Protokoll der Sitzung vom 27.03.2003

Herr Senator Wolf!

Es ist richtig, dass es diesen Hinweis in der Studie gibt. Wir versuchen, auch bei dem Thema Ernährungswirtschaft im Zusammenhang mit dem Thema Life-Science, also Gesundheitswirtschaft, die Vernetzung zwischen Old Economy und New Economy voranzutreiben.

Danke schön! Weitere Nachfragen liegen nicht vor.

Dann rufe ich den Kollegen Brinsa von der Fraktion der CDU zum Thema

Präventivmaßnahmen gegen Meningitis

auf. Bitte schön, Herr Kollege Brinsa!

Vielen Dank! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Brinsa, lassen Sie mich zunächst deutlich zum Ausdruck bringen, dass mein tiefes Mitgefühl bei den Eltern und der Familie des Jungen ist und dass ich sehr viel Verständnis dafür habe, dass sie selbstverständlich die Umstände des Todes ihres Kindes geklärt wissen wollen.

Ihre Frage nach der Verantwortlichkeit für den Todesfall des Jungen kann ich allerdings nicht beantworten. Sie wissen, dass momentan auf Grund einer Anzeige der Eltern in diesem Fall staatsanwaltschaftlich ermittelt wird. Ich kann dieser Untersuchung in keinem Fall vorgreifen.

So tragisch im Einzelnen jeder dieser Fälle ist, ich kann Ihnen heute eher nur ein paar grundsätzliche Ausführungen zu dieser Krankheit Meningitis machen. Die Meningitis, mit der wir es hier zu tun hatten, auch im Falle des vierjährigen Jungen, ist nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig. Deshalb können wir als Behörde einiges über die Häufigkeit, z. T. auch über den Verlauf der Erkrankung und zum Infektionsgeschehen insgesamt sagen und darüber nachdenken, welche Maßnahmen notwendig sind. Herauszustellen ist, dass es eine Besorgnis erregende Entwicklung in Berlin und ganz Deutschland zurzeit nicht gibt. In unseren Breiten müssen wir damit rechnen, dass etwa eine Erkrankung auf 100 000 Menschen kommt und dabei auch Todesfälle auftreten. Die Erkrankung tritt sehr häufig bei Kleinkindern und Jugendlichen auf. Wir hatten in diesem Jahr nach bisherigen Erkenntnissen 14 Fälle von Meningitis, darunter drei Todesfälle. Das liegt etwa auf dem Niveau des Vergleichszeitraums der letzten Jahre. Bei einer Meningitis der hier aufgetretenen Art muss man davon ausgehen, dass die charakteristischen Symptome – Genicksteife, Kopfschmerzen, Erbrechen

)

ben.

Ich habe mich gerade mit dem Innensenator darauf verständigt, gemeinsam festzustellen, dass das sicher nicht richtig ist. Ich habe nach dem, was ich von der Feuerwehr weiß, den Eindruck, dass diese Situation zum Anlass genommen worden ist, die Frage auch dort zu diskutieren, sich über Weiterbildungs- und Qualifizierungspläne für Sanitäter der Feuerwehrwagen Gedanken zu machen und sie hoffentlich sehr schnell in die Praxis umzusetzen.

(D

1. Wie bewertet der Senat die vom Bundeskanzler Schröder vorgestellten Vorschläge der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau hinsichtlich der sozialen und fiskalischen Folgen für die betroffenen Menschen und für das Land Berlin?

steife, Kopfschmerzen, Erbrechen u. Ä. – sehr plötzlich auftreten, dass aber die für die wirkliche Diagnose erforderlichen Symptome sehr spät auftreten, so dass im Anfangsstadium sehr häufig der Verdacht besteht, dass es sich um einen normalen grippalen Infekt handelt. Erst eine mikrobiologische Untersuchung kann dann Sicherheit ge

Gegen diese in Deutschland auftretende Meningitis – das ist Ihre zweite Frage – gibt es keine Präventivmaßnahmen. Das Einzige, was getan werden kann, ist, dass nach Bekanntwerden der Krankheit die unmittelbaren Kontaktpersonen mit einem Antibiotikum geschützt werden. Es gibt aber nicht die Möglichkeit, vor dem Auftreten dieser Krankheit insgesamt zu schützen. Die Gesundheitsämter sind damit befasst, die Kontaktpersonen auszumachen und sie auf entsprechende Weise zu schützen.

Danke schön, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage des Kollegen Brinsa? – Bitte schön!

