Die FDP hat ihren dringlichen Antrag über „Härtefallkommission durch Gesetz absichern“ zurückgezogen und ist dem Antrag der Grünen beigetreten. – Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.
Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen in Person von Herrn Ratzmann. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen, dass sich das Parlament mit der Einrichtung einer Härtefallkommission auf Grund des neuen Aufenthaltsgesetzes beschäftigt. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2005 in Kraft. Es ist Teil des Zuwanderungsgesetzes, das im Juli dieses Jahres letztendlich von einer breiten Mehrheit im Bundestag getragen wurde. Es gab darüber jahrelang eine breite gesellschaftliche Debatte. Viele gesellschaftliche Verbände – Industrie, Kirchen, Gewerkschaften – haben darauf lange gewartet. Viele Verbände hätten von diesem Gesetz mehr erwartet, als letztendlich herausgekommen ist. Das war – das will ich hier erwähnen – letztendlich dem Umstand geschuldet, dass das Gesetz durch den Bundesrat musste, dass es der Zustimmung durch die CDU bedurfte. Auf Grund der Politik der CDU konnten viele der vorgesehenen fortschrittlichen Instrumente nicht implementiert werden. Wesentliche Bestandteile dieses Gesetzes sind u. a. der Integrationswille, der dort zum Ausdruck kommt, der auch für diese Stadt eine besondere Bedeutung hat, im Bildungsteil ein großer Fortschritt, wenn es gelingt, das, was im Zuwanderungsgesetz vereinbart ist, auch wirksam werden zu lassen. Das Gesetz hat viele Teile, die noch ausgestaltet werden müssen, ein großer Teil auf der Bundesebene durch Rechtsverordnung. Gerade in dem Bereich, der den Arbeitsmarktzugang regeln wird, warten wir mit Spannung darauf, wie der Verordnungsgeber dies
Danke schön, Herr Kollege Ratzmann! – Das Wort hat nunmehr für die Fraktion der SPD der Kollege Kleineidam. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ratzmann! Ich hatte bei weiten Teilen Ihrer Rede den Eindruck, Sie hätten sich in der Tagesordnung vertan und den Redetext zur Großen Anfrage vorgetragen. Die haben wir allerdings vertagt.
Wir haben in Berlin hervorragende Erfahrungen mit der Härtefallkommission gemacht. Über viele Parteigrenzen hinweg war das Konsens in diesem Haus, dass es Härtefallkommissionen gibt. Es geht im Augenblick nur darum, diese auf der neuen gesetzlichen Grundlage formal in Kraft zu setzen. Dafür reicht nach unserer Auffassung eine Rechtsverordnung völlig aus, insbesondere legen wir Wert darauf, dass die neue Härtefallkommission ihre Arbeit am 1. Januar aufnehmen kann. Bei dem von Ihnen vorgeschlagenen Verfahren, hier ein Gesetzgebungsverfahren anzuleiern, haben wir größte Bedenken, ob wir die Arbeit im Januar wirklich aufnehmen können.
ausgestalten wird. Wir erleben jetzt gerade aktuell schon wieder die erste Änderung des Zuwanderungsgesetzes, weil es an die Vorschriften von Hartz IV angepasst werden muss. Das ist auch Gelegenheit, das, was vielleicht nicht ganz 100-prozentig geregelt werden konnte, jetzt in Angriff zu nehmen.
Einer der wesentlichen Bestandteile dieses Gesetzes war, Regelungen zu schaffen, die es ermöglichen, den ungesicherten Aufenthalt von vielen Menschen, die in diesem Land und in dieser Stadt leben, anders zu gestalten, einen größeren Gestaltungsspielraum zu kriegen. Wer heute in den Nachrichten die Debatte um das Zuwanderungsgesetz verfolgt hat, der wird festgestellt haben, dass es ein Bischofswort zu diesem Gesetz gegeben hat. Kardinal Lehmann hat gesagt, gerade dieser Teil sei unzureichend gestaltet, und er wünscht sich, dass es verbesserte Aufenthaltsmöglichkeiten gibt und dass wir auch nicht vergessen, dass es immer noch viele Menschen gibt, die ohne jeden Aufenthaltsstatus hier leben, die so genannten sans papier.
