Protokoll der Sitzung vom 25.09.2003

Danke schön, Frau Senatorin! – Frau Hertlein, haben Sie noch eine Nachfrage? – Nein! – Dann ist der Kollege Matz von der Fraktion der FDP an der Reihe und hat das Wort!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Zimmermann! Das Bundesverfassungsgericht hat gestern Mehrfaches entschieden. Es hat zum einen gesagt, dass ein Verbot des Kopftuchtragens gesetzlich zulässig ist. Es hat darüber hinaus eine Aussage und eine Wertung getroffen, dass es durchaus auf Grund der staatlichen Neutralitätspflicht gewichtige Gründe geben kann, im schulischen Bereich oder auch in anderen staatlichen Bereichen – es ist nicht nur eine Frage der Schule, sondern auch eine Frage, ob einem beispielsweise eine Richterin mit Kopftuch oder eine Polizeibeamtin mit Kopftuch gegenübersitzt – solche religiösen Bezüge von dem Autoritätsstaat, wenn er auftritt, fernzuhalten. Das entspricht im Übrigen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Februar 2001 in einem Schweizer Fall. Dort hat der EuGH gesagt, dass das Verbot für eine Lehrerin an einer Grundschule während des Unterrichts ein Kopftuch zu tragen ein berechtigtes Ziel verfolgt, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und nicht unverhältnismäßig ist und nicht gegen die Menschenrechte der europäischen Menschenrechtskonvention verstößt.

Mehr öffentliche Aufmerksamkeit für den Verbraucherschutz ist natürlich sehr lobenswert. Was macht Sie allerdings glauben, dass, bloß weil eine lange Nacht der Museen gut funktioniert, auch eine lange Nacht des Verbraucherschutzes gut funktionieren muss und Besucherströme in Institutionen mit so wohlklingenden Namen wie Berliner Betrieb für zentrale gesundheitliche Aufgaben erwartet werden. Glauben Sie, dass dies sexy genug ist?

Frau Senatorin Knake-Werner!

Danke, Herr Präsident! – Herr Abgeordneter Matz! Man kann alles immer mit noch viel mehr Sex ausstatten. Das ist völlig klar. Wir haben hier eine Reihe an Standorten, die für ganz viele hochattraktiv sind, beispielsweise die Domäne Dahlem, der ehemalige Krankenhausstandort Moabit mit einer Fülle an spannenden und interessanten Angeboten im Zusammenhang mit Gesundheit, Patienteninformation, Drogenkonsum und vielen anderen Fragen des Gesundheitsschutzes. In dem OBI-Markt in Mahlsdorf verdeutlichen innerhalb des OBI-Marktes interessanterweise unabhängige Experten in verschiedenen Abteilungen, wie zu bestimmten Angeboten Fragen des Verbraucherschutzes von den Verkäufern berücksichtigt werden müssen.

Ich finde es ganz toll, was wir hier zusammengestellt haben. Ich rechne nicht damit, dass nun sofort riesige Massen kommen. Wir wissen, dass in Berlin manches auch erst eine Tradition erwerben muss. Eines ist aber gewiss, dass Berliner lange Nächte spannend zu finden scheinen. Deshalb halte ich es für eine gute Idee, dieses Medium für ein eher dröges Thema zu nutzen. Wenn es uns gelingt, dieses zu vermitteln, haben wir vieles geschafft.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Senatorin! – Die Fragestunde ist damit beendet. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden gemäß § 51 Abs. 5 mit einer Beantwortungsfrist von 3 Wochen schriftlich beantwortet.

Ich rufe nun zur

Spontanen Fragestunde

auf. Zunächst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der Fraktionen mit je einem Mitglied. – Es beginnt der Abgeordnete Zimmermann von der Fraktion der SPD, der gleich das Wort hat. – Bitte!

Schönen Dank! – Ich habe eine Frage an den Innensenator. Herr Körting! Das Bundesverfassungsgericht hat nun festgestellt, dass es keine Norm im deutschen Rechtssystem gibt, die das Tragen von

Kopftüchern im Unterricht untersagt. Sehen Sie in diesem Fall auf Landesebene Regelungsbedarf? Wie könnte eine solche Regelung aussehen?

Herr Senator Dr. Körting!

Das bedeutet, dass die Fragestellung gesetzlich zu regeln ist. Der Senat hat hierzu bisher kein Meinungsbild hergestellt. Ich kann Ihnen deshalb nur meine persönliche Meinung sagen: Ich halte unter dem Gesichtspunkt, dass das Kopftuch-Tragen, wie auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, nur zum Teil Ausdruck einer religiösen Gesinnung, aber zu einem erheblichen Teil inzwischen auch Ausdruck einer gegen bestimmte Werte gerichteten, politischen Grundhaltung ist – insbesondere bei den fundamentalistischen Organisationen wie Milli Görüş oder anderen – ein gesetzliches Verbot für angemessen.

