Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

Im Zeitalter der Globalisierung und damit großer Migrantenströme – die Vereinten Nationen gehen übrigens davon aus, dass weltweit rund 190 Millionen Migranten unterwegs sind, davon ungefähr die Hälfte in Europa – müssen wir angesichts der ganz unterschiedlichen Arbeitsmarkt-

und Sozialsysteme innerhalb Europas darauf achten, dass wir keine solchen Effekte auslösen, dass die gesamte Integrationsarbeit in unserem Land am Ende nicht mehr steuerbar ist.

Herr Abgeordnetr Wansner! Darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit bereits beendet ist!

[Zuruf: Nein!]

Gut! – Lassen Sie mich noch abschließend eine Bemerkung zu den Grünen machen: Wir haben uns wirklich in den letzten Jahren bemüht, mit Ihnen gemeinsam Integrationsarbeit zu leisten.

[Özcan Mutlu (Grüne): Bloß nicht!]

Ich kann Ihnen nur raten, sich mit diesem Antrag bewusst zu beschäftigen. Dieser Antrag ist das, was wir erwarten können, nämlich dass die Integration endlich einmal Erfolge erzielt. Wenn Sie Integration in dieser Stadt erleben, wissen Sie, welche Probleme wir haben.

Herr Wansner! Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Deshalb biete ich den Grünen an: Ich helfe Ihnen, wenn Sie sich mit diesem Gesetz noch einmal beschäftigen. Ich glaube, dann werden Sie es möglicherweise verstehen.

[Beifall bei der CDU – Özcan Mutlu (Grüne): Bloß nicht!]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wansner! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Sayan das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion ist sich im Klaren, dass der Gesetzesentwurf keine ausreichende Umsetzung der EU-Richtlinien zum Aufenthalts- und Asylrecht bedeutet. Die Linksfraktion lehnt deshalb diesen Gesetzesentwurf ab.

[Beifall bei der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Klasse! Machen Sie es morgen auch!]

Vielmehr werden in dem Gesetzesentwurf parteipolitische Positionen der CDU/CSU sichtbar. Das kann man als einen Missbrauch der EU-Richtlinien deuten. Die CDU versucht, diese Änderungsvorschläge zu missbrauchen.

Wir halten Familiennachzug, den Schutz der Familie und das Recht auf Zusammenleben mit der Familie für nicht nur aus der grundgesetzlichen Sichtweise, sondern auch der menschenrechtlichen Perspektive für ein zwingendes Rechtsgut. Dies muss auch ohne Unterschied für Migrantinnen und Migranten und ihre Kinder gelten. Das Verlangen von Deutschkenntnissen vor einer Einreise oder Heirat ist realitätsfern und kann nicht akzeptiert werden.

Unsere Koalition hat kontinuierlich die Einbürgerung in Berlin vereinfacht, nun sollen neue Barrieren aufgebaut werden. So soll von jungen Leuten ein Einkommensnachweis gefordert werden. Das ist gegen unsere Ziele. Wir halten die Einbürgerung insbesondere der jüngeren Frauen und Männer in Ausbildung und Studium für ein Gebot der Vernunft. Diese jungen Leute haben naturgemäß noch kein Einkommen am Beginn ihres Berufsweges. Hier gesetzliche Erschwernisse einzubauen, verbaut uns unsere gemeinsame Zukunft in Berlin.

Der Gesetzesentwurf produziert unnötig Tragödien und ist unmenschlich.

Herr Abgeordneter Sayan! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mutlu?

Nein! – Die Heraufsetzung der Altersgrenze für den Zuzug von Ehegattinnen halten wir nicht für die richtige Prävention bezüglich der Zwangsheirat. Es bedeutet auch eine Ungleichbehandlung gegenüber dem üblicherweise geltenden Heiratsalter. Das wird langfristig vor dem Grundgesetz oder dem EU-Recht keinen Bestand haben.

