1. Welchen Handlungsbedarf sieht der Senat nach dem Urteil der 7. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts, wonach in einem konkreten Fall bei der Besetzung einer Stelle die Auswahlentscheidung unter dem Gesichtspunkt der Frauenförderung bei Beamtinnen und Beamten rechtswidrig gewesen sei?
2. Wie wird auf Bundesebene die Vorgabe aus Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes zur Frauenförderung bei der Beförderung von Beamtinnen und Beamten umgesetzt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Senat sieht auf Grund dieser Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts keinen Handlungsbedarf.
Die 7. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts hat in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit einem vorläufigen Beschluss die Besetzung einer Stelle
im Schulbereich untersagt. Ein unterlegener Bewerber hatte bereits am 11. Februar 2005 Konkurrentenklage eingereicht und in diesem Zusammenhang das erst jetzt ergangene Ernennungsverbot zu Lasten einer Mitbewerberin erwirkt.
Entgegen der Titelzeile der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 5. September 2005 stellt dieser Beschluss nicht auf eine angebliche Rechtswidrigkeit des § 8 Abs. 2 des Landesgleichstellungsgesetzes allein ab, sondern greift auch zurück auf weitere maßgebliche Gründe wie ein fehlendes gruppenbezogenes Auswahlverfahren, die fehlende aktuelle dienstliche Beurteilung des Antragstellers und die Außerachtlassung früherer dienstlicher Beurteilungen des Antragstellers. Die 7. Kammer weist selbst ausdrücklich darauf hin, dass die aufgeworfene Frage der Vereinbarkeit von Bundesrecht und Berliner Landesrecht, hier konkret das Landesgleichstellungsgesetz, der Hauptsacheentscheidung vorbehalten ist. Insofern ist es noch keine endgültige Entscheidung.
Im Übrigen wiederholt der Beschluss vom 2. September 2005 die bereits im Jahr 1989 von der 7. Kammer unter demselben Vorsitzenden Richter geäußerte Rechtsauffassung, die bislang höchstrichterlich nicht bestätigt wurde. Die Bedenken zur Vereinbarkeit von § 8 Landesgleichstellungsgesetz mit dem Beamtenrahmenrecht werden von mir und meiner Verwaltung nicht geteilt. Die Annahme der Rechtswidrigkeit des § 8 Landesgleichstellungsgesetzes ist nicht schlüssig begründet. § 7 des Beamtenrechtsrahmengesetzes ist eine Schutzvorschrift, wonach die Ernennung von Beamtinnen und Beamten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöser oder politischer Anschauungen, Herkunft oder Beziehung vorzunehmen ist. Die Auffassung der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts, dass die Ergänzung von Artikel 3 Abs. 2 Grundgesetz, wonach der Staat die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt, keine Auswirkungen auf den besonderen Bereich des Beamtenrechts haben soll, überzeugt nicht.
In § 12 Abs. 3 Satz 3 Landesbeamtengesetz findet sich zu den genannten Merkmalen, die bei der Auslese von Beamtinnen und Beamten nicht nachteilig herangezogen werden dürfen, im Übrigen der Hinweis, dass die Bestimmungen des Landesgleichstellungsgesetzes unberührt bleiben. Für den Senat wird deshalb auf Grund der einstweiligen Anordnung der für das Beamtenrecht zuständigen 7. Kammer des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des Landesgleichstellungsgesetzes kein Handlungsbedarf gesehen.
Zu Ihrer zweiten Frage nach der Umsetzung der Vorgabe des Artikels 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes zur Frauenförderung antworte ich Ihnen wie folgt: Der Bund hat für den Bereich seiner Beschäftigten im Jahr 2001 eine mit § 8 Landesgleichstellungsgesetz vergleichbare Regelung getroffen. Danach sind bei Unterrepräsentanz
Frauen u. a. bei der Anstellung bzw. dem beruflichen Aufstieg und Vorliegen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu berücksichtigen, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Das gilt ausdrücklich auch für die Besetzung von Beamtenstellen sowie die Beförderung. Im Bundesbeamtengesetz ist klargestellt, dass die gesetzlichen Maßnahmen zur Förderung von Beamtinnen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung im Erwerbsleben, insbesondere Quotenregelungen mit Einzelfallprüfung, den Vorgaben für die Auslese ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung etc. nicht entgegenstehen.
