Protokoll der Sitzung vom 21.03.2002

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drogenpolitik in Berlin steht unter neuen Vorzeichen. Das Thema bewegt zweifellos. Es steht im starken öffentlichen Interesse, und das zu Recht. Es gibt die verschiedensten Auffassungen und starken Diskussionsbedarf. Das macht auch der Beitrag von Herrn Kleineidam deutlich. Sicherlich liegen uns deshalb auch drei Anträge zu diesem Thema vor. Aber bevor Entschei

dungen pro oder contra getroffen werden, sollte die Regierung dem Parlament zunächst anhand der aktuellen Daten die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen, einfach auch deshalb, um dem öffentlichen Interesse gerecht zu werden. Es geht uns bei dieser Frage, wo viele Emotionen mitspielen, um das Stück Transparenz und um die Fragen in der Sache. Uns sollten auch die Entscheidungsgrundlagen, nach denen der Senat seine Abwägung vornimmt, zur Verfügung gestellt werden, denn es gilt die Frage zu beantworten, wie es mit der Finanzierung aussieht. Wer übernimmt die Kosten? Werden die Bezirke hier wieder allein gelassen?

Auch die Frage der gesundheitspolitischen Aspekte ist nicht einfach so zu beantworten, denn natürlich – ich sage nur ein Stichwort – ist die Frage der psychologischen Betreuung hier immer außen vor, wenn man die Dinge nur einseitig betrachtet. Auch ist die Diskussion darüber zu führen, wie die Fragen der Sicherheit gewährt werden und natürlich auch die Sauberkeit der Gebiete, die davon betroffen sind. Auch das ist eine Frage der Form der Umsetzung, und auch dies sollte Berücksichtigung finden in so einem Auftrag. Deswegen haben wir auch einen entsprechenden Antrag formuliert.

Wir fordern den Senat unmissverständlich auf, für diese notwendige Transparenz zu sorgen und die Bürgerinnen und Bürger in angemessener Form an solch einer Entscheidung teilhaben zu lassen. Die Abwägung und deren Grundlagen im Senat sollen also offengelegt werden und umfassende Informationen für alle ermöglichen.

Der Antrag der Regierungskoalition – wohl auf Drängen der PDS – scheint ein Schnellschuss ohne Rücksicht auf die vielen aufzuwerfenden Fragen zu sein. Leider ist die Zeit zu kurz, um auch noch auf den Antrag der Grünen hier explizit einzugehen. Fakt ist, dass bei einer Entscheidung für Fixerstuben, welche wir nach den bisherigen Erfahrungen auch anderer Bundesländer und den bisherigen Planungen, die wir kennen, ablehnen, die Risiken dargestellt werden müssen. Die Beratungen in den Fachausschüssen werden hoffentlich auch dazu führen, dass Ängste und Sorgen in die Debatte mit einfließen können und dann auch die Beteiligung der Betroffenen vor Ort, natürlich auch die Frage der Entscheidung, wer etwas wie ausübt, also die Frage der Zuständigkeiten auch mit den Bezirken entsprechend diskutiert wird.

Wir als CDU werden uns offen an dieser Debatte beteiligen, auch wenn ich hier ausdrücklich sagen möchte, dass wir der Einrichtung von Fixerstuben und Druckräumen sehr skeptisch gegenüberstehen,

[Beifall des Abg. Kittelmann (CDU)]

und auch eine Entscheidung gegen die Interessen der Berlinerinnen und Berliner eindeutig ablehnen werden.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege! – Nunmehr hat für die Fraktion der PDS Frau Dott das Wort. – Bitte schön, Frau Dott!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hoffmann, von einem Schnellschuss kann jetzt hier wirklich keine Rede sein. Sie sind vielleicht noch nicht so lange dabei, mit diesem Thema befasst sich das Haus schon Jahre. Es gab in der 13. Wahlperiode zu diesem Thema einen Antrag der PDS, in der 14. Legislaturperiode einen Antrag der Grünen. Wir haben jeweils versucht, dieses Thema vernünftig und sachgerecht und möglichst unideologisch in die Debatte zu bringen, und es ist immer an dem Widerstand der CDU und auch der CDU- Senatoren und ihrer Unbeweglichkeit gescheitert. Allerdings auch, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, an der unklaren Rechtssituation, obwohl es zu der Zeit, als wir die Anhörung im Gesundheitsausschuss und im Jugendausschuss hatten, diese Form der Betreuung in anderen Großstädten der Bundesrepublik z. B. in Hamburg schon gab. Wer damals dabei war, wird sich erinnern, dass wir zur Anhörung auch den Polizeipräsidenten und die Drogenbeauftragte von Hamburg hier hatten, die jeweils aus ihrer prak

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tischen Erfahrung berichtet haben und damals sehr dringend forderten, dass das Betäubungsmittelgesetz geändert werden sollte, damit sie aus der Grauzone ihrer Tätigkeit herauskämen.

