Insgesamt muss man festhalten: Dieser Sonderausschuss war in der Arbeit sehr enttäuschend. Ein Untersuchungsausschuss hätte uns vielfach weiter gebracht. Die Zugriffsmöglichkeiten auf Informationen waren äußerst unzureichend. Das lag nicht nur an der BSR, sondern auch an der Koalition, die viele Sachverhalte von Anfang an blockiert hat. – Vielen Dank!
Herr Schmidt, es hilft ja alles nichts. Wenn wir uns an die Abschlusssitzung dieses Ausschusses erinnern, dann haben wir dort in mühsamer, kleinteiliger Abstimmung Punkt für Punkt über den Bericht fast alle Punkte der Opposition übernommen. Und bei der Endabstimmung hat sich herausgestellt, dass die Opposition zu keiner Zeit darauf aus war, ihren eigenen Änderungen zuzustimmen. Das sagt doch wohl alles.
Vielen Dank, Frau Kollegin Leder! – Es geht tatsächlich weiter mit der Meldeliste. Für die CDU erhält das Wort der Herr Kollege Wellmann. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen – im Gegensatz zu meinen Vorredner –, etwas Politisches zu sagen statt formellbuchhalterisch zu argumentieren.
[Gaebler (SPD): Ha! – Mutlu (Grüne): Das wäre ja mal etwas Neues! – Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]
Ja, Sie können immer lernen, Herr Pewestorff, ist gut, wenn Sie zuhören und mal aufwachen, der Fraktionsschlaf der PDS ist ja schon bekannt.
Nun hören Sie doch mal auf zu zetern, Herr Gaebler, und hören erst einmal einen Moment zu, das hilft. Wir sprechen nicht über irgendwelche untergeordneten Verwaltungsvorgänge innerhalb der BSR, wir sprechen über einen ebenso gravierenden wie skandalösen Vorgang, dass nämlich zunächst durch Inkompetenz und mangelhafte betriebswirtschaftliche Organisation und dann durch Vorsatz bei der BSR den Bürgern 66 Millionen € aus der Tasche gezogen wurden. Es ist wichtig, dass das inzwischen ans Licht gekommen ist und dass das durch Rückzahlungen reguliert wurde. Für uns ist es auch von großer Bedeutung, dass die innere Organisation der BSR verbessert wurde und Pannen dieser Art zukünftig nicht mehr vorkommen. Das Parlament, Frau Leder, ist aber nicht dazu da, sich primär Gedanken über die Verwaltungsstruktur bei der BSR zu machen und darüber, wie man diese effektiver gestalten kann. Wir haben uns um die Frage zu kümmern, was strukturell geändert werden muss, dass solche Pannen nicht mehr vorkommen, dass es nicht mehr zu einer solchen Ausplünderung des Gebührenzahlers kommt. Für uns sind drei Fragen politisch wichtig:
3. Wie stellen wir strukturell sicher, dass die BSR zukünftig wirtschaftlich arbeitet und die Bürger nicht wehrlos dem Monopol ausgeliefert sind?
Zu 1: Für mich und meine Fraktionskollegen war es regelrecht gespenstisch, im Sonderausschuss den Finanzvorstand sagen zu hören, es gebe keinen Tarifexperten in der BSR. Niemand bei der BSR wisse eigentlich, wie man Mülltarife kalkuliert. Die beiden anderen Vorstände, die es damals noch gab, saßen ganz unbefangen dabei und fanden offenbar gar nichts dabei, was verständlich war, denn sie wussten das. Sie hatten ihre Mitarbeiter in der zuständigen Tarifkommission und wussten genau, dass die von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten. Das macht in der Tat ziemlich sprachlos.
Das ist ein Unternehmen, Herr Buchholz, mit Milliardenumsätzen, und die haben keine Ahnung, wie man Gebühren kalkuliert. Der Sonderausschuss hat übrigens auch festgestellt, dass bei der BSR ein Gesamtüberblick über die Kosten nicht vorhanden war. Das ist schon einigermaßen atemberaubend. Bei den 66 Millionen €, die da eben mal vertuscht werden sollten, ging es nicht um einen Fehler auf Grund eines hoch komplizierten mathematischen Kalkulationsvorganges, nein, es war viel einfacher. Es ging um den schlichten Vorgang, dass der Senat einen bestimmten Betrag für die Stadtreinigung an die BSR überwiesen hat und dieser schlichtweg vergessen wurde – der wurde den Bürgern noch einmal in Rechnung gestellt.
