Protokoll der Sitzung vom 29.09.2005

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner, bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Simon! Ich habe es heute auch dem Pressespiegel entnommen. Nun wissen wir alle um die etwas eigenwilligen Wege unseres Finanzsenators.

[Heiterkeit]

In diesem Fall ist es aber vermutlich völlig unnötig, sich Gedanken zu machen. Auch nach Rückfrage auf der Fachebene ist mir versichert worden, dass es zurzeit keinerlei Verkaufsverhandlungen oder Überlegungen gibt, die Landesanteile in diesem Bereich zu verkaufen.

Die Informationen, die in dem Artikel in der „Berliner Morgenpost“ verbreitet worden sind, stammen alle aus

dem Beteiligungsbericht des Senats. Es hat sich an dem Stand von 2002 nichts geändert.

Die Berliner Werkstätten für Behinderte stellen eine Ausnahmesituation in Berlin dar, weil sie die Werkstattplätze mit Landesbeteiligung führen, allerdings auch ohne Zuschuss des Landes. Alle anderen Werkstätten werden von freigemeinnützigen Trägern geführt. Insofern ist dies der Geschichte Berlins geschuldet, weil zu einem Zeitpunkt deutlich wurde, dass solche Werkstätten zur Rehabilitation behinderter Menschen benötigt werden. Das Land hat sich engagiert und gemeinsam mit verschiedenen Trägern diese Gesellschaft gebildet und als erstes die Leistungen erbracht. Die in den Berliner Werkstätten für Behinderte erbrachte Leistungen sind weiter nötig. In Berlin gibt es die Situation eines steigenden Bedarfs an Werkstattplätzen. Deshalb kann es nicht darum gehen, diese Werkstattplätze abzuschaffen. Das ist nicht der Fall. Die Frage, ob man die Anteile des Landes in freie Trägerschaft übergibt, kann man zu gegebenem Zeitpunkt diskutieren. Es ist aber überhaupt nicht aktuell.

Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Kollegin Simon. – Bitte!

Ich danke Ihnen für die Aufklärung. Ich weiß nicht, ob ich jetzt sehr eigenwillig verfahre, wenn ich meinen zweiten Teil der Frage an Herrn Senator Sarrazin richte? Ist das machbar, Herr Präsident?

Das ist eigentlich nicht ganz zulässig. Wenn es aber der Sachaufklärung dient, können wir es ausnahmsweise einmal zulassen.

Ich hoffe doch sehr, dass meine Frage zur Sachaufklärung beiträgt, soweit es heute unter diesen Rahmenbedingungen, die die Senatorin geschildert hat, möglich ist. – Herr Senator Sarrazin, ich frage Sie, ob für Sie Priorität hätte, die verbleibenden 70 % Senatsanteil in Wohlfahrtsverbandhände zu geben, wenn es so ist, dass die 1 300 Plätze für Behinderte auf keinen Fall zur Disposition gestellt werden sollen? Bislang werden bereits 30 % durch Wohlfahrtsverbände gehalten.

Ausnahmsweise Herr Senator Dr. Sarrazin!

Vielen Dank, Frau Abgeordnete! – Das Thema kam dadurch auf, dass in den Zielbildern für unsere Beteiligungen auch immer abgefragt wird und entsprechend beantwortet wird, weshalb wir eine Beteiligung halten und ob an ihrem weiteren Halten noch ein weitergehendes, wichtiges Landesinteresse besteht. Dies ist in diesem Fall von beiden Verwaltungen verneint worden. Die Behindertenwerkstätten arbeiten gut. Sie müssen nicht unbedingt im Landeseigentum arbeiten. Das heißt nicht, dass aktuelle Verkaufspläne bestehen. Sie werden gegenwärtig auch nicht verfolgt.

Wenn diese Beteiligung verkauft würde, wäre es sicherlich sinnvoll, dass diese zunächst von den übrigen Beteiligten, dem Bereich der freien Träger, übernommen würde. Dort sind die Sondierungen in den vergangenen Jahren regelmäßig an unterschiedlichen Kaufpreisvorstellungen gescheitert. Natürlich können wir eine derartige von ihrem materiellen Wert eher kleine Beteiligung nicht unter ihrem tatsächlichen Wert abgegeben.

Danke schön, Herr Senator Dr. Sarrazin!

Jetzt ist als wahrscheinlich letzte Fragestellerin Frau Abgeordnete Paus von der Fraktion der Grünen an der Reihe. – Bitte schön, Frau Abgeordnete Paus! Bleiben Sie ruhig sitzen und sprechen Sie in das Mikrofon!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich dachte, ich käme nicht mehr mit meiner Frage an die Reihe. Deshalb habe ich sie direkt mündlich dem entsprechenden Senator übermittelt. Ich mache aber gern von meinem Fragerecht Gebrauch. – Ist Ihnen bekannt, Herr Senator, dass es neben den großen Fällen, die wir in den letzten Tagen bereits in der Presse mitbekommen haben, auch mittelständische Unternehmen in Berlin gibt, die Berlin verlassen? 90 Arbeitsplätze der Firma Achterberg aus Kreuzberg, Gneisenaustraße, werden nach Frankfurt/Oder verlagert. Dort werden sie als eine erfolgreiche Ansiedlung mit neuen Arbeitsplätzen gefeiert. Ist Ihnen der Fall bekannt? Reden Sie darüber mit Herrn Junghans? Werden Sie anders als Ihre Parteikollegin und Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Zeit aufbringen können, um sich auch um diesen Fall zu kümmern?

