Bevor ich die erste Frage aufrufe, habe ich zwei Vorschläge zur Verbindung von Fragen zu unterbreiten. Die Frage 2 des Kollegen Henkel und die Frage 5 des Abgeordneten Ritzmann befassen sich beide mit der Visaaffäre, die Fragen 8 und 9 der Abgeordneten Frau Dr. Hiller und der Abgeordneten Frau Martins mit der Verkehrssituation am Olympia-Stadion. Gibt es Widerspruch gegen diese Verbindung? – Ich höre keinen Widerspruch. Die Geschäftsführer der Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass bei Nachfragen das Fragerecht zuerst den Fragestellern zusteht, dann können jeweils zwei weitere Nachfragen aus dem Plenum gestellt werden, also insgesamt pro Frage vier Nachfragen. – Auch dazu höre ich keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.
Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat die Frau Abgeordnete Neumann von der Fraktion der SPD zu dem Thema
1. Wie wirkt sich aus Sicht des Senats die Initiative Girls' Day auf die Ausbildungsplatzsuche junger Mädchen aus, und sind Veränderungen z. B. bei der in der vergangenen Woche stattgefundenen Ausbildungsbörse im Flughafen Tempelhof festzustellen?
2. Auf welche neuen Ausbildungsberufe richten sich die Interessen der Mädchen, und in welchen Bereichen hält der Senat weitere Initiativen für nötig?
Präsident Momper Für den Senat antwortet der Wirtschaftssenator Wolf. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Neumann! Der Girls’ Day ist eine wichtige Veranstaltung, um Mädchen und jungen Frauen Einblick in naturwissenschaftlich-technische Berufe, in Führungspositionen und in Bereiche zu geben, in denen erwerbstätige Frauen unterrepräsentiert sind. Wir haben nach wie vor die Situation, dass sich über die Hälfte der jungen Frauen bei der Berufswahl schwerpunktmäßig auf so genannte frauentypische Berufe beschränken. Diese bieten häufig eine geringere Entlohnung und schlechtere Aufstiegschancen. Der Girls’ Day ist deshalb eine wichtige Initiative.
Ich bin froh, dass wir sowohl bundes- als auch landesweit von Jahr zu Jahr eine größere Teilnahme zu verzeichnen haben. Wir haben in Berlin in diesem Jahr 277 Angebote von Unternehmen und Einrichtungen erhalten. Das ist gegenüber dem letzten Jahr mit 167 Angeboten eine deutliche Steigerung. Wir haben ca. 6 700 Plätze, wobei die Mütter und Väter nicht berücksichtigt sind, die ihre Töchter mit an den Arbeitsplatz nehmen, um ihnen Einblick in ihre Tätigkeitsfelder zu geben. Es ist auch erfreulich, dass sich in diesem Jahr mehr kleine und mittelständische Unternehmen beteiligen, dass sich der Gedanke des Girls’ Days auch dort verbreitet hat und dass die Möglichkeit geboten wird, auch dort durch intensivere Gespräche und Betreuungen einen Einblick zu bekommen.
Es ist momentan noch schwer, die Auswirkungen auf die Berufswahl statistisch nachzuweisen, da die Teilnahme am Girls’ Day im Bundesdurchschnitt nur bei 10 % liegt. Da ist noch eine Steigerung möglich und notwendig. Die Einstellung zur Berufswahl wird sich nur langfristig verändern. Außerdem muss das Berufswahlspektrum nicht nur bei denen erweitert werden, die nach einem Ausbildungsberuf suchen, sondern vor allen Dingen muss bei den Unternehmen eine größere Offenheit gegenüber dem Potential geschaffen werden, das in den Frauen und Mädchen steckt.
Aus einer Befragung zum Girls’ Day 2003 geht hervor, dass insgesamt 42 % der Mädchen, die an dieser Befragung teilnahmen, angegeben haben, sie hätten im Rahmen des Girls’ Days Berufe kennen gelernt, die sie interessierten. 30 % gaben an, sie könnten sich vorstellen,
später in dem vorgestellten Beruf zu arbeiten. Das ist eine positive Entwicklung. Das wird auch durch die Erfahrungen und Einschätzungen der Berliner Industrie- und Handelskammer bestätigt, die Teilnehmerinnen der Tage der Berufsausbildung im zurückliegenden Jahr interviewt hat. In diesem Zusammenhang gaben 50 % der Teilnehmerinnen an, dass ihr Interesse an einer Berufsausbildung im technischen Bereich geweckt worden sei. Allerdings liegen uns keine tatsächlichen Ergebnisse vor, wie die Berufswahl letztlich verlief.
Bezüglich der Frage, auf welche neuen Ausbildungsberufe sich das Interesse richtet, kann ich Ihnen mitteilen, dass der Zustand unverändert ist. Nach wie vor richtet sich das Interesse der Mädchen auf die zehn bevorzugten Ausbildungsberufe. Das Berufswahlspektrum hat sich kaum verändert. Die Berufe Kauffrau für Bürokommunikation und Friseurin stehen ganz vorne. Kauffrau im Einzelhandel und Arzthelferin folgen. Es gibt allerdings in den neuen Medienberufen interessante Entwicklungen. Mittlerweile gibt es Berufe, in denen die Anzahl der Mädchen dominiert. Zu diesen Berufen gehören Mediengestaltung für Digital- und Printmedien, Mediendesign, Veranstaltungskauffrau und Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste. Offensichtlich ist es in diesen Berufsbildern so, dass das kreative und gestalterische Element dieser Berufe für Frauen besonders attraktiv ist.