Daraus ergeben sich die 66 Millionen €, man hat doppelt kassiert. Dieser Umstand hätte jedem cleveren Buchhalter auffallen können, dafür brauchen wir keine großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Es stellt sich die Frage, warum das so spät auffiel, warum das erst auf Nachfrage auffiel und wie das in all den Vorjahren war. Da sind wir in der Tat, da hat der Kollege von Lüdeke Recht, auf ein Kartell des Schweigens gestoßen. Die Hauptverantwortlichen haben allesamt die Aussage verweigert. Die Existenz der BSR mit seinen Tausenden von Mitarbeitern ist primär vom Gebührenaufkommen abhängig, und der Vorstand hat keine Ahnung, wie er diese Gebühren berechnet. Es fehlt ihm die Übersicht, welche Kosten für die Müllbeseitigung und Straßenreinigung eigentlich anfallen. Man stelle sich vor, der Vorstand von VW wüßte nicht, wie er die Kosten für seine Autos kalkuliert, die er produziert. Jedes normale Unternehmen wäre in kürzester Zeit Pleite, wenn derart elementare betriebswirtschaftliche Grundsätze außer Acht gelassen werden. Eine andere Charakterisierung fällt mir nicht ein als die, dass das eine klassische organisierte Verantwortungslosigkeit ist.
Zu 2: Herr Wolf, jetzt etwas an Sie, kurz zuhören! Herr Wolf wurde durch diese Enthüllungen in dem Ausschuss ebenfalls überrascht. Das ist menschlich sympathisch, reicht aber zur Aufsicht über ein derart großes Unternehmen nicht aus.
Was haben Sie eigentlich, was hat Ihre Behörde eigentlich gewusst? Oder besser: Wovor haben Sie die Augen verschlossen? Warum hatten Sie und Ihre Behörde keine Ahnung, dass man bei der BSR keine Ahnung hat? – Die Frage ist bisher nicht beantwortet worden.
[Liebich (PDS): Er war der erste Wirtschaftssenator, der reagiert hat! – Buchholz (SPD): Ihre Senatoren haben doch nichts gemacht!]
Herr Wolf ist nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender, Herr Buchholz, das wissen Sie vielleicht nicht, er ist auch für die Preisprüfung verantwortlich.
Herr Kollege Wellmann! Wer war denn zu dem maßgeblichen Zeitpunkt 1999 bis 2001 für die Aufsicht über die BSR verantwortlich im Senat? Welcher Partei gehörte der Senator an?
Herr Kollege Gaebler! Wir können jetzt bis Konrad Adenauer zurückgehen, das interessiert mich nicht. Dieser Sonderausschuss hatte zu prüfen, wer heute verantwortlich ist, und Wirtschaftssenator ist Herr Wolf und niemand anders.
Es wurde auch ganz unbefangen über Quersubventionierungen gesprochen, das wurde auch nicht bemängelt. Der ahnungslose Bürger finanziert also mit seinen Müllgebühren das gewerbliche Geschäft der BSR, und auch das wurde nicht abgestellt.
