Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Wenn es ein wenig leiser ist! – Herr Sarrazin! Wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass die entscheidende Kammer des Landgerichtes und des Kammergerichtes – die es ja im Vorlauf hatte – contra legem – wider das Gesetz – eine Entscheidung getroffen hat, um Sie persönlich zu bestimmten haushalterischen Ansätzen zu zwingen? Das heißt, wollen Sie der Berliner Justiz vorwerfen, dass sie sich in dieser Sache rechtswidrig verhalten hat?

Nur eine Frage! – Herr Sarrazin!

Das habe ich natürlich gar nicht getan. Ich habe nur auf einen von mir empirisch beobachteten Zusammenhang hingewiesen.

[Heiterkeit und Beifall bei der PDS]

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt kommt die nächste Frage – von Frau Dr. Barth von der Fraktion der PDS. – Bitte schön, Frau Dr. Barth!

Das ist eine Anfrage an Herrn Senator Böger. – Herr Senator Böger! Stimmen die Pressemeldungen, dass viele Kinder keine Chance haben, in einer Grundschule in ihrem Einzugsbereich eingeschult zu werden, und wenn ja, wo sieht der Senat die Ursachen für diese Entwicklung?

Herr Senator Böger!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Barth! Es gibt so viele Pressemeldungen über verschiedene Sachverhalte. Ich glaube, Sie zielen ab auf eine Pressemeldung des „Tagesspiegels“. Die Grundschulen, daran wollen wir festhalten, haben einen Einzugsbereich. Dieser wird, auch daran wollen wir festhalten, von den Bezirken festgelegt. Es gab schon immer die Tendenz, dass Eltern erkannt haben, dass bestimmte Grundschulen ein besonders gutes Profil oder einen besonders guten Ruf haben, und durch Scheinanmeldungen dafür gesorgt haben, dass ihre Kinder in diesen Einzugsbereich kommen. Das ist eine bekannte Tatsache, die nicht ganz legal ist, aber es ist so. Ich kann das nicht alles nachprüfen. Das ist der eine Vorgang. Da kann es passieren, dass man dort nicht hineinkommt.

Dann rufe ich Herrn Schmidt von der Fraktion der FDP mit einer Frage auf. – Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an Herrn Senator Strieder zum Thema Gendarmenmarkt. Dort gab es einen Antrag auf die Genehmigung einer Benefizveranstaltung zu Gunsten der Sanierung des Domes. Diese Veranstaltung wurde nicht genehmigt. Wie beurteilt der Senat die Ablehnung dieses Genehmigungsantrags, und wie kann im nächsten Jahr, wo wieder eine Veranstaltung zu Gunsten des Domes stattfinden soll, Sorge getragen werden, dass diese privat organisierten Mittel zu Gunsten des Domes nicht verloren gehen, indem die Veranstaltung genehmigt wird?

Herr Senator Strieder, bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, dass der Bezirk Mitte zu verhindern versucht, dass sich der Gendarmenmarkt zu einem Rummelplatz entwickelt.. Aber das richtige Maß zu treffen, scheint diesem Bezirksamt sehr schwer zu fallen. Eine Tanzveranstaltung, ein Sommernachtsball auf dem Gendarmenmarkt hat nichts mit Verrummelung des Gendarmenmarkts zu tun. Das kann eine sehr schöne Veranstaltung werden.

[Ratzmann (Grüne): Sehr schön – für den Verein!]

Ich finde es ziemlich unmöglich, wenn man 30 000 Sänger nach Berlin einlädt und rund um den Gendarmenmarkt nicht dafür sorgt, dass dort Toiletten stehen. Ich

Ich habe eine Frage an die Senatorin für Justiz, Frau Schubert, zum so genannten Fall Mi

chel Friedman. – Frau Senatorin! Ist der Umstand, dass eine so genannte Informationssperre bei der Staatsanwaltschaft verhängt worden sein soll, als Schuldeingeständnis zu werten, dass vorher zu viel und zu freimütig insbesondere auch von der Justizpressestelle in diesem Fall informiert wurde, und gehen Sie davon aus, dass in diesem sensiblen Fall die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten gewahrt wurden, wenn gleichzeitig sehr genau über die Ergebnisse von Durchsuchungen, welche, so der Justizsprecher, szenetypischen Packungen man wo gefunden hat, berichtet wird und gleichzeitig aus allen Ebenen weitere Details in die Öffentlichkeit gedrungen sind?

