Protokoll der Sitzung vom 12.01.2006

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Hahn. – Bitte schön!

Herr Regierender Bürgermeister! Ich freue mich, dass Sie eingesehen haben, dass das Entgegenkommen gegenüber Berliner Forderungen auch eine Frage der Bewusstseinsbildung im Bund ist. Was tun Sie für diese Bewusstseinsbildung?

Bitte, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Hahn! Ich stelle Ihnen eine Gegenfrage: Wie sprechen Sie mit Herrn Westerwelle, der als erster erklärt hat, dass alles in Bonn bleiben soll?

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Dr. Lindner (FDP): Die erste Fraktion, die für Berlin gestimmt hat, war die FDP!]

Sie haben für Berlin gestimmt, aber Sie haben auch dem Berlin-Bonn-Gesetz zugestimmt.

Wenn dann wieder etwas Normalität zurückkommt, dass Institutionen oder Unternehmen nach Berlin zurückkehren, ist es nicht immer gegen die anderen Regionen gerichtet, sondern es wird nachgeholt, was widernatürlich war. Die Wirtschaftsschwäche der deutschen Hauptstadt ist im europäischen Maßstab widernatürlich. Die Hauptstädte sind, bis auf wenige Ausnahmen, wenn man z. B. das Verhältnis von Rom und Mailand ausklammert, immer die wirtschaftlichen Motoren ihres jeweiligen Landes. Das ist historisch entstanden, das wissen wir, das müssen wir hier nicht lange erklären. Aber in der Bundesrepublik muss man das immer wieder erklären.

Wenn ich mir die Statistik der Aufteilung Berlin-Bonn bezüglich der Stellen und der Ministerien ansehe, steht als Bilanz mit Stand vom Oktober 2004: Von 18 912 Stellen sind in Berlin 8 766 angesiedelt, in Bonn 10 146. Dabei muss noch gesehen werden, wie viel Begleitorganisation, z. B. der Bundesrechnungshof oder das Bundesgesundheitsamt, nach Bonn geschickt worden ist und wie viel andere Bundesbehörden über die Republik verteilt sind. Wenn alles zusammengezählt würde, was unter Bundesbehörde zu subsumieren ist, hat Berlin, obwohl es die Hauptstadt ist, nur ein Bruchteil der Stellen.

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Regen Sie sich nicht auf, Herr Dr. Lindner, nur weil Sie da einen wunden Punkt haben. – Jetzt geht es um das Berlin-Bonn-Gesetz. Mir ist nicht bekannt, dass die FDPBundestagsfraktion dem nicht zugestimmt hat, aber ich kann das jetzt nicht überprüfen.

Jetzt kommen wir aber zurück zu Herrn Westerwelle.

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Ach so! Aber Herr Westerwelle ist der designierte Vorsitzende Ihrer Bundestagsfraktion, und er ist immer noch Parteivorsitzender. Ich weiß, dass Sie nicht wollen, dass Herr Westerwelle etwas zu sagen hat, aber er ist der Sprecher Ihrer Partei. – Er hat als erstes erklärt, die FDPFraktion denke nicht daran, das Berlin-Bonn-Gesetz zu verändern. Ich gebe Ihnen deshalb Recht, Herr Hahn: Sie haben viel zu tun, um Ihre Fraktion zu überzeugen, und wir haben viel zu tun, um in unserer Fraktion die Nordrhein-Westfalen zu überzeugen.

[Liebich (Linkspartei.PDS): Wir haben sie schon überzeugt!]

Die PDS-Fraktion hat nicht so viele. – Wir haben da mehr zu tun und die CDU auch. Tun wir das gemeinsam, Herr Hahn, denn dann kommen wir weiter.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Es gibt noch eine Nachfrage des Kollegen Dr. Lehmann-Brauns. – Bitte, Herr Kollege!

Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben bezüglich der Großmäuligkeit und des Anspruchsdenkens Recht. Meine Frage ist, ob Sie in diese Diskussion um die Rückführung der sechs Ministerien nicht auch das Argument einbringen können, dass diese Stadt Berlin 45 Jahre lang die Zeche für die deutsche Spaltung gezahlt hat und dass es deshalb nicht so sehr darauf ankommen kann, unsere gegenwärtige ökonomisch-soziale Situation derart in den Vordergrund zu stellen.