In der Begründung zum Gesetzentwurf wurde seinerzeit ausdrücklich festgestellt, dass es sich hierbei lediglich – ich zitiere –:
... um eine klarstellende Regelung handelt, wonach begünstigende gesetzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Frauen nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. Diese klarstellende Regelung entspricht dem Auftrag aus Artikel 3 Abs. 2 Grundgesetz sowie Artikel 141 Abs. 4 des EG-Vertrags, wonach Mitgliedstaaten im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben durch den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht gehindert sind, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. dem Ausgleich von Benachteiligung in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.
Die Frage der Zulässigkeit der genannten Regelungen wurde seinerzeit auch im Unterausschuss Recht des Bundesrates thematisiert. Es wurde festgestellt, dass die bereits anlässlich der Beratung des damaligen Frauenfördergesetzes des Bundes im Jahr 1993 erfolgte ausgiebige verfassungsrechtliche Diskussion zur Zulässigkeit von Vorzugsregelungen durch die Grundgesetzänderung aus dem Jahr 1994 weitgehend obsolet geworden ist.
Sie sehen, auch die Gesetzgebung auf der Bundesebene und die entsprechende Diskussion darum bestätigen uns in unserer Rechtsauffassung. Deshalb sieht der Senat sich nicht veranlasst, in irgendeiner Weise zu handeln, sondern sieht dem weiteren Fortgang des Rechtsstreits mit Gelassenheit entgegen.
Danke! – Herr Senator! In Kürze werden wir uns mit dem neuen Bericht zum Landesgleichstellungsgesetz beschäftigen. Können Sie schon vorab eine Einschätzung geben, wie sich der Frauenanteil in Leitungsfunktionen des gehobenen Dienstes entwickelt hat? – Vielleicht verdeutlicht das noch einmal, warum wir auf Frauenförderung und Frauenquote nach wie vor nicht verzichten können.
Herr Präsident! Frau Baba! Ich habe die Prozentzahl und die Entwicklung aus diesem ausführlichen Bericht nicht im Kopf. Es sieht jedoch so aus, dass wir zwei Dinge sagen können: Durch das LGG ist der Anteil von Frauen im gehobenen Dienst gestiegen. Allerdings haben wir nach wie vor eine Unterrepräsentanz in Leitungsfunktionen. Deshalb sind wir auch weiterhin auf Fördermaßnahmen aus dem Landesgleichstellungsgesetz angewiesen, damit diese positive Entwicklung weiter anhält und bis zu einer vollständigen Gleichstellung vorangetrieben werden kann.
Danke schön, Herr Senator Wolf! – Zusatzfragen gibt es nicht. Damit ist die Fragestunde wegen Zeitablauf beendet. Die heute nicht beantworteten Fragen werden gemäß § 51 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung mit einer Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet.
Frau Dr. Tesch hat für die Fraktion der SPD das Wort zu einer spontanen Frage. – Bitte sehr, Frau Tesch!
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich an den Bildungssenator, den ich darum bitte zu beurteilen, wie er die Vorfälle sieht, die sich an Berliner Schulen abspielten, als die NPD vor den Schulgebäuden kostenlose CDs an die Schülerinnen und Schüler verteilte.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Dr. Tesch! Es trifft zu, dass am Montag dieser Woche, am 12. September 2005, die NPD an mehreren Schulen in Berlin vor den Schulgebäuden versucht hat, so genannte Schulhof-CDs an die Schülerinnen und Schüler zu verteilen. Es ist auch richtig, dass es dabei zu Rangeleien gekommen ist. So hat eine – wie ich finde – couragierte Lehrerin Schüler auf die CDs angesprochen, hat sie eingesammelt, die Schüler haben sie ihr gegeben. Ein NPD-Funktionär ist der Lehrerin nachgegangen und hat sie ihr mit Gewalt entwendet. Ich habe dieser Lehrerin einen Tag später persönlich geschrieben und ihr für ihren couragierten Einsatz gedankt. Ich finde, wir sollten das alle tun!
