Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

Danke, Herr Dr. Lindner! – Die SPD setzt fort. Das Wort hat Frau Kollegin Hertel. – Bitte schön!

[Dr. Lindner (FDP): Der ist nicht in meiner Fraktion, ich kenne ihn nicht!]

Wir werden hier also mit Sicherheit nicht mal so und aus der Lamäng, nur weil bei Ihnen – hätte man fast sagen müssen – in Ihrer Wiedervorlagemappe für Anträge schon wieder der Buchstabe P erreicht ist, mal schnell das PersVG ändern. Aber wir werden uns, weil vielleicht sogar das Bundesverfassungsgericht hier Änderungsbedarfe sieht, mit Bedacht und mit Umsicht die Sache angucken, uns den Mitbestimmungskatalog vornehmen und sehr vorsichtig gucken, wo mögliche Änderungen notwendig oder erforderlich sind. Ihr Antrag allerdings ist dies nicht. Und so werde ich dann der mit Sicherheit sehr interessanten Diskussion in den Ausschüssen folgen.

Danke schön, Frau Kollegin Hertel! – Die CDU-Fraktion setzt fort. Das Wort hat der Kollege Trapp. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Personalvertretungsrecht, zweiter Anlauf. Eines muss man Ihnen lassen, Herr Dr. Lindner: Sie sind hartnäckig. Mit dieser Gesetzesänderung reiten Sie wieder einmal eine Ihrer berüchtigten Attacken auf die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Konkret geht es Ihnen in diesem Gesetz darum, eine Reihe von Mitbestimmungsrechten in bloße Mitwirkungsangelegenheiten umzuwandeln. Praktisch sollen Mitbestimmungsrechte gestrichen werden. Ich nenne einige Beispiele, die für diesen Bereich kommen sollen:

Dieser Tarifvertrag sieht allerdings vor, dass wir betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2009 ausschließen, sehr zu Ihrem Missfallen, das haben Sie eben noch einmal gesagt. Wir sagen, das ist gut so, weil dies den Beschäftigten eine planbare Perspektive in ihrem beruflichen Leben gibt.

Das ist nicht ganz unwesentlich, wenn man Beschäftigte im schwierigen Prozess der Umgestaltung der Verwaltung mitnehmen will. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. In dem Zusammenhang muss auch der Stellenpool so betrachtet werden, dass diesem aus meiner Sicht die Aufgabe zukommt, Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die Stellen haben, die wegfallen, oder die keine Aufgaben mehr haben, weil sie weggefallen sind, über den Stellenpool auf neue, frei werdende Stellen zu vermitteln oder dorthin zu qualifizieren. Auch hier kommt es darauf an, ob man Beschäftigte und deren Interessenvertretung mitnimmt oder ob man gegen sie agiert.

Nun haben wir schon am letzten Freitag von Ihnen gehört, Herr Dr. Lindner, wie Sie die Arbeit von Personalräten sehen. Wir haben es nicht nur am Freitag gehört, indem Sie uns aufgefordert haben, diesen Tarifvertrag zu kündigen und betriebsbedingte Kündigungen möglich zu machen. Wir hatten auch die Freude, am letzten Donnerstag im Rechtsausschuss einen Änderungsantrag von Ihnen zu sehen, den Sie dann zurückgezogen haben, wo ich nicht weiß, was aus dem geworden ist und noch werden wird. Sie haben allen Ernstes geschrieben, dass der Personalrat im Stellenpool aus ganzen 5 Beschäftigten besteht, von denen nur einer freigestellt ist. Bei der Größenordnung des Stellenpools und bei der Aufgabenstellung, die dem Stellenpool und vor allem auch dem Personalrat dort zukommt, würde das heißen, dass dieser Personalrat nahezu arbeitsunfähig ist und somit nur noch eine Farce wäre. Dass das natürlich Ihr Ziel ist, Personalräte arbeitsunfähig zu machen, ist allen klar. Ich will es nur an der Stelle sagen, weil unter diesem Kontext – betriebsbedingte Kündigungen ermöglichen, möglicherweise auch Mitbestimmung bei Entlassungen wegnehmen,

Es sind die Änderungen von Versetzung, Umsetzung innerhalb der Dienststelle, wenn damit ein Ortswechsel verbunden ist, gemeint und die Abordnung für eine Dauer von mehr als drei Monaten. Das macht eigentlich deutlich, dass wir über Fragen reden, die von ganz erheblicher Bedeutung für die betroffenen Beschäftigten sind. Und nimmt man die Kündigungen einmal aus, so handelt es sich um die zentralen Fragen von bestehenden Beschäftigungsverhältnissen. Würde man hier der FDP folgen, so könnte man die Mitbestimmung eigentlich ganz abschaffen. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der FDPFraktion, ehrlich sind, dann ist das Ihr eigentliches Ziel.

