Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU)]

Wir finden es gut, dass der Senat Integration nunmehr mit Indikatoren messen will. Es bleibt zu hoffen, dass überhaupt etwas zu messen vorhanden ist. Gut finden wir auch den Vorstoß von Berlin, eine Bundesratsinitiative für ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger zu starten. Wir unterstützen das seit jeher.

[Beifall bei den Grünen]

Ich weiß, dass Integrationspolitik nicht bequem ist, weder für die einen noch für die anderen. Ich weiß auch, dass Politik allein nicht alle Probleme lösen kann, aber Politik schafft den Rahmen, in dem Integration funktionieren soll. Dafür müssen dann die Konzepte leicht verständlich sein, und die Konzepte müssen bekannt sein. Bisher ist das Konzept wenig bekannt. Es ist noch unverbindlich, weil es zu der personellen, zeitlichen und finanziellen Umsetzung nichts aussagt. Zudem ist das Konzept halbherzig, weil bisher nur sehr wenig umgesetzt wurde und der Senat auch keinerlei Anstalten macht, irgendetwas daran zu ändern. Das muss sich ändern! Aktivierende Integrationspolitik sieht anders aus.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Öney! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Abgeordnete Lehmann das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Piening! Bevor ich zu den Anträgen und dem Integrationskonzept komme, möchte ich die Koalition ernsthaft fragen, ob sie den Themen die notwendige Bedeutung beimisst, da sie hier geradezu im Schnelldurchlauf abgearbeitet werden sollen.

Das Programm „Ausbildung in Sicht“ gehört zwar zum Integrationskonzept, aber das Wahlrecht ist in meinen Augen ein so wichtiger Punkt,

[Özcan Mutlu (Grüne): Das ist doch ein Schaufensterantrag!]

dass man tiefer in die Debatte einsteigen muss und die Angelegenheit nicht nur integrationspolitisch betrachten darf.

[Beifall bei der FDP]

Integration bedeutet auch Mitbestimmung, aber ein Wahlrecht zu besitzen, bedeutet noch nicht, integriert zu sein.

[Beifall bei der FDP]

Nachdem nun die Weiterentwicklung des Integrationskonzepts aus dem Jahr 2005 vorliegt, könnte oder sollte man zumindest meinen: Was lange währt, wird gut. Dem ist leider nicht so. In diesem Konzept findet man endlich konkrete Maßnahmen zur besseren Integration, aber bis auf wenige Ausnahmen ist dies eine Auflistung bereits laufender Punkte.

Bei der Einschätzung, wie erfolgreich diese für die Aufarbeitung einer gescheiterten Integrationspolitik sind, reicht es, auf die Kriminalitäts-, Ausbildungs- und Schulstatistik hinzuweisen. Deshalb kann das Konzept insgesamt eher als Fleißarbeit bezeichnet werden. Abgesehen davon wollen Sie viele Projekte mittels Fehlbedarfsfinanzierung durchführen. Hier hätte ich gern genau geklärt, woher das Geld eigentlich kommen soll.

[Beifall bei der FDP]

Wirklich lobenswert und neu für die Integrationspolitik ist das geplante Integrationsmonitoring. Die dazu notwendigen Impulse haben wir dem Integrationsbeauftragten, Herrn Piening, zu verdanken.

Bei dem Antrag, das Programm „Ausbildung in Sicht“ fortzusetzen, bin ich gespannt, ob sich die Koalition alle Maßnahmen und Programme des Integrationskonzepts vornimmt, die 2007 auslaufen, egal, ob sie erfolgreich sind oder nicht. Wie wichtig Evaluationen sind, haben wir in den Projekten „Qualifizierung – Sprache – Integration“ oder „Berlin braucht dich“ gesehen. Beide waren nicht sonderlich erfolgreich. Deshalb lehnen wir es ab, weiter Geld für Projekte auszugeben, ohne deren Wirksamkeit zu hinterfragen.

[Beifall bei der FDP]

Außerdem sollen durch das Programm gleichermaßen Migrantinnen und Migranten gefördert werden. In meinen Augen sollen aber Menschen gefördert werden, die einen entsprechenden Bedarf haben. Dieser ist aus liberaler Sicht für jeden individuell festzustellen. Dabei spielt das Geschlecht keine Rolle.