Bei der Gelegenheit möchte ich Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, dass auch Ihr Parteifreund Herr Thierse sich zu meiner angenehmen Überraschung für diese Rückführung ausgesprochen und von einer geteilten Hauptstadt gesprochen hat, bis dieses Problem nicht bereinigt sei.

Herr Regierender Bürgermeister, bitte sehr!

Herr Präsident! Herr Lehmann-Brauns! Selbstverständlich weise ich auch bundesweit immer wieder zur Erklärung der besonderen, auch der wirtschaftlichen Probleme der Stadt Berlin – gerade jüngst, gestern wieder in Frankfurt – daraufhin: Die Banken wären nicht in Frankfurt, die Stadt wäre nicht der Bankenplatz, wenn wir nicht diese widernatürliche Teilung in Deutschland gehabt hätten, unter der natür

lich die deutsche Hauptstadt besonders gelitten hat. Natürlich wären die Medien nicht in Hamburg, Siemens nicht in München, wenn diese Teilung nicht gewesen wäre. Das sind einerseits Folgen des Zweiten Weltkriegs, aber auch der Teilung Deutschlands.

Nur, machen wir uns doch nichts vor: Wir leben hier doch nicht in einem politikfreien Raum und machen Wunschkonzerte! – Wie gesagt: Dass wir das wollen, das ist völlig klar. Es gibt aber starke Kräfte im Deutschen Bundestag, die an dem Gesetz nicht rütteln. Abstrakt und intellektuell habe ich Verständnis dafür, dass NordrheinWestfalen nicht jubelnd sagt: Ja, wir geben das alles ab!

Sie kennen die Debatte um den BND, auch eine originäre Entscheidung des Bundes. Nicht wir haben gesagt, dass der BND nach Berlin umziehen solle. Selbstverständlich freuen wir uns darüber, und es ist auch richtig, dass er umzieht. Aber das Entscheidende daran war, dass der Bundesinnenminister und das Bundeskanzleramt gesagt haben, dass es richtig sei, dass der BND in Berlin ist. Gott sei Dank hat die neue Bundesregierung das auch so bestätigt, obwohl es natürlich viele gegeben hat, die gesagt haben: Nein, er soll in Pullach oder den anderen Standorten bleiben. – Nein, es ist richtig, und es wird sich auch realisieren, wenn der Bund selbst erkennt, dass das, was heute Gesetzeslage oder Realität ist, falsch ist. Dann wird er es auch verändern. Dabei können wir helfen, das werden wir auch gemeinsam tun. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Zu Ihrer zweiten Frage: Vom 1. September bis zum 15. Oktober 2005 gab es eine vertragliche Zusammenarbeit von der Illuminate Consulting Group und der Hum

boldt-Universität zu Berlin. Ziel und Gegenstand der Beratung waren die Anträge der Humboldt-Universität zur Exzellenzinitiative. Der Präsident der Humboldt-Universität hat am 9. Januar 2006 in einer Presseerklärung deutlich gemacht, dass er die Zusammenarbeit mit dieser Beratungsfirma nach den Veröffentlichungen unter keinen Umständen fortsetzen werde.

Auch das John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität hat im Januar 2005 mit einer Laufzeit von drei Monaten einen Beratungsvertrag mit dieser Firma geschlossen. Gegenstand des Vertrages war die Erstellung einer Positionierungs- und Vermarktungsstrategie für einen Masterstudiengang „American Studies“. Nach Abschluss des Arbeitsauftrages war die Zusammenarbeit eendet.

