Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

In meinen Ausführungen möchte ich mich auf den Antrag zur Studienplatzzahl beschränken, weil wir dazu auch um sofortige Anstimmung bitten. Ich bin mir sicher, dass wir im Ausschuss zu den Studien- sowie sonstigen Hochschulnutzungsgebühren noch eine lebhafte Diskussion führen können, auch wenn die Verlockung groß ist, das auch schon an dieser Stelle zu tun.

In dem bereits erwähnten Schreiben vertritt Herr Senator Sarrazin die Auffassung, 200 Millionen € könnten im Hochschuletat eingespart werden. Wie er heute in der Fragestunde erklärt hat, sei dies durch Effizienzsteigerungen zu erbringen. Das klang ein wenig nach der vagen Hoffnung, dass man mit weniger Geld genau das Gleiche erreichen könnte – eine bessere Qualität und zumindest gleiche Quantität an Studienplätzen. Vor einiger Zeit wurde zu dieser Frage ein Gutachten von einer namhaften Unternehmensberatung erstellt, die im Auftrag der Finanzverwaltung ein Ergebnis in Höhe von 200 Millionen € auf den Tisch legte, leider jedoch, ohne aktuelle Daten aus den Hochschulen zu analysieren. Deshalb kann sich jeder selbst ausmalen, wie realistisch solch eine Einsparsumme ist.

Einen Beratungswunsch gibt es nicht. Ich lasse deshalb einzeln abstimmen. Zunächst über die Drucksache 15/1642, das ist die Nr. 17/2002. Dieses Geschäft ist vom Ausschuss einstimmig, bei Enthaltung der Fraktion der Grünen, angenommen worden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist diese Beschlussempfehlung bei Stimmenthaltung der Grünen angenommen.

Die Drucksache 15/1643, das ist die Nr. 2/2003 ist ebenfalls vom Ausschuss einstimmig angenommen worden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit sind beide Vermögensgeschäfte, das letzte einstimmig, angenommen.

Die lfd. Nr. 32 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 33:

Zusammenstellung

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB

Drs 15/1625

Das ist die Zusammenstellung der vom Senat vorgelegten Rechtsverordnungen. Überweisungsanträge hierzu liegen mir nicht vor. Ich stelle deshalb fest, dass das Haus von den zwei Verordnungen Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 34:

Hochschulen mit Zukunft (1) – Berlin braucht mindestens 85 000 Studienplätze

Antrag der FDP Drs 15/1605

Hochschulen mit Zukunft (2) – Finanzierungsspielräume schaffen

Antrag der FDP Drs 15/1606

Hochschulen mit Zukunft (3) – Bundesratsinitiative zur Aufhebung des Studiengebührenverbots

Antrag der FDP Drs 15/1607

Für die gemeinsame Beratung stehen uns nach der Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Fraktion zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion, das ist die FDP. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schmidt – bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ausgangspunkt für die Anträge war ein Schreiben des Finanzsenators an seinen Kollegen Flierl, das uns in der Osterpause zur Kenntnis gegeben wurde. Die dort formulierten Einsparforderungen an die Berliner Hochschulen lassen für die Senatssitzung, die in Kürze über die Haushaltseckwerte für die kommenden beiden Jahre entscheiden soll, das Schlimmste befürchten.

Es muss noch etwas zu den ständigen Vergleichen des Finanzsenators mit Hamburg gesagt werden. Sie verkennen vollkommen, dass bereits in den vergangenen Jahren im Hochschulbereich erhebliche Einsparungen geleistet worden sind.

Nun zu der Zahl der Studienplätze. Bisher war die Zahl von 85 000 ausfinanzierten Studienplätzen der Kompromiss zwischen dem, was sich Berlin leisten kann, und dem, was sich Berlin leisten muss. Die Zahl der ausfinanzierten Studienplätze ist ein rein rechnerischer Faktor, der sich aus der Höhe der Ausgaben für die Hochschulen errechnen lässt. Die Realität sieht zum Glück anders aus. Auf den 85 000 ausfinanzierten Studienplätzen studieren insgesamt weitaus mehr Studenten. Davon profitiert Berlin ganz erheblich, denn es gäbe zum Beispiel mehr Leerstand, mehr Zuschussbedarf bei der BVG, mehr Arbeitslosigkeit auf Grund weniger Kaufkraft in der Stadt und anderes mehr. Deshalb profitiert Berlin enorm von jedem jungen Menschen, der in die Stadt kommt und ein Studium aufnimmt, denn die Zukunft der Stadt hängt entscheidend davon ab, wie qualitativ und quantitativ hochwertig unsere Hochschulen sind.

