Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europaweit stammen 40 Prozent des Klimakillers CO2 aus dem städtischen Verkehr. Und was macht der Senat? – Er löst das Problem mit Straßen- und Autobahnneubau. Für mehr als 600 Millionen € wurden in der letzten Legislaturperiode Straßen und Autobahnen gebaut. Für die klimafreundliche Straßenbahn hatte der Senat gerade einmal 16 Millionen € übrig.
Wenn Sie so weitermachen, meine Damen und Herren von SPD und PDS, fahren Sie mit Volldampf in die Klimakatastrophe.
Energieverbrauch und Emissionen im Verkehrsbereich müssen sinken. Da reicht es nicht aus, auf schadstoffarme Antriebe zu setzen. Die Leute müssen auf das Auto verzichten. Das tun sie nicht durch Zwang, sondern nur freiwillig. Deshalb müssen attraktive Alternativen her.
Wir haben sieben Anträge für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr durch den Neubau von Straßenbahntrassen gestellt. Um tagesaktuell zu sein, Frau Senatorin: IQMobility pur! Da brauche Sie nicht zu überlegen, wie Sie am Marathontag die Autos staufrei durch die Stadt bekommen. Da haben Sie einen echten Beitrag zum Klimaschutz. Die Vorschläge sind nicht neu. Sie stehen sogar im Stadtentwicklungsplan Verkehr. Aber Sie bauen keine Straßenbahnen, sondern Straßen und Autobahnen. Die aktuellen Straßenbahnprojekte Alex 2 und Invalidentram waren leider nur Überhänge aus der letzten Legislaturperiode, Herr Gaebler.
Wenn Sie neue Straßenbahnlinien statt Straßen bauen, liegen Sie voll im europäischen Trend. Experten aus London und Paris haben zu unserer Straßenbahnkonferenz über die Erfolge ihrer neuen Straßenbahnlinien berichtet. Die Tram – wohlgemerkt auf eigenem Gleis und nicht auf einem wie in der Eberswalder Straße, wo die Tram an der Kreuzung 20 Minuten im Autostau steht – hat die Fahrgastzahlen in wenigen Monaten verdoppelt.
Wir haben aber auch ein eigenes Erfolgmodell, nämlich Alex 2. Sie habe es erst auf die lange Bank geschoben, aber jetzt, wo die Straßenbahnverbindung vom Mollknoten zum Alex fertig ist, hat Berlin seine eigene TramErfolgsstory. Der Lückenschluss der Straßenbahn auf dem eigenen Gleis ließ die Fahrgastzahlen so in die Höhe schnellen, dass die BVG neue Züge einsetzen musste. Davon brauchen wir viel mehr.
Es ist gut, dass Sie unserem Antrag gefolgt sind, die Straßenbahn nach Adlershof jetzt zu bauen, bevor die Planfeststellung verfällt. Da hat sich der Antrag tatsächlich gelohnt. Bis heute haben Sie zwar noch kein Geld im Haushalt, aber wir können Ihnen versprechen, dass wir Ihnen helfen. Wir haben eine Idee für die Geldbeschaffung: Verzichten Sie auf den Straßenneubau und auf die A 100 zum Teptower Park. Da liegt richtig viel Geld, mit dem man die Straßenbahn finanzieren kann.
Wir wollen aber auch, dass die Straßenbahn zum Hauptbahnhof zügig gebaut wird. Der Straßenbahnbau darf nicht an den vierspurigen Ausbau der Straße gekoppelt werden. Damit kommen Sie rechtlich nicht durch. Das ist übrigens auch die Auffassung des Chefs der Berliner Straßenbahn. Sie bekommen weder die Straßenbahn noch die Straße. Verzichten Sie auf den vierspurigen Straßenausbau, damit der Hauptbahnhof endlich eine Straßenbahnanbindung erhält!
Wozu wollen Sie die riesige Wendeschleife am Hauptbahnhof für die Invalidentram bauen und dafür Landesmittel verbrauchen? Bauen Sie die Straßenbahn einfach weiter bis zur Turmstraße! Dafür gibt es EU-Mittel. Das spart Busverkehr und schafft attraktive Verkehrsverbindungen für Tausende Menschen. Das braucht die Stadt.