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Es ist immer schwierig, bei Ermittlungsverfahren gegen Persönlichkeiten, die in der Öffentlichkeit Interesse hervorrufen, abzuwägen zwischen dem Anspruch auf Information und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen. Ich denke, dass die ersten Verlautbarungen, die von der Staatsanwaltschaft bzw. deren Pressesprecher auf Nachfrage der Medien an die Öffentlichkeit gelangt sind – wir sind nicht von uns aus an die Öffentlichkeit gegangen, sondern haben auf Medienanfragen geantwortet –, durchaus vertretbar gewesen sind. Sie sind auch in der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz und dem Informationsanspruch der Bevölkerung abgegeben worden.

habe großes Verständnis dafür, dass man sich mit der Eisbahn auf dem Gendarmenmarkt schwer getan hat, dass man nicht Buden beliebiger Art oder Oktoberfestzelte und dergleichen mehr dort aufstellen darf. Aber dass ein Empfang des ADAC eine so anstrengende Sache ist, wenn man dort den Platz und nicht nur die Treppe betreten möchte und dass der Platz entweiht werden könnte, weil man bei einem solchen Empfang vielleicht etwas trinkt und isst, dafür habe ich wieder kein Verständnis. Ich finde, man muss darauf achten, dass es kein Rummelplatz ist, sondern ein Platz, wo wir Veranstaltungen akzeptieren, die zum Charakter und zur Ästhetik dieses Raumes gehören. Dazu gehört Klassik Open Air, dazu gehören andere Veranstaltungen, aber auch, wie ich finde, ein Sommernachtsball oder ein sehr hochwertiger Weihnachtsmarkt. Wenn wir in die italienischen Städte gehen, wo wir richtig schöne Plätze wie z. B. in Lucca finden, ist es ganz selbstverständlich, dass dort drumherum Verkaufsstände und dergleichen aufgebaut sind. Das wollen wir nicht. Ich sage noch einmal: Für etwas, was die touristische Attraktivität und die Attraktivität der Stadt für die Berlinerinnen und Berlin hebt, sollten wir den Gendarmenmarkt zur Verfügung stellen und sollten gemeinsam alles unternehmen, um weiterhin zu verhindern, dass er zum Rummelplatz wird.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön!

Eine Nachfrage des Kollegen Schmidt!

Vielen Dank! – Wie können zusammen mit dem Bezirksamt Mitte geeignete Kriterien für zukünftige Genehmigungen entwickelt werden, damit wir nicht wieder in die gleiche Situation geraten, und wie steht der Herr Senator zu der Aussage der Baustadträtin von Mitte, die gesagt hat, dass private Veranstaltungen auf dem Gendarmenmarkt grundsätzlich nicht genehmigt werden?

Herr Senator Strieder, bitte!

Ich weiß nicht, ob Frau Dubrau das wirklich gesagt hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das gesagt hat. Es wäre schlichtweg dumm, hätte sie es gesagt.

Ansonsten kann ich dazu, welche Kriterien man entwickeln kann, nur sagen: Wir sind Widerspruchsbehörde, und das ist ja schon ein gutes Kriterium. Wenn die Veranstaltungen für die Stadt gut sind und ihr nützen, werden wir sie genehmigen.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Senator!

Das Wort hat nunmehr der Kollege Wieland für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte, Herr Wieland!

Frau Senatorin Schubert, bitte!

Dass später eine Informationssperre verhängt worden ist, hängt damit zusammen, dass, wie Sie eben schon mitgeteilt haben, von vielen Seiten Details an die Medien gegeben worden sind, die, so meine Nachforschungen, nicht aus unserer Behörde an die Medien gelangt sind. Dafür sprechen viele Dinge und auch die Berichte, die ich mir haben geben lassen. Wir haben geglaubt, dass die Fülle der Details, die von allen Seiten an die Medien gelangten, eine weitere störungsfreie Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft nicht mehr ermöglicht hat, und deswegen gesagt: Aus unserer Pressestelle der Staatsanwaltschaft wird, bis die Ermittlungsarbeiten einen Stand erreicht haben, wo das Informationsbedürfnis der Bevölkerung größer ist als der Persönlichkeitsschutz, nichts weiter verlautbart. Ich glaube, das war die richtige Entscheidung, die beides berücksichtigt hat, einmal den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen Michel Friedman und zum anderen das Informationsinteresse, das auch nach dem Pressegesetz besteht.

Danke schön, Frau Senatorin!

Eine Nachfrage des Abgeordneten Wieland. – Bitte!

Frau Senatorin! Ist Ihnen bekannt, dass die Verbreitung des Inhaltes mitgehörter Telefongespräche strafbar ist, sofern es unbefugt geschieht? Gehen Sie davon aus, dass sich jemand strafbar gemacht haben muss, der in dem Ermittlungsverfahren tätig ist, wenn solche Details wie der Name, unter dem sich Herr Fried

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Senftleben! Vielleicht darf ich zur beruhigenden Antwort einen Hinweis zum Sprachgebrauch geben. Ich bin nicht der Hüter der deut

schen Sprache, aber ich muss sagen, dass Begriffe wie „Chaos“, „Stigmatisierung“, „drunter und drüber“ jedenfalls in meinem begrifflichen und sprachlichen Verständnis sehr weit gegriffen, um nicht zu sagen sachlich irreführend sind.