Der Staat ist ein schlechter Unternehmer, hat der neue IHK-Präsident anlässlich seines Antrittsinterviews gesagt. Es ist eine alte Erfahrung, dass Monopole wettbewerbsfeinlich sind. Und es ist ein alter sozialistischer Irrglaube, dass der Staat alles machen muss und dass das auch funktioniere, wenn man nur ausreichend Kontrollinstanzen einsetze. Sie von der PDS müssten Staatsunternehmen ja eigentlich scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Sie haben damit ja hinreichend Erfahrungen in Ihrer früheren Zeit gemacht, als Sie noch Einheitspartei waren. Das gilt in Berlin übrigens überall, alle Staatsunternehmen sehen schlecht aus – von der BVG über die Messe bis zur KPM. Nur bei der BSR ist es bisher nicht aufgefallen, weil der Gebührenzahler 100 % der Zeche zahlen muss. Bis 2015 haben wir alle die BSR noch vor der kühlen Luft des Wettbewerbs geschützt. Spätestens dann muss sie sich dem Wettbewerb stellen. Damit dürfen wir aber nicht erst 2015 beginnen, denn dann ist es europarechtlich schon notwendig, dass der volle Wettbewerb einsetzt. Die BSR wird untergehen, sage ich voraus, wenn wir es bis 2005 nicht schaffen, sie für den Wettbewerb fit zu machen. Sie vom rot-roten Senat haben gerade das Gegenteil getan: Durch das Vergabeverfahren für den Restmüll haben Sie die Marktmacht der BSR gestärkt, indem die Müllaufbereitungsanlagen in das Eigentum der BSR überführt werden mussten und die BSR sich den Wettbewerber aussuchen durfte, mit dem sie zukünftig das Joint Venture macht. Sie haben damit der Stadt und dem Gebührenzahler einen schlechten Dienst erwiesen.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Die Misshelligkeiten um die BSR dürfen nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden. Die BSR hat Tausende von Mitarbeitern, die tagtäglich für uns alle ihren schweren Job machen – ich meine insbesondere die Müllwerker. Diese dürfen nicht darunter leiden, dass die Geschäftsleitung und die aufsichtsführende Senatsverwaltung schwere Fehler gemacht haben. Von dem Senat und der Regierungskoalition haben wir bisher keine Vorschläge gehört, wie die strukturellen Mängel der BSR abgestellt werden können. Deshalb, meine Damen und Herren von der Koalition, handeln Sie in hohem Maße fahrlässig, wenn Sie es weiter versäumen, die BSR für den Wettbewerb fit zu machen. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wellmann, ich muss Ihre Ausführungen teilweise energisch zurückweisen.
Erstens: Der Untersuchungsauftrag des Ausschusses betraf die Kalkulationsperiode von 1999/2000 und von 2001/20002. Sie haben selbst gesagt, dass Sie auch gerne über die vorherige Periode gesprochen hätten. Sie weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Senate dieser Zeit, so übersetze ich das mal, ihre Verantwortung vernachlässigt haben. Aber dann fällt der Vorwurf doch genau auf Ihre Fraktion, auf Ihre Partei zurück, denn wer ist denn bis 2000 Wirtschaftssenator gewesen?
Zweitens: Sie sollten auch überlegen, was Sie bezogen auf den Vorstand der BSR äußern. Man kann dem BSRVorstand sicher Mängel vorwerfen. Aber dass es sich um eine organisierte Verantwortungslosigkeit handelt, das möchte ich zurückweisen.
Wer solche Äußerungen hier tätigt, der versucht den Ruf der BSR zu beschädigen, und das muss man zurückweisen.
Ich möchte zunächst Herrn von Lüdeke für den ersten Teil seiner Rede danken, weil er versucht hat, noch einmal den Arbeitsauftrag des Sonderausschusses zu beschreiben. Das finde ich deshalb wichtig und bemerkenswert, weil er dann auch im zweiten Teil seiner Rede zu dem Punkt gekommen ist, zu dem er sich dann auch in einer Presseerklärung nach der Abschlusssitzung des Sonderausschusses geäußert hat. Da hat er als Ausschussvorsitzender gesagt, dass für ihn der Sonderausschuss eine Farce gewesen ist, weil der Sonderausschuss das System BSR nicht in Frage gestellt habe. Dies aber, Herr von Lüdeke, ist gar nicht der Auftrag des Sonderausschusses gewesen – Sie haben eben selbst die fünf Punkte vorgelesen, die Untersuchungsauftrag gewesen sind.
Die Schlussfolgerung der FDP aus der Arbeit des Sonderausschusses – und nun zitiere ich aus der Presseerklärung vom 23. März 2004:
Die enge Verflechtung von Politik und Unternehmen in Verbindung mit einem Monopol muss beendet werden.
Dies ist es, worum es der FDP in diesem Sonderausschuss gegangen ist: Die BSR als Landesunternehmen in Frage zu stellen. Herr Lindner hat vorhin noch einmal in dieselbe Kerbe gehauen, indem er die konsequente Privatisierung forderte. Das sollten wir an dieser Stelle einmal festhalten.