Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

Lfd. Nr. 30:

Beschlussempfehlungen

Nachhaltige Mobilität sichern I: umweltgerechtes und sicheres Mobilitätsverhalten von jungen Erwachsenen

Beschlussempfehlung BauWohnV und Haupt Drs 15/3874 Antrag der Grünen Drs 15/3549

Auch hierzu ist keine Beratung vorgesehen. Fach- und Hauptausschuss empfehlen jeweils mehrheitlich gegen die Stimmen der Antrag stellenden Fraktion der Grünen die Ablehnung. Wer jedoch dem Antrag Drucksache 15/3549 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Fraktion der Grünen. Die Gegenprobe! – Alle anderen! Stimmenthaltung? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Jetzt wird es noch einmal ein wenig kompliziert. Ich bitte um Aufmerksamkeit. Wir kommen zur

lfd. Nr. 31:

Beschlussempfehlungen

Berliner Märchentage durch Basisfinanzierung absichern

Beschlussempfehlungen Kult und Haupt Drs 15/3875 Antrag der CDU Drs 15/3541

Auch hierzu werden die Reden zu Protokoll gegeben.

[Bravo! und Beifall]

Ich nehme an, dass der Beifall zeitökonomische Gründe hat.

Auch die SPD-Fraktion kennt die Bedeutung der

„Märchentage“. An der Qualität der hier geleisteten Arbeit gibt es keinen Zweifel. In der Würdigung dieser erfolgreichen Kulturarbeit unterscheiden sich die Fraktionen dieses Hauses nicht.

Darum geht es heute aber auch gar nicht. Es geht um

einen Antrag, der den Anschein erweckt, im Dienste des Guten zu handeln, bei genauem Hinsehen aber die Hoffnung, die er weckt, nicht erfüllen kann. Geld für – völlig unbestritten – gute Zwecke zu fordern, ist leicht, es würde jeder und jedem einzelnen Abgeordneten in diesem Hause bestimmt mehr als nur eine wichtige Sache einfallen, für die es sich lohnen würde, Mittel bereitzustellen. Nur: Wenn wir allen alles versprechen, stellen wir spätestens bei den nächsten Haushaltsberatungen fest, dass wir es

nicht halten können. So mag die Opposition – in diesem Falle mit Ausnahme der FDP – denken und handeln, wir tun es jedenfalls nicht.

Mit den „Märchentagen“ ist es doch so: Bisher erhält

der Träger Märchenland e. V. keine institutionelle Förderung. Soll das in Zukunft geändert werden, muss man auch sagen, was man statt dessen streichen will. Der Ursprungsantrag der CDU macht wenigstens noch einen Versuch, eine Gegenfinanzierung darzustellen, die sich aber leider als nicht tragfähig herausgestellt hat. So sehr wir inhaltlich auch wünschten, wir könnten der Beschlussempfehlung des Kulturausschusses folgen, so sehr müssen wir erkennen, dass wir das seriöserweise nicht tun können. Wir hoffen, dass die „Märchentage“ ihre Finanzierung wie bisher schon durch vermehrtes privates Engagement und nach Möglichkeit auch mit Lottomitteln sichern können. Zu dem Wunsch nach einer Finanzierung aus Haushaltsmitteln hat die Kulturverwaltung erklärt, sie sehe wenig Möglichkeiten, eine Basisfinanzierung der „Märchentage“ aus dem ohnehin angespannten Kulturetat zum jetzigen Zeitpunkt zusätzlich zu leisten.

Wir glauben, dass allen Beteiligten hier mit Ehrlich

keit mehr geholfen ist. Angesichts der extremen Haushaltsnotlage ist es eben nicht so einfach, erst einmal ein Versprechen zu machen und später zu sehen, ob man es auch einhalten kann, wie es die Grünen im Hauptausschuss vorgeschlagen haben. Die Kulturverwaltung hat im Hauptausschuss zugesagt, dass auch sie noch einmal genau hinsehen wird, ob eine Förderung der „Märchentage“ für die Jahre 2006 und 2007 im Rahmen der Prioritätensetzung im Kulturetat möglich ist. Mehr können und sollten wir derzeit nicht tun.

Wir werden auch keine vorgezogenen Haushaltsbera

tungen führen; auf der Grundlage des CDU-Antrags und der Beschlussempfehlung des Kulturausschusses wäre dieses auch unverantwortlich. Deshalb müssen wir den Ursprungsantrag und die Beschlussempfehlung des Kulturausschusses ablehnen.

Es war einmal ein außerordentlich erfolgreiches Kin

der- und Literaturprojekt. Das erreichte mit seinen liebevollen und intelligenten Vorlesestunden allein in drei Wochen im November 2004 22 000 Schülerinnen und Schüler in Berlin. Doch eines Tages kam eine garstige Regierung, die meinte, dass man für so viel Erfolg nicht auch noch lobend etwas beisteuern sollte – auch dann nicht, wenn man ein wenig Geld im Topf hat. Dabei kam das Geld sogar aus derselben Quelle, die auch die Märchentage speiste. Aber ein böser Geist nahm das Geld weg und gab es anderen guten Mächten, nur nicht den Märchendamen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir reden hier

heute deshalb über ein scheinbar so kleines Problem, wie

Vizepräsidentin Michels

es die „Märchentage" sind, weil dieser Vorgang ein bezeichnendes Licht auf die Art und Weise wirft, wie RotRot hier Kulturpolitik macht: Rücksichtslos gegenüber den Einrichtungen, und schlichtweg ignorant gegenüber dem Parlament. Was ist passiert?