Richtig ist eines: Wir mussten den Berliner Schulen und insbesondere den Eltern aus den bekannten Zwängen des Landes Berlin ein neues Verfahren vorgeben. Das Parlament hat die entsprechende gesetzliche Veränderung verabschiedet. Danach konnte ich erst formell die Verordnung den Schulen übermitteln. Ich habe aber bereits vorher durch meinen Staatssekretär den Schulen einen Hinweis gegeben, welche Regelung kommt, und auch deutlich gemacht, wie man diese Regelung umsetzen kann. Deswegen konnte ich die z. T. sehr kritischen Äußerungen manches Schulleiters und mancher Schulleiterin überhaupt nicht verstehen, die gesagt haben, sie wüssten von rein gar nichts. Ich frage mich, ob sie in einer Welt leben, in der sie medial überhaupt nichts mehr zur Kenntnis nehmen – wenn sie schon nicht Verordnungen lesen können.

Richtig ist aber, dass alles Neue immer eine Zeit braucht, bis es sich umsetzt. Damit muss man fertig werden. Ich gebe gern zu: Nach einem Lehrbuch für Veränderungen in der parlamentarischen Demokratie hätte ein solcher Prozess längere Zeit gebraucht. Aber das Parlament konnte aus den bekannten Gründen erst zu diesem Zeitpunkt entscheiden.

man gemeldet haben soll – Paolo Pinkel oder Paolo Pinkas oder wie auch immer – in den Medien stehen? Gibt es entsprechende Strafverfahren? Wurden sie eingeleitet? Versucht man wirklich ernsthaft, abzustellen – das hat inzwischen den halben Bundestag erreicht –, dass aus diesem oder diesen Verfahren heraus eine Verdachtsstreuung ins Unermessliche geschieht?

[Rabbach (CDU): Sehr richtig!]

Frau Senatorin, bitte!

Es ist so, dass sich diejenigen, die aus Telefonüberwachungsmaßnahmen gewonnene Erkenntnisse weitergeben, strafbar machen. Die Staatsanwaltschaft Berlin ist auch dabei, entsprechende Quellen zu orten, indem sie Recherchen anstellt. Was in den Medien allerdings über die so genannte Liste, die sich aus der Telefonüberwachungsmaßnahme von drei Personen, die sich in Haft befinden, ergeben haben soll, ist m. E. nicht richtig, denn die Staatsanwaltschaft hat mir berichtet, dass eine solche Liste bei der Staatsanwaltschaft nicht existiert, weil es keine Veranlassung gibt, hier eine solche Liste zu führen bzw. gewonnene Daten bezüglich Abgeordneter oder Regierungsmitglieder zu speichern. Es besteht kein Straftatverdacht, so dass eine Speicherung rechtlich nicht möglich ist. Deswegen ist sie auch nicht vorgenommen worden.

Danke schön, Frau Senatorin Schubert!

Meine Damen und Herren! Die erste Runde nach der Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigen. Wie immer eröffne ich diese Runde mit dem Gongzeichen. Schon bei Ertönen des Gongs haben Sie die Möglichkeit, sich mit Ihrer Ruftaste anzumelden. Die vorher eingegangenen Meldungen sind schon gelöscht.

[Gongzeichen]

Danke schön! Es geht los mit der Frau Abgeordneten Senftleben, die eine Frage hat. – Bitte schön, Frau Senftleben!

Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Senator für Bildung, Jugend und Sport, und zwar zur Organisation der Schule: Wie steht es mit der Umsetzung der Verordnung zur Neuregelung der Lernmittelfreiheit? – Vieler Ondits zufolge soll sie an vielen Schulen zu chaotischen Verhältnissen geführt haben. Können Sie uns diesbezüglich eine beruhigende Antwort geben?

Herr Senator Böger, bitte!

[Schruoffeneger (Grüne): Weil der Senat nicht zu Potte gekommen ist!]

Ich glaube, dass wir im neuen Schuljahr mit den Lernmitteln kein Chaos anrichten, sondern dass es eine vernünftige Grundausstattung gibt. Ich kann auch überhaupt nicht verstehen, wenn in den Schulen gesagt wird, sie wüssten nicht, welche Bücher sie zur Verfügung stellen können. Die Verordnungen liegen längst vor und sind auch allen Schulen bekannt. Ich sehe diese Schwierigkeiten nicht, die mancherorts gesehen werden.

Danke, Herr Senator!