[Beifall des Abg. Hahn (FDP)]

Ich würde es aber nicht auf einen bestimmten Bereich der öffentlichen Verwaltung beschränken, sondern würde sagen, dass dieses Verbot in den beamtenrechtlichen Verpflichtungen eines Beamten zu verankern ist und dementsprechend auch für Angestellte gelten muss, die als Staatsbedienstete dem Bürger gegenübertreten. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass jeder Mitbürger seine religiöse Überzeugung auf der Straße zum Ausdruck bringen kann, wie er Lust hat. Es hat vielmehr etwas damit zu tun, wenn ich als Staatsbediensteter dem Bürger gegenübertrete und dieser mir ausgesetzt ist, dass ich ihm meine religiöse Überzeugung nicht in aggressivkämpferischer Weise entgegenbringen kann. Deshalb neige ich dazu, solch eine gesetzliche Regelung zu machen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Der Senat hat abschließend über diesen angestrebten Vertrag noch nicht befunden. Deswegen kann ich Ihnen auf alle diese Fragen nicht für den Senat antworten. Dennoch ist es so, dass es verschiedene Bemühungen gab. Es geht nicht um eine Ausschreibung für eine wissenschaftliche Leistung, sondern um Sponsoring für das Brandenburger Tor. Das Tor wird keinesfalls in seiner Denkmaleigenschaft beeinträchtigt. Die vorgesehene Aufstellung von sehr zurückhaltend gestalteten Tafeln ist mit dem Denkmalamt abgestimmt und wird Teil der Beschlussfassung des Senats werden.

Meine Frage richtet sich an die Senatorin: Wie bewertet der Senat den inzwischen von der rot-grünen Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Konsequenzen aus dem EuGHUrteil zum Bereitschaftsdienst der Ärzte?

Danke schön, Herr Innensenator! – Eine Nachfrage des Kollegen Zimmermann? – Das ist nicht der Fall.

Dann rufe ich auf Frau Kollegin Grütters von der Fraktion der CDU – bitte!

Ich frage Herrn Senator Flierl: Wie bewertet der Senat den Umstand, dass für lediglich 200 000 € im Jahr einem kommerziellen Unternehmen, nämlich Vattenfall, die exklusive Vermarktung des Brandenburger Tores, das nicht zu Unrecht als Monument aller Deutschen betitelt wird, übertragen werden soll?

Herr Senator Dr. Flierl – bitte!

Sie nehmen Bezug auf Presseberichte, die sich auf einen Vorgang beziehen, den der Senat noch zu verhandeln hat. Es ist aber richtig, dass vorgesehen ist, einen Sponsoringvertrag abzuschließen, der die Übernahme der Unterhaltungskosten des Brandenburger Tores durch Vattenfall regelt. Die in Ihrer Frage unterstellte Behauptung, dass es um die Vermarktung des Brandenburger Tores geht, ist jedoch falsch. Vattenfall soll lediglich eingeräumt werden, mit dem Berlinsignet ergänzt um den Schriftzug „Partner des Brandenburger Tores“ seine Briefpost zieren zu können, beziehungsweise in anderer Weise darauf aufmerksam zu machen. Keinesfalls geht es um eine Produktwerbung am oder eine Vermarktung des Brandenburger Tores.

Der Senat begrüßt diese Inaussichtnahme eines bürgerschaftlichen Engagements für das Tor. Das Land Berlin kann auf diese Art und Weise erhebliche Betriebskosten sparen. Wir setzen damit auch die Linie fort, die, wie Sie wissen, bei der umfassenden, denkmalgerechten Sanierung des Brandenburger Tors begonnen wurde, durch eine intelligente Form der Kopplung von Sponsoring und einem sorgsamen Umgang mit dem Tor. Das soll auch für die Regelung der Übernahme der Betriebskosten des Tores gelten.

Danke schön, Herr Senator! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Grütters – bitte schön!

Vattenfall soll das nicht nur auf den Briefköpfen verwenden, sondern auch noch zwei große Glastafeln aufstellen und zwei Bronzetafeln in den Boden einlassen dürfen. Ich frage Sie deshalb – es handelt sich aus meiner Sicht um eine kommerzielle und keinesfalls um eine bürgerschaftliche Angelegenheit –: Weshalb hat sich der Senat nicht die Mühe gemacht, über derartige Überlegungen – die Betriebskosten für dieses Symbol von einem kommerziellen Veranstalter übernehmen zu lassen – eine öffentliche Debatte anzustrengen oder zumindest über eine öffentliche Ausschreibung einen deutlich besseren Ertrag zu erzielen?

Herr Senator Dr. Flierl – bitte!

Danke schön, Herr Senator!

Nunmehr hat von der Fraktion der PDS Frau Simon das Wort zu einer Frage – bitte schön!