Wir wollen das Instrument der Härtefallkommission, das ein wesentliches Instrument zur Neugestaltung von Aufenthaltstiteln für die Menschen ist, die in ungesicherten, in prekären Aufenthaltssituationen leben, die als Bürgerkriegsflüchtlinge hierher gekommen sind, die hier integriert sind. Diese Härtefallkommission wird uns die Möglichkeit geben, im Einzelfall abweichend vom Gesetz einen Aufenthaltstitel zu ermöglichen. Die Kommission muss darum ersuchen. Die oberste Landesbehörde, hier die Senatsverwaltung für Inneres, kann dann die entsprechende Anordnung treffen. Berlin hat gute Erfahrungen mit der Härtefallkommission. In diesem Bereich ist es notwendig, an diese Erfahrungen anzuknüpfen und diese Erfahrungen auszubauen. Wir denken aber, dass das Prinzip, dass das Zuwanderungsgesetz einen breiten gesellschaftlichen Konsens braucht, auch in Berlin zur Anwendung kommen sollte. Wir haben Herrn Körting angeboten, in der Ausgestaltung und Umsetzung über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Das hat er abgelehnt. Deshalb bleibt uns auch nichts anderes übrig, als in dieser Situation zu dem Mittel zu greifen, das Artikel 80 Abs. 4 des Grundgesetzes uns zur Verfügung stellt, nämlich zu sagen: Immer dann, wenn der Bundesgesetzgeber eine Rechtsverordnungsermächtigung gibt, kann auch der Landesgesetzgeber handeln. – Das wollen wir. Das ist das transparentere Verfahren. Das ermöglicht uns, gesellschaftliche Gruppen einzubeziehen und eine breitere Diskussion zu führen. Es dient im Vorgriff auf die Föderalismusdiskussion schon einmal der Übung, dass die Landtage im Rahmen der Ausgestaltung und der Wahrnehmung von Kompetenzen gestärkt werden sollen. Nehmen Sie also Ihr eigenes Schicksal an diesem Punkt in die Hand, haben Sie den Mut zu sagen: Nicht der Rechtsverordnungsgeber in Form der Senatsverwaltung für Inneres soll handeln, sondern wir als Parlament müssen uns mit so einer wichtigen Frage selbst befassen. – Lassen Sie uns diesen Beschluss fassen, lassen Sie uns ihn der Senatsverwaltung mitteilen, und lassen Sie uns im
Anschluss daran im Parlament über ein Gesetz debattieren, das Voraussetzung und Verfahren über die Einrichtung einer Härtefallkommission regelt. – Vielen Dank!
Ich teile viele Ihrer Einschätzungen zum Zuwanderungsgesetz. Wir haben in der Vergangenheit häufig darüber diskutiert, dass das Zuwanderungsgesetz, wie es jetzt beschlossen wurde, nicht dem entspricht, was wir uns im Einzelnen gewünscht haben. Aber wir müssen die politischen Realitäten in diesem Land auch zur Kenntnis nehmen. Wir haben jetzt ein Bundesgesetz. Es geht um die Ausgestaltung.
Worum geht es in Ihrem Antrag konkret? – Der Antrag selbst handelt kaum von der Frage: Brauchen wir ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung? – Ihr ganzer Begründungsteil sagt dazu so gut wie gar nichts. Am Ende kommt eine kurze Bemerkung. Der Antrag hat dann Sinn, wenn ich dem Senat verbieten will, weiter zu handeln, nämlich den Weg der Rechtsverordnung zu verfolgen. Wenn wir Ihren Antrag ablehnen, kann der Senat diese Rechtsverordnung weiter erarbeiten, sie auch zum Januar in Kraft treten, und wir schränken uns in unserem Handlungsspielraum aber in keiner Weise ein. Wir können diese Diskussion trotzdem führen, ob ein Gesetz sinnvoller ist und ggf. in einem Dreivierteljahr immer noch sagen:
Da sind wir der Gesetzgeber. Das können wir machen. Bei Ihrem Antrag geht es nur um die Frage, ob wir vorher
Der Kollege Kleineidam von der SPD hat es leider nicht gehört, dass wir unseren Antrag noch einmal zurückgestellt haben, weil wir die Details gerne hier noch einmal besprechen würden. Das Anliegen allerdings, dass es hier eine Gesetzesinitiative geben soll, das ist weiterhin da, eine solche sollten wir hier gemeinsam starten.
