Protokoll der Sitzung vom 12.06.2003

Insofern denke ich, muss man sich daran orientieren: Was sind Maßstäbe von Prioritätensetzung in der Haushaltskonsolidierung in Berlin? – Und da sind aus meiner Sicht die beiden richtigen Stichworte schon gefallen. Das erste, Prioritätensetzung, heißt, dass man sich überlegt, wo man möglicherweise weniger spart als in anderen Ressorts. Und wenn ich mir anschaue, wie der Nachtragshaushalt 2001, wie der Haushalt 2002, wie der Nachtragshaushalt 2003 gestaltet worden ist, dann hat es hier eine Prioritätensetzung, eine möglicherweise auch dem Finanzsenator nicht ganz so leicht gefallene, aber im Senat gemeinsam getroffene Prioritätensetzung für die Bereiche Wissenschaft und Forschung gegeben. Und ich finde, das muss man sich auch von der größten Oppositionsfraktion im Hause nicht wegreden lassen. Hier hat es eine Prioritätensetzung gegeben, und hier ist die Regierungserklärung, die der Regierende Bürgermeister hier gehalten hat und auf die sich die Senatoren in der Koalition beziehen. Hier hat es kein Abweichen von der Regierungsvereinbarung gegeben.

Das heißt aber auch im zweiten Schritt, dass man sich mal überlegt, in welcher Weise argumentiert – und da nehme ich die Aktuelle Stunde mit hinzu. Da wird so getan, als ob es ein permanentes Abrücken der Koalition von der Koalitionsvereinbarung gegeben hat. Das trifft doch aber in der Sache einfach nicht zu. Es hat möglicherweise – der eine Punkt ist von Dr. Lindner durchaus immer wieder angesprochen worden –

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der FDP]

Vielleicht treibt Sie beide, Herr Flierl und Herr Wolf, die Sorge, Herr Sarrazin könnte Ihnen vorwerfen, dass das alles schöne Argumente sind, aber dass Sie bisher als Wissenschafts- und Wirtschaftssenatoren zu wenig getan haben, um tatsächlich aus Wissen Arbeit zu machen. Ich sage: Recht hätte Herr Sarrazin, wenn er so etwas sagen würde. Denn nicht einmal der Landesinnovationsbericht, schon im Jahr 2000 vom Abgeordnetenhaus beschlossen, liegt bisher vor. Den Bestand haben Sie irgendwie verwaltet, eine Reihe von Einzelinitiativen und einige wenige Netzwerke, die es eben gibt; aber nicht ein Impuls, geschweige denn ein Konzept existiert von Ihnen, wie denn die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, außeruniversitärer Forschung und den Berliner Unternehmen, insbesondere den kleinen und mittleren, nachhaltig verbessert werden könnte. Wir fordern Sie heute noch einmal mit unserem Antrag auf: Kommen Sie endlich in die Gänge!

[Beifall bei den Grünen]

Jetzt hat für die Fraktion der PDS der Kollege Hoff das Wort. – Bitte schön, Herr Hoff!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ehrlich gesagt, ich habe mich gefreut, dass wir eine Große Anfrage zur Wissenschaftspolitik heute hier haben, und ich war sowohl mit den Fragen wie mit den Antworten des Wissenschaftssenators einverstanden. Denn ich denke, dass sie noch einmal verdeutlicht haben sowohl, dass die größte Oppositionsfraktion sich dieses Themas annimmt und sagt, wir als größte Oppositionsfraktion machen Wissenschaftspolitik im Abgeordnetenhaus mit zu einem wichtigen Thema, und der Wissenschaftssenator aus meiner Sicht eine absolut adäquate Antwort gegeben hat insofern, als dass er dargestellt hat, dass sich entgegen den Ausführungen, die sowohl Herr Professor Stölzl als auch Frau Professorin Grütters hier gemacht haben, diese Koalition wissenschaftspolitisch mit dem, was sie erreicht hat, nicht verstecken muss.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dass es aber, und das ist der interessante Punkt, in allen Bereichen im mittlerweile achten Jahr einer intensiven Haushaltskonsolidierung in dieser Stadt keinen Bereich mehr gibt, der ohne Jammern, ohne riesige Probleme existiert, ist doch naheliegend. Dann aber zu konstruieren, Herr Stölzl, was Sie, glaube ich, in der Sache nicht durchhalten können, z. B. gegenüber den Bezirken, zu sagen, es ist der einzige Bereich, der überdurchschnittlich viele Einsparungen realisieren muss, und insofern, obwohl die Koalition Prioritätensetzungen machen wollte, sie einen Bereich besonders knechtet: Das können Sie im Kontext von anderen Ressorts, den Gesundheits- und Sozialressorts, oder den Bezirken einfach schlicht nicht durchhalten. Das ist eine Behauptung, die Sie aufstellen, die an der Sache vorbeigeht und im Übrigen an den anderen Betroffenen der Haushaltspolitik vorbeigeht.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

