und oft über die Grundprinzipien der Pressefreiheit. Danach ist der Staat verpflichtet, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Medien ihren Dienst an der individuellen und kollektiven Meinungs- und Informationsfreiheit erfüllen können. Heute fixieren wir gesetzlich die Offenbarungspflicht. Die dient zum einen der Informationsfreiheit des Rezipienten, der sich künftig darüber kundig machen kann, wem das Druckerzeugnis gehört. Sie dient aber auch dem Pluralismus als wesentlichem Element, da durch sie offenbar wird, ob es Machtkonzentration im Pressewesen gibt.

In der heutigen Aktuellen Stunde haben wir über die schwierige wirtschaftliche Situation der Stadt gesprochen. Diese hat selbstverständlich auch die Presse erfasst. Die privaten Fernsehanbieter haben Einbrüche bei der Werbung von bis zu 20 %. Gleiches gilt für die Presse. Jeder von uns kann es verfolgen, wenn er vergleicht, wie z. B. eine Sonntagsausgabe noch vor wenigen Jahren aussah, wie dick sie war und wie sie heute aussieht.

Täglich können wir in den Zeitungen lesen, dass die Presseerzeugnisse in die roten Zahlen geraten. Die „FAZ“ hat das Business-Radio zugemacht, und die „Berliner Blätter“ sind weggefallen. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat die Berliner Seite zugemacht und das Jugendmagazin eingestellt. Vieles andere mehr wäre zu nennen. Auf dem Berliner Pressemarkt – ich will es hier vor den Journalisten nicht weiter ausführen – sieht es nicht sehr viel besser aus. Die „Berliner Zeitung“ hat ebenso Probleme wie viele Erzeugnisse des Springer-Konzerns. Auf dem Pressemarkt droht daher auch – und darüber sollten wir uns im Klaren sein – eine Konzentration. Wir werden diese wirtschaftlich im Ergebnis vielleicht nicht verhindern können, wir können aber Transparenz schaffen, wem welche Anteile an Zeitungen gehören.

Nach den vielen Gemeinsamkeiten im Ausschuss will ich davon absehen, die politische Konkurrenz wegen ihrer Beteiligung an den Medienerzeugnissen im Einzelnen zu rügen. Aber Sie kennen alle das Medienimperium der SPD: 22 Zeitungen, 16 Hörfunkstationen – halb Nordrhein-Westfalen wird von der SPD beschallt. Das mag man gut finden, und das gönnen wir auch der SPD, aber der Hörer und Seher sollte wenigstens wissen, von wem er ein Presseerzeugnis bekommt.

Ohne jede Schärfe: Wir werden auch in der Zukunft über das hinaus, was wir heute beschließen, prüfen müssen, ob wir das, was im Moment geschieht – nämlich die große Beteiligung von Parteien an Presseerzeugnissen –, im Sinne der Demokratie gut finden. Ich meine, hierbei besteht noch Regelungsbedarf. Die vierte Gewalt sollte ohne Beteiligung von Parteien existieren. Sie soll die Exekutive, die von den Parteien beherrscht wird, kontrollieren. Deswegen bin ich dafür, den Parteieneinfluss dort zurück zu drängen. Aber heute gehen wir einen ersten Schritt in Richtung Transparenz. Das finde ich gut, und ich freue mich, dass es heute wahrscheinlich zu einer einstimmigen Entscheidung kommen wird – so, wie im Ausschuss. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Das Wort für die SPDFraktion hat der Abgeordnete Lorenz. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte es eigentlich ganz kurz machen und nur sagen: Wenn die Union ihren gesamten Sachverstand ballt und dann auch noch anerkennt, was Sachkundige an Verbesserungen einbringen und selbst als Änderungsantrag vorlegen, dann ist selbstverständlich die SPD die Partei, die wie immer der Vernunft Recht gibt.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ich möchte Sie ausdrücklich ermutigen, auch weiterhin vernünftige Vorschläge zu machen, auf die wir eingehen. Herr Braun, ich kann Ihnen versprechen: Was den Rechtsausschuss angeht – und die Rechtsausschussfraktion kenne ich inzwischen auch ganz gut –, so wird das in Zukunft alles noch sehr viel schneller gehen. Also: Mehr Mut zu Vernunft!