Danke schön, Herr Kollege Ritzmann! – Das Wort für die PDS-Fraktion hat nunmehr Frau Hopfmann. – Bitte!
sagen: Senat keine Rechtsverordnung, auf keinen Fall, weil wir auf jeden Fall ein Gesetz wollen. – Wir wollen die Handlungsmöglichkeiten des Senats nicht einschränken. Wir wollen sicherstellen, dass die Härtefallkommission am 1. Januar ihre Arbeit aufnehmen kann. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Das Gleiche gilt für den FDP-Antrag, der sinngemäß das Gleiche sagt, der es sich aber noch einfacher macht, der sagt: Wir wollen ein Gesetz haben, und der Senat soll einen Entwurf schreiben. – Bei den Grünen gehe ich davon aus, dass sie selbst einen Entwurf erarbeiten würden. Das von der FDP erscheint mir sehr billig. Inhaltlich gilt das Gleiche. Wir werden auch Ihren Antrag ablehnen, weil wir am 1. Januar im Interesse der Menschen in dieser Stadt handlungsfähig sein wollen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu später Stunde besprechen wir noch ein ernstes Thema: Härtefallkommission. Da geht es nicht um Scherze, da geht es um persönliche Schicksale. 2003 wurden 88 persönliche Schicksale in diesem Gremium beraten. Ungefähr die Hälfte wurde positiv beschieden. Ungefähr der Hälfte dieser Empfehlungen ist der Innensenator gefolgt, letztendlich betraf es ca. 20 Personen. Aber jedes Mal handelt es sich um ein einzelnes Schicksal, deswegen müssen wir uns seriös damit beschäftigen.
Der Status dieses Gremiums ändert sich relevant im Vergleich zum bisherigen, weil im Zuwanderungsgesetz sein Gewicht verstärkt wird. Es tendiert in Richtung Entscheidungsgremium, Gnadenausschuss. Deswegen brauchen wir bei der Besetzung der Personen, die entscheiden, besondere Kriterien. Man kann sagen, wir lassen es bei der bisherigen Besetzung, das hat sich etabliert, das ist eine respektable Position, da wurde bisher auch viel gute Arbeit geleistet. Man kann aber auch anders argumentieren, das ist unser Ansatz. Wir sagen: Möglichst große Staatsferne sollte bei diesem Gremium sichergestellt sein. Eine Verankerung bei der Innenverwaltung, die dann zugleich über die Abschiebung entscheidet, erscheint uns nicht besonders sinnvoll.
Außerdem ist die gesellschaftliche Verankerung wichtig, dass wir nicht nur parteigebundene Personen darin haben, eben keine Personen oder Organisation, deren Meinungen und Position im Vorhinein klar ist. Deswegen war der Vorschlag der FDP, die Kirchen einzubeziehen, das ist klar, aber auch die jüdischen und die muslimischen Spitzenverbände bzw. einen davon. Wir brauchen dabei auch den Beauftragten für Migration und weitere unab
hängige Persönlichkeiten, denn auf Grund der gestiegenen Entscheidungsbefugnisse wollen wir eine größtmögliche Objektivität und Neutralität dieses Gremiums.
Jetzt kann man sagen, das weiß doch der Innensenator, der macht das in einer Verordnung schon richtig, vertrauen wir ihm doch einmal. Wir trauen dem Innensenator, wir trauen ihm auch fast alles zu, deswegen wollen wir als Gesetzgeber auch weiterhin daran mitwirken, damit nur das dort drin steht, was wir auch mittragen und nach außen verantworten können und für richtig halten. Deswegen bitten wir alle Kollegen hier im Parlament zu sagen: Diese Frage ist uns so wichtig, dass wir uns selbst damit beschäftigen und es nicht einfach einer Verordnung des Senators überlassen. Selbermachen ist also hier angesagt.
[Dr. Steffel (CDU): Er ist so aufgeregt! – Gram (CDU): Ich halte immer gern fünf Reden zum Schluss!]
Ja, dann hat man das letzte Wort, das ist auch nicht schlecht. – Jetzt hat aber Frau Hopfmann das Wort!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde so eine aufgeregte Debatte! Ich denke, dass sich die meisten Fraktionen im Haus und auch viele Mitglieder der Fraktion der CDU in der Sache, um die es hier geht, einig werden können, nämlich dass wir auf Landesebene in Zukunft endlich eine Chance haben, über humanitäre Härtefälle auf einer gesetzlichen Grundlage zu entscheiden, was in der Vergangenheit immer schwierig war, obwohl wir diese Härtefallkommission schon seit 14 Jahre haben und in Berlin als erste bundesweit hatten. Alle, die dort ehrenamtlich mitwirkten, haben große Verdienste erworben. Wir haben also erstmalig eine gesetzliche Grundlage für diese Entscheidung, was uns und den Betroffenen das Leben sehr viel leichter macht.
Aber wir haben jetzt einen Dissens in Bezug auf die Frage, soll es eine Rechtsverordnung sein oder ein Landesgesetz. Ich selbst bin einem Landesgesetz gegenüber offen. Es ist abzuwägen, was uns mehr in die Hand gibt, nicht weil ich in irgendeiner Weise ein Misstrauen gegen