Ich will auch den Kolleginnen und Kollegen des Abgeordnetenhauses von Berlin danken, die – so habe ich gelesen – an dem Tag an verschiedenen Schulen tätig waren. Es ist auch ein wichtiges Zeichen von Zivilcourage, dort aufzutreten und deutlich zu machen, dass die NPD
zwar nicht verboten, aber eine Partei ist, die nichts, aber auch gar nichts mit den Prinzipien und Wertgrundsätzen unseres Grundgesetzes und schon gar nichts mit Bildung zu tun hat!
Einer der Funktionäre der NPD hat nun die Stirn gehabt, mir heute ein Schreiben zu schicken, in dem Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Lehrerin erhoben wird. Ich habe heute Strafanzeige und Strafantrag gegen den NPD-Funktionär gestellt. Ich bin gespannt, wie die Berliner Staatsanwaltschaft darauf reagiert.
Wie gedenkt der Senat in Zukunft, mit solchen Vorfällen umzugehen? Werden speziell Sie als Bildungssenator solche Kolleginnen und Kollegen auch im Vorfeld ermuntern, das zu tun, und ihnen Handlungsweisen nahe legen, wie in solchen Fällen reagiert werden kann?
Herr Präsident! – Frau Abgeordnete Dr. Tesch! Es ist zunächst einmal so, dass wir Fortbildungen anbieten, und wir haben so genannte Standpunktpädagogen, die wertvolle Arbeit leisten. Wir haben auch andere Initiativen wie „Hands across the Campus“, die initiativ geworden sind. So ist an Schulen – das halte ich für das Allerbeste – mit den Schülerinnen und Schülern über diese CD gesprochen und sie ist als Schund erkannt vernichtet worden. Das finde ich sehr gut.
Wir brauchen und haben ein Klima an unseren Schulen, in dem Schüler alles ansprechen können. Wir wollen uns nicht täuschen: Es gibt unter jungen Menschen immer welche, die auch Rattenfängern folgen. Es sind etwas mehr unter den älteren Menschen, aber auch Jüngere im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. Wichtig ist, dass im Unterricht darüber vorurteilsfrei, aber entschieden gesprochen wird. Dann kann man auch sehr selbstbewusst deutlich machen, was die NPD verfolgt. Man kann sich auch damit auseinandersetzen, was Musiktexte eigentlich bewirken sollen. Ich setze auf die Auseinandersetzung im Dialog mit den Schulen. Die Unterstützung, die die Lehrer bekommen, ist nach wie vor richtig und wichtig.
Jetzt geht es weiter mit einer Frage des Kollegen Hoffmann von der Fraktion der CDU. Er hat das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! – Ich frage den Senator Wolf, wann der Senat endlich den Weg für mehr Entscheidungskompetenz in den Jobcentern
freimacht. Wie kommt es zu einer Verbesserung der Vermittlung und Betreuung bei den Hartz IV-Empfängern zu deren Gunsten durch die neuen Möglichkeiten der Bundesagentur, oder haben Sie weiter vor, als rot-roter Senat die Umsetzung von Hartz IV zu blockieren?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Senat hat, da er zur Treue gegenüber Bundesgesetzen angehalten ist, bislang die Umsetzung von Hartz IV nicht blockiert, sondern alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die gesetzlichen Vorgaben und die Ziele, die in diesen Gesetzen formuliert worden sind, umgesetzt werden können. Das sieht man unter anderem daran, dass wir zügig eine Rahmenvereinbarung geschaffen haben, dass wir in großem Umfang Personal für die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit bereitgestellt haben. Es handelt sich dabei um Personal aus den bisherigen Sozialämtern für die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit. Darüber hinaus haben wir mehr als 300 Stellen aus dem Stellenpool zur Verfügung gestellt und entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen eingeleitet. Insofern weise ich an dieser Stelle die Unterstellung zurück.