[Zuruf von der FDP: Langfristig!]

Es wird Sie nicht überraschen, dass wir diesem Ziel nicht folgen werden, denn die betriebliche Mitbestimmung, das gilt auch für das Personalvertretungsrecht im öffentlichen Dienst, ist ein wesentlicher Baustein unserer gesellschaftlichen Ordnung.

[Dr. Lindner (FDP): Das ist sie nicht!]

Das Personalvertretungsgesetz vom 26. Juli 1974 in der Fassung vom 30. November 2000 hat sich über Jahrzehnte bewährt und seine Zerreißprobe bei der Zusammenführung beider Berliner Verwaltungen bestanden. 60 000 Mitarbeiter wurden sozialverträglich abgebaut. Ich meine, dies ist ein Zeichen dafür, dass dieses Personalvertretungsgesetz funktioniert. Es gibt daher keinen Grund, die Mitbestimmung auszuhöhlen und letztendlich die Abschaffung zu betreiben.

Eins möchte ich zum Abschluss dennoch feststellen. Wir werden zwar diesen vorliegenden Antrag ablehnen, sind jedoch bereit, im Ausschuss in einem offenen Dialog mit Ihnen über flexiblere Lösungsansätze zu diskutieren. Die einfache Streichung von Mitbestimmungsrechten ist aus unserer Sicht jedoch nicht der geeignete Weg. Wer Verwaltungsreform ernsthaft betreiben will, muss an der Einbindung der Mitarbeiter durch die Personalräte interessiert sein. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Trapp! – Für die PDS-Fraktion hat Herr Doering jetzt das Wort. – Bitte schön!

Herr Lindner! Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass in der Tat die Ausgaben in der Verwaltung und die Ausgaben für Personal ein ordentlicher Batzen sind, über dessen Senkung man diskutieren muss. Ich möchte bei der Gelegenheit gleich sagen, dass wir nicht nur über Personalmanagement reden, um den Ausgabenposten Personal zu senken, sondern in der Tat schon gehandelt haben, so in der Frage der Solidarpaktverhandlungen, die in einen Tarifvertrag gemündet sind, und beträchtliche Millionensummen in dreistelliger Höhe an Personalkostenersparnis im Haushalt bringen werden. Insofern sind wir da herangegangen.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

[Beifall des Abg. Liebich (PDS)]

[Dr. Lindner (FDP): Ja!]

Personalräte so klein wie möglich zu halten und arbeitsunfähig zu machen – Ihr Antrag hier so einzustufen und zu sehen ist. Das ist das Problem, vor dem wir stehen.

Sie haben an einem Punkt Recht, wenn Sie sagen, dass wir möglicherweise mit der Schaffung des Stellenpools und der Regelung dazu an einer Stelle eine Situation schaffen, wo Ungleichbehandlung entstehen könnte. Das gebe ich zu, und zwar an der Stelle – das möchte ich aber deutlich sagen, da sind wir nicht zurückgewichen –, wo Beschäftigte aus dem Überhang in den Stellenpool versetzt werden sollen, haben wir aus der Mitbestimmung Mitwirkung gemacht. Das steht nach wie vor im Gesetzentwurf. An dieser Stelle haben wir es gemacht, weil wir so schnell wie möglich handeln wollen und weil wir denken, dass der Prozess zur Zuordnung in den Personalüberhang vorher schon laufen muss, auch im Zusammen

Aber einmal ganz nebenbei gesagt: Man sollte sich auch darüber unterhalten, ob man nicht die Personalräte verkleinert. Aber das müsste man nicht im Stellenpoolgesetz, sondern allgemein im Personalvertretungsgesetz regeln. 20-köpfige Personalräte halte ich für „Quatsch“. Damit kann man vom Umfang her zweimal Berlin regie

ren. 13 Leute, daraus besteht das Bundeskabinett. Es regiert in dieser Personalstärke die ganze Bundesrepublik Deutschland. Und dann regen Sie sich auf über nur 7 Leute. – Das ist alles Kokolores aus Zeiten, an die ich mich gar nicht mehr erinnern möchte, in denen man geglaubt hat, riesige Gremien ersetzten Qualität. Ich habe unseren Antrag überschrieben mit: „Änderung des Personalvertretungsgesetzes I“. Die Verkleinerung der Personalvertretung ist eine gute Anregung aus der PDSFraktion. Das wäre dann „Änderung des Personalvertretungsgesetzes II“. Herzlichen Dank dafür.