Frau Senatorin, ich frage trotzdem einmal nach, obwohl Sie richtigerweise sagten, dass Untersuchungen laufen: Sind Sie nicht auch der Meinung, dass – nachdem zwei Todesfälle in Berlin bedauerlicherweise zu verzeichnen waren und diese auch in den Medien erwähnt wurden – die Ärzteschaft hier ein wenig sensibler hätte sein müssen?

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner!

Herr Brinsa! Diese Todesfälle sind nichts Ungewöhnliches, so tragisch das auch immer im Einzelfall ist. Ich gehe davon aus, dass die Ärzteschaft für diese Situation schon sensibilisiert ist. Dennoch kann es immer passieren – dafür kann niemand die Hand ins Feuer legen –, dass es auch Unaufmerksamkeit oder eine Fehlentschätzung gibt. Darüber kann man aber nur spekulieren, und das möchte ich nicht tun. Ich gehe zunächst davon aus, dass hier schon verantwortungsbewusst gehandelt worden ist. Alle weiteren Ergebnisse müssen dann die Untersuchungen ergeben.

Danke schön, Frau Senatorin! – Noch eine Frage des Kollegen Brinsa? – Bitte schön!

Frau Senatorin! Ich weiß nicht, ob Sie mir diese Frage beantworten möchten oder der Innensenator zuständig ist. Es gibt im Zusammenhang mit diesem Einzelfall die Frage, die man klären muss: Ist es richtig, dass Rettungssanitäter vor Ort eine 30 Minuten dauernde Diskussion mit den Betroffenen führten und versuchten, eine schulmedizinische Diagnose herauszufinden?

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner!

Danke schön! – Keine weiteren Wortmeldungen mehr!

Dann rufe ich Frau Abgeordnete Dr. Schulze von der Fraktion der PDS auf zu einer Mündlichen Anfrage über

Folgen der in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder vom 14. März 2003 vorgestellten Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme für das Land Berlin

Bitte schön, Frau Dr. Schulze!

Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

2. Welche Folgen wird die beabsichtigte Kürzung des Arbeitslosengeldbezuges für über 55-Jährige auf 18 Monate und für Jüngere auf 12 Monate haben, die trotz intensiver Suche keinen Arbeitsplatz finden können, und hält der Senat eine darüber hinaus vorgesehene Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen für ein sozialpolitisch vertretbares Instrumentarium bei fehlenden Arbeitsplätzen?

Frau Dr. Knake-Werner hat das Wort zur Beantwortung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Schulze! Erstens will ich feststellen, dass selbstverständlich auch ich der Meinung bin, dass eine Reform der sozialen Sicherungssysteme und des Arbeitsmarktes dringend geboten ist. Insofern unterstreiche ich erst einmal, wie gut es ist, dass diese Reformdiskussion intensiv in Gang gebracht worden ist. Ich befürchte allerdings – daraus mache ich keinen Hehl –, dass wir darüber trefflich streiten können und sicherlich auch streiten werden, wie eine zukunftsfeste Reform aussehen soll.

Die Ankündigung des Bundeskanzlers, die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zusammenzulegen, halte zunächst für richtig. Das ist auch das Ergebnis einer Diskussion, die wir schon seit Jahren führen. Es macht nach

Wie sich die finanziellen Lasten auf Bund, Länder und Kommunen verteilen werden, ist überhaupt noch nicht geklärt. Deshalb bewegen wir uns mit dieser Frage teilweise im Bereich der Spekulationen. Die angekündigten Arbeitsmarktvorhaben und das Anliegen, Arbeitslosen-

und Sozialhilfe zusammenzulegen, werden in einer Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern beraten. Am 2. April 2003 wird es die nächste Beratung geben, von der wir uns konkretere Informationen erhoffen. Eins darf aber in dieser Situation nicht passieren: Die Folgekosten der Arbeitslosigkeit dürfen nicht weiter auf die Kommunen abgewälzt werden. Damit dürfen sie nicht weiter belastet werden. Das wäre kaum zu verkraften. Dabei macht es mich nicht gerade hoffnungsvoll, dass der Bund bei der Reform des Arbeitsmarkts 4,5 Milliarden € einsparen will.

Danke schön, Frau Dr. KnakeWerner! – Frau Dr. Schulze hat eine Nachfrage. – Bitte schön!