Wir vermissen eine klare Definition des Begriffs Flüchtling, wie von der EU vorgegeben. Die Bundesregierung drückt sich mit diesem Gesetzesentwurf davor und verstellt uns den Weg, der uns grundrechtlich und historisch erwachsenen Aufgabe gerecht zu werden, nämlich Flüchtlinge zu schützen und aufzunehmen. Man fragt sich, wie solche EU-fremde Umsetzung gerade unter der EURatspräsidentschaft möglich sein kann.

Unsere Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Heidi Knake-Werner, hat schon frühzeitig signalisiert: Der Gesetzesentwurf ist eine Ansammlung von Belastungen für den nationalen Integrationsplan.

Für Berlin und seine gesamte Bevölkerung ist er eine unzumutbare Härte.

Unsere Koalition wird den Weg der Integrations- und Willkommenspolitik weitergehen, auch wenn man uns kontraproduktive Rahmenbedingungen vorgibt. Wir können in dieser Stunde nur noch einmal an alle in Berlin Lebenden ohne deutschen Pass appellieren: Bürgern Sie sich jetzt und schnell ein, bevor es zu spät ist! – Wir wollen Europarecht. Das ist das Mindeste, was man wollen kann.

Wir lehnen den Gesetzesentwurf ab und werden uns im Bundesrat enthalten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sayan! – Für die FDPFraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Jotzo das Wort! – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Monaten schon konnten wir die Bemühungen der schwarz-roten Bundesregierung beobachten, einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der aufenthalts- und asylrechtlichen Richtlinien vorzulegen. Eine solche bundesgesetzliche Bleiberechtsregelung ist überfällig im Interesse der Betroffenen, unserer Wirtschaft und letztlich auch im Interesse unseres Landes. Vor wenigen Wochen hat es die schwarz-rote Bundesregierung endlich geschafft, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Im Bundestag hat gerade die I. Lesung stattgefunden. In knapp zwei Wochen beginnt man in den Ausschüssen mit den ersten Anhörungen.

Mit ihrem Antrag – bei allem Respekt – sind die Berliner Grünen dem Geschäftsgang ein wenig zu weit voraus. Schon vor den Ausschussberatungen und Anhörungen von Fachleuten legen Sie uns heute einen Antrag mit einer knappen Begründung vor, suchen sich aus einem sehr umfassenden bundespolitischen Gesetzentwurf von mehr als 500 Seiten immerhin vier Punkte heraus und möchten bereits heute abstimmen, dass das Land Berlin das gesamte Gesetzespaket – wie auch immer es am Abschluss des Verfahrens aussehen mag – ablehnen soll. Auch wenn die von Ihnen in Ihrer Antragsbegründung aufgeführten Punkte durchaus diskussionswürdig sind und auch von der FDP-Bundestagsfraktion z. T. kritisiert wurden, halten wir Ihren Antrag zum jetzigen Zeitpunkt in dieser Form leider nur für bedingt zielführend.

[Beifall bei der FDP]

Der auf Bundesebene vorgelegte Entwurf ist jedenfalls ein erster Schritt in die richtige Richtung. So erhalten geduldete Ausländer erstmalig eine Perspektive für den Fall, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Er gibt den Betroffenen realistische Möglichkeiten, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erhalten und ihre Lage durch eigenes Zutun zu verbessern. Damit wird Leistung belohnt. Es ist richtig und auch zwingend notwendig, dass die Arbeit und die Sprache in den Mittelpunkt der Integration gestellt werden, denn das Beherrschen der deutschen Sprache ist die Grundlage gegenseitigen Verstehens.

[Beifall bei der FDP]

Falsch ist es aber, wenn die Bundesregierung die Nichtteilnahme an Integrationskursen vorwiegend mit Sanktionen belegen will. Es müssen vielmehr auch hier positive Anreizsysteme für die Teilnahme an integrativen Angebo

ten geschaffen werden. Leistung zu belohnen ist um ein Vielfaches effektiver als Nichtleistung zu bestrafen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