Das gilt auch für die Verlängerung der Tram in die Gropiusstadt, ins Märkische Viertel, ins Allendeviertel und zum Potsdamer Platz. Es ist verrückt, dass Ihnen ein Gutachten bestätigt, dass die Straßenbahnverbindung ins Märkische Viertel die wirtschaftlichste Lösung ist und Sie ausgerechnet diese Straßenbahn nicht bauen wollen. Wir haben Gegenfinanzierungsvorschläge: Verzichten Sie auf den Straßenneubau! Neue Straßen machen den Autoverkehr attraktiver statt Alternativen zu fördern.
Allein für die A 100 sollen 312 Millionen € Bundesmittel verbaut werden. Die Verwaltungskosten betragen 15 bis 18 Prozent. D. h., Berlin gibt allein für die Planung dieser Trasse 45 Millionen € aus, für eine Autobahn, die direkt in die Umweltzone geführt wird.
Berlin braucht diese Straßen nicht. Berlin braucht klimafreundlichen Verkehr. Wenn Sie hier nicht umsteuern, sind Ihre übrigen Klimaschutzbemühungen für die Katz. Wir fordern Sie auf, unseren Anträgen zuzustimmen.
Danke schön, Frau Hämmerling! – Der Kollege Gaebler hat nun für die SPD-Fraktion das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Hämmerling! Bei den Themen Straßenbahn, Straßenbahnbetrieb, Straßenbahnausbau und ÖPNV in Berlin weiß ich manchmal nicht, warum Sie so verzweifelt bemüht sind, Differenzen zwischen der Koalition und den Grünen aufzubauen. Im Prinzip sind wir doch wohl gemeinsam dafür, dass wir einen guten ÖPNV haben.
Machen Sie jetzt weiter mit den Differenzen? Gut, Sie können es nicht ertragen, dass wir etwas machen, was Sie eigentlich auch wollen, und deshalb sagen Sie es dann hier in der Regel nicht so. Ich sage es aber deutlich: Wir wollen einen guten ÖPNV für Berlin, und wir haben einen guten ÖPNV in Berlin.
Frau Hämmerling! Es ist schwierig, wenn Sie den ÖPNV insbesondere im Bereich der Straßenbahn schlechtreden, wie Sie es bereits im Ausschuss und jetzt erneut gemacht haben. Wir haben das größte Straßenbahnnetz in Deutschland und eines der größten in Europa. In den vergangenen zehn Jahren ist es mit einem Milliardenaufwand in einen Zustand versetzt worden, dass es vernünftig, effizient und kundenfreundlich betrieben werden kann. Dafür sind Hunderte von Millionen Euro an Landesmitteln ausgegeben worden, aber Sie wischen das einfach vom Pult, indem Sie sagen: Hauptsache Neubau – egal, was mit den bestehenden Strecken passiert!
Das ist der Fehler, den schon frühere Senate gemacht haben, den Rot-Rot aber nicht macht. Wir sagen: Sanierung geht vor Ausbau, damit wir die Strecken, die wir haben, vernünftig betreiben können. Und dann gibt es einen maßvollen Ausbau. – Das werden wir auch weitermachen – unabhängig von Ihrem Geschrei.
Danke schön, Herr Präsident! – Herr Gaebler! Das ist richtig, und das streitet niemand ab: Sie haben sehr viel Geld in die Sanierung des Straßenbahnnetzes gesteckt. – Sie haben aber auch sehr viel Geld für die Sanierung des Straßennetzes – die Autostraßen – ausgegeben. Das steht dem nicht nach. Die Frage lautet nun: Wie gehen wir mit den Investitionsmitteln um? Wie ist das Verhältnis der Investitionskosten für den Straßenbau und für die Straßenbahn? Wie verhältnismäßig ist es, wenn Sie 600 Millionen € für Straßenneubau und nur 16 Millionen € für neue Straßenbahnen ausgeben?