Frau Dr. Knake-Werner – bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich möchte meiner Kollegin Schubert nicht zumuten, dass Sie sich jetzt auch noch in die Niederungen der ärztlichen Arbeitszeit vertiefen soll.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Simon! Gestatten Sie mir, dass ich eine Bemerkung zu dem dem Ganzen zu Grunde liegenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs mache. Ich bin froh über dieses Urteil. Es ist gut, dass endlich die Bereitschaftsdienste als reguläre Arbeitszeit anerkannt werden müssen. Dies ist gut für Ärztinnen und Ärzte und für Patientinnen und Patienten. Herr Matz – dies in Ihre Richtung –, auch bisher haben der Senat und ich in Person die Situation, in der Ärzte trotz ungeheuer langer Arbeitszeiten noch am Operationstisch standen, nicht auf die leichte Schulter genommen.

[Matz (FDP):Und, hat es etwas genützt?]

Wir haben gerade in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf die Kontrolle der Arbeitszeiten in den Kliniken gelegt, wie Sie wissen. Dort, wo wir Einfluss haben, haben wir auf neue Arbeitszeitmodelle gedrängt.

[Matz (FDP): Scheint Ihr Einfluss aber sehr begrenzt zu sein!]

Das wird jetzt um so notwendiger.

Meines Wissens liegt noch kein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, vielmehr liegen im Moment Änderungsanträge zum Arbeitszeitgesetz der Regierungskoalition vor. Es ist zwar gut, dass dies relativ schnell der Fall ist, allerdings haben die Bundesländer der Bundesregierung eine Fülle von Vorschlägen unterbreitet, wie dies

Frau Sen Dr. Knake-Werner

Damit wird eine ganze Menge an notwendigem Aufwand abgefangen werden können, aber ich gehe schon davon aus, dass es auch zu Neueinstellungen kommen

wird. Über die Dimension ist zurzeit nur Spekulation möglich. Solche zu betreiben, finde ich nicht solide.

Dann ist der Kollege Schmidt von der Fraktion der FDP mit einer weiteren Frage an der Reihe. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an Herrn Senator Flierl zum Thema Palast der Republik: Es ist offenkundig, dass Sie und Senator Strieder unterschiedliche Auffassungen zum Abriss des Palastes der Republik haben.

Entgegen Ihrer Äußerung wird es keine Beschlussfassung über den Abriss in der bevorstehenden Arbeitsgruppe geben, sondern es wird ein Bericht zur Diskussion gestellt, der sich mit den Realisierungsmöglichkeiten des vom Bundestag beschlossenen Projekts befasst.

umgesetzt werden sollte. Ich erwarte, dass die Bundesregierung schnell reagiert.

Eines ist völlig klar: Mit einem neuen Gesetzentwurf auf der Grundlage der Anträge aus den Regierungsfraktionen wird es eine größere Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung geben. Klar ist im Moment jedoch nur, wie die Vergütung aussehen wird. Bereitschaftsdienste werden als Arbeitszeit zu vergüten sein, was nicht allen Ärztinnen und Ärzten gefällt. Unklar ist noch, ob sich durch die geplante Novellierung des Arbeitszeitgesetzes die Arbeitszeit grundlegend verbessert. Im Rahmen einer 48Stunden-Woche sind immer noch 12 Stunden Arbeitszeit vorgesehen. Der Ausgleichzeitraum für Überstunden geht bis zu einem Jahr. Das sind aus meiner Sicht Positionen, die mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht zu vereinbaren sind. Hier muss es aus meiner Sicht noch zu Änderungen kommen.

Danke schön, Frau Senatorin! – Frau Simon, eine Nachfrage? – Bitte!

Vor dem Hintergrund des von Ihnen angesprochenen Vergütungsaspekts die Frage: Teilen Sie die Auffassung der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die davon ausgeht, dass es bundesweit ca. 27 000 neue Arztstellen braucht, um der Umsetzung des EuGH-Urteils Genüge zu tun, oder neigt der Senat, sofern das schon diskutiert worden ist, eher zu der Auffassung der gesetzlichen Krankenkassen, die davon ausgehen, dass im Rahmen einer Neuorganisation der Dienste eine solche Dimension, wie sie von der Deutschen Krankenhausgesellschaft in die Diskussion gebracht worden ist, völlig undenkbar ist?

Vielen Dank, Herr Präsident! – Der Senat hat sich hierzu noch keine Meinung gebildet. Ich kann Ihnen meine Meinung in dieser Angelegenheit sagen, und ich erlaube mir, eine eigene Meinung in puncto Krankenhausgesellschaft und Krankenkassen zu haben, weil der Senat zuständig dafür ist, dass alle Interessen bei den zukünftigen Regelungen berücksichtigt werden, insbesondere die von Patientinnen und Patienten, aber auch die von Ärztinnen und Ärzten.

Es kursierten in den letzten Wochen sehr viele Zahlen über notwendige Neueinstellungen im Krankenhausbereich durch das EuGH-Urteil. Ich glaube, dass die abgegebenen Schätzungen nicht besonders valide sind. Ich gehe schon davon aus, dass es zu Neueinstellungen kommen muss. Die Größenordnung – das habe ich vorhin bereits gesagt – wird davon abhängen, wie es den einzelnen Kliniken gelingen wird, mit neuen Arbeitszeitmodellen, mit Wechselschicht- und anderen Schichtmodellen auf die neue Arbeitszeitsituation zu reagieren.