(D

Im Übrigen möchte ich zum Tenor Ihrer Anfrage unterstreichen, dass die abschließende Beschlussfassung zwar erst am 12. Oktober diesen Jahres im so genannten Bewilligungsausschuss getroffen werden wird, dass aber alle anderen Entscheidungen zuvor ausschließlich von den Wissenschaftsgremien getroffen werden und dass auch im zuletzt entscheidenden Bewilligungsausschuss die Wissenschaftsseite mit 39 Stimmen die Mehrheit hat und nur 32 Stimmen – jeweils 16 – auf Bund und Land entfallen. Wir haben also ein von der Wissenschaft dominiertes Auswahlverfahren. Deswegen sind Interventionen, wie wir sie in den letzten Tagen erlebt haben, außerordentlich ärgerlich, wenig sachgerecht und können nur mit der sehr angespannten, erwartungsvollen Atmosphäre der Antragsteller und der allgemeinen Öffentlichkeit erklärt werden. Ich gehe weiterhin von einer sehr positiven Erwartung der antragstellenden Universitäten in Berlin aus.

Jetzt geht es zur zweiten Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Czaja von der Fraktion der CDU. Er hat das Wort zum Thema

Humboldt-Universität gehört zur Elite – Freie Universität am Ende?

Bitte sehr, Herr Czaja!

Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat die Aussage des Geschäftsführers des Wissenschaftsberatungsunternehmens Illuminate Consulting Group, Herrn Daniel J. G., nach der die Freie Universität auf Grund der rot-roten Regierung „isoliert“ und damit „am Anfang ihres Endes“ sei?

2. Für welche Berliner Universitäten arbeitet dieses Unternehmen?

Danke schön! – Das wird der Wissenschaftssenator, Herr Dr. Flierl beantworten. – Sie haben das Wort, Herr Senator!

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Abgeordneter! Die Entscheidung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrates zur Antragsrunde der Exzellenzinitiative wird am 20. Januar 2006 getroffen und noch am selben Tag bekannt gegeben. Äußerungen zum Ergebnis vor diesem Termin sind als reine Spekulation oder schlimmstenfalls als interessengeleitete Interventionen zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Universitäten zu werten.

Politische Konstellationen in den Ländern der antragstellenden Universitäten oder gar im Bund spielen bei dieser Entscheidungsfindung von DFG und Wissenschaftsrat keine Rolle. Sie orientieren sich ausschließlich an wissenschaftlichen Qualitätskriterien. Die Aussagen von Herrn Guhr sind als Diffamierung zu werten und entbehren jeder Grundlage. Um mit der „FAZ“ zu sprechen, müssen sie als „erleuchtetes Geplapper“ bewertet werden.

Die Freie Universität hat – so wie alle anderen Hochschulen im Land Berlin – feste Finanzzusagen durch die Hochschulverträge 2006 bis 2009. Unser Berliner System der leistungsbezogenen Mittelvergabe bei der Hochschulfinanzierung garantiert eine Mittelzuweisung, die von ihren Leistungen in den Parametern Lehre, Forschung und Frauenförderung abhängt und deshalb unabhängig von politischem Wohlwollen oder politischer Ausrichtung der Landesregierung ist. Die Aussagen von Herrn Guhr sind daher von keinerlei Sachkenntnis getrübt. Im Gegenteil, ich kann nur erkennen, dass die Freie Universität im System der leistungsbezogenen Mittelvergabe sehr positiv abschneidet. Das ist außerordentlich erfolgreich und erfreulich.

Eine Zusammenarbeit mit der Technischen Universität bestand und besteht nicht.

[Beifall der Frau Abg. Schaub (Linkspartei.PDS]

Danke schön, Herr Kollege Senator! – Jetzt geht es weiter mit einer Nachfrage des Kollegen Czaja. Er hat das Wort und das Mikro. – Bitte sehr!

Herr Senator! Wie gewährleisten Sie auf Bundesebene, dass die anderen Bundesländer und die anderen Vertreter, die in diesem Gremium sitzen, von den derzeitigen Äußerungen nicht fehlgeleitet werden und weiterhin die Auswahl nach Exzellenz stattfindet und

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

nicht eine Vorauswahl aus Berliner Sicht stattgefunden hat und damit nur noch eine der drei Universitäten eine Chance zu haben scheint?

Herr Senator Dr. Flierl, bitte!

Herr Abgeordneter Czaja! Die wichtigste Garantie, dass wissenschaftsgeleitete Verfahren tatsächlich angewandt und eingehalten werden, sind die Kriterien, die dem Verfahren selbst zu Grunde gelegt wurden. Das ist auch das Ethos und die Verbindlichkeit der Regelungen in