Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Was ist denn die Ziegner-Stiftung? Staat?]

Schließlich ist es auch unbedingt erforderlich, Herr Dr. Lederer, dass das wirtschaftliche Engagement in den Justizvollzugsanstalten ausgeweitet wird. In den Haftanstalten können nämlich sehr viele Produkte hergestellt und auch Dienstleistungen angeboten werden, die vom privaten Markt nachgefragt werden. Das dient nicht nur dazu, Arbeitsplätze für die Gefangenen zu schaffen, sondern auch dazu, Geld einzunehmen. Wir waren doch gestern mit dem Rechtsausschuss in der Jugendstrafanstalt.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Lesen Sie Ihr Programm!]

Man hat mir dort gerade hinter vorgehaltener Hand gesagt, dass man in der JVA Plötzensee günstig sein Auto reinigen lassen kann und sogar Reparaturen möglich sein sollen. Solche Angebote müssen wir aktiv kommunizieren und aktiv den Menschen draußen erzählen.

[Beifall bei der FDP]

Ich komme zum Schluss. – Im Rechtsausschuss wollen wir versuchen, den Antrag der CDU von einigen Plattitüden und Allgemeinplätzen zu befreien, dann kann etwas Gutes daraus werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kluckert! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Rissmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kollegen! Ich danke Ihnen für diese engagierte Debatte. – Das, was die Kollegen Fraktionssprecher vorgetragen haben, überrascht nicht. Es war das, was im Rahmen des normalen Rollenverhaltens zu erwarten war. Das, was allerdings die Justizsenatorin heute gemacht hat, überrascht schon. Es überrascht deshalb, weil es eine unglaubliche Verharmlosung der Zustände im Berliner Vollzug dar

stellt. Frau von der Aue! Jemand, der hier so spricht und argumentiert wie Sie, hat den Knall einfach nicht gehört und hat nicht wirklich verinnerlicht, vor welcher intensiven Problemlage wir in Berlin stehen.

[Beifall bei der CDU]

Deshalb, Frau von der Aue, kann ich Ihnen nur sagen, war unser Antrag vollkommen richtig. Ich gestehe selbstverständlich zu, dass man im Rahmen eines parlamentarischen Beratungsverfahrens an der einen oder anderen Stelle feilen muss. Aber Ihre Reaktion zeigt mir, dass wir den Finger in die Wunde gelegt haben. Ihr Verhalten zeigt mir insbesondere, wenn ich mir noch mal vor Augen führe, dass Sie sich hier vor die Mitarbeiter stellen und damit subtil vermitteln wollen, wir hätten die Masse der Mitarbeiter in den Vollzugsanstalten kritisiert, dass das Gegenteil die Wahrheit ist. Wir greifen das auf, was die Mitarbeiter aus den Vollzugsanstalten und aus anderen Bereichen der Justiz öffentlich oder semi-öffentlich an uns herantragen, weil die Zustände nämlich auch für sie unerträglich geworden sind.

[Beifall bei der CDU]

Sie als Sozialdemokratin sollten doch wissen, dass ein Personalrat die Vertretungskörperschaft der Mitarbeiter ist. Und wenn der Personalrat in einer für mich bisher nicht bekannten Art und Weise etwas zu Papier bringt und wir das zum Anlass nehmen, es kritisch zu reflektieren, dann können Sie uns doch nicht subtil unterstellen, wir würden etwas gegen die Mitarbeiter tun. Ganz im Gegenteil!

[Beifall bei der CDU]

Wir als Christdemokraten verstehen uns auch als Anwalt derer, die jeden Tag einen schweren Job in diesen Randbereichen der Gesellschaft tätigen, unter den schwierigen Bedingungen, die Sie persönlich und der rot-rote Senat zu verantworten haben.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Was reden Sie da?]