Wir werden von unserer Seite aus auch in den nächsten Jahren im Rahmen des Aktionsbündnisses daran arbeiten, dass sich der Girls’ Day weiter verbreitet und sich die Zahl der daran teilnehmenden Unternehmen und Mädchen erhöht. Wir werden aber auch im Bereich einzelner Tätigkeits- und Berufsfelder, z. B. in der Berliner Initiative „Frauen und Männer in der Informations- und Wissensgesellschaft“, weiter an der Entwicklung der Berufsorientierung arbeiten. Ich glaube, dass es angesichts der künftigen demographischen Entwicklung und eines sich abzeichnenden Fachkräftemangels, insbesondere in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen, im Interesse der Wirtschaft ist, die Potentiale von Frauen und Mädchen besser zu nutzen und damit auch einen Beitrag zur Gleichstellung in Wirtschaft und im Betrieb zu leisten.
Danke schön, Herr Senator Wolf! – Jetzt ist Frau Neumann mit einer Nachfrage an der Reihe und erhält das Wort. – Bitte!
Herr Senator Wolf! Ich erkenne, dass wir noch eine Menge tun müssen, um den Anteil von Mädchen in technischen und für Frauen untypischen Berufen zu steigern. – Warum sind Mädchen im Bund-Länder-Sonderprogramm für Ausbildungsplätze und im Bereich MDQM unterrepräsentiert?
Programmen Mädchen unterrepräsentiert sind. Da es sich bei MDQM um ein Programm handelt, das sich insbesondere an Jugendliche richtet, die eine schwierige Schulkarriere hatten und häufig keinen Schulabschluss haben, ist der Anteil der Mädchen niedriger, weil Mädchen eine bessere Schulausbildung und Qualifikation haben.
Deshalb sind Mädchen auf dieses spezielle Programm nicht in dem Umfang angewiesen wie männliche Jugendliche. Das ist ein positives Zeichen. Ich werde bezüglich des Bund-Länder-Sonderprogramms einmal nachhaken, weshalb dort Mädchen unterrepräsentiert sind. Ich kann Ihnen dazu unmittelbar keine Erklärung anbieten.
Herr Senator! Wie beurteilen Sie die Initiative der Familienministerin, die mit dem heutigen Girls’ Day das Modellprojekt „Neue Wege für Jungs“ einrichten will? – Dieses Projekt hat zum Ziel, Jungen Berufsperspektiven zu eröffnen, die bislang eher als frauentypisch galten.
Herr Senator Böger sagt gerade, er freue sich auf Erzieher. – Ich glaube, dass es grundsätzlich richtig ist, Aktivitäten zu unternehmen, mit denen die Berufsorientierung von männlichen Jugendlichen geändert und erweitert werden kann. Bei männlichen Jugendlichen haben wir nämlich eine ähnliche Situation wie bei den jungen Frauen. Auch sie orientieren sich weitgehend auf zehn Ausbildungsberufe. Da steht der Automechatroniker ganz oben in der Wunschliste. Ich glaube, dass es auch unter dem Gesichtspunkt von Gender-Mainstreaming angemessen ist, wenn das Spektrum erweitert wird. Deshalb kann man diese Initiative nur begrüßen. Ich finde, dass es richtig ist – Frau Senftleben, ich sage noch einen Satz, der Ihnen wahrscheinlich nicht so gut gefällt –, an den Schulen während des Girls’ Day im Unterricht mit den dort verbliebenen männlichen Jugendlichen zu versuchen, über das Thema Berufsorientierung zu sprechen und ihr Spektrum zu erweitern.
Ich komme jetzt aber zu dem Punkt, an dem wir nicht mehr einer Meinung sind, Frau Senftleben, – wir haben darüber auch schon im Ausschuss diskutiert. Ich bin der Auffassung, dass der Girls’ Day ein spezifischer Tag für junge Mädchen bleiben muss, weil wir es bei der Ungleichverteilung der Berufsfelder zwischen den Geschlechtern mit einer spezifischen Benachteiligung von Mädchen zu tun haben. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei den typischen Frauenberufen um solche mit geringerer Entlohnung und geringeren Aufstiegschancen handelt. Deshalb ist es aus meiner Sicht richtig und muss auch so bleiben, dass junge Mädchen spezifisch angesprochen werden und es ein Tag für Mädchen bleibt. Das schließt natürlich nicht aus, dass an diesem Tag auch
das Thema Berufsorientierung von Jungen angesprochen wird. Aber der Girls’ Day sollte ein Tag für junge Frauen und Mädchen bleiben, deren Berufsorientierung im Mittelpunkt stehen und ein entsprechendes Angebot gemacht werden. Wir wollen nicht, dass es ein allgemeiner Tag der Berufsorientierung wird.
