Protokoll der Sitzung vom 21.06.2007

Nein! – Ein Blick in das Programm reicht. Die neue Linke will keinen verfassungswidrigen Staat, die Linke will zurück in die heimeligen 70er Jahre. Sie will einfach nur zurück. Sie ist eine Alte-Herren-Etatistenversammlung. Sie will mehr öffentliche Investitionen. Sie will mehr Geld für jeden. Sie will Geld für alle. – Das ist Lafontaines Traumstaat, in dem Milch und Honig fließen.

[Beifall bei den Grünen]

Aber das ist noch nicht alles, denn Ihr neuer Parteivorsitzender legitimiert die Folter. Er diskreditiert sogenannte Fremdarbeiter, er fischt ganz heftig am rechten Rand, und er reagiert nicht aufklärerisch, sondern er verschlimmert, er potenziert die Ängste der Menschen, die es eigentlich zu mildern gilt, wenn man ernsthaft Politik betreibt.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Dr. Fritz Felgentreu (SPD)]

Nicht nur meine Parteifreunde und ich, sondern auch andere, NGOs etc., mussten lachen, als die Linke als ökologische Partei propagiert wurde. – Aber einmal seriös: Wenn man – fern von diesen ökologischen Lippenbekenntnissen – anguckt, wie viel Wachstum und wie viel Flächenverbrauch, wie viel Ressourcenverbrauch, wie viel CO2-Ausstoß Sie für Ihre Versprechen brauchen, dann können wir froh sein, dass Sie nicht regieren, denn dann wäre die Klimakatastrophe schon längst da gewesen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Das Braunkohlekraftwerk hier – 20 Prozent CO2-Ausstoß mehr – und was Sie den Leuten noch alles zumuten wollen!

[Zuruf von der Linksfraktion]

Da ist es billig, die Systemfrage zu stellen. Es ist Effekthascherei bei ein paar Leuten, die der SPD entlaufen sind.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Der Blick nach Berlin lohnt nicht nur wegen des Kohlekraftwerks, da sieht man, was für eine Mogelpackung die real existierende Linke eigentlich ist.

[Evrim Baba (Linksfraktion): Bremen!]

Herr Henkel, Herr Dr. Lindner, kein richtiger Linker kann denen noch auf den Leim gehen.

[Heiterkeit bei den Grünen]

So weit ist es gekommen. Denn hier, in unserem real existierenden Sozialstaat schafft man einfach das Sozialticket ab und führt es später 12 € teuerer wieder ein, die KitaGebühren hebt man an, die Grundsteuer auch, das sorgt gerade im Märkischen Viertel für Not, aber das ist alles egal. Für ein wirklich elitäres Stadtschloss geben Sie 40 Millionen € aus. GSG-Verkauf, Verlängerung der Ladenöffnungszeiten gegen die Beschäftigten – das hat die Haus-und-Hof-Zeitschrift gut gesagt: Rot-Rot ist Vorreiter für Deregulierung, Rot-Rot ist in Berlin nichts anders als eine linke Mogelpackung.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Herr Lindner, uns kann es egal sein, ob die unsichtbare Hand des Marktes nun liberal ist oder Rot-Rot, so wie es hier ist.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Dr. Frank Steffel (CDU) und Volker Thiel (FDP) – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Genau! Verbündet euch! Fallt euch in die Arme!]

Herr Kollege! Der Kollege Lindner bittet um eine Zwischenfrage.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Gibt es bei Ihnen eigentlich eine Doppelmitgliedschaft?]

Lieber Herr Kollege Lux! So ganz falsch liegen Sie nicht, dass zumindest vernünftige Linke denen nicht mehr auf den Leim gehen können. Aber wissen Sie denn, dass es bei den Rechtsextremen dann umgekehrt umso mehr Zulauf für die Linke gibt, wenn der Vorsitzende der NPD sagt: Lafontaine vertritt „außenpolitisch lupenreine und völlig authentische NPD-Positionen“?

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Wissen Sie, was die über die FDP sagt?]

Teilen Sie meine Auffassung, dass die Linke dann sehr wohl verstärkt im rechtsextremen Milieu fischen?

Herr Dr. Lindner! Ich freue mich, dass Sie den Aufbau meiner Rede schon so gut kennen, dass Sie einen Punkt vorwegnehmen, auf den ich gerade kommen wollte.

[Heiterkeit und Beifall bei den Grünen]

Denn Wählerbetrug und das Fischen am rechten Rand ist das eine. Da kann man gucken. Das hat sich in Berlin schon gezeigt, dass man ihnen das nicht verbieten muss, sondern es sich von selbst auszahlt. Aber vor einer Sache möchte ich im Geist von Herrn Dr. Lindner wirklich warnen.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Die Grünen im Geist der FDP! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Die Jungliberalen!]