Ich mache mir ausdrücklich das zu eigen, was der Kollege Kluckert dazu gesagt hat. Ich möchte nur darauf hinweisen: Es ist nicht die CDU, die ausschließlich dieses Thema ventiliert. Wir alle bekommen doch Pressespiegel. Ich unterstelle, auch Sie, Frau Senatorin. Dann werden Sie sehen, dass es fast jeden Tag Berichterstattungen in den Medien über die Haftanstalten, über den Strafvollzug insgesamt gibt. Das sind leider nicht immer nur Artikel, die auf Veranlassung der CDU geschrieben worden sind, weil wir etwa eine gute Pressearbeit machen, sondern weil es der medialen Öffentlichkeit bewusst ist, dass es hier Schwierigkeiten gibt. Ich habe sie hiermit vorgebracht, ich denke, Sie kennen sie, ich muss sie nicht erwähnen. Heute schreibt der „Tagesspiegel“ drei Artikel dazu, gestern die „Morgenpost“ einen Artikel. Ich muss das nicht aufzählen, Ihnen werden diese Artikel bekannt sein.

Ich will es trotzdem versuchen, auch wenn Ihr Beitrag, Frau Senatorin, für mich keinen Anlass dazu gegeben hat, auf einzelne Punkte sachlich einzugehen. Sie sagen, die CDU – –

Entschuldigung, Herr Rissmann! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kohlmeier?

Nein! Das bringt nichts.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Weil Sie die Antwort nicht wissen?]

Ich möchte auf das eingehen, was die Frau Senatorin gesagt hat. – Die Senatorin sagt, wir fordern in unserem Sofortprogramm Privatisierungen von Haftanstalten. Frau Senatorin! Ich muss Sie fragen: Haben Sie diesen Antrag denn überhaupt gelesen? – In diesem Antrag steht, wir fordern auf zu prüfen, ob Privatisierungen in Teilbreichen sinnvoll sind. In der Begründung wird auch ausführlich dargestellt, dass es dabei darum geht, die Grenzen der rechtlichen Zulässigkeit von Privatisierungen auszuloten und die haushaltsmäßigen Auswirkungen festzuschreiben. Das ist ein Prüfungsauftrag, es ist keine so gebundene Forderung nach Privatisierung, wie Sie es dargestellt haben.

Stichwort Meutereien – der Kollege Kluckert hat es dankenswerterweise schon aufgerufen –: Nicht die CDU in diesem Hause hat gesagt, Meutereien stünden unmittelbar bevor, sondern der Anstaltsleiter von Tegel hat es Ihnen als Abschiedsgeschenk hinterlassen, indem er es über die Medien mitgeteilt hat.

Im Ergebnis, Frau Senatorin, gilt: Nicht wir als Christdemokraten skandalisieren hier irgendwelche Zustände, sondern die Zustände sind skandalös. Es ist unsere Aufgabe, das ins Licht der Öffentlichkeit zu tragen und – so wie wir es durch den Antrag getan haben – durch konstruktive Hinweise den Versuch zu unterbreiten, Abhilfe zu leisten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rissmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Rechtsausschuss sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch.

Die Priorität der Linksfraktion unter der lfd. Nr. 4 d hatten wir als gemeinsame Priorität mit der Fraktion der SPD bereits unter dem Tagesordnungspunkt 4 b aufgerufen.

Ich rufe die lfd. Nr. 43 als Priorität der Fraktion der Grünen auf:

Lfd. Nr. 4 e:

Ablehnung des Gesetzentwurfs zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien

Antrag der Grünen Drs 16/0489

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Grünen. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Öney. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben einen Antrag auf Sofortabstimmung eingebracht, weil bereits morgen im Bundesrat der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien beraten wird. Wir fordern den rot-roten Senat auf, diesen Gesetzentwurf und die Änderungsanträge aus den unionsregierten Ländern abzulehnen, mit denen eine schlechte Vorlage noch weiter verschlechtert werden soll.

[Beifall bei den Grünen]

Wir sind nicht gegen die Umsetzung der EU-Richtlinien, sondern im Gegenteil: Wir wünschten, die Bundesregierung würde die Richtlinien umsetzen, aber das macht sie nicht, und das ist der Punkt.

[Beifall bei den Grünen]

Stattdessen werden geltende Regeln zum Familiennachzug, zur Einbürgerung und Integration verschärft. Das ist nicht hinnehmbar! Genauso sehen das die Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsorganisationen, und sie haben recht,

[Beifall bei den Grünen]

weil der Entwurf integrationsfeindlich und fast schon zynisch ist. Er ist zynisch, weil er glaubt, Zwangsverheiratungen durch die Erschwerung des Ehegattennachzugs verhindern zu können. Wer Zwangsheirat verhindern will, der gewährt nachziehenden Ehegatten ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. – So einfach ist das! – Wer das nicht tut, dem geht es nicht um die Sache, der soll aufhören, den Retter der Witwen und Waisen zu spielen.