[Beifall bei der FDP]

Ein Verlust von qualifizierten Fachkräften bedeutet auch einen Verlust an Attraktivität für private Investitionen in Wissenschaft und Wirtschaft in der Stadt.

ist eine Frage, über die wir diskutieren müssen. Aber wir sehen durchaus Möglichkeiten, Einsparungen an den Hochschulen zu erreichen, ohne dass die Anzahl der Stu

dierenden in Berlin weniger werden muss. Ich möchte trotzdem noch einmal auf die Frage hinweisen, wie viele Studierende wir eigentlich in Deutschland brauchen. Augenblicklich haben wir eine Studienberechtigungsquote von 37 % eines Jahrgangs. Das ist relativ viel. Die zweite Frage ist, wie viel davon studieren dann. Das sind rund 30 %, die studieren. Fertig werden wiederum rund 22 %. 22 % eines Jahrgangs sind Absolventen. Das ist zu wenig, das müssen wir ansteigen lassen. Die Frage ist nur: Wo findet was statt? Wir haben in Deutschland insgesamt etwa 1 Million Studienplätze und 2 Millionen Studierende. In Berlin sind es 85 000 Studienplätze und 130 000 Studierende. Das Verhältnis in Berlin ist bedeutend günstiger als im Bundesdurchschnitt. Nach dem Königssteiner Schlüssel müsste Berlin

etwa 45 000 Studienplätze haben. Wir in Berlin haben fast das Doppelte. Woher kommt das? Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg, das relativ reich ist, oder auch Bayern oder Hessen bilden weniger Landeskinder aus, als sie könnten. Sie kommen hierher, werden hier ausgebildet. Zusätzlich muss man gestehen, haben wir – Gott sei Dank – einen hohen Anteil von Ausländern, die in Berlin studieren können. Aus diesem Grund haben wir mehr Studierende, als im Endeffekt der Finanzkraft des Landes entpricht. Deshalb müssen wir darüber diskutieren, welche Möglichkeiten es gibt, auch beim Bund. Der zweite Antrag der FDP – –

In der Vergangenheit hat keine Partei diese Richtgröße von 85 000 in Frage gestellt. Das konnte noch zu Beginn des Wintersemesters 2002/2003 in einer Berliner Tageszeitung nachgelesen werden, wo sich die hochschulpolitischen Sprecher aller Fraktionen entsprechend geäußert haben. In wenigen Tagen wird der Senat die entscheidende Weichenstellung treffen, mit welchen Rahmenbedingungen in ca. zwei Wochen die Hochschulvertragsverhandlungen weitergehen werden. Wenn das Abgeordnetenhaus auf diese Weichenstellung noch irgendeinen Einfluss nehmen will, dann müssen wir heute das entsprechende Signal dazu aussenden. Ich fordere Sie auf, lassen Sie uns deshalb heute dieses Signal setzen, dass wir auch ab 2006 weiterhin 85 000 ausfinanzierte Studienplätze in Berlin gesichert sehen wollen. So kann man es auch in der rot-roten Koalitionsvereinbarung lesen und aus den einmütigen Äußerungen der hochschulpolitischen Sprecher der Fraktionen ersehen. Wenn wir heute diese Abstimmung nicht treffen, lässt sich damit das Signal erkennen, dass selbst dieses unbestrittene Minimum in Frage gestellt wird.

Die vom Finanzsenator angemahnte Diskussion über die Qualität der Lehre ist damit noch nicht vom Tisch. Sie muss im Ausschuss und im Parlament geführt werden. Eines ist jedoch klar, wenn man über Kürzung der Zuschüsse redet: Dieses ist der am wenigsten geeignete Weg, um eine Qualitätsverbesserung der Lehre zu erreichen. Das ginge nur, wenn man die Studienplatzzahlen anteilig stärker senken würde als die entsprechenden Zuschüsse. Für die Stadt wäre das relativ katastrophal. Das können wir uns nicht leisten, denn Berlin braucht eine Wirtschaft auf Wachstumskurs. Damit die Wirtschaft wachsen kann, braucht sie einen starken Wissenschaftsstandort, qualifizierte Fachkräfte in der Stadt und auch junge Menschen, die gern in die Stadt kommen und studieren. Aus diesen Gründen benötigt Berlin mindestens 85 000 Studienplätze.