Ich würde mich auch freuen, wenn Herr Kollege Gaebler, statt der FDP Systemwechsel vorzuwerfen, sich dieser Warnung seriös anschließen könnte. Denn es ist doch kein Zufall, dass gestern der Vizepräsident des Zentralrats der Deutschen Juden, die Angehörigen und Überlebenden des Holocausts, die Kritik gegen Sie richtet. Das sollte Sie betroffen machen. Dazu hätten Sie auch ein Wort sagen können, Herr Dr. Lederer, anstatt hier Staatsrecht Grundkurs II zu machen.

[Beifall bei den Grünen und bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Staatsrecht Grundkurs II machen Sie hier, aber Ihr neuer Parteivorsitzender sagt, Deutschland brauche eine Neutralität zwischen der Hamas und Israel.

[Zurufe von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion) und Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Dazu hätten Sie heute hier etwas sagen können. Diese Chance haben Sie mit einem staatsrechtlichen Vortrag, der in meinem liberalen Geist ganz nett war, verschleiert. Das haben Sie mit Absicht gemacht.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

All das mag Klaus Wowereits Interesse an der Bundespolitik vielleicht nicht erschüttern. Ich freue mich gleich auf seine Stellungnahme hier. Dieses Neutralitätsgebot zwischen der Hamas und Israel zeigt das Erklärungsvermögen der Linksfraktion hier. Denn die anderen sind schuld, der Bund ist schuld, Rot-Grün war schuld, die Grünen sind schuld, die CDU ist schuld, alle anderen sind schuld, und das an persönlichen Einzelschicksalen, an politischen Miseren, nur die guten Linken nicht.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Sie kehren mal besser vor Ihrer eigenen Haustür, Herr Kollege!]

Aber da ist der gute Herr Bisky erfrischend anders. Er sagt, man könne seine Geschichte nicht einfach ablegen. Ich finde, wir sollten ihn beim Wort nehmen. Denn 1 000 Mauertote und unzählige Menschenrechtsverletzungen kann man nicht einfach ausblenden, nur weil hier zum zweiten Mal das Gewand gewechselt wurde.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es heißt immer Rechtsnachfolger, aber ich bin doch nicht mein eigener Rechtsnachfolger, nur weil ich meinen Namen wechsele. Ich bin der gleiche, ich habe nur einen anderen Namen. Das muss man hier einmal deutlich feststellen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig! Sehr gut!]

Sie hätten damals ein paar Deutsche Mark aus Ihrem Vermögen für einen Täter-Opfer-Ausgleich rausholen können. Stattdessen haben Sie Ihr Vermögen systematisch zur Seite geschafft. Auch das ist Ihre Geschichte.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Quatsch! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Vermögen haben ganz andere zur Seite geschafft! Gucken Sie mal in diese Richtung, nach rechts!]

Ich erinnere mich gerne an eine Veranstaltung, die wir neulich unter dem Motto „Schön war die Zeit“ hatten. Da waren Wolf Biermann und Lothar Bisky dabei. Ich habe mich dort mit Jugendlichen meines Alters unterhalten. Sie waren Söhne von Angehörigen der Nomenklatura in der DDR. Sie meinten zu mir, sie seien die ganze Zeit gespannt im Saal gesessen, hätten auf Lothar Bisky geachtet, hätten an seinen Lippen gehangen und gehofft, dass er nur ein Mal sagt, Mensch, vielleicht haben wir damals doch einen Fehler gemacht, so wie sie es von ihren eigenen Vätern auch nie gehört haben.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Absurd! Und das bei Lothar Bisky, Sie haben keine Ahnung! – Carola Bluhm (Linksfraktion): Wie kann man so jung so ahnungslos sein!]

Sie, Herr Liebich, und Sie, Herr Dr. Lederer, Sie sind hier die Kronzeugen für irgendeine aufgeklärte Linke. Sie stellen sich vor die alten Parteibonzen, gehen auf jede Mauerveranstaltung, lassen sich dort beschimpfen, nur damit sie ihre alten Kader dort nicht vorziehen müssen. Sie betrügen sich selbst. Ich weiß nicht, wie ich mit so einem Gewissen leben könnte.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Herr Kollege! Der Abgeordnete Dr. Felgentreu bittet um eine Zwischenfrage.

Nein. – Um ein Fazit zu ziehen: Die Linke hat keine klare Identität, es ist keine ökologische Partei, sie sind keine Globalisierungskritiker, sondern surfen mit viel Getöse auf einer Welle. Sie wollen um unsere Volkswirtschaft eine neue Mauer bauen.

[Gelächter von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Sie wollen zurück in einen Versorgungsstaat, den es schon lang nicht mehr gibt. Natürlich hat das auch mit der Schwäche und Profillosigkeit der SPD zu tun. Eine ehrliche Prognose: Ich glaube, im Westteil wird ihr die Linke durchaus noch einige Prozent abjagen, im ehemaligen Osten geht dem ehemaligen Bund der Heimatvertriebenen, jetzt PDS, jetzt Linke, so langsam die Puste und die Klientel aus.