Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Sicher könnten wir noch weiter sein, Kollege Ratzmann. Es ist z. B. schade, dass Berlin eine Diskussion über Corporate-Government in öffentlichen Unternehmen und über die individualisierte Offenlegung von Chefgehältern in den öffentlichen Unternehmen lostreten konnte, dann aber in Teilen vom Bund geradezu im Aktionismus überholt wurde. Hier will ich noch einmal für meine Fraktion verdeutlichen: Wir verstehen uns und Rot-Rot weiterhin als Motor in diesem Themenfeld.

[Dr. Lindner (FDP): Ha!]

Deshalb mein Aufruf an den Senat: Ziehen Sie bei den Vorstandsgehältern schnell nach, gute Ideen lutschen sich ab und werden dröge, wenn man sie zu lange nicht umsetzt. Auch hier ist jetzt ein Zeichen erforderlich.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Herr Kollege Lindner, lassen Sie es! Zur Situation in Berlin kann ich Ihnen berichten, dass wir uns, wenn man die Bemühungen des Senats der letzten Jahre zusammennimmt, in Sachen Korruptionsbekämpfung nicht zu verstecken brauchen. Das Berliner Drei-Säulen-Modell zur Korruptionsbekämpfung mit den hierfür eingerichteten Spezialabteilungen der Staatsanwaltschaft, Zentralstelle für Korruptionsbekämpfung und der ressortübergreifenden – –

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lindner? Ihre Redezeit ist zwar zu Ende, es wäre dann die Abschlussfrage, aber wir halten die Uhr an.

Wenn Sie mir die Chance geben, dass ich darauf noch antworten kann – bitte Herr Kollege Lindner!

Bitte!

Wenn Sie sich, Kollege Lederer, als Motor in Sachen Bekämpfung von Filz und Korruption verstehen, ist das dann der Grund, warum sich Ihre Fraktion so massiv gegen den Wechsel von Herrn Bielka in die staatlich gehaltene Wohnungswirtschaft eingesetzt hat,

[Liebich (Linkspartei.PDS): Genau!]

oder wie darf ich das in diesem Kontext verstehen?

Wenn Sie sich recht erinnern, dann ist das mitnichten so. Ich erinnere mich an Debatten, in denen einige Fraktionen dieses Hauses versucht haben, ein Feld zu instrumentalisieren, um von ihrem eigenen Versagen abzulenken.

[Dr. Lindner (FDP): Ach!]

Ihre Fraktion hatte in der letzten Zeit nicht viele Chancen zu versagen, das wird nach der nächsten Wahl auch wieder so sein.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Aber glauben Sie nicht, dass Sie uns damit aufs Glatteis leiten können. Wir haben in den letzten Jahren gezeigt, dass wir an vielen Stellen etwas bewegt haben, wovon Sie in der Zwischenzeit nur geredet haben. Wir werden das fortsetzen, da können Sie ganz sicher sein. – Danke!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Danke schön! – Für die CDU hat der Abgeordnete Dr. Heide das Wort.

Na ja, lieber Herr Kollege, Ihre Antwort auf die Zwischenfrage des Kollegen Lindner war recht nebulös, etwas Konkretes ist nicht rüber gekommen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Liebich (Linkspartei.PDS)]

Das ist symptomatisch für die gesamte Rede; ich fand es ja ganz toll, wie Sie die Korruption gegeißelt haben und berichtet haben, was man alles machen müsste und sollte. Ich dachte eigentlich, dieses Blatt sei eine umfassende Revolution der Paragraphen des Strafgesetzbuches, des Steuerrechts und was man sonst noch an Verfahrensvorschriften hat, vielleicht die Erleichterung der Abhörung bei Baufirmen und ähnliches. Ich hatte erst den Verdacht, dass mein Mitarbeiter in der Fraktion mir vielleicht das falsche Gesetz herausgesucht hat oder dass zwanzig Seiten mit den wesentlichen Dingen fehlen. Das Einzige, was von Ihren großen Vorschlägen bleibt, ist die Einrichtung eines Korruptionsregisters, das ist alles.