Im letzten Schuljahr waren übrigens mehr als 60 Prozent der Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit Migrationshintergrund ohne Hauptschulabschluss männlich.

Dass diese also viel mehr solche Maßnahmen brauchen, liegt auf der Hand.

[Beifall bei der FDP]

Meine Fraktion wird es daher nicht unterstützten, dass Sie die Tatsachen weiter verdrängen. Wir wollen Sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen.

Ein wesentlicher Punkt fehlt in diesem Konzept. Vorraussetzung für jegliche Integration und Partizipation ist die vorbehaltlose Akzeptanz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Es reicht nicht, den Zuwanderern nur in den Integrationskursen unsere Verfassung nahezubringen. Viele hier geborene Jugendliche leben in zwei Welten, sind in Gedanken und Verhalten noch viel islamischer als ihre Eltern und halten an Wertvorstellungen fest, die mit unseren nicht vereinbar sind. Allein bei der Gleichstellung von Mann und Frau wissen wir, dass noch nicht genug erreicht wurde, da Frauen immer noch von Zwangsheirat und Homosexuelle von Diskriminierung betroffen sind. Deshalb fordere ich bei den geplanten Projekten eine Konzentration auf die grundlegenden Probleme, die viele weitere zur Folge hatten oder haben werden. Wir müssen die Auseinandersetzung mit unserer Verfassung fördern und gegen jede Form von Gewalt vorgehen.

[Beifall bei der FDP]

Außerdem bin ich der Meinung – das finde ich wichtig –, dass man zunächst Erfahrungen aus anderen Staaten, beispielsweise aus Dänemark oder den Niederlanden, auswerten sollte. Ich denke an das kommunale Wahlrecht.

Verschonen Sie uns mit Anträgen, die mehr Schein als Sein sind! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Lehmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – ist somit im Plenum besprochen. Die Fraktionen der SPD, der Linken und der CDU beantragen darüber hinaus zur Besprechung die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Zum Antrag von SPD und Linksfraktion zum kommunalen Wahlrecht Drucksache 16/0676 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung federführend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung sowie mitberatend an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales und an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung.

Zum Antrag der Koalitionsfraktionen zum Programm „Ausbildung in Sicht“ Drucksache 16/0799 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales. Zu diesen Überweisungswünschen höre ich ebenfalls keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe die Priorität der Fraktion der Grünen unter dem Tagesordnungspunkt 16 auf:

Lfd. Nr. 4 e:

a) Beschlussempfehlung

Klimaschutz in der Verkehrspolitik ernst nehmen I: auf Straßenneubaumaßnahmen verzichten – Straßenbahnnetz ausbauen!

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/0638 Antrag der Grünen Drs 16/0377

b) Beschlussempfehlung

Klimaschutz in der Verkehrspolitik ernst nehmen II: Straßenbahn zum Hauptbahnhof ohne Straßenausbau

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/0639 Antrag der Grünen Drs 16/0378

c) Beschlussempfehlung

Klimaschutz in der Verkehrspolitik ernst nehmen IV: Straßenbahntrasse zwischen Hauptbahnhof und Moabit planfeststellen

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/0641 Antrag der Grünen Drs 16/0380

d) Beschlussempfehlung

Klimaschutz in der Verkehrspolitik ernst nehmen V: Straßenbahntrasse zwischen Alexanderplatz über Leipziger Straße zum Potsdamer Platz planfeststellen

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/0642 Antrag der Grünen Drs 16/0381

e) Beschlussempfehlung

Klimaschutz in der Verkehrspolitik ernst nehmen VI: Verlängerung der Straßenbahntrasse bis ins Allendeviertel planfeststellen

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/0643 Antrag der Grünen Drs 16/0382

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Grünen. – Bitte schön, Frau Hämmerling!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europaweit stammen 40 Prozent des Klimakillers CO2 aus dem städtischen Verkehr. Und was macht der Senat? – Er löst das Problem mit Straßen- und Autobahnneubau. Für mehr als 600 Millionen € wurden in der letzten Legislaturperiode Straßen und Autobahnen gebaut. Für die klimafreundliche Straßenbahn hatte der Senat gerade einmal 16 Millionen € übrig.