[Goetze (CDU): Wo ist er denn?]

bei den Vermögensveräußerungen, mal auf die Einnahmeseite geschaut, nicht die gewünschten Effekte gegeben, die wir uns erhofft hatten. Das ist richtig. Die Frage ist nur, machen wir hier mal ein Benchmarking Immobilienveräußerungen oder Firmenveräußerungen in anderen Bundesländern, in anderen Städten, die mit einer Immobilienkrise und einer Rezession mit der Tendenz zur Deflation geplagt sind, ob die bei den Immobilienveräußerungen und bei den Veräußerungen von öffentlichem Eigentum besser oder schlechter sind als das Land Berlin. Nehmen wir den Sonderfall Bankgesellschaft mal heraus, dann ist in Berlin kein Scheitern der Koalition festzustellen, sondern nachholender Effekte von Immobilienkrise und gesamtwirtschaftlicher Rezession mit Tendenz zur Deflation. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Man kann zwar immer sagen, da ist nichts passiert, der Senat hat sich keine Mühe gegeben – aber möglicherweise muss man ein paar Rahmenbedingungen mit hinzu nehmen. Auch bei den Immobilienveräußerungen im Wissenschaftsbereich – über den Sachverhalt diskutieren wir am meisten – kann man den Hochschulen genauso wenig wie dem Senat einen Vorwurf machen.

Wo man einen Vorwurf machen kann – das ist auch berechtigt –, ist: Die Koalition schafft es möglicherweise nicht gut genug, die in der Stadt vor allem überwiegend nebeneinander platzierten städtischen Leitbilder – durch die Berlinstudie und eine Reihe anderer Untersuchungen in der Öffentlichkeit transportiert: Stadt des Wissens, die

Wenn Sie wollen, komme ich jetzt zu dem Punkt, warum ich finde, warum wir als Koalition selbstbewusst im Bereich der Wissenschaftspolitik argumentieren können. Die CDU-Fraktion glaubt, jetzt mit durchgedrücktem Rückgrat durch die Stadt laufen zu können, weil sie einmal die

drei Unipräsidenten in die Fraktionssitzung eingeladen hat. Die Kommunikation, die wir mit den Universitäten und übrigens auch mit Fachhochschulen und Kunsthochschulpräsidenten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben, ist eine sehr intensive, und da muss ich mich vor Ihnen, Herr Wellmann, nicht verstecken.

Es ist eben ganz unterschiedlich, was man wahrnehmen will, Herr Henkel. Ich glaube, dass unsere Wahrnehmung über das, was die Stadt kommuniziert, eine deutlich unterschiedliche ist. Ich glaube nicht, dass Sie näher an der Wahrheit liegen als ich.

Ich habe Herrn Wellmann versprochen, dass ich ihm sage, warum wir in der Wissenschaftspolitik selbstbewusst agieren können. Es gibt eine Reihe von Problemen und unerfüllten Aufgaben, aber man kann auch mal die Lösungen von Problemen aufzählen, die die Koalitionen vor uns nicht realisiert haben: Die HU-Bibliothek wird neu gebaut; das ist durch Vermittlung der Senatswissenschaftsverwaltung ermöglicht worden. Es hat endlich die Standortentscheidung für die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft gegeben.

soziale Stadt, Ost-West-Kooperationsplattform – miteinander zu verknüpfen.

[Eßer (Grüne): Das reißt ihr doch alles ab, statt es aufzubauen!]

Wenn Jochen Eßer sein Zwischenrufkonto jetzt abbauen will, würde ich ihm jetzt kurz die Möglichkeit geben und dann einfach weitermachen.