Nun kann man ja sagen, jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Aber da muss man sich diesen ersten Schritt einmal angucken, und wenn man ein bisschen rechtliche Kenntnis hat, nachfragen, was eigentlich von diesen 12 Seiten mit Begründung übrig bleibt. Das Problem ist, dass man erst mal fragen muss, wie viele Verurteilungen wegen Korruption, Vorteilsnahme, Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung es eigentlich im letzten Jahr gab, die rechtskräftig ausgeführt worden sind, und zwar bei entsprechenden Korruptionstaten. Ich glaube, Frau Senatorin, da werden Sie mir sagen, das waren nicht so fürchterlich viele. Es ist gut, dass streng ermittelt wird, aber wir wissen alle, dass es bis zu einer Verurteilung ein langer Weg ist. Das Problem ist eben, dass viele dieser Taten nicht zur Anzeige kommen und nicht ermittelt werden. Und das sind die Dinge, die uns wesentlich mehr am Herzen liegen müssen: entsprechendes Licht in die Öffentlichkeit zu bringen und durch Kronzeugenregelungen oder Ähnliches die Möglichkeit zu geben, dass die Staatsanwaltschaft wesentlich effizienter ist.

[Beifall bei der CDU]

Aber was bleibt davon übrig? Wir haben einen entsprechenden Tatbestand, und ich sage: Was passiert dann?

Die Firma wird dort eingetragen, es handelt sich um eine GmbH, um eine GmbH und Co. KG. Was passiert mit dieser Firma, die entsprechend verurteilt worden ist? – Man lässt das Ding gegen die Wand fahren, ruft seinen Steuerberater und seinen Notar an, besorgt sich entweder eine neue GmbH oder kauft sich einen GmbH-Mantel. Das heißt, Sie haben innerhalb von 24 Stunden eine komplett neue juristische Identität.

[Dr. Lederer (Linkspartei.PDS): Sie wissen Bescheid, was?]

Und wenn Sie ganz gut sind, dann benutzen Sie einen entsprechenden Strohmann als Geschäftsführer, so dass Sie bei der nächsten Ausschreibung eine wunderschöne weiße Weste haben und, wenn es ganz schlimm kommt, auch noch Subunternehmer Ihrer eigenen Firma sein können.

[Dr. Lederer (Linkspartei.PDS): Gut informiert!]

Ich bin nicht gut informiert, aber ich finde, es schadet nie einem Abgeordneten, wenn er wenigstens über eine rudimentäre Sachkenntnis über das, wovon er redet, verfügt. Gewisse Fachkenntnisse schaden nicht. Damit kann man sich viele Peinlichkeiten ersparen.

[Beifall bei der CDU]

Und Ihre Rede war an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten.

Wir teilen grundsätzlich das Anliegen, die Korruption zu bekämpfen. Aber ob dieses Gesetz dazu ein Meilenstein ist, daran habe ich erhebliche Zweifel. Es ist kein Meilenstein, es ist erst ein Kieselstein. Insofern bedarf es noch gründlicher Debatten im Ausschuss. – Recht herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Schimmler das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Heide! Ich verstehe gar nicht, wenn das alles nur ein Kieselstein ist: Warum hat dann Schwarz-Gelb im Bundesrat fleißigst verhindert, dass im Bund so ein Korruptionsregister kommt?

[Doering (Linkspartei.PDS): Das fragen wir uns auch!]

Und warum ist denn bisher nicht die Anregung gekommen, verstärkt im Bereich der Wirtschaftskriminalität mit Kronzeugenregelungen zu arbeiten? Das hätte schon die Kohl-Regierung machen können.

[Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Ich hoffe ja, dass wir das nun bei den Koalitionsverhandlungen, die es gibt, vielleicht gemeinsam durchsetzen können. Ihre wegweisenden Vorschläge zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität können ja dann in der großen Koalition aufgegriffen werden.

[Brauer (Linkspartei.PDS): Wer’s glaubt!]

Wir haben jedenfalls erst einmal einen Anfang gemacht. Die Koalitionsfraktionen in diesem Hause haben

vor einiger Zeit einen Antrag eingebracht. Damals gab es noch überall Bedenken, man solle das vielleicht nur auf einer Negativliste machen, so wie das Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis. Aber nun hat der Senat sich in der Tat durchgerungen und gesagt: Nein, wir machen eine Positivliste – unterstützt von einigen Unternehmensverbänden wie z. B. der Fachgemeinschaft Bau.

