Zu Beginn der Fragestunde schlage ich Ihnen vor, die Fragen der Abgeordneten Frau Spranger und Frau Michels gemeinsam zu stellen und zu beantworten. Ist das in Ordnung? – Gut, dann verfahren wir so. Das bekannte Verfahren wird dabei angewendet.
Das Berlin-Bonn-Gesetz, die bis 2010 laufende Kulturförderung des Bundes für die Bundesstadt Bonn sowie die vom Bund in Bonn getragenen beziehungsweise geförderten Kultureinrichtungen (Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sowie Beethoven-Haus) bleiben unberührt.
Wie ich bereits erwähnt habe, bestand über die Formulierungen schon im Herbst 2004 Einvernehmen in der Bundesstaatskommission. Das Abgeordnetenhaus von Berlin ist über diesen Sachstand seinerzeit durch den Vierten und vorläufig abschließenden Bericht zum Stand der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung unterrichtet worden – Drucksache 15/3605 vom 5. Januar 2005. Was in der Bundesstaatskommission verabredet worden ist, ist folglich spätestens seit Anfang 2005 bekannt. Mir ist deshalb nicht verständlich, woher die gegenwärtige Aufregung in der Angelegenheit rührt, zumal die Bundesstaatsreform einschließlich Hauptstadtklausel und Begleittext auch Bestandteil des Koalitionsvertrages vom 11. November 2005 auf Bundesebene ist.
Bevor ich zu dem Thema Berlin-Bonn-Gesetz komme, zunächst noch eine allgemeine Anmerkung. Der Begleittext soll klarstellen, dass die Kulturförderung für Bonn im vereinbarten Umfang und das Berlin-Bonn-Gesetz unberührt bleiben. Das bedeutet: Durch eine Änderung von Artikel 22 – neu – GG werden nicht etwa automatisch bestehende Regelungen verändert. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Sie wird jedoch bekräftigt durch die bereits erwähnte parallele Entschließung von Bundestag und Bundesrat im Zusammenhang mit der Änderung der Verfassung. „Bleibt unberührt“ bedeutet nicht, dass Regeln nie mehr geändert werden können. Das BerlinBonn-Gesetz kann wie jedes andere Gesetz geändert werden, wenn sich dafür die notwendige Mehrheit findet, was aber zurzeit im Deutschen Bundestag nicht erkennbar ist.
1. Wie ist der Stand zur Verankerung der Hauptstadt und der entsprechenden Finanzierung im Grundgesetz?
1. Wie bewertet der Senat öffentlich gewordene Absichten, in einem verbindlichen Begleittext zur Föderalismusreform Bonn als Standort von sechs Bundesministerien und damit den Hauptstadt-Kompromiss von 1991 festzuschreiben?
Danke schön, Frau Kollegin Michels! – Für den Senat antwortet der Herr Regierende Bürgermeister. – Herr Wowereit, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Sehr verehrte Abgeordnete! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Stand hinsichtlich der Verankerung der Bundeshauptstadt Berlin im Grundgesetz stellt sich gegenwärtig wie folgt dar: Bereits Ende 2004 ist in der Bundesstaatskommission breiter Konsens erreicht worden, die Hauptstadt im Grundgesetz zu verankern. Hierzu soll Artikel 22 GG mit einem neuen Absatz 1 ergänzt werden. Vorgesehen ist folgender Wortlaut:
Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin. Die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
Hierzu ist ein Begleittext vorgesehen, der wohlgemerkt nicht Eingang in die Verfassung finden, sondern zusammen mit anderen erläuternden Begleittexten zur Föderalismusreform Bestandteil einer parallelen Entschließung von Bundestag und Bundesrat sein soll.
Fazit: Die gegenwärtige Aufteilung der Ministerien auf Bonn und Berlin wird keineswegs für alle Zeiten betoniert, und im Übrigen ist dies eine Angelegenheit des Bundes und der Organisationsgewalt der Bundesregierung. In § 4 Abs. 1 Berlin-Bonn-Gesetz heißt es:
Die Bundesministerien befinden sich in der Bundeshauptstadt Berlin und in der Bundesstadt Bonn. Der Bundeskanzler
bestimmt die Geschäftsbereiche der Bundesminister und im Zusammenhang damit die Bundesministerien, die nach dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin ihren Sitz in der Bundesstadt Bonn behalten.
Selbst in diesem Gesetz sind nicht die Ministerien aufgelistet, die heute in Bonn beziehungsweise Berlin sind. Dort steht eindeutig, dass der Bundeskanzler beziehungsweise die Bundeskanzlerin über die Geschäftsverteilung entscheidet. Die Behauptung, dass mit dem Begleittext
Herzlichen Dank, Herr Regierender Bürgermeister, für die Beantwortung! – Für mich ist der zweite Teil meiner Frage nach den finanziellen Auswirkungen noch offen. Dieser Aspekt kam bei Ihnen zu kurz. Ich frage deshalb noch einmal: Ist Berlin damit – und wenn ja, welche – finanzielle, dauerhafte Verpflichtungen eingegangen?
Herr Präsident! Frau Michels! Wir gingen keine Verpflichtungen ein, sondern wir erwarten, dass der Bund für die Repräsentanz der Bundesrepublik Deutschland in der Hauptstadt Kosten übernimmt. Das tut er übrigens bereits, beispielsweise wenn es um innere Sicherheit und Kultur geht. Aus unserer Sicht tut er das aber nicht im nötigen Umfang. Darüber diskutieren wir.
zur Hauptstadtklausel Art und Zahl der mit erstem Dienstsitz in Bonn residierenden Ministerien festgeschrieben werde, weil das Berlin-Bonn-Gesetz unberührt bleibt, ist offenkundig abwegig. Auch hier gilt der alte Grundsatz: Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.
Ich weise ganz deutlich darauf hin, dass ich die aufgeflammte Diskussion über den Sinn der Aufteilung der Ministerien nachvollziehen kann. Selbstverständlich – ich sage das nicht aus Berliner Sicht, sondern als Staatsbürger – hat es für mich keinen Sinn, dass sich eine Regierung an zwei Standorten befindet. Es ist ökonomisch falsch, aber vor allem auch inhaltlich. Berlin wäre – diese Position habe ich seit meinem Amtsantritt vertreten, auch gegenüber der Kollegin Diekmann in Bonn – gut beraten, dass wir nicht diejenigen sind, die immer wieder fordern, dass die Ministerien von Bonn nach Berlin umziehen müssen. Die Debatte muss im Deutschen Bundestag und in der Bundesregierung geführt werden. Die Bundesregierung muss selbst überlegen, wie es um ihre Arbeitsfähigkeit steht. Wir unterstützen deshalb jede Initiative von Parlamentariern, wie beispielsweise Frau EichstädtBohlig, die einmal angefangen hatte, solch eine Initiative zu starten, die sie dann jedoch nicht durchgeführt hat, weil sie gesehen hat, dass sie keine Mehrheit dafür bekommt. Wenn es solch eine Initiative gäbe, würden wir sie selbstverständlich unterstützen. Aus Berliner Sicht ist klar, dass wir die Ministerien gern hier hätten. Andererseits muss man dafür Verständnis haben, dass die Nordrhein-Westfalen alles dafür tun, damit ihnen Bonn bleibt.
Wir erzielen einen großen Erfolg dadurch, dass die Hauptstadtklausel in das Grundgesetz aufgenommen werden soll. Der Begleittext ändert an der Rechtslage überhaupt nichts, weil das Berlin-Bonn-Gesetz bestehen bleibt. Selbstverständlich kann dieses Gesetz mit einfacher Mehrheit im Bundestag verändert werden oder durch die Veränderung der Geschäftsverteilung innerhalb der Bundesregierung eine Änderung herbeigeführt werden. Dies obliegt der Organisationshoheit des Bundes.
Ich bitte darum, den Ball flacher zu halten. Wir wollen im Jahr der Fußballweltmeisterschaft zwar Tore schießen, bei dieser Frage wären wir aber gut beraten, wenn wir deutlich machten, dass wir nicht diejenigen sind, die ohne Chance für eine Mehrheit permanent dieses Gesetz in Frage stellen. Wir hoffen vielmehr darauf, dass unsere Bundestagsabgeordneten parteiübergreifend im Bundestag dafür werben, dass diese unsinnige Aufteilung – für die Bundesregierung und den Steuerzahler – aufgehoben wird. Aber dies bitte nicht mittels einer plumpen Forderung nach dem Motto: Wir wollen alles haben!, sondern nach einem Diskussionsprozess im Bundestag über die Frage, ob es sinnvoll ist, die Arbeit auf zwei Standorte aufzuteilen. Es ist nicht nur aus Berliner Sicht nicht sinnvoll, die Arbeit aufzuteilen. Aber diese Erkenntnis muss bei der Bundesregierung und dem Bundestag reifen. Dann sind wir einen Schritt weiter.
Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Jetzt gibt es eine Nachfrage der Kollegin Michels. – Bitte schön!
Ich habe in meinem Gespräch mit der Bundeskanzlerin vereinbart, dass die Fachminister auf ihrer jeweiligen Ebene weiter Gespräche darüber führen, ob die bisherigen Zahlungen ausreichen oder ob Berlin einen Anspruch auf Mehrleistungen hat. Solche Gespräche wird beispielsweise Herr Körting mit Herr Schäuble führen, um mehr Sicherheit für die Bundesangelegenheit in der Stadt zu gewährleisten. Herr Flierl wird mit Herrn Neumann darüber diskutieren, wie wir im Kulturbereich mehr Förderung erhalten können.
Die Formulierung im Grundgesetz lautet: „Das Nähere regelt ein Gesetz“. Unter Gesetz verstehen wir natürlich auch das Haushaltsgesetz. Natürlich gibt es Vereinbarungen, die Bestand haben und weitergeführt werden müssen. Auch darüber werden wir lange diskutieren müssen. Wir wissen auch, dass die Bundesregierung – ob berlinfreundlich oder nicht – finanzielle Probleme hat. Wir werden in der jetzigen Situation nicht ohne weiteres mehr Geld bekommen. Deshalb kommt es darauf an, dass wir begründete Forderungen stellen.
Das, was eine Stadt wie Bonn mit dem großen Land Nordrhein-Westfalen im Hintergrund machen konnte, ist allein auf Grund der Größe Berlins nicht möglich. Das sind andere Relationen. Es ist ein Unterschied, ob ich ein Land mit 18 Millionen Einwohnern habe oder eins mit 3,4 Millionen und inwieweit ich in einem föderalen System Leistungen für die Bundesrepublik in Gänze übernehme. Wenn man die Proportionen betrachtet, wird deutlich, dass Berlin eine andere Hilfestellung braucht als Bonn bzw. das Land Nordrhein-Westfalen. Das muss man immer bedenken.
Ich erhoffe mir von der neuen Bundeskanzlerin, dass sie für die Berliner Belange aufgeschlossen ist. Ich hatte
Wir sind wir gut beraten, wenn wir nicht immer diejenigen sind – schon gar nicht von der politischen Seite –, die sagen: Das Berlin-Bonn-Gesetz muss abgeschafft werden. Es ist kein Geheimnis, dass wir jubeln, wenn es abgeschafft wird. Wir wissen andererseits auch, dass die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag in allen Fraktionen stark von Nordrhein-Westfalen geprägt sind. Deshalb müssen unsere Bundestagsabgeordneten Lobbyarbeit machen. Wir werden uns mit den Berliner Bundestagsabgeordneten demnächst parteiübergreifend zusammensetzen – wir hatten in der letzten Legislaturperiode diese Gesprächsrunde, und ich werde sie wiedereröff- nen –, um gemeinsam abzustimmen, wie im Deutschen Bundestag für die Berliner Interessen geworben werden kann. Es unterstützt uns auch, wenn die öffentliche Berichterstattung darauf hinweist, dass die bisherige Situation unsinnig ist. Aber es ist ein Unterschied, ob eine Bewegung von denjenigen, die selbst betroffen sind, angeschoben wird oder von denen, die davon profitieren würden. Wir werden unsere Meinung intern deutlich äußern. Aber ich halte es für richtig, dass wir nicht jeden Tag eine Erklärung dazu abgeben, dass das Berlin-Bonn-Gesetz verändert werden soll. Dieses Vorgehen hat sich bewährt. Wir sind damit nicht schlecht gefahren. Wir werden jede Möglichkeit ergreifen, um den Standort Berlin nach vorne zu bringen.
in meinem Gespräch den Eindruck, dass eine Offenheit da ist. Auf Grund ihrer eigenen Sozialisation gehe ich davon aus, dass ihr die Belange Berlins nicht ganz fremd sind. Insofern habe ich Hoffnung. Aber ich warne vor überzogenen Erwartungen. Wenn das Grundgesetz verändert wird, wird es nicht in der Kasse klingeln. Es wird einen langen Diskussionsprozess geben, der im Wege der Bewusstseinsbildung durchgeführt werden muss, damit bei Projekten des Bundes in der Hauptstadt, die eventuell wir durchführen, eine finanzielle Entlastung für Berlin vorhanden ist. – Aber wir haben einen großen Erfolg erzielt, den wir uns nicht kleinreden lassen sollten.
Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Jetzt hat der Kollege Dr. LehmannBrauns eine Nachfrage. – Bitte, Sie haben das Wort!
Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben Recht: Es ist nicht unsere Sache, Eigentore zu schießen. Aber Leisetreterei darf auch nicht sein. Ich hatte bei Ihren Ausführungen das Gefühl, dass Sie mit der Sache viel zu vorsichtig umgehen.
Wenn es sich schon um eine Sache der Bundesebene handelt, dann möchte ich wissen: Gibt es von Ihnen wenigstens Initiativen gegenüber der Bundesregierung, um eine Verlagerung der sechs Ministerien, die leider noch in Bonn sind, zu betreiben?
Herr Präsident! Herr Lehmann-Brauns! Ich weiß nicht, ob Leisetreterei der richtige Begriff ist. Berlin hat sich lange dadurch ausgezeichnet, dass immer nur Forderungen aufgestellt wurden. Diesen Eindruck gibt es bundesweit. Nach dem Motto: Man lehnt sich zurück; man kann nichts tun. Berlin fordert nur. – Das ist die alte Alimentationsstrategie, die lange gefahren wurde. Das ist – Gott sei Dank! – vorbei.
Wir gehen auch nach Karlsruhe nicht in dem Bewusstsein, wir könnten nichts tun. Vielmehr weisen wir in Karlsruhe detailliert nach, was wir in Berlin selbst getan haben. Wir können nicht ernsthaft erwarten, dass die anderen für uns Leistungen erbringen und dafür auf notwendige Leistungen für ihre eigenen Bürgerinnen und Bürgern verzichten. Wenn wir vom Bund und den anderen Ländern etwas haben wollen, dann müssen wir nachweisen, dass wir unsere Hausaufgaben alleine machen, und das tun wir auch. Das ist der richtige Weg. Damit können wir besser überzeugen. Der harte Sanierungskurs, den wir gefahren haben, hat viele davon überzeugt, dass diese Mentalität vorbei ist.
Ich hoffe, dass sich das Bewusstsein verändert, denn die Minister selbst sitzen alle in Berlin. Die Fiktion war zwar, dass auch die Leitstellen in Bonn bleiben, aber das ist nicht der Fall. Die Mitarbeiter pendeln immer hin und her. Darüber freuen sich einige Fluggesellschaften, und es ist in unseren Bilanzen der Flughafengesellschaft enthalten, aber insgesamt handelt es sich um einen unsinnigen Kostenaufwand und einen Verlust an Arbeitseffizienz. Deshalb sollte man das aufgeben.
Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Hahn. – Bitte schön!