Keine Verhinderung handwerklicher und gewerblicher Beschäftigung durch Ein-Euro-Jobs – gemeinsame Erklärung der Wirtschaftsverbände durchsetzen!
Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von insgesamt 15 Minuten bei freier Aufteilung auf maximal zwei Redebeiträge zur Verfügung. – In der ersten Runde hat sich für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Lindner gemeldet. – Bitte schön, Herr Lindner!
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Vor dem Hintergrund von über 5,2 Millionen Arbeitslosen haben wir in dieser Woche zwei beeindruckende Reden gehört. Die erste Rede unseres Staatsoberhauptes, des Herrn Bundespräsidenten, war eine mutige Rede, eine Rede für Reform, für Bürokratieabbau und für Steuervereinfachung. Ein Großteil des Landes war begeistert, sieht man einmal von dem üblichen Verhinderungskartell aus Gewerkschaften, SPD und Globalisierungsgegnern ab. – Schauen Sie, was fällt so einem Mann wie Herrn Stiegler ein. Ausgerechnet Herr Stiegler aus dem vorletzten Jahrhundert sagte: Herr Köhler hat ein kaltes liberales Programm aus dem letzten Jahrhundert formuliert.
Das ist das, was Sie hier leisten. Die Bundesregierung ist unfähig, und der rot-rote Senat ist auch unfähig. Die Bürger haben es satt. Sie haben genug von Streit, Taktik und Machterhalt. Die Bürger wollen endlich, dass wir anpacken, dass wir zusammenstehen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, dass wir die Ordnung der Freiheit schaffen, dass dann die Unternehmer endlich die Arbeitsplätze schaffen, die wir brauchen, damit die Menschen in diesem Land wieder eine Perspektive haben.
Der rot-rote Senat hat sich bei allen arbeitsmarktpolitischen Novellen, Hartz I bis Hartz IV, im Bundesrat enthalten. Das war seine einzige Leistung, die er beigetragen hat, weil er aus parteiinternen Streitereien nicht zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen ist. – Wir haben heute einen bemerkenswerten Antrag der Grünen, der in die Richtung Anrechnungsverfahren geht. Warum haben Sie sich denn damals nicht im Vermittlungsausschuss, im Vermittlungsverfahren eingesetzt? – Frau Kollegin Dückert hat sich regelmäßig gegen solche Vorstöße eingesetzt.
Und wenn heute – und ich sage, das ist ein Schritt in die richtige Richtung – eine Absenkung der Sätze beim Körperschaftsteuergesetz gefordert ist, fehlt der ganze restliche Teil, und zwar ein vollständiges Konzept zur Unternehmensteuerreform, Ersatz der Gewerbesteuer statt eines weiter fortbestehenden komplizierten Anrechnungsverfahrens, und zwar Ersatz durch eigene Hebesätze der Gemeinde für Körperschaft- und Einkommensteuer, Spit
zenbelastungen für unternehmerische Einkünfte vor allen Dingen rechtsformunabhängig zu machen, dass wir nicht dieses ständige Switchen zwischen Kapital- und Personengesellschaften haben. – Wir erkennen ganz deutlich: Im Unterschied zum Solms-Modell, das wir Anfang der Woche vorgestellt haben, ist bei Ihnen nur einfach der Druck im Genick, heute Abend irgendetwas in Ihrem Reformgipfel vorzustellen, die Union ein wenig vor sich herzutreiben, aber eine systematische Konzeptionierung eines neuen Steuerrechts ist völlige Fehlanzeige.
Was wir Ihnen heute weiter vorschlagen, was zwingend nötig ist, ist das Thema Niedriglohnsektor. Dafür legen wir Ihnen heute einen Antrag vor, aktivierende Sozialhilfe einzuführen. Das ist eine ganz zentrale Forderung. Es gibt 350 Milliarden € Schwarzarbeitsvolumen in Deutschland. Ein erheblicher Teil gerade gering qualifizierter Beschäftigter ist nur noch in der Schwarzarbeit tätig. Das ist eine Quote von 17,5 %, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. In Österreich – weil die Gäste gerade auf der Tribüne sitzen – gibt es eine Quote von 8 %. – Wir müssen dringend etwas tun, damit die Beschäftigten legal arbeiten können, und dafür müssen wir sie aktivieren, auch eine gering bezahlte Beschäftigung anzunehmen. Der Bundespräsident nennt das aktivierende Sozialhilfe. Das teilt sich übrigens auch mit den Ideen des IFOInstituts, das ausgerechnet hat, dass über ein solches Modell aktivierende Sozialhilfe bis zu zwei Millionen neue Arbeitsplätze in Deutschland, davon 200 000 neue Arbeitsplätze in Berlin, geschaffen werden können. Hierzu brauchen wir neben dem Konzept der aktivierenden Sozialhilfe weiterhin noch eine Abschaffung des über das Bürgerliche Gesetzbuch hinausgehenden Kündigungsschutzes für Betriebe unter 50 Beschäftigte. Das ist auch ein ganz großes Hemmnis, dass die Leute nicht wieder freigestellt werden können, wenn sich die Auftragslage ändert. Das verhindert Einstellungen. – Weiterhin brauchen wir zumindest bis zu einem Eintreten einer umfassenden Steuerreform auch eine steuerliche Geltendmachung von haushaltsnahen Werk- und Dienstleistungen. Das ist auch so ein Thema, Herr Kollege Wolf. Wir waren auf einer gemeinsamen Sitzung oder Veranstaltung der Gebäudereiniger, da haben Sie doch auch dafür geworben. Aber ich vermisse auch hier Ihre Initiativen, im Bundesrat zu einer solchen steuerlichen Anerkennung haushaltsnaher Werk- und Dienstleistungen zu kommen. – Reden, reden, reden, aber beim Machen ist da nicht mehr viel los.