[Schruoffeneger (Grüne): Das endet nie!]

Das endet nie, das stimmt, Hauptausschusserfahrung! – Die Leitbilder Stadt des Wissens, die das Wissen organisiert, das man in den Bereichen Arbeit und Wirtschaft braucht, die soziale Stadt, die eine Integration nach innen, und ein Ost-West-Kooperations- und Kommunikationszentrum, das eine Integration nach außen, nicht nur nach Brandenburg, sondern auch nach Osteuropa realisiert, diese Leitbilder noch nicht weit genug zusammengebracht zu haben, die Verknüpfungslinien, die Bindeglieder zwischen den Politikfeldern noch nicht deutlich genug gemacht zu haben, was unter den Bedingungen von Haushaltskonsolidierung auch nicht besonders leicht fällt, das ist durchaus ein legitimer Vorwurf an die Koalition. Aber ich kann Ihnen auch sagen, nicht nur meine Fraktion jetzt am Wochenende auf der Fraktionsklausur, sondern die gesamte Koalition macht sich darüber seit geraumer Zeit Gedanken. Ich habe von wenigen Oppositionsfraktion auch nur das Bemühen gehört, sich dieser Aufgabe zu stellen, im Sinne der Berlinstudie zu vernetzten Politikfeldern zu gelangen.

Herr Kollege Hoff! Der Kollege Wellmann möchte eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie das?

Ich sehe ihn so selten. Er kann kurz eine Frage stellen, wenn daraus nicht ein Redebeitrag wird.

Nein, eine Zwischenfrage! – Bitte, Herr Kollege Wellmann!

Herr Hoff! Sind Sie endlich einmal bereit, von diesen allgemeinen Sprechblasen herunterzukommen, sich mit der Realität in Verbindung zu setzen und das Gespräch z. B. mit den Hochschulpräsidenten zu suchen, die Ihnen sagen, wie die Wirklichkeit des Lebens in dieser Stadt ist?

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Bitte, Herr Kollege Hoff!

Beide Fragen beantworte ich mit Ja.

[Henkel (CDU): Sie wollen also von den Sprechblasen herunter?]

[Beifall bei der PDS und der SPD – Zuruf des Abg. Henkel (CDU)]

[Schruoffeneger (Grüne): Das mit der FHTW hat der Finanzsenator gestern in Frage gestellt!]

Das Studentendorf Schlachtensee hat endlich das Studentendorf übertragen bekommen. Das politische Mandat von Studierendenschaften ist gestärkt worden. Das Institut für angewandte Chemie in Adlershof ist bezogen auf die seit Jahren verhakelten Probleme der Erarbeitung einer zukunftsfähigen Lösung näher, als es jede Koalition vorher zu realisieren vermocht hat. Es hat eine kleine BerlHGNovelle gegeben, wobei wir gelernt haben, dass wir bei allen weiteren Gesetzesvorhaben, die es im Hochschulbereich geben muss, noch deutlicher als bisher machen müssen, dass wir keinen Rückfall hinter den bisher erreichten Stand von Hochschulautonomie wollen. Das wissen die Unipräsidenten und die Hochschulrektoren. Das ist kein Opportunismus. Wir haben in der kleinen BerlHG-Novelle gelernt: Wir brauchen das Signal „nicht weniger Hochschulautonomie, sondern mehr davon“, und das soll auch umgesetzt werden. Ich nenne noch das Hochschulmedizinvorschaltgesetz, das Integrationsgesetz Berufsakademie, und so lassen sich eine ganze Reihe von Punkten finden.

Wir werden auch künftig diese Aufgaben realisieren, weil wir in einem entscheidenden Punkt im Senat eine Einigkeit erzielt haben. Der Regierende Bürgermeister hat einmal das gemacht, was Sie alle wollen. Er hat eine Linie vorgegeben und gesagt: 85 000 Studienplätze.

[Schruoffeneger (Grüne): Nur einmal hat er eine Linie vorgegeben?]

Nein, an einem Punkt kann ich es Ihnen mal zeigen, was Sie sonst immer wollen. – Jetzt werden Sie natürlich sagen, es war nicht ausreichend, aber er hat gesagt, 85 000 Studienplätze sollen in dieser Stadt gesichert wer

Herr Flierl sagte in seinem Redebeitrag, wir sollten die Wissenschaft nicht schlechtreden. – Dies ist eine Un

terstellung. Wenn man in einer Großen Anfrage über die Zukunft der Wissenschaftspolitik der Stadt diskutiert, dann kritisieren wir nicht die wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt, sondern die Politik, die gemacht wird. Das ist ein bedeutender Unterschied.

