Das ist ein Punkt, über den wir hier ernsthaft reden müssen. Das wird Geld kosten. Ich hoffe auf die Zustimmung aller Fraktionen bei der Haushaltsberatung 2008/2009. Da muss dringend etwas passieren.
Zweitens: Die Personalsituation im Vollzug müssen wir so gestalten, dass sich die Arbeitssituation entspannt. Wir haben bereits vor zwei Wochen über den Jugendstrafvollzug diskutiert. Ich bleibe bei meiner Aussage: Die beste Sicherheit bewirkt eine gute Resozialisierung. Auch die Arbeitsbedingungen sind relevant, nicht nur für den Beschäftigtenkrankenstand, sondern gerade auch für die Erreichung des Vollzugsziels. Resozialisierung sichert Lo
ckerungen, sichert die Möglichkeit vorzeitiger Entlassungen aus der Haft, schafft ordentliche Vollzugsergebnisse und erspart manchem Insassen die Rückkehr. Deswegen ist eine ordentliche Vollzugsplanung und eine gute Betreuung im Vollzug das A und O der Beherrschung unserer Probleme. Da reicht es eben nicht, einfach darauf zu verweisen, dass wir bei zwei Drittel der Entlassungen, auch wenn das wahr ist, hinter anderen Bundesländern zurückstehen. Wir müssen uns die Ursachen ansehen und angehen. Da reicht das reine Postulat nicht.
und es gab einen Möchtegernsenator Ratzmann, dessen Vorschläge zu der ganzen Geschichte in der letzten Legislaturperiode so flach waren, dass ich sie an dieser Stelle nicht abarbeiten will.
Entspannung bei Vollzugsgemeinschaften sichert uns kurzfristig mehr Personal, Herr Ratzmann, sichert uns kurzfristig bessere Betreuung und dann vielleicht eine bessere Entlassungsvorbereitung. Und damit bringt es uns in eine bessere Situation.
Darüber müssen wir im Zusammenhang mit der Haushaltsplanaufstellung 2008/2009 sprechen. Die Verfassung gibt vor, dass sich Vollzug nicht im Wegschließen von verurteilten Straftätern erschöpft. Es ist der Verfassungsauftrag, gefangenen Menschen Chancen und Möglichkeiten zur Resozialisierung zu eröffnen. Ich staune, dass über die sozialen Dienste der Justiz, über die Arbeit der freien Träger der Straffälligenhilfe an dieser Stelle viel zu wenig gesprochen wird. Wegweisende Programme wie „Schwitzen statt sitzen“ und andere müssen erhalten und womöglich ausgebaut werden. Wir werden in der Gesetzesdiskussion zum Jugendvollzug auch über Konsequenzen reden müssen, aber sie müssen seriös und belastbar sein. Da verstehe ich nicht, wie die CDU-Fraktion auf 200 Beamte kommt, die wir neu einstellen sollen. Warum nicht 400? Warum nicht 50? So können wir das Ganze nicht machen. Da muss eine seriöse Arbeit her.
Drittens: Berlins Haftanstalten sind sicher. Zwischenfälle im Vollzug wird es immer wieder geben. Sie sind eine typische Begleiterscheinung des Wegsperrens von Leuten. Es kann nicht darum gehen, diese zu skandalisieren, sondern es muss darum gehen, die Beschäftigten im Berliner Vollzug zur professionellen Handhabung solcher besonderen Vorkommnisse zu befähigen. Das ist eine Frage von Personalausstattung und eine der Qualifikation.
Die CDU-Fraktion hat uns nun einen Antrag vorgelegt, in dem sich Elemente dieser Anforderungen wiederfinden. Das betrachte ich als Unterstützung für unser Herangehen an die Probleme im Vollzug. Mancher Vorschlag klingt aber nur gut, bleibt aber genauso allgemein, dass es sich auf dieser Ebene nicht lohnt, weiter darüber zu diskutieren, so die Ausweitung der unternehmerischen Tätigkeiten der Vollzugsanstalten. Hauptaufgabe der Vollzugsanstalten ist nicht die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Druckerzeugnissen, Kleidung und Blumen. Ja, wir brauchen mehr Anstaltsbetriebe, aber damit die Häftlinge arbeiten können. Das ist entscheidend.
Nun haben wir – damit komme ich gleich zum Schluss – in der jüngsten Rechtsausschusssitzung begonnen, über die konkreten Handlungsfelder im Berliner Strafvollzug zu diskutieren. Diese Debatte ist nicht beendet. Auch wenn uns das Protokoll noch nicht vorliegt: Wir haben die Senatorin gebeten, uns noch über einige Details zur Vollzugssituation zu berichten. Wir haben uns im Rechtsausschuss darauf verständigt, diese Diskussion möglichst konkret fortzusetzen. Das sollten wir tun und bei der Debatte hier alle beherzigen.
Der Antrag der CDU-Fraktion hingegen ist weder ein Sofortprogramm noch in weiten Teilen besonders neu oder originell. Er wirkt etwas hilflos, als ob sie gegraben hätten, was gut klingen könnte. Wo Sie uns alten Wein in neuen Schläuchen anbieten wie in Sachen Teilprivatisierung, sollten wir ebenfalls über das Niveau von Gemeinplätzen hinauskommen. Was mir noch gefehlt hat, ist der Vorschlag des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren unserer Haftanstalten.