[Beifall bei der FDP und der Frau Abg. Paus (Grüne)]

Danke schön! – Für die SPD Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Flemming. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es schließt sich der Kreis. Heute Morgen hat Frau Paus die gleiche Frage an den Senator für Finanzen gestellt. Er hat ihr geantwortet und hat ganz klar gesagt, dass die Koalition daran festhält, 85 000 Studienplätze in Berlin sichern zu wollen.

[Frau Paus (Grüne): Genau das hat er nicht gesagt!]

Ob die Struktur so ist, wie sie jetzt ist,

[Zuruf von der FDP]

[Zuruf der Frau Abg. Senftleben (FDP)]

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lindner oder Frau Senftleben?

Wenn sie sich einigen können.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Kollege Flemming, ich habe eine Frage. Sie haben das Beispiel Bayern, Hessen und BadenWürttemberg gebracht und bemerkt, dass diese Studenten nach Berlin kommen, um hier an die Hochschulen zu gehen. Ich sehe das als positives Zeichen für Berlin, denn das ist ein Zeichen dafür, dass diese Stadt ein Renommee hat. Das ist wichtig für diese Stadt. Deshalb sollten wir bestrebt sein, möglichst viele Studienplätze auch zu erhalten und auch neue einzurichten.

[Gaebler (SPD): Eine Frage!]

Sind Sie mit mir dieser Meinung?

Frau Kollegin! Ich stimme Ihnen vollkommen zu., dass das ein Prä für Berlin ist. Wir sprechen hier über Finanzen. Wenn diese reichen Länder im Endeffekt ihre eigenen Landeskinder nicht ausbilden, müssen wir überlegen, welche Einigung wir mit den Ländern erreichen können. Sie wissen, dass München oder Frankfurt sich vehement dafür einsetzen, Studenten zu haben. Aber München und Frankfurt bezahlen es nicht, es bezahlt das Land. In Berlin sind wir leider nicht nur die Nutznießer, die wichtig sind, sondern auch die Zahler. Aus diesem Grund müssen wir darüber auch reden.

Tarifvorsorge ein, und die Unis reagieren mit einer Klage

Manchmal hat man den Eindruck, dass Sie Narrenfreiheit haben. Das tollste Stück war Ihre Androhung, 200 Millionen € aus den Hochschulen herauszuholen. Sie wissen, dass das dem Zuschuss an die HumboldtUniversität entspricht. Sie, Herr Sarrazin, und Sie, Herr Flemming, begründen das mit verdammt schrägen Vergleichen. Das Gutachten, das Sie vorgelegt haben, beruht auf sehr falschen Daten. Aber das ist ein beliebtes Spiel geworden. Wenn eine Kommission dann wirklich einmal gut begründete Vorschläge macht wie bei den Kunsthochschulen und sie dem Senator für Finanzen nicht passen, dann schreibt er einen bösen Brief an den Kollegen Wissenschaftssenator und fordert Gehorsam: „Senken Sie gefälligst die Kunsthochschulstudienplätze um die Hälfte ab, wie ich das immer schon wollte. Berlin hat dann trotzdem immer noch mehr als andere Städte.“ Ja, in der Tat, Herr Sarrazin, Berlin hat dann immer noch mehr Kunst als andere Städte, und das ist auch gut so.

Das gehört hierher und ist ein Teil der Geschichte der Stadt, Herr Flemming, die Sie vielleicht auch hätten erwähnen können. Massive Sparandrohungen gegen die Hochschulen einerseits, keine neuen Studienanfänger an der Humboldt-Universität, Schließung des Botanischen Gartens durch die FU, das sind die Drohgebärden, die das klägliche Bild dessen bestimmen, was eigentlich hauptstädtische Wissenschaftspolitik sein sollte, Herr Gaebler.

Dem zweiten Antrag der FDP kann man zustimmen. Da werden wir im Ausschuss diskutieren. Wir werden sicher Möglichkeiten der Regelung finden.