Frau Senatorin, Ihrer Antwort konnte ich entnehmen, dass Sie die im Raum stehenden Vorschläge des Bundeskanzlers nicht für die geeigneten sozialpolitischen Instrumentarien halten, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Welche Möglichkeiten der Einflussnahme hat das Land Berlin, damit die konkrete Situation der Stadt in die diskutierten Vorschläge eingehen kann? Welche Schritte wird der Senat unternehmen?

meinem Dafürhalten Sinn, Leistungen – ob Geldleistungen oder Beratungsleistungen – aus einer Hand zu erhalten. Das führt dazu, dass dem Betroffenen wirkungsvoller geholfen werden kann. Es spart auch eine Fülle an Behördengängen. Große Probleme habe ich allerdings mit der Ankündigung, dass die Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe gesenkt werden soll. Das führte dazu, dass es für noch mehr Menschen in Berlin zu einer deutlichen Verschlechterung ihrer sozialen Lage kommt. Die Befürchtung ist groß, dass sie ein Leben am Rande der Armutsgrenze führen müssen. Das geht nicht ohne eine Verschärfung des sozialen Sprengstoffs in dieser Stadt ab.

Schon heute haben wir die Situation, dass ein großer Teil der Langzeitarbeitslosen – der ist in Berlin überdurchschnittlich hoch –, der in der Regel Arbeitslosenhilfe bezieht, auf ergänzende Sozialhilfe Anspruch hat. Wenn man sich das genau anschaut, dann hätten 80 % der Arbeitslosenhilfebezieherinnen und -bezieher Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe. Nur 26 % beantragen sie tatsächlich. Ich befürchte – das wären dann die Konsequenzen für das Land Berlin, jedenfalls nach heutigem Stand –, dass die Sozialhilfekosten bei einer Senkung der Arbeitslosenhilfe in Berlin deutlich stiegen, vor allem bei den größeren Bedarfsgemeinschaften, also bei den Familien mit Kindern, die schon heute von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe nicht mehr leben können, sondern auf ergänzende Sozialhilfeleistungen angewiesen sind.

Der richtige soziale Abstieg – und darin liegt sozialer Sprengstoff – droht den Arbeitslosen, deren Arbeitslosengeldbezug auf 12 Monate verkürzt werden soll. Das betrifft Personen, die noch nicht 55 sind. Bei denen, die älter sind, soll es eine Verkürzung von jetzt 32 auf 18 Monate geben. Wir wissen alle, dass der Wiedereinstieg für ältere Arbeitslose angesichts der bedrückend hohen Arbeitslosenzahlen, die wir seit Jahren haben, fast aussichtslos ist. Daran haben leiden auch spezifische Maßnahmen der Arbeitsförderung, wie Lohnkostenzuschüsse und Ähnliches, nichts Grundlegendes ändern können. Wenn in Berlin auf eine offene Stelle 48 Arbeitslose kommen, dann wissen wir, dass eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung oder andere Sanktionen keineswegs den Druck erhöhen, Arbeitsplätze zu schaffen. Vielmehr wird dadurch der Druck auf die Arbeitslosen erhöht. Wenn Menschen über 55 nach 18 Monaten Arbeitslosengeldbezug auf das Niveau der Sozialhilfe abrutschen und dabei womöglich noch Vermögen oder Erspartes zur Alterssicherung einsetzen müssen, dann bedeutet das einen Verlust an sozialer Sicherheit. Ich befürchte, dass damit Altersarmut vorprogrammiert ist. Der Armutsbericht, den wir im Sommer herausgegeben haben, deutet darauf hin, dass sich schon bestehende Probleme noch verschärfen können.

Bitte, Frau Senatorin!

Erstens gibt es die Möglichkeit, in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe die Interessen des Landes Berlin zu vertreten. Es gibt mehrere Interessentinnen und Interessenten, die ganz besonders die finanzielle Situation von Ländern und Kommunen im Blick haben. Zudem haben wir die Möglichkeit, unsere Interessen über den Bundesrat und seine Ausschüsse zu vertreten. Das wird der Senat sicherlich tun, wenn wir wissen, welche konkreten Gesetzesvorhaben auf dem Tisch liegen. Wir befinden uns in einer breiten gesellschaftlichen Debatte, an der sich alle intensiv beteiligen sollten. Wir werden sehen, welche Gesetzesvorhaben aus der Ankündigung des Bundeskanzlers erwachsen. Dann werden wir weiter darüber diskutieren.

Herr Staatssekretär Bielka möchte ergänzen. – Bitte schön!