Die Neue Gesellschaft für Literatur geht Mitte letzten

Jahres in die Insolvenz und hinterlässt immerhin eine jährliche Finanzierung von 120 000 €. Es bietet sich nachgerade an, diese 120 000 € genau da einzusetzen, wo es an einer mittelfristigen Absicherung eines hervorragenden und erfolgreichen Literatur- und Jugendprojektes fehlt – bei den „Märchentagen" nämlich – und dieses Geld nicht etwa der ohnehin sehr stiefmütterlich ausgestatteten Sparte Literatur wegzunehmen. Die „Märchentage" arbeiteten ohnehin unter dem Dach der NGL und sind dringend auf eine Basisfinanzierung angewiesen, wenn sie weiterhin erfolgreich Drittmittel akquirieren wollen. Was liegt also näher, als sie endlich und verdientermaßen mit einem bescheidenen Beitrag von 120 000 € im Jahr auf eine Basis zu stellen, die häufig von Drittmittelgebern vorausgesetzt wird, wenn Projektmittel bewilligt werden sollen.

Bereits im Monat der Insolvenz der NGL haben die

„Märchentage" den Senator in einem Brief darum gebeten, diesen Weg zu beschreiten, wenig später lag unser entsprechender Antrag im Parlament vor. Erst jetzt, ein halbes Jahr danach, wird er beraten, und – siehe da – das Geld ist weg, es ist natürlich inzwischen anderweitig ausgegeben worden: für den Berliner Kunstpreis und die Gedenkstätte in Marienfelde – zwei ehrenwerte Zwecke, keine Frage. Das alles lief klammheimlich am Parlament vorbei.

Weil das nicht ganz so elegant war, versuchen die rot

roten Koalitionäre im Kulturausschuss, über einen Ersetzungsantrag die heikle Sache schnell an sich zu ziehen. Die Koalitionsmehrheit im Kulturausschuss beschließt also ganz unverbindlich, „die Berliner Märchentage durch geeignete Maßnahmen finanziell abzusichern" – Ende offen. Doch das dicke Ende kam schon am nächsten Tag: Da tagte der Hauptausschuss und versenkte den 24 Stunden vorher noch von SPD und PDS gebastelten Antrag – ohne die Stimme des Kollegen Brauer übrigens, dem dieses Tun dann offenbar doch zu heuchlerisch war: Will Rot-Rot nun die Märchentage, oder wollen sie sie nicht?

Oder stimmt es gar, dass der Kultursenator selber kein

Interesse an einer Basisfinanzierung des Kinder-LiteraturProgramms hat? Und dann die Begründung der Verwaltung: Der Kunstpreis und Marienfelde seien eben überhaupt nicht budgetiert, die „Märchentage“ dagegen bekämen doch seit Jahren schönes Lottogeld.

Offenbar hat man vergessen, dass dafür das Parlament

noch immer nicht zuständig ist und dass man dort eigentlich nur Projektförderung betreibt, keine schleichende institutionelle Finanzierung. Die aber wäre dringend nötig bei einem derart erfolgreichen Literaturprogramm für Kinder: Seit 15 Jahren setzen die „Märchentage" mit mi

nimalem Personalaufwand ein Programm um, das inzwischen mit jährlich über 800 Veranstaltungen 40 000 Kinder in Berlin erreicht. Sie werben das Fünffache ihres Budgets an Drittmitteln ein, und sie gehen mittlerweile international auf Märchenreise – als Botschafterinnen Berlins.

Es gehört schon eine große Portion Ignoranz dazu, am

Parlament vorbei ganz allein zu entscheiden, das Geld der ehemaligen NGL aus der Literatur abzuziehen und allen Ideen und Anträgen zum Trotz die Märchentage im Kulturausschuss erst scheinbar zu unterstützen, um sie einen Tag später im Hauptausschuss zu kippen.

Nun arbeiten sie also tapfer weiter, alle unsere Mär

chenfeen und Geschichtenerzähler. Sie haben jetzt eine neue, kleine, böse und etwas garstige Geschichte im Repertoire, die handelt von unaufrichtigen Berliner SPD- und PDS-Politikern, die ihnen nicht helfen wollen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann gibt es sie auch weiterhin – denn die beim Lotto und beim Bund und bei Europa, die haben ein Einsehen und gönnen den Berliner Kindern ihre „Märchentage".

Ich habe mir jüngst von einem, der wissen musste, er

zählen lassen, wie es war in der Zeit, als das Wünschen noch geholfen hatte:

Der Senat von Berlin-West hatte eine Idee, aber das

Geld war alle. Also griff der Kollege zum Telefon, rief in Bonn das Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen an, manchmal auch den Kanzlerbungalow, und sagte, hört mal, wir haben hier einen Wunsch – und flugs wuchs das Milliönchen über die Mauer hinüber nach Schöneberg.

Das war in den Zeiten, als das Wünschen noch gehol

fen hatte. Nur ist das jetzt vorbei. Jetzt haben wir Haushaltsdebatten und einen erklärten Notstand.