Das ist sehr schön! – Ich danke auch sehr für die Frage, denn sie gibt mir eine Minute mehr Zeit, Ihnen dazu die Tatsachen zu erklären. Frau Hämmerling! Lesen Sie das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung herausgegebene Heft „Verkehr in Zahlen“, das auch im Internet abrufbar ist! Damit ist es möglich, weniger mit Vorurtei
len und mehr mit tatsächlichen Zahlen zu argumentieren. Sie machen in Ihrem Antrag einen Kunstgriff, denn Sie sagen: In der vergangenen Legislaturperiode wurden 600 Millionen € für Straßenneubauprojekte und nur 16,6 Millionen € für neue Straßenbahnstrecken ausgegeben. – Das ist, so gesehen, nicht falsch.
Moment! – Wenn man sich das allerdings genau ansieht, stellt man fest, dass in der vergangenen Legislaturperiode in jedem Jahr ca. 150 Millionen € für Straßenneubau, aber über 200 Millionen € für ÖPNV-Investitionen – nämlich S-Bahn, U-Bahn und Straßenbahn – ausgegeben worden sind. Dass bei Ihnen dann plötzlich die Straßenbahn nicht zum ÖPNV-Netz gehört, kann ich nicht nachvollziehen. Aber ich sehe einen deutlichen Schwerpunkt des Senats bei der Investition in den ÖPNV.
Wie gesagt: Die Zahlen können Sie sich selbst ansehen. Ich gebe Ihnen auch gern eine Kopie davon, dann können Sie sich das in Ruhe ansehen.
Liebe Frau Hämmerling! Auch dazu habe ich Ihrer nicht anwesenden Kollegin Eichstädt-Bohlig schon im Ausschuss gesagt: Man kann nicht als Grünen-Bundestagsabgeordnete im Bundestag sagen: „Entweder das Land Berlin macht jetzt etwas mit diesem Tunnel, oder es muss die Gelder zurückzahlen.“, weil man dort denkt, man könne sich damit beliebt machen, und weil dort der Bundesrechnungshof sitzt, und damit mal eben einen solchen Vertrag erzwingen, dann aber – wie das Leben so spielt –, wenn man plötzlich im Abgeordnetenhaus sitzt, sagen: „Was interessiert uns dieser blöde Vertrag mit dem Bund? Warum sollen wir diese U-Bahn weiterbauen? Kostet nur Geld, das wir woanders ausgeben wollen!“ – Das können Sie woanders machen, aber nicht hier und nicht mit uns, Frau Hämmerling! So wird es nicht laufen. Und wie gesagt: Frau Eichstädt-Bohlig entzieht sich der Debatte durch Abwesenheit. Wir werden sie aber sicherlich noch einmal im Ausschuss führen.
Gut! Das tut mir dann leid! Ich wünsche ihr gute Besserung. Wir hatten allerdings bereits im Ausschuss diese Diskussion, und dort hat sie sich in der Haushaltsdebatte dazu auch nicht geäußert.
Kommen wir zurück zu diesem Thema: Wir haben Ihre Straßenbahnanträge differenziert behandelt, weil wir der Auffassung sind: Dort, wo es möglich ist und wo wir es finanzieren können, wollen wir das Netz auch entsprechend erweitern. Das betrifft insbesondere die Anbindung des Hauptbahnhofs. Frau Hämmerling! Auch hierbei kann es allerdings nicht so sein, dass sozusagen ein Fraktionsbeschluss der Grünen einen Planfeststellungsbeschluss ersetzt, denn Sie erwarten von uns, dass wir quasi den
Planfeststellungsbeschluss im Abgeordnetenhaus festlegen – mit der Straßenbreite, mit dem Grünanteil, mit den Radwegen, mit den Schienenstrecken. Dafür gibt es Gesetze, eine Bürgerbeteiligung und bestimmte Verfahren.
Das wird in diesem Jahr noch eingeleitet, und wir werden darauf achten, dass ein vernünftiges Konzept herauskommt, das dem Radfahrer- und Fußgängerverkehr mehr Raum einräumt, als es vielleicht in ersten Planungen der Fall war. Das will ich Ihnen gern zugestehen.
Frau Hämmerling! Sie übernehmen jetzt die alte FDPForderung, wonach die Straßenbahn dort, wo sie nicht auf eigenem Gleiskörper fährt, gar nicht fahren soll – so konnte man Ihre Worte eben verstehen.