[Beifall bei den Grünen]

Drei Schwerpunkte nennt die CDU in ihrem neuen Grundsatzprogramm. Erstens: Familie, zweitens: Arbeit und drittens: Integration. Nichts davon steht in dem Gesetzentwurf. Im Gegenteil! Der im Grundgesetz verankerte und von der CDU propagierte Schutz der Familie soll für Migranten gar nicht mehr gelten. Aus dem Ausland nachziehende Ehegatten sollen künftig vor der Einreise Deutschkenntnisse vorweisen, was mit der Familienzusammenführungsrichtlinie der EU nichts zu tun hat, denn diese sieht keine Sprachkenntnisse vor. Natürlich sind wir dafür, dass Migranten Deutsch lernen, aber das sollen sie hier tun, in den dafür vorgesehenen Integrationskursen. Wozu gibt es diese Kurse denn sonst?

[Beifall bei den Grünen]

Oder sollen die Migranten jetzt Deutsch im Ausland lernen, weil die Integrationskurse hier so schlecht sind? Dann müssen eben die Kurse besser werden. – So einfach ist das. Uns ist es lieber, dass die Menschen hier die Sprache lernen, in Verbindung mit der gesellschaftlichen Ordnung, mit den Rechten und Pflichten, die übrigens für alle gelten. Das dürfte im Interesse aller und auch im Interesse der Integration sein.

Gerade in einer europäischen Metropole wie Berlin, in der fast jeder achte Einwohner keinen deutschen Pass besitzt, brauchen wir ein zeitgemäßes, modernes und integrationsförderndes Aufenthalts- und Flüchtlingsrecht. Da kann man nicht auf der einen Seite für Einbürgerung werben und auf der anderen Seite zusätzliche Hürden dagegen aufstellen. Diese Überlegungen werden ausgeblendet, und die EU-Richtlinien, die der Verbesserung des Flüchtlingsrecht dienen sollen, werden ignoriert. Nicht einmal das, was die EU an zwingenden Verbesserungen für den Schutz von Flüchtlingen vorsieht, wird im Gesetzentwurf vollständig übernommen. Aufenthaltstitel für subsidiär Geschützte, Schutz von Bürgerkriegsflüchtlingen, verbesserter Opferschutz bei Menschenhandel und medizinische Behandlung der Opfer, alles das ist nicht geregelt. Die Altfallregelung ist teilweise unbrauchbar. Es gibt keine realistische Option für langjährig Geduldete – nicht bei diesen Arbeitslosenzahlen.

[Beifall bei den Grünen]

Alte, Kranke, Behinderte und Kinder können diese Anforderungen nicht erfüllen; sie können keine Arbeit aufnehmen. Wenn es neuerdings nach einigen Stimmen aus der SPD geht, dann sollten sogenannte „Problemfälle“ ausgewiesen werden, nach dem Motto: Kriminelle Ausländer raus! – Dass so etwas aus diesem Haus, vom Vorsitzenden des Petitionsausschusses kommt, ist für uns unerträglich.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei derLinksfraktion]

Dieser Mann, der Mann mit den roten Absätzen und der schwarzen Gesinnung, entscheidet über Einzelschicksale von Flüchtlingen. Kein Wunder, dass die Zahl der Abschiebungen in Berlin gestiegen ist. Wenn Sie mit dieser Rhetorik weitermachen, dann verlieren Sie auch die letzten Wählerinnen und Wähler mit Migrationshintergrund. Ich weiß nicht, ob Sie sich das leisten können oder wollen. Sie haben jetzt die Gelegenheit, klar Position zu beziehen. Rot-Rot kann sich nicht mit einer Enthaltung wegducken und so tun, als ginge das Berlin nichts an. Wir möchten die Sofortabstimmung. Wenn auch Sie eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinien wollen, also mehr Integration und Flüchtlingsschutz, dann stimmen Sie hier und jetzt mit einem Ja. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]