Diese Änderung des Betäubungsmittelgesetzes ist nun mittlerweile passiert, und aus diesem Grund war es dringend notwendig, dass das Land Berlin endlich die Dinge regelt, die ihm nach Gesetz jetzt möglich sind. Aus diesem Grund steht in der Koalitionsvereinbarung, dass die Koalitionsparteien eine moderne und wirksame Drogenpolitik unterstützen werden, weil wir finden, dass man auch andere neue und woanders schon erprobte Methoden hier anzuwenden hat.

[Kittelmann (CDU): Was immer das sei!]

Was das sein soll, Herr Kittelmann? – Da muss man sich einfach einmal mit der Materie befassen. Bloß laut herumschreien und keine Ahnung haben, das hilft in dieser Sache überhaupt nicht weiter.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Wenn Sie Ihren Alkoholkonsum etwas einschränken würden, dann könnten Sie sich vielleicht auch einmal mit dieser Thematik ein wenig individuell befassen.

[Kittelmann (CDU): Unverschämtheit! Sie haben ja einen Knall da vorne!]

Auch das gehört zur Drogenpolitik, nicht nur die illegalen Drogen. – Also, ich nehme das Persönliche zurück. Herr Goetze, Sie brauchen Ihren Antrag nicht zu stellen. Ich nehme den Namen Kittelmann zurück und sage, all diejenigen, die regelmäßig Alkohol konsumieren, sollten auch bei sich selbst erkennen, dass es Drogenprobleme gibt und dass sie Hilfe brauchen.

Ich komme zum Thema zurück: Es ist nur folgerichtig, dass wir jetzt Wege beschreiten, die lange möglich, aber nicht rechtskonform waren. Diese Diskussion wird in dieser Stadt nicht nur in den Bezirken geführt. Sie wissen vielleicht, dass es in fünf Bezirksverordnetenversammlungen vor allem der Westbezirke Beschlüsse dazu gibt, – –

[Zurufe von der CDU]

Wenn Sie etwas zuhören würden bei diesem Thema, dann würden Sie sich vielleicht auch der Sache etwas besser annehmen können, besonders meine Herren von der CDU, die Sie so genau wissen, dass Sie dagegen sind, nur nicht, warum.

[Kittelmann (CDU): Seien Sie nicht so arrogant!]

Ich habe hier vor mir einige Schreiben von verschiedenen Initiativen, die sind schon halbe oder Dreiviertel Jahre alt, die sich schon jahrelang mit den betroffenen Menschen beschäftigen und die auch finden, dass es dringend der Ergänzung des Drogenhilfesystems bedürfe. Die Stadt Berlin hat ja eines, auch ein wirksames, aber das heißt nicht, dass man nicht neue Elemente hinzufügen soll und kann. Da schreibt mir z. B. Fixpunkt: „Wir halten ein überbezirklich abgestimmtes Konzept niedrigschwelliger Kontaktstellen für illegal Drogen gebrauchende und eine Kooperation der Träger, die Konsumräume einrichten möchten, für notwendig und erklären uns bereit, an der Erarbeitung eines Konzepts aktiv mitzuarbeiten.“ Es schreibt der Verein für Suchtprävention: „Wir erklären hiermit unsere Bereitschaft, an diesem Prozess aktiv mitzuwirken.“ Es schreibt mir ein türkischer Verein: „Im Rahmen der letzten 10 Jahre haben wir mehrfach die Notwendigkeit eines Druckraumes“ usw. „und erklären uns bereit, an der Diskussion teilzunehmen.“ Ich denke, auf diese breites Potential muss man sich verlassen, und da haben die Senatsverwaltung, die Bezirke und alle Vereine das gemeinsame Interesse in den Vordergrund zu stellen und werden da auch Möglichkeiten finden, möglichst mit niedrigen Kosten – denn wir wissen, es gibt nicht mehr Geld – den Menschen zu helfen, die dringend Hilfe brauchen.

Ich freue mich, dass es drei Anträge gibt. Der Antrag der Grünen hilft vielleicht der Senatsverwaltung bei der Ausgestaltung der Ausführungsbestimmungen, die wir brauchen und die wir in unserem gemeinsamen Antrag auch fordern. Ich denke aber, dass das in dem entsprechenden Ausschuss noch diskutiert

werden müsste, denn z. B. „offenkundig Erst- und Gelegenheitskonsumenten den Zugang zu verwehren“ wäre noch einmal eine Diskussion wert, zumal alle Untersuchungen zeigen, dass Erstund Zufallskonsumenten da eher selten hingehen, dass es eher abschreckend auf sie wirkt.

Ich finde, die Fragen, die die CDU stellt, kann man stellen und sie sollen auch ordentlich beantwortet werden. Deswegen muss der Antrag genauso seriös wie alle anderen Anträge behandelt werden. Allerdings sind einige dieser Fragen schon Gegenstand vieler Diskussionen in den Ausschüssen gewesen. Sie hätten es auch auf dem PDS-Flyer nachlesen können, da stehen zum Teil die Antworten auch darauf, aber vielleicht lesen Sie ja kein PDSPapier.

Frau Kollegin! Würden Sie bitte auch zum Schluss kommen!