Der Kollege Lederer hat zu Recht auf die Implikationen gerade im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen hingewiesen. Deshalb will ich das nicht wiederholen, sondern auf einige andere Aspekte hinweisen. Denn Transparency International führt einen Korruptionswahrnehmungsindex – da sollten wir mal genau hinschauen, der wird jährlich erneuert –, wie Firmen in der Welt Korruption wahrnehmen. Deutschland hatte dort eine Punktwertung, die sich in letzter Zeit verbessert hat, jetzt stagniert sie bei 8,2. Und Deutschland ist von Hongkong überholt worden. Das heißt, in der Wahrnehmung von Wirtschaftskreisen in dieser Welt gilt Hongkong heute vom Standortfaktor Integrität her als stärker als Deutschland. Und wir erinnern uns, wie wir früher manchmal über chinesische Verhältnisse und die dortige Korruption gedacht haben. Das sollte uns zum Nachdenken bringen; jüngste Korruptionsfälle, in die große Konzerne verwickelt sind, ebenfalls.

Man muss nicht denken, dass Korruption immer etwas mit bestochenen und bestechlichen Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes zu tun hat.

[Ratzmann (Grüne): Aber auch!]

Ja, ja. Aber dazu hat der Kollege Lederer schon einiges gesagt. – Korruption zwischen privaten Unternehmen ist nach den Feststellungen von Transparency International eindeutig das größte Segment. Der stellvertretende Vorsitzende von Transparency hat festgestellt, dass die Wirtschaft es versäumt habe, in den Unternehmen eine eindeutige Null-Toleranz-Strategie von Korruption zu etablieren. Das Bundeslagebild Korruption für 2003, erstellt vom Bundeskriminalamt, zeigt, dass 75 % der aktiv in Korruptionsdelikte verwickelten Menschen Geschäftsführer, Geschäftsinhaber und leitende Angestellte privater Unternehmen sind. 2003 zeichnet das Bundeslagebild Korruption des BKA 1 100 neue Verfahren mit 7 232 Korruptionsdelikten und 2 217 Tatverdächtigen auf. Das ist nicht ganz so wenig. Berlin ist natürlich nur ein Teil davon. Von den 7 232 Straftaten entfielen 4 411, das sind 61 %, auf Korruption zwischen Unternehmen auf beiden Seiten der Handelnden, nur 16,4 % waren Amtsdelikte für bestochene Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes. Das heißt, wir müssen hier sehen, dass ein großer wirtschaftlicher Schaden zwischen den Unternehmen entsteht. Die Baubranche ist dabei mit 43 % führend, gefolgt von den Dienstleistungsgewerken mit 15,4 %.

Die Einführung des Korruptionsregisters ist leider am Bundesrat gescheitert. Deshalb schließt der Senat eine Lücke, um damit Druck auszuüben. Wir sollten allerdings im Rechtsausschuss prüfen, ob wir das Register nicht nur den öffentlichen Unternehmen zugänglich machen, son

dern ob wir es auch den privaten Unternehmen in der Form zugänglich machen können, dass diese z. B. von Leuten, die mit ihnen ins Geschäft kommen wollen, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Korruptionsregisters verlangen können. Das kann dann der Unternehmer selbst beantragen, kein anderer guckt rein. Dann hat man vielleicht auch für die privaten Unternehmen einen Bereich, wo mehr Transparenz erfolgt, und dies wollen wir erreichen. Auf die nächsten Schritte kann die Opposition sich schon freuen. Das wird dann die Schwarzarbeit sein, wozu wir ebenfalls Anträge einreichen werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat der Abgeordnete Ratzmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Heide! Sie haben schon umfangreiches Wissen offenbart, wie man die Vorschriften, die hier zur Diskussion stehen, wieder umgehen kann. Ich weiß nicht, ob das eine Bewerbungsrede als Berater für Firmen war, die in die Gefahr kommen, in dieses Register zu kommen, oder ob Sie bloß zeigen wollten, dass Sie uns mit Ihrem umfangreichen Wissen in den Ausschüssen zur Verfügung stehen. Ich kann nur raten, dass wir alle Ausschüsse auffordern, Herrn Heide zu holen, damit er uns gleich mit seinem Wissen zeigt, wo wir noch Lücken zu stopfen haben.