In den letzten eineinhalb Jahren mussten wir erleben, dass Berlins Standortfaktoren in der Wissenschaft vom Finanzsenator als Überkapazitäten bezeichnet wurden. Dabei sind Schwerpunkte das, worauf man ein besonderes Gewicht legt. Es macht den Schwerpunkt aus, wenn man besonders viel von etwas hat. Darauf sind wir in Berlin stolz. Das kann uns nach vorn bringen. Das ist keine Überkapazität, die man abbaut, sondern von denen wir hoffen, dass sie Berlin auch wirtschaftlich nach vorne bringt, was wir wiederum dringend brauchen.

In der Antwort auf die Große Anfrage liest man relativ wenig darüber, wie Sie gedenken, die Wissenschaft in der Stadt zu stärken. Im Bereich der außeruniversitären Einrichtungen wird z. B. der Landesanteil von 10 % unter Vorbehalt gestellt. Ob der gezahlt werden soll, ist unklar. Dann bricht natürlich auch die Kofinanzierung für diese Einrichtungen weg, und man würde großen Schaden anrichten.

den. Der Senat hat sich darauf verständigt und wird sich auch darauf verständigen, und die Koalition wird es umsetzen. Das ist ein Punkt, auf den man sich sinnvollerweise verständigen kann, auf den man hinarbeiten muss und wo wir gemeinsam etwas machen können. So zu tun, als habe es nur ein Abrücken von Regierungsvereinbarungen gegeben – das kann ich nicht erkennen. Es gibt einen klaren Punkt: Eine Haushaltskonsolidierungsstrategie, die wir Anfang 2002 in der Koalitionsvereinbarung festgelegt haben, ist auf eine Reihe von Schwierigkeiten und Problemen getroffen, die wir uns zu Anfang des Jahres 2002 so nicht vorstellen konnten.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Lügt euch doch nicht selbst in die Tasche!]

Aus diesem Grunde sage ich: Wenn es hier zu einem modifizierten Konsolidierungskurs kommen soll, müssen wir uns im Parlament gemeinsam darauf verständigen, wie die Konsolidierungsstrategie unter neuen Rahmenbedingungen in der gesamtwirtschaftlichen Rezession und angesichts anderer Faktoren organisiert werden muss. Ich finde, alle Fraktionen in diesem Haus haben Recht, wenn sie sagen, auf eine solche Modifizierung müssen wir uns gemeinsam verständigen. Das wird sich in der Haushalts- und Wissenschaftspolitik auch niederschlagen. In diesem Sinne danke an die CDU-Fraktion, dass Sie die Große Anfrage gestellt haben. Sie haben uns die Möglichkeit gegeben darzustellen, wo noch Defizite sind, aber auch – das finde ich gut – darzustellen, was wir erreicht haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Hoff! – Das Wort für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Schmidt. – Bitte schön, Herr Schmidt!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Der letzte Redebeitrag wie auch der von Herrn Flemming hat gezeigt, dass einem Angst und Bange darum werden kann, wie es um die Wissenschaft in Berlin steht und wie es weitergehen wird.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Es war wenig Visionäres dabei. Man erfährt eher eine Verunsicherung. Herr Flemming, Sie haben gesagt, die Opposition mache den Eindruck, sie sei verunsichert, wie es in der Stadt mit der Wissenschaft weitergehe. Ich glaube, das ist gerechtfertigt, weil ich mir unter einen guten Wissenschaftspolitik etwas ganz anderes als das vorstelle, was hier in den letzten eineinhalb Jahren abgelaufen ist. Wir erleben, dass die Koalition nur bemüht ist, die Scherben wegzukehren, die sie selbst produziert hat.

Wenn man sich das Beispiel Berufsakademie ansieht: Von Herrn Hoff wurde das Integrationsgesetz als Erfolg verkauft. Das ist aber nur notwendig geworden, weil Sie dort gekürzt haben. Genauso kann man das für viele andere Bereiche fortführen.

[Beifall bei der FDP]