Frau Hertel! Ein Herr Löhnitz ist nicht Mitglied in meiner Fraktion; ich kenne ihn nicht. Wenn man die CDU hört und auch die PDS bei der Frage, ob es fünf oder sieben Personalratsmitglieder sein sollten: „Herr Lindner, haben Sie mit dem Gewerkschaftsflügel innerhalb Ihrer Fraktion geredet?“ – Wir haben Arbeitnehmerrechte, die bei uns Chefsache sind,

Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Herr Doering antwortet. Sie haben das Wort, Herr Doering!

hang mit der Beschäftigungssicherungstarifvereinbarung. Wir haben außerdem in der Phase Versetzung aus dem Stellenpool hinaus oder Abordnung aus dem Stellenpool hinaus unterhalb von 12 Monaten auch keine Mitbestimmungsrechte, sondern in der Tat Mitwirkungsrechte verankert. Insofern haben wir an allen Stellen, wo schnelles Handeln vonnöten ist, Mitwirkungsrechte eingebaut. Aber wenn Sie darauf hinweisen, dass wir an einer Stelle möglicherweise den Gleichheitsgrundsatz aufgelöst haben, muss ich Ihnen sagen, dass Sie dies auch in Ihrem eigenen Antrag tun. Wenn Sie sagen, bei Abordnungen zwischen drei und zwölf Monaten solle es Mitwirkungen geben, und diese dann für den Stellenpool aufheben, dann schaffen Sie an dieser Stelle auch eine Ungleichbehandlung.

Sie haben am Freitag auch darauf hingewiesen, dass es darauf ankomme, in der Verwaltung Doppelzuständigkeitsverfahren und Genehmigungsverfahren zu vereinfachen, dass dies eine enorme Aufgabe sei, die dazu führen werde, viele Stellen freizusetzen und viele Aufgaben wegfallen zu lassen, und dass daraus resultiere, dass Tausende von Menschen versetzt werden müssten. – Genau dafür haben wir den Stellenpool und die Instrumente geschaffen. Insofern kann man sich Ihren Antrag noch einmal angucken, aber man muss ihn nicht weiter behandeln. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Doering! – Bevor wir mit der Rednerliste fortfahren, erhält der Kollege Dr. Lindner das Wort zu einer kurzen Intervention von maximal drei Minuten.

Herr Kollege Doering! Sie haben den einen Antrag von uns angesprochen. Er wurde im Hauptausschuss gestellt. Im Rechtsausschuss kam es nicht zu einem aus unserer Sicht ordnungsgemäßen Verfahren. Aber ich erläutere Ihnen unseren Antrag noch einmal.

Fünf Leute, davon einer freigestellt, reichen – gesetzmäßig sowieso – bei einer angenommenen tatsächlichen Größe des Stellenpools von 81 – darauf stellt es nämlich ab; das sind die tatsächlichen Mitarbeiter. Die anderen 5 000 bis 7 000 bleiben – das hat auch gestern die Anhörung im Hauptausschuss ergeben – an ihren alten Arbeitsplätzen. Jetzt frage ich mich – oder ich frage besser Sie –: Wie soll ein Personalrat eines Stellenpools kompetent über Angelegenheiten befinden, die immer noch zwischen dem Angestellten bzw. Beamten an seinem alten Arbeitsplatz und seinem alten Vorgesetzten stattfinden? Wäre es nicht aus Ihrer Sicht sinnvoller, dass der Personalrat der Ausgangsbehörde nach wie vor zuständig bliebe – zumindest so lange, bis die tatsächliche Versetzung vollzogen ist?

[Gelächter des Abg. Dr. Steffel (CDU)]

aber einen Gewerkschaftsflügel kennen wir in der FDPFraktion nicht. – Aber wenn ich es mir genau überlege: Wenn Sie wirklich wissen wollen, wo unser FDPGewerkschaftsflügel sitzt – da sitzt er, links neben uns!

[Frau Senftleben (FDP): Rechts neben uns!]