Einen letzten Satz:

[Kittelmann (CDU): Glauben wir Ihnen nicht!]

Sie fragen nach Protesten der Anlieger. Auch die Anlieger haben bei den Anhörungen ganz dringend solche Möglichkeit gefordert, weil sie der Meinung waren, dass es ihr Wohngebiet entlasten würde. Das allerwichtigste an dieser Stelle ist aber – und das wiederhole ich, das ist mein letzter Satz –: Es geht hier um ein Angebot für kranke Menschen – niedrigschwellig – und vor allem um die psychosoziale Betreuung, die in diesem Umfeld möglich würde, und dazu beitragen könnte, den einen oder anderen an Hilfsorganisationen weiterzuleiten. Das ist das große Anliegen dieser Angelegenheit. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin! – Nunmehr hat der Kollege Hoffmann das Wort für eine Kurzintervention.

Frau Dott, Sie waren dann doch sehr polemisch. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie festgestellt, dass wir gesagt haben: Wir stehen der Sache sehr skeptisch gegenüber, wir werden aber natürlich an dieser Diskussion teilhaben. Wir haben auch deshalb den Antrag gestellt, weil wir genau die aufklärenden Fakten aufgezeigt bekommen wollten. Wir wollen die Fragen beantwortet haben, einfach für ein Stück Transparenz. Dazu gehört eben auch – das muss man mal ganz deutlich sagen –, dass Gesundheit auch eine Frage des Geisteszustandes ist. Diese Frage kann man, wenn man es gesundheitspolitisch betrachtet, auch mal beantworten. Da muss man sehen, wie man vielleicht auch auf dem psychologischen Weg, versucht, denjenigen zu helfen.

Es ist aber auch eine Frage, jetzt ganz konkret in der Umsetzung, wie die Finanzierung vorgenommen wird und wie vor Ort die Entscheidung getroffen wird. Dann wollen wir mal sehen, welcher Anwohner sich wie entscheidet. Bisher war die Diskussion doch eher rein theoretisch, jetzt wird sie konkret. Deswegen denken wir, dass der Antrag zu Recht ist und erst beantwortet werden muss, b e v o r eine Entscheidung dazu getroffen wird. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Hoffmann! – Frau Dott, möchten Sie entgegnen? Sie müssen nicht, aber Sie können. – Bitte!

Ich sehe den Wunsch in Ihren Augen, ich mache es ganz kurz, Herr Präsident! – Herr Hoffmann, ich habe Ihren Antrag ausdrücklich begrüßt und habe gesagt, die Fragen sollten beantwortet werden. Aber manche Fragen sind wirklich reine Polemik, weil Sie die auch allein beantworten könnten.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

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Danke schön, Frau Dott! – Jetzt hat aber wirklich Herr Ratzmann das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön, Herr Ratzmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu später Stunde, 10 nach 10 ist die richtige Zeit, um über Drogen zu reden. Und wenn ich mir die Reihen so angucke, dann gehe ich davon aus, dass die Hälfte derjenigen, die jetzt nicht anwesend sind, wahrscheinlich im Casino sitzen und Drogen konsumieren werden.

[Ah! von der CDU – Pewestorff (PDS): Aufputschmittel! – Matz (FDP): Sehr leer bei den Grünen!]

Ich hoffe, dann doch diejenigen Drogen, die wahrscheinlich nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und deren Strafbarkeit fallen.

Die Strafbarkeit im Zusammenhang mit dem Konsum von Drogen war letztendlich auch einer der ausschlaggebenden Gründe, im März 2000 – also vor über zwei Jahren – das Betäubungsmittelgesetz auf Bundesebene zu ändern und endlich – endlich! – die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Drogenkonsumräume, Gesundheitsräume eingerichtet werden können, dass denjenigen, die hier aktiv Hilfe leisten wollen, der Makel der Strafbarkeit genommen wird, und denjenigen, die in Elend und unter massiver Gefährdung Drogen konsumieren, weil sie abhängig sind, hier Hilfe geleistet werden kann.

Und Herr Hoffmann, man muss noch nicht einmal Mitglied dieses Hauses gewesen sein, um die Diskussion, die sich um die Einrichtung von Drogenkonsumräumen gerankt hat, mitzuverfolgen und erkennen zu können, dass hier wirklich eine langjährige Diskussion unter Einbeziehung aller Fachverbände in diesem Bereich im März 2000 – also vor über zwei Jahren – ihr Ende gefunden. Sie hat festgestellt auf Bundesebene, dass es gewünscht ist vom Bundesgesetzgeber, dass die Länder in der konkreten Ausgestaltung Drogenkonsumräume einrichten.

[Hoffmann (CDU): Ist doch keine Frage!]

Diese Diskussion hat an diesem Punkt ihr Ende gefunden. Und deshalb ist es überflüssig, die von Ihnen in Ihrem Antrag aufgeworfenen Fragen zuerst zu beantworten und dann dahin zu kommen, mit einer Rechtsverordnung die konkreten Voraussetzungen dafür zu schaffen, um diese Drogenkonsumräume hier auch in Berlin einrichten zu können.