Deshalb bin ich der Auffassung, dass der Girls’ Day in seiner jetzigen Form erhalten bleiben muss, dass aber die von Ihnen angesprochenen Themen aufgegriffen und thematisiert werden sollten.
[Beifall bei der PDS und der SPD – Dr. Lindner (FDP): Es gibt einen extra Boys’ Day! – Pewestorff (PDS): Bad Boys’ Day!]
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt ist der Abgeordnete Henkel von der Fraktion der CDU an der Reihe mit einer Anfrage zum Thema
1. Treffen Informationen zu, nach denen die Anzahl der Firmen und Geschäftsleute, die im Zusammenhang mit der so genannten Visaaffäre mit Reiseschutzpässen gehandelt haben, in Berlin im Vergleich zu anderen betroffenen Orten mit Abstand am höchsten ist?
2. Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus der Tatsache, dass Berlin bei der illegalen Einschleusung von Menschen nach Westeuropa eine Schlüsselstellung eingenommen hat bzw. einnimmt?
Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Jetzt folgt zum gleichen Thema der Kollege Ritzmann von der Fraktion der FDP mit einer Frage zum Thema
Herr Präsident! Ich frage den Senat: Wann hat sich der Innensenator persönlich mit dem Wostok-Bericht des Bundeskriminalamtes befasst, in dem festgestellt wird, dass Berlin das bundesweite Zentrum der Schleuserkriminalität und des Visamissbrauchs ist, und ab wann lag der Bericht dem Landeskriminalamt vor?
Danke schön, Herr Kollege Ritzmann! – Das Wort zur Beantwortung hat der Senator für Inneres, Herr Dr. Körting. – Bitte schön, Herr Dr. Körting!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit der Frage des Kollegen Henkel. – Herr Kollege Henkel! Ihre Frage nimmt offenbar Bezug auf das Zahlenmaterial des vom Bundeskriminalamt durchgeführten Auswerteprojektes Wostok. Bei den im Rahmen dieses Projekts bekannt gewordenen Vertriebspartnern, der so genannten Reiseschutz AG, ist Berlin zahlenmäßig am stärksten vertreten. Ich weise darauf hin, dass ich bereits auf die Mündliche Anfrage des Kollegen Ritzmann am 24. Februar 2004 geantwortet habe, dass eine erhebliche Anzahl entsprechender Büros in Berlin vertreten ist. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass das Wostok-Projekt einerseits nur einen Teilbereich der Schleuserkriminalität betrachtet, andererseits die Daten beziehungsweise Zahlen keinen Rückschluss darauf zulassen, dass gegen alle erfassten Firmen und Geschäftsleute hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat und damit für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorlagen bzw. vorliegen. In dem Datensatz wird zunächst einmal erfasst, welche Büros von der Möglichkeit der so genannten Reiseschutzpässe, die immerhin von der größten deutschen Versicherungsgesellschaft versichert worden sind, Gebrauch gemacht haben.
Das Landeskriminalamt hat einerseits das ihm verfügbare Zahlenmaterial über die hier eingeleiteten 25 Ermittlungsverfahren in diesen Tatkomplex in das Auswerteprojekt eingespeist, andererseits einen Zwischenbericht und auch die mittlerweile vorliegende zweite Fassung des Projektberichts darauf hin ausgewertet, ob sich aus den insgesamt 87 Datensätzen – das heißt, 87 Reisebüros oder Unternehmen in Berlin, die von diesen Reiseschutzpässen Gebrauch gemacht haben – die Notwendigkeit ergibt, weitere Verfahren einzuleiten.
Zu Ihrer zweiten Frage: Die Auswertung der Bundeslagebilder 2001 und 2003 zu dem Themenkomplex ergibt, dass Berlin bei der Zahl der Schleusungsfälle auf den Plätzen zwei bis vier und bei den qualifizierten Schleusungen auf den Plätzen fünf bis zehn liegt. Ich habe schon früher darauf hingewiesen, dass die Zahlen der Kriminalstatistik gerade in diesem Bereich einerseits mit der konsequenten Schwerpunktsetzung des hiesigen Landeskriminalamtes, das eine weithin anerkannte Arbeit leistet, zu tun haben, wie auch mit der besonderen Belastung Berlins auf Grund seiner geographischen Lage im Schnittpunkt zwischen Ost und West.
Nun zur Frage des Kollegen Ritzmann: Es sei mir gestattet, Herr Kollege Ritzmann, darauf hinzuweisen, dass es keiner Berichte des Bundeskriminalamts bedarf, um die Innenverwaltung und auch mich davon zu unterrichten, dass wir ein besonderes Problem mit Schleusungskriminalität in Berlin haben. Ich selbst habe verschiedentlich die Öffentlichkeit darüber unterrichtet. Ich erinnere an den von der Justizsenatorin und mir vorgestellten Lagebericht zur organisierten Kriminalität des Jahres 2002, in dem wir besonders auf die Schleusungskriminalität unter anderem auch unter