In anderen Bereichen enthält der Gesetzentwurf der Bundesregierung allerdings keine ausreichenden Regelungen oder grundlegend falsche Ansätze, die Sie leider in Ihrem Antrag gar nicht aufgreifen. So sind die Regelungen zum Aufenthaltsrecht für Hochqualifizierte und Selbstständige nicht ausreichend. Die Hürden für einen Zuzug von ausländischen Selbstständigen sind nach wie vor deutlich zu hoch. Deutschland und somit auch Berlin sind darauf angewiesen, als Standort für ausländische Forscher, Entwickler, Führungskräfte und Unternehmer attraktiv zu sein und zu bleiben. Die bisherigen Regelungen sind zu bürokratisch und abschreckend, die Einflussmöglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit zu weitgehend und die Hürden für einen Zuzug von ausländischen qualifizierten und leistungsbereiten Selbstständigen deutlich zu hoch. Es ist vollkommen unverständlich, dass ausländische Hochschulabsolventen von deutschen Hochschulen, in die wir hier investiert haben, aufgrund des Vorrangprinzips in Deutschland nur schwer eingestellt werden können.

Bevor nun meine Redezeit abläuft, gehe ich zumindest noch kurz auf die von Ihnen in der Antragsbegründung angesprochenen Punkte ein. Mit Blick auf die bisherige Begründung zum Mindestnachzugsalter bei Ehegatten, nämlich dem Verhindern von Zwangsheiraten, ergeben sich tatsächlich verfassungsrechtliche Bedenken. Hier versucht die Bundesregierung offenbar mit dem Argument des Schutzes vor Zwangsverheiratung, auch alle anderen Ehen, also auch die selbstverantwortlich geschlossenen, mit der Einrichtung einer Wartezeit zu diskriminieren. Das ist der falsche Weg.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken bestehen bei dem Erfordernis, dass der nachziehende Ehegatte bereits über zumindest einfache deutsche Sprachkenntnisse verfügen muss. Da sind wir grundlegend anderer Auffassung, Herr Wansner. Natürlich ist es wünschenswert, denn der Zuzug wird sicherlich dadurch begünstigt. Andererseits darf man sich dann fragen, ob es sich bei einem solchen Ehegattennachzug um einen Nachzug oder um eine Ehe zweiter Klasse handeln soll. Das ist mit unserer Verfassung nicht vereinbar, denn Artikel 6 schützt auch Ehen, die durch einen solchen fremdsprachlichen Nachzug in Deutschland begünstigt werden.

Daher ist die Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung durchaus richtig. Aber die kategorische Zielrichtung und vor allem der Zeitpunkt des Antrags der Grünen sind falsch. Wenn unser Ziel ist, eine Verbesserung der Situation der Betroffenen zu erreichen, dürfen wir uns nicht dem weiteren Verfahren im Bundestag kategorisch verweigern. Nur so können wir den Senat zwingen, sich auf Bundesebene in sinnstiftender Art und Weise am weiteren

Verfahren zu beteiligen. In diesem Sinne werden wir uns auch im Interesse der Betroffenen einsetzen.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jotzo! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die antragstellende Fraktion der Grünen bittet um die sofortige Abstimmung.

Es liegt jedoch von SPD und Linksfraktion der Antrag auf Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales vor, worüber ich zuerst abstimmen lasse. Wer also überweisen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalition und die CDU-Fraktion. Gegenprobe! – Das ist die Fraktion der Grünen. Enthaltungen? – Das ist die FDPFraktion. Damit ist dieser Antrag in die soeben genannten Ausschüsse überwiesen. Offengeblieben war noch die Federführung. Hierzu haben sich die Fraktionen inzwischen auf den Innenausschuss verständigt, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Wir kommen jetzt zur

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Gesetz zur Änderung der Landeshaushaltsordnung (LHO)

Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/0390 Antrag der FDP Drs 16/0299

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II auf Drucksache 16/0299. Der Hauptausschuss empfiehlt mehrheitlich – gegen die FDP bei Enthaltung CDU und Grüne – die Ablehnung des Antrags. Wer dem Antrag Drucksache 16/0299 jedoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Gegenprobe! – Das ist die Koalition. Enthaltungen? – Grüne und CDU. Das Gesetz zur Änderung der andeshaushaltsordnung ist damit abgelehnt. L Wir kommen zur

lfd. Nr. 5 A: