Man sollte dieses Gesetz ausführlich und gründlich diskutieren, und deswegen sollten Sie uns einmal die Vorlage zur Verfügung stellen.
Entschuldigung, Herr Behrendt! – Herr Kohlmeier möchte erneut eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie das?
Herr Kollege Behrendt! Haben Sie sich den Entwurf des Jugendstrafvollzugsgesetzes in der Justizverwaltung angeschaut, wie es beispielsweise die Kollegen von der CDU-Fraktion getan haben?
Der Entwurf des Jugendstrafvollzugsgesetzes ist bereits im Januar mitgeteilt worden – zu Beginn im Zusammenhang mit der Neun-Länder-Arbeitsgruppe. Das ist auch im Internet abrufbar. Wir haben ihn uns selbstverständlich mehrfach angesehen. Er ist bei den Justizverbänden bereits im Februar und März dieses Jahres in der Anhörung gewesen, und wir fragen uns, was die Justizverwaltung macht.
Ich habe eine Erklärung, warum dort die normale Arbeit nicht erfolgt. Die Justizverwaltung ist nämlich damit beschäftigt, alte Personalquerelen mit dem Staatssekretär auszutragen, und trägt offenbar neue Querelen mit Frau Junker aus. Weil Sie dadurch völlig gehandicapt sind und offenbar nicht mehr zur normalen Arbeit kommen, bleibt dort einiges liegen.
Nun zum Kollegen Reusch. – Herr Felgentreu, Sie haben inhaltlich völlig recht: Die Aussagen des Kollegen Reusch sind der Sache und der Form nach völlig inakzeptabel.
Dem alten Moabiter Landrecht – U-Haft schafft Rechtskraft – den Satz „U-Haft schafft Erziehung“ hinzuzufügen, das geht so nicht, das ist gesetzeswidrig. Dagegen müssen wir uns als Rechtspolitiker alle verwenden. Das ist aber nur das eine.
Es wäre wünschenswert, wenn aus der Abteilung 47 eine Klarstellung erfolgte, dass diese Äußerung nicht der Praxis der Intensivtäterabteilung entspricht. Aber: Der Form nach ist das Agieren der Senatorin genauso inakzeptabel.
Wie soll man denn die Mitarbeiter auf dem Weg der notwendigen Reformen mitnehmen, wenn man sie derartig öffentlich maßregelt,
ohne dass zuvor ein Gespräch gesucht worden wäre? Wenn man so mit Bediensteten umgeht, die man eigentlich auf dem Weg der dringend notwendigen Reformen mitnehmen sollte, dann braucht man sich nicht zu wundern. Damit bringt man auch jene Mitarbeiter gegen sich auf, die die Äußerungen von Herrn Reusch auch für kritikwürdig halten. Aber dieses Vorgehen führt zunächst einmal dazu, dass sich alle mit ihm solidarisieren. So möchte nämlich niemand, dass mit Kollegen umgegangen wird.
Man hätte es wissen können. Herr Reusch hat sich nicht zum ersten Mal derart geäußert. Wenn man ihm eine Interviewgenehmigung für den „Spiegel“ gibt, muss man sich nicht wundern, dass er sich derartig äußert, denn man kennt ihn. Er ist kein Unbekannter in der Berliner Justiz, er hat auch zuvor durch nassforsche Äußerungen von sich reden gemacht. Hier gilt der alte Grundsatz: Populismus – was Herr Reusch macht, ist ein Stück Populismus, und auch das, was wir heute von der CDU-Fraktion hören – kann man nur kontern durch Kompetenz
Zwei Sätze noch zum Medikamentenskandal: Es ist völlig richtig, dass dieser Skandal vor der Amtszeit der Senatorin liegt. Aber wir wollen auch hier, dass endlich Abhilfe
geschaffen wird. Es werden weiterhin nach diesem uralten Vertrag mit 13 % Provision Medikamente bezogen.
Das macht bei einem Etat von rund 1 Million € einiges aus. Obwohl wir uns von der Untersuchungsgruppe haben sagen lassen, dass es normal ist, dass man Rabatte erhält, anstatt drauf zu zahlen. Hier wäre es nötig, endlich zur Ausschreibung zu schreiten und nicht diesen Zustand weiter zu perpetuieren mit dem Argument, man prüfe. Zur Erinnerung: Die Prüfung ist die Aufgabe des Rechnungshofes und nicht die einer Regierung.
Zum Abschluss möchte ich gern eine Vereinbarung vorschlagen, damit wir bei den Problemen vorankommen. Vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass zum Jahresende die verfassungswidrige – ich wiederhole: verfassungswidrige – Unterbringung der Strafgefangenen in den Vollzugsanstalten abgestellt wird. Wenn wir das schafften, wenn wir uns nicht ablenken ließen durch Streitigkeiten über entlassene Staatssekretäre oder andere Dinge –
Ja, ich bin bei meinem letzten Satz. – wenn wir das hinbekämen, wäre für die Berliner Justiz, für Sie, Frau von der Aue, Ihre Partei und die gesamte Stadt sehr viel gewonnen. Ich würde mich darüber freuen. Wir sind bereit, dabei mitzumachen. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Behrendt! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Lederer. – Herr Dr. Lederer, bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion möchte hier gern eine schonungslose Analyse der Probleme der Berliner Justiz diskutieren.
Ich kann mich nicht daran erinnern, wann dieses Haus so intensiv Fragen des Justizvollzugs und des Umgangs mit Straffälligen diskutiert hat wie in den letzten drei Monaten.
Wenn wir über den Umgang mit strafrechtlicher Delinquenz reden, dann sprechen wir über die Verfasstheit unserer Landes. Ich behaupte: Der Umgang einer Gesellschaft mit abweichendem Verhalten sagt sehr viel über den Zustand einer Gesellschaft aus. An den Positionen der Fraktionen dieses Hauses, liebe CDU, lässt sich ebenfalls sehr viel ablesen, insbesondere über das Gesellschaftsbild ihrer Akteure und die Ernsthaftigkeit, mit der Sie diese Fragen thematisieren. Frau Seibeld hat eingangs gemeint, es sei von Frau von der Aue in den vergangenen Wochen schöngeredet und geschwiegen worden. Ganz unabhängig von der Frage, wie das funktionieren soll, ist dies schlicht Unfug, was Sie behaupten.
Über keinen einzigen Suizid ist geschwiegen worden, alles wurde berichtet. Es ist noch niemals so lange im Ausschuss über Missstände der Berliner Justiz diskutiert worden. Allerdings gibt es ein Problem: Ich habe das Gefühl, die Kollegen vergessen sofort. Sie sind von Amnesie befallen, wenn der Sitzungsraum verlassen wird. Hier wird so getan, als sei im Ausschuss über bestimmte Dinge gar nicht berichtet worden. Herr Behrendt hat gerade ein Beispiel dafür geliefert. Für alle, die sich mehr dafür interessieren, empfehle ich die Lektüre der Ausschussprotokolle – es sind in letzter Zeit auch oft Wortprotokolle.
Der Umgang mit der Medikamentenaffäre durch die Senatorin war völlig in Ordnung. Sie hat gezeigt, dass sie Missstände offenlegen und abstellen wird, selbst wenn dies zur Folge hat – das ist nicht selbstverständlich –, dass sie sich Angriffen und Demontageversuchen ausgesetzt sieht. Das finde ich gut.
Von Ihnen, zum Beispiel. Das einzige, liebe Damen und Herren von der CDU, was Sie bedauern können, ist, dass Sie aus der sogenannten Medikamentenaffäre keinen Honig saugen konnten. Sie hat nur interessiert, dass auf der einen Seite eine Sozialdemokratin und auf der anderen ein Sozialdemokrat sitzt. Sie haben versucht, an beiden zu kratzen. So richtig geklappt hat es nicht. Das ist schade – für Sie.