Freilich muss ich auch noch Folgendes sagen: Mir würde es gefallen, wenn die Transparenz in der Presse noch sehr viel größer würde. Manchmal weiß man ja, warum die Presse so und so reagiert, und das sind manchmal sehr subtile Vorgänge. Die werden wir sicherlich nicht immer aufdecken können. Aber wenn es uns allen wirklich angelegen ist, den Menschen zu sagen, weshalb sie eine Information so oder so eingefärbt bekommen, wenn wir unseren Auftrag ernst nehmen, nämlich politische Aufklärung zu schaffen, und uns daran beteiligen, dann würden wir sehr viel mehr für die Demokratie tun, als wir durch unsere Streitigkeiten erreichen, die manchmal etwas formalisiert sind. – Herr Dr. Lindner, Sie fallen mir gerade in die Augen!

[Ritzmann (FDP): Hoffentlich nicht auf die Füße!]

Wir sollten diese Streitigkeiten etwas zurückdrängen zugunsten einer sachlichen Auseinandersetzung um die Wahrheit. – In diesem Sinne ein erster Schritt, Herr Dr. Braun oder Herr Braun! – Mir kommt es auf den Doktortitel nicht an. Sie wissen ja: Bei Dr. Lindner ist er auch nicht so wichtig.

[Heiterkeit – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Ich glaube jedenfalls, dass es ein guter Anfang ist und dass wir gemeinsam fortschreiten können. In diesem Sinne: Voran!

[Beifall bei der SPD und der PDS – Beifall des Abg. Trapp (CDU) – Pewestorff (PDS): Und der „Dr.“ ist doch wichtig!]

Herr Dr. Lindner hat nunmehr das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Herr Professor Lorenz!

[Heiterkeit]

Vielen Dank für diese nette Einleitung! Ich freue mich sehr, denn das war eines der wenigen Male, wo man gemeinsam zu einem, wie ich glaube, sehr schönen Ergebnis gekommen ist. Dem Ganzen lag ein Antrag der CDUFraktion zugrunde, und wir haben gemeinsam im Ausschuss hieran gearbeitet und auch gemeinsam noch sehr sinnvolle Ergänzungen gefunden.

Auf einen Punkt möchte ich an dieser Stelle besonders aufmerksam machen, und zwar den neu aufgenommenen Absatz 3 des § 7 a. Das ist die Hereinnahme von Anteilstreuhandschaften, und mir scheint, dass das ein zentraler Punkt ist. Sehr häufig bringen ja nicht Gesellschaftsverhältnisse die Erleuchtung, sondern das Wissen darum, wer hinter den Gesellschaften steht. Es geht also um die Frage, welche Treugeber an Verlagen mehrheitlich beteiligt sind. Hierzu haben wir eine Klausel gefunden, die nicht nur die Gesellschaft verpflichtet, gegenüber dem geneigten Publikum – den Bürgerinnen und Bürgern – zu einer Offenlegung der Treuhandverhältnisse zu kommen, sondern wir haben vor allem auch eine Verpflichtung der Gesellschafter, wiederum gegenüber der Gesellschaft Ross und Reiter zu nennen und also auch die Treugeber offen zu legen.

Das ist eine sehr schöne Konstruktion, die bisher noch kein Vorbild hat. Wir haben diese Konstruktion der Anteilstreuhandschaften im Ausschuss diskutiert und dazu ein Hearing durchgeführt. Anschließend gab es noch eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes. Und wenn das nun heute Gesetz wird, so freut mich das besonders. Damit sind wir ein deutliches Stück vorangekommen. Ich bedanke mich auch ganz herzlich bei allen beteiligten Fraktionen im Ausschuss und glaube, dass wir eine gute Arbeit geleistet haben. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Gram (CDU)]

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lötzsch. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion zu diesem Antrag der CDU-Fraktion war lange Zeit die Begleitmusik zu einer Dauerfehde zwischen CDU und SPD. Und Sie werden sich auch erinnern, und unser Koalitionspartner SPD wird es mir nicht übel nehmen, wenn ich darauf hinweise, dass die SPD nicht in jeder Debatte so gelassen, ruhig und überlegt auf diesen Antrag reagiert hat wie heute der Kollege Lorenz.

Der Antrag wurde bereits in der 14. Legislaturperiode von der CDU gestellt, dann in der 15. recycelt. Im Medienausschuss haben wir bereits am 20. Februar dazu eine Beschlussempfehlung verabschiedet. Hearings in Ausschüssen nennen wir hier immer noch Anhörungen, Herr Dr. Lindner; Anhörungen im Rechtsausschuss haben dann zu einem von allen nun befürworteten Ergebnis geführt. Ich denke, wenn hier alle Parteien sich heute dafür aussprechen, die Verflechtungen zwischen Medien und Politik aufzuklären, dann kann ich nur sagen: Nur zu! Wir werden uns alle daran beteiligen. Aber ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass wir alle miteinander in Kürze Gelegenheit haben werden zu zeigen, wie ernst es uns ist mit der Parteiferne von Medien, wenn es darum geht, sich zu verständigen, wer welche Position bei der neuen Landesrundfunkanstalt besetzt, wenn es darum geht, in den Gremien der ARD und beim ZDF Entscheidungen zu fällen. Dann, hoffe ich, wird sich die heute gezeigte Einigkeit der Transparenz und der Politikferne im Medienbereich hoffentlich auch in der Praxis umsetzen. Und wenn wir alle daran gemeinsam arbeiten, kann es vielleicht ein Stück weit gelingen. Ich hoffe, dass die heutige Einigkeit sich auch in die Praxis umsetzt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der PDS]