Dass es in den Jobcentern Schwierigkeiten gibt, ist unbestritten. Diese sind im Übrigen keine Besonderheit in Berlin, sondern existieren bundesweit. Sie hängen zum einen damit zusammen, Herr Abgeordneter, dass es im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat auf Grund einer Blockadepolitik der Opposition gegenüber dem Vorschlag der Bundesregierung ein in der Sache nicht sehr weiterführender Kompromiss zwischen dem Oppositionsvorschlag der kommunalen Zuständigkeit und der Initiative der Bundesregierung zu einer Bundeszuständigkeit zu einem Zwitter in den Jobcentern gekommen ist, der diesen Zwitter sehr schlecht handhabbar macht.
Deshalb gab es jetzt auch von Seiten des Bundesarbeitsministeriums und der Bundesagentur für Arbeit einen entsprechenden Vorschlag, wie man unterhalb dieser gesetzlichen Regelung Zuständigkeitsregelungen verbessern kann. Sie haben das angesprochen. Dies wäre möglich durch die Stärkung der Geschäftsführung und über mögliche Mehrheitsveränderungen innerhalb der Trägerversammlung. Dieser Vorschlag ist grundsätzlich zu begrüßen.
Das Problem ist nur, dass bei diesem Vorschlag auch noch sehr viele Frage im Unklaren sind. Dies betrifft Fragen, die beispielsweise das Personalvertretungsrecht betreffen, und andere. Wir haben im Rahmen der Klärung und Diskussion mit der Regionaldirektion mit der Bundesagentur und dem Bundesarbeitsministerium einen umfangreichen Fragenkatalog vorgelegt, den wir derzeit mit den genannten Institutionen abarbeiten, damit wir zu einer entsprechenden Entscheidung kommen.
Es gibt noch eine weitere Unsicherheit. Diese Unsicherheit liegt im 18. September 2005 begründet, da damit auch nicht geklärt ist, was die gegenwärtige Opposition, die die Absicht hat, die Bundesregierung zu übernehmen – und Ihre Partei hat zurzeit in den Umfragen ja noch die Nase vorn –, hinsichtlich der Kommunalisierung und anderen gesetzlichen Grundlagen ändern wird. Das schafft an dieser Stelle auch wieder eine hochgradige Unsicherheit.
Der Senat wird nichtsdestotrotz im Interesse der Betroffenen und des Bestehens der Bundesgesetze weiterhin gegenüber den zuständigen Stellen auf der Bundesebene auf Klärung der noch offenen Fragen drängen. Wir begrüßen auf jeden Fall eine Stärkung der Zuständigkeit der Geschäftsführung, damit nicht mehr die Anschaffung jedes Bleistifts von Nürnberg genehmigt werden muss und damit Entscheidungskompetenzen auch auf die Ebenen verlagert werden, wo Entscheidungen sinnvoll getroffen werden. Dafür müssen aber noch eine Reihe von Detailfragen geklärt werden.
Nach meiner Kenntnis ist es im Übrigen so, dass keine der großen Städte der Bundesrepublik Deutschland – hier soll es doch die eine oder andere geben, die von Ihrer Partei regiert wird – bislang diese Möglichkeiten umgesetzt hat, weil alle vor dem gleichen Problem stehen, dass noch eine ganze Reihe von Detailfragen zu klären sind. Wir arbeiten zügig an der Klärung dieser Fragen. Hier sind wir allerdings auch auf die Zusammenarbeit und die Entscheidung auf Bundesebene mit angewiesen.