Herr Lindner! Ob Sie es glauben oder nicht – Personalräte im öffentlichen Dienst haben Aufgaben und arbeiten tatsächlich. Und diese Aufgaben, die sie zu bewältigen haben, sind nicht einfach und manchmal sehr umfangreich.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Nun können Sie von der Annahme ausgehen, dass der Stellenpool, weil es 80 dauerhaft Beschäftigte gibt, nicht mehr als 80 Beschäftigte hat, und dementsprechend die Größenordnung des Personalrats ausrichten. Allein, so wird es nicht sein; denn wir gehen von einer durchschnittlichen Besetzung des Stellenpools mit mehreren tausend Beschäftigten aus, selbst wenn davon in kürzerer Zeit ein Großteil weiter vermittelt werden kann. Dann werden wir auch noch einen bestimmten Umfang an Beschäftigten haben, die an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen. Aus diesem Grunde haben wir uns an dem Personalvertretungsgesetz orientiert und die Zahl 15 und die Zahl 3 Freigestellte herausgestrichen und gesagt, wie es das Gesetz vorgibt: Die Wahl des Personalrats richtet sich bei der Ausschreibung nach der durchschnittlichen Größe der Beschäftigten in diesem Stellenpool. – Das ist korrekt so, und jeden weiteren Angriff in Bezug auf die Verkleinerung des Personalrats werden wir ablehnen. Denn wenn Sie tatsächlich davon ausgehen – wie es der Personalrat auch macht –, dass von den Beschäftigten, die sich im Personalüberhang befinden – gehen wir wieder von der Zahl 3 000 aus –, in relativ kurzer Zeit 70 bis 80 % weitervermittelt werden können und der Personalrat dabei

Das Gesetz krankt an einem ganz zentralen Punkt. Dieser Punkt heißt – das hat uns Herr Sarrazin auch schon im Rechtsausschuss gesagt –: So lange ich die Strukturen in der Verwaltung nicht verändert habe, so lange es mir in der Verwaltung nicht gelingt, dass die Aufgaben, die die Verwaltung noch hat, mit dem vorhandenen Personal qualitativ hochwertig erbracht werden können, so lange wird es nicht möglich sein, die Mitarbeiter auf kw-Stellen aus den Verwaltungen herauszunehmen und in die von Ihnen geschaffene virtuelle Behörde zu überführen. Da gewinnen Sie jede einzelne Klage vor jedem Gericht in der Stadt Berlin. An diesem Punkte brauche ich Ihre Mitbestimmung oder Mitwirkung gar nicht. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob wir das noch haben.

Solange Sie das nicht wirksam regeln und nicht hinbekommen, ist es ein stumpfes Schwert, das Sie einsetzen, ein Instrument, das überhaupt nicht greifen wird. Sie machen eine Front an einer Stelle auf, die in diesem Bereich völlig überflüssig ist. Wir können uns hier in diesem Haus hinstellen und können in aller Breite darüber reden, ob das Personalvertretungsrecht, so, wie wir es hier haben, noch zeitgemäß ist, ob es die richtigen Verfahren und Strukturen hat. Über all das können wir hier reden. Aber es so hopplahopp im Handstreich im Hinblick auf ein Instrument, das die Regierung aus reinem Machterhalt durchgepeitscht hat, gleich mitzukassieren, wird nicht funktionieren.

Mitwirkung hat, müsste er innerhalb von kürzester Zeit mehr als 2 000 Fälle bearbeiten. Dafür hätte er aber nur geringe Bearbeitungsfristen von ein bis zwei Wochen. Das wäre mit einem freigestellten und fünf Personalratsmitgliedern nicht zu schaffen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön! – Jetzt sind wir aber endgültig bei den Grünen. Der Kollege Ratzmann hat das Wort. – Bitte schön!

[Gaebler (SPD): Von der Grünen-Gewerkschaft!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich diese Debatte anhört, könnte man meinen, man lebte in einer verkehrten Welt.

[Beifall des Abg. Czaja (CDU)]

Herr Brinsa von der CDU hält die PDS-Rede zum Abbau des Blindengeldes. Herr Trapp hält die PDS-Rede zur Veränderung des Personalvertretungsgesetzes. Und die SPD, deren ureigenstes Anliegen es sein müsste, taucht einfach ab. Was Frau Hertel uns zu der Änderung von Herrn Lindner sagen wollte, habe ich jedenfalls überhaupt nicht verstanden. Was wollen Sie in dieser Frage eigentlich?