Zu den finanzpolitischen Fragen: Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung angekündigt, die Gemeinden bzw. Kommunen in Milliardenhöhe zu entlasten. – Ich vertrete die Finanzministerseite in der genannten Kommission. Ich vertrete dort nicht Berlin, sondern die Finanzministerkonferenz. – Diese Erklärung ist von den Kommunen mit großer Befriedigung aufgenommen worden, weil vorher in den Verhandlungen nicht klar war, ob eine Entlastung der Kommunen vom Bund geplant ist. Die Diskussion hatte sich auf der Fachebene festgefahren. Der Bund hat in der Vergangenheit eine volle Kompensation für Entlastungen bei der Sozialhilfe gefordert. Durch die Erklärung der Bundesregierung im

Wenn ich die Diskussion in der Arbeitsgruppe auf Grund der bisher vorliegenden Materialien richtig verfolgt habe, wird es davon abhängen, wie man die Erwerbsfähigkeit definiert. Das ist noch unklar. Die Frage wird sein, ob es ein Kriterium wie Arbeitsmarktnähe geben wird, das darüber entscheidet, zu welcher Gruppe von Erwerbs- oder Förderfähigen die

jeweiligen Personen zählen. Das ist das Problem. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir um eigene Maßnahmen zur Integration von erwerbfähigen Sozialhilfeberechtigten auch künftig nicht herumkommen werden. Ich glaube auch, dass dies nach wie vor die Kommunen finanziell belasten wird. Aber, wie gesagt, das ist noch eine offene Frage, und wenn ich es richtig verstanden habe, soll sie am 2.April geklärt werden.

Ich spreche weniger aus der Sicht der Finanzverwaltung, sondern als derjenige, der in dieser Arbeitsgruppe mitarbeitet: Das Bundesministerium hat zur Überraschung aller in der vorletzten Woche den Begriff der Erwerbsfähigkeit ersetzt durch den Begriff der Arbeitsmarktnähe. Das bedeutet, dass die alte Konzeption, dass die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger der Bundesanstalt für Arbeit unmittelbar zugeordnet werden, nicht mehr aufrechterhalten worden ist, sondern man nur davon ausgeht, dass diejenigen, die arbeitsmarktnahe sind – also nicht die Dauerarbeitslosen beispielsweise –, der Bundesanstalt für Arbeit zugeordnet werden. Das heißt, das Kontingent der Zuordnung wird kleiner. Gleichzeitig hat die Bundesregierung allerdings erklärt, dass sie sich auch für den übrigen, bei den Kommunen verbleibenden Teil in der finanziellen Verantwortung fühle. Hier allerdings mit einschränkenden Bemerkungen, die in der Kommission tatsächlich noch strittig behandelt werden. Wir erwarten in der kommenden Woche einen endgültigen Entwurf der Bundesregierung, der dann abschließend erörtert werden kann.

Parlament ist hier Bewegung eingetreten. Wir können natürlich noch nicht sagen, in welcher Höhe sich das niederschlagen wird; der Begriff „Milliardenhöhe“ ist interpretierbar. Aber wir gehen fest davon aus, dass für die Kommunen – und damit auch für Berlin – eine finanzielle Entlastung eintritt.

Danke schön, Herr Staatssekretär! – Es gibt keine Nachfrage der Kollegin Schulze. Dann ist Frau Freundl dran. – Bitte!

Nach den derzeitigen Planungen der Bundesregierung werden bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bundesweit ca. 630 000 Personen völlig aus dem Bezug von Arbeitslosen- und Sozialhilfe herausfallen und gar keine Zahlungen mehr erhalten, weil ihr Vermögen bzw. das Einkommen des Partners angerechnet wird. Wann bekommen diese Personen Klarheit darüber, welche Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik für sie noch zur Verfügung stehen? – Es ist schwierig, eine derart große Personengruppe über einen längeren Zeitraum im Unklaren zu lassen.

Bitte, Frau Senatorin!

Ich gehe davon aus, dass sich die Länder und Kommunen darauf einstellen müssen, eine Art Ausfallbürge für die Menschen sein zu müssen, die keine Leistungen mehr erhalten. Ich finde es angesichts der Situation, dass wir nicht konkret wissen, wie was geregelt wird und wer dem Land mit welchen Ansprüchen gegenübersteht, schwierig, hier weitere Aussagen zu machen. Ich bin mir aber bewusst, dass uns die Bundesplanung kaum entlasten wird, sondern wir eine Menge Ideen entwickeln müssen, um mit der neuen Situation umgehen zu können.