Diese Art des Umgangs mit den Problemen bringt uns nicht weiter. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Kluckert das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Strafvollzug in Berlin muss zwei Hauptaufgaben gleichrangig erfüllen. Er soll erstens einen kraftvollen Beitrag zur Sozialisierung, Resozialisierung und Erziehung des Straftäters leisten. Er soll zweitens die Allgemeinheit effektiv vor Straftätern schützen. – Keine dieser Aufgaben wird gegenwärtig auch nur annähernd zufriedenstellend erfüllt.
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. Fritz Felgentreu (SPD): In welchem Land denn?]
Nehmen wir den Schutz der Allgemeinheit vor Straftätern. Im Kleinen zeigt sich der desolate Zustand in einer bedauerlichen Häufung von Ausbrüchen und Fluchten, die aber in der Öffentlichkeit zu Recht besondere Beachtung finden und die Menschen verunsichern. Kürzlich erst wurde ein Mörder am Eingangstor der JVA abgewiesen und weggeschickt, weil er keine Strafeintrittspapiere bei sich trug. Frau Senatorin von der Aue, es ist besonders ärgerlich, dass Ihre Senatsverwaltung – –
Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Kluckert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kohlmeier?
Sebastian Kluckert (FDP) Ich kann Ihnen sagen, dass z. B. ein Schlüssel weggekommen ist in der JVA. – Wie ich die Frage beantworte, das ist meine Sache. – Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass auf diesem Stuhl eine neue Justizsenatorin sitzt, weil es viele Ausbrüche und Fluchten in den JVAs gegeben hat. Deswegen sitzt hier eine neue Justizsenatorin, und Frau Schubert ist weggegangen. Das ist die Antwort auf Ihre Frage, Herr Kohlmeier.
Sehr eindringlich, aber von der breiten Öffentlichkeit nicht so sehr wahrgenommen, zeigt sich die von einigen Justizvollzugsanstalten mittlerweile ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit beispielsweise in einem Zeitungsinterview des ausgeschiedenen Leiters der JVA Tegel. Auch wenn Sie das nicht hören wollen, der Gefängnisleiter sagt dort, er könne für die Zukunft Meutereien in Gefängnissen nicht mehr ausschließen. Und der Gesamtpersonalrat der Berliner Justiz schreibt:
Wir müssen alles unternehmen, damit von unseren Justizvollzugsanstalten, von unseren Haftanstalten, keine Gefährdungen für die Allgemeinheit ausgehen und auch die Insassen vor Übergriffen geschützt sind.
[Beifall bei der FDP – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Seit wann hören Sie auf die Personalräte?]
Sehen wir uns aber auch die zweite Hauptaufgabe unserer Justizvollzugsanstalten an, nämlich Sozialisierung, Resozialisierung und Erziehung. Was ist das denn für ein Staat, der meint, er könne Gefangene sozialisieren, die er teilweise menschenunwürdig unterbringt? Und was ist das denn für ein Staat, der meint, er könne Menschen zur
Rechtschaffenheit erziehen, die er selbst teilweise verfassungswidrig unterbringt? – Es kann doch beispielsweise auch nicht sein, dass sehr viele arbeitswillige Insassen keinen Arbeitsplatz erhalten und am Tage keiner sinnvollen Beschäftigung nachgehen können. Hier wollen wir endlich Taten sehen, zutreffende Situationsbeschreibungen haben wir oft genug gehört.
Frau Senatorin von der Aue! Tun Sie hier nicht so, als ob wir die Mitarbeiterinnen in den Justizvollzugsanstalten kritisieren würden. Diese Menschen machen einen guten Dienst trotz dieser Regierung, aber nicht wegen dieser Regierung.
Herr Kollege Kluckert! Aus den Reihen der PDS-Fraktion kamen gerade Zurufe, als Sie die Zustände in der Haftanstalt zu Recht beklagten, das sei die Folge des Kapitalismus. Meinen Sie nicht auch, dass die Damen und Herren aus der PDS-Fraktion vielleicht einmal nach Hohenschönhausen und an andere Plätze gehen sollten, um sich anzuschauen, wie in der DDR die Leute menschenunwürdig untergebracht wurden, wofür sie die Verantwortung trugen?
Ich kann Ihnen nur dazu antworten: Die alte SEDVergangenheit wollen viele nicht mehr wahrhaben, aber sie haftet ihnen weiterhin an.
Der Antrag der CDU hat einige Punkte, die in die richtige Richtung weisen und über die wir diskutieren möchten. Lassen Sie mich nur einige Punkte erwähnen, die ich uneingeschränkt teile. Natürlich müssen wir wieder alle unnatürlichen Todesfälle in den Justizvollzugsanstalten unverzüglich veröffentlichen. Frau Senatorin, sehen Sie endlich ein, dass Ihre Anweisung ein Fehler gewesen ist. Machen Sie diesen Fehler rückgängig!
Ich habe vorhin auch Herrn Kohlmeier zugelassen. – Natürlich stehen wir Liberalen dazu, dass bestimmte Hilfsaufgaben in Justizvollzugsanstalten privatisiert werden sollen. Staatsbedienstete brauchen wir nur dort, wo hoheitlich gehandelt wird. Sicherlich kann man dadurch noch etwas Geld einsparen.