Gemeint war Senator Wolf. – Bitte schön!

Frau Paus! Wir haben eben schon darüber gesprochen, und Sie haben mir dankenswerterweise noch einmal eine Unterlage dazu gegeben. Wir werden uns um diesen Fall kümmern, und ich werde es auch mit dem Kollegen Junghans besprechen.

Danke schön! – Keine Nachfrage mehr.

Dann haben wir noch eine Frage. Frau Kollegin Oesterheld ist noch dran. – Bitte schön, Frau Oesterheld!

Ich frage Herrn Sarrazin: Trifft es zu, dass die Controllinggesellschaft BCIA, die die Rechte des Landes sichern soll, nach wie vor keine vernünftigen Informationen aus der Bank bekommt und deshalb enorme Erkenntnisdefizite hat?

Herr Senator Dr. Sarrazin, bitte!

Das trifft nicht zu, Frau Abgeordnete Oesterheld. Sie hat gewaltige Erkenntnisse, die sich in sehr umfangreichen Aktenbergen dokumentieren und zu langen Aufsichtsratssitzungen führen. Allerdings ist es richtig, dass wir – weil es um öffentliche Gelder geht, die am Ende bezahlt werden müssen, und weil der Gesamtvorgang, wie Sie wissen, sehr belastet ist – erst dann Verfügungen über Zahlungen zulassen, wenn auch der letzte Rest, der im Einzelfall aufklärbar ist, aufgeklärt werden kann. Das bedeutet, dass die Arbeitsprozesse zwischen Bank und BCIA bisweilen etwas anstrengend sind.

Eine Nachfrage, Frau Kollegin Oesterheld? – Bitte!

Halten Sie es nicht für erforderlich, dass weitgehende Entscheidungen erst dann getroffen werden, wenn alle Unternehmen direkt beim Land sind?

Herr Senator Dr. Sarrazin, bitte!

Wir sind nach dem Risikoabschirmungsgesetz und der Detailvereinbarung dazu verpflichtet, wenn uns zahlbare Vorgänge vorgelegt werden, diese als Einzelvorgang zu überprüfen und dann die Zahlung auszulösen. Wir tun dies auch in eigenem Interesse, weil der Anspruch auf eine Zahlung letztlich unabhängig davon existiert, wie lange wir prüfen. D. h., eine lange Prüfung kann dazu führen, dass wir möglicherweise einen Anspruch nicht gewähren, und deshalb bescheiden wir nur dort positiv und zahlen aus, wo wir genau wissen, dass das jenseits aller Risiken ist. Es hat aber keinen Sinn, Prüfungen um der Prüfung willen hinauszuzögern. Außerdem ist die Zusammenarbeit mit der Bankgesellschaft in diesem Bereich in den vergangenen Jahren kontinuierlich besser geworden.

[Frau Oesterheld (Grüne): Das sagt ja noch nichts!]

Danke schön, Herr Senator Dr. Sarrazin. – Wegen Zeitablauf hat die Spontane Fragestunde damit ihr Ende gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Der Berliner Arbeitsmarkt in der Krise – die Wirtschaftspolitik des Senats und der Stellenabbau bei Samsung, Siemens und Reemtsma

Antrag der SPD, der CDU, der Linkspartei.PDS, der Grünen und der FDP

in Verbindung mit

Dringlicher Antrag

Aus den Fällen Samsung und Reemtsma lernen: Wirtschaftspolitik neu ausrichten!

Antrag der FDP Drs 15/4307

in Verbindung mit

Dringlicher Entschließungsantrag

Samsung-Bildröhrenwerke in Oberschönweide erhalten!

Antrag der SPD, der CDU, der Linkspartei.PDS und der Grünen Drs 15/4309

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Bevor ich die Fraktionen aufrufe, habe ich die Freude, den Betriebsrat von Samsung mit dem Vorsitzenden, Herrn Kibbel, herzlich in unserer Mitte zu begrüßen. – Herzlich willkommen im Abgeordnetenhaus!

[Allgemeiner Beifall]

Sie, der Sie den Kampf der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anführen, sind uns herzlich willkommen!

Den Fraktionen steht eine Redezeit von bis zu 12 Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann, wobei wir die Redezeit großzügig auslegen werden. In der ersten Runde spricht für die Fraktion der SDP der Herr Abgeordnete Krug. – Bitte schön, Herr Kollege Krug. Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Der Anlass, der dazu führt, dass alle Fraktionen dieses Hauses einem gemeinsamen Thema der Aktuellen Stunde zustimmen, zeigt den Ernst der Situation. In der Tat: Drei Industriebetriebe in Berlin haben angekündigt, Arbeitsplätze abzubauen. In Oberschöneweide will Samsung den Standort schließen, der 750 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Brot und Lohn gibt. Das ist so einfach nicht hinzunehmen.

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS, der CDU und den Grünen]