Danke schön! – Für die Grünen hat das Wort der Abgeordnete Ratzmann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir bleibt nur noch, mich in den Chor der Einmütigen heute hier einzureihen. Auch wir haben es als ein seltenes Ereignis im Rechtsausschuss empfunden, dass wir hier wirklich in seltener Einmütigkeit einmal ein Gesetzesvorhaben, das von der CDU initiiert worden war, durchgebracht haben. Und es ist richtig, im Gegensatz zum Medienausschuss haben wir noch etwas Nachbesserungsarbeit im Rechtsausschuss leisten müssen,

[Wieland (Grüne): Allerdings!]

und zwar in einer Form, die den ursprünglichen Antrag schon gar nicht mehr wiedererkennen lässt. Das ist zurückzuführen auf eine wirklich sehr erfolgreiche Anhörung, Herr Dr. Lindner, die wir dort gemacht haben.

[Dr. Lindner (FDP): Jawoll!

Das Vorhaben ist ein altes, es ist aber auch ein durchaus sinnvolles. Und es ist richtig, was der Kollege Braun gesagt hat, dass es sicherlich noch Weiterungen gibt, die

die Transparenz in der Medienlandschaft noch erhöhen werden. Dass das notwendig ist, denke ich, werden wir in der Tat auch in der nächsten Zeit sicherlich noch sehen. Wir haben ja nicht nur das Beispiel des SPD-Konzerns vor Augen gehabt, als wir dieses Vorhaben angegangen sind, sondern durchaus auch das der Kirch-Gruppe, die für andere politische Inhalte steht. Und die Weiterungen und die Folgen der Medienpolitik, die über die KirchGruppe gemacht worden ist, sind ja nun auch nicht von der Hand zu weisen. Es ist auf jeden Fall klar, das haben wir hier jetzt in Berlin auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir den Medienmarkt nicht allein der Wirtschaftlichkeit überlassen, sondern dass es durchaus sinnvoll ist, auch aus einer bitteren Erfahrung der Weimarer Zeit heraus Regularien einzuziehen. Ich denke, es bleibt noch abzuwarten, wie weit sich das in der Umstrukturierung der Kirch-Gruppe noch auswirken wird und wie weit wir hier mit diesem Gesetz auch dazu beitragen können, mehr Transparenz in die Wirklichkeit umzusetzen.

Eines sei mir aber am Rande noch gestattet, als Antwort auf den Kollegen Lorenz. Herr Lorenz, Ihre Worte habe ich wohl gehört, dass die SPD sich vernünftigen Anträgen nicht verschließen wird. Ich kann nur sagen, meine Erfahrung ist, dass das erste Mal war, dass ich die SPD in dieser Art und Weise auf vernünftige Anträge habe reagieren sehen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Ansonsten haben wir in letzter Zeit wohl eher die Erfahrung gemacht, dass es die politischen Kalküle und Machkonstellationen sind, die über das Schicksal von Anträgen hier entscheiden, und nicht die Vernunft und das Wohl für diese Stadt. Wenn ich mir angucke, was die Regierungsfraktionen gerade im Rechtsausschuss mit durchaus vernünftigen Anträgen in der letzten Zeit vollführt haben, kann ich nur hoffen, dass das, was Sie jetzt vielleicht in Folge von Kollegen Benneter hier an Einfluss geltend machen, dazu beiträgt, tatsächlich Vernunft walten zu lassen und hier endlich eine konstruktive Arbeit auf den Weg zu bringen und nicht immer nur das, was Ihnen in den Kram passt, mit Regierungsmehrheit einfach zu vertagen oder niederzustimmen. Das sind nämlich die Erfahrungen, die wir mit den Regierungsfraktionen in der letzten Zeit gemacht haben, und nicht die Vernunft. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich hatte bereits vorinformiert, der Ausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme des Gesetzes in der neuen Fassung der Beschlussempfehlung. Wer demzufolge der Drucksache 15/1028 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit haben wir dieses Gesetz einstimmig so angenommen.