Warum wählen Sie denn nicht einfach die Nummer von Rezzo Schlauch und erklären ihm, was er zu tun hat, als uns mit solchen Anträgen zu quälen?
[Beifall bei der FDP – Frau Dr. Klotz (Grüne): Was hat der damit zu tun? Saß der im Vermittlungsausschuss?]
Ansonsten haben wir ein ganz zentrales Thema, vom rotroten Senat genauso wie von der rot-grünen Bundesregierung völlig außer acht gelassen, das Thema Bürokratieabbau.
Sie haben fast alle Vorlagen, die wir Ihnen zum Bürokratieabbau, insbesondere Baunebenrecht und Ähnliches geboten haben, abgelehnt und selber auf diesem Gebiet nichts geleistet.
Und auf der Bundesebene führen Sie dann auch noch solche hirnrissigen Geschichten wie das Antidiskriminierungsgesetz ein.
Das ist Ihr Beitrag: Arbeitsplätze noch mehr zu reduzieren statt sie aufzubauen. Das ist die ganze Wahrheit.
Das zweite wesentliche Thema ist die Steuer. Das haben wir heute wieder mitbekommen. Da stellt sich der Finanzsenator hin und schreibt Namensartikel, der Regierende Bürgermeister geht in die eine oder andere Talkshow, aber wir haben ganz klar gehört: Initiativ sind beide nicht geworden, und dieser rot-rote Senat weder bei der Umsatzsteuer, weder bei der Unternehmensteuer, weder bei der Einkommensteuer noch bei der Gemeindefinanzreform noch beim Thema Gewerbesteuer. Völlige Fehlanzeige bei allen relevanten steuerpolitischen Themen in Deutschland!
Wofür werden Sie eigentlich bezahlt? Für das Schreiben von Zeitungsartikeln oder für das Bemühen, das, was Sie für richtig erkennen, dann bei diesen Koalitionsfraktionen durchzusetzen und über den Senat eine Bundesratsinitiative zu ergreifen? – Das ist doch das, wofür Sie bezahlt werden und nicht für das Schönreden.
Schließlich und letztlich ein Aufbohren der Tarifkartelle – auch eines der großen Punkte, mit denen Beschäftigung verhindert wird. Wir trauen es den Unternehmen nicht zu, selbst darüber zu entscheiden, welche Löhne und Gehälter sie vereinbaren. Wir müssen wegkommen von den Tarif- und Lohnkartellen, die auch kleine Unternehmen dazu zwingen, einen nicht qualifizierten Beschäftigten nach Tariflohn zu bezahlen. Dies treibt die Leute in die Illegalität und sorgt dafür, dass illegale Beschäftigungsplätze entstehen.
Ich appelliere an Sie: Geben Sie diese Blockadehaltung auf! Nur wenn wir entschlossen anpacken bei Reformeinkommen und Unternehmensteuerrecht, beim Abbau von Bürokratie, bei der Reform des Arbeitsrechts im gerade genannten Sinne, bei der Abschaffung der Tarifkartelle, bei der Einführung eines Systems aktivierender Sozialhilfe, nur wenn wir eine Ordnung der Freiheit schaffen, wie es der Bundespräsident gefordert hat, haben die Menschen in Berlin und in Deutschland eine Chance auf Arbeit, und das sind wir ihnen schuldig. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat nunmehr Frau Grosse. – Bitte schön, Frau Grosse!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Lindner! Ihre Rede fand ich nicht bemerkenswert, denn ich habe nichts anderes erwartet, als das, was Sie hier abgeliefert haben!
Wer sich in der Arbeitsmarktpolitik auskennt, der weiß, dass alles Nonsens ist, was Herr Dr. Lindner vorgeschlagen hat.
[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Gelächter bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]
Ich hoffe, Sie haben richtig hingehört, was der Bundespräsident gesagt hat. Er hat nämlich auch etwas in Ihre Richtung gesagt. Da haben Sie aber wahrscheinlich Ihre Ohren zugemacht.