Zweitens: Die FDP will regeln, dass die Fragestellung eines Entscheides klar und verständlich formuliert werden soll.
Was einem Verwaltungsbeamten, oder, wenn es womöglich zum Streit kommt, einem Verwaltungsrichter, als „klar und verständlich“ erscheint, kann für die abstimmungswillige Bürgerin immer noch als finsterstes Fachchinesisch daherkommen. Das ist doch richtig, Herr Behrendt, oder nicht? – Es wäre nicht auszudenken, wenn wir mit einem Verständlichkeitsgesetz alles noch viel schlimmer machten, weil die zuständige Sachbearbeiterin im Bezirksamt andere Vorstellungen von Verständlichkeit hat als die Initiatoren oder gar die entscheidungsfreudigen Massen.
Wir gehen deshalb davon aus, dass es ausreicht, wenn das Bezirksamt die Initiativen berät und die Zulässigkeit einer Frage prüft, nicht aber ihre Verständlichkeit. Der Obskurantismus der Fragestellung vom letzten Sonntag war gewollt, und er war zum Teil sogar notwendig. Denn nur die Frage „Sind Sie dafür, dass Sie dagegen sind?“, bot überhaupt die Möglichkeit, einem bereits bestehenden Beschluss der BVV einen anderslautenden Beschluss der Bürgerinnen und Bürger entgegenzusetzen. Im Übrigen hatte ich, Herr Jotzo, nicht den Eindruck, dass es rund um den Lietzensee große Probleme gegeben hätte, die Frage zu verstehen.
Wenn die FDP andere Erkenntnisse hat, wäre ich für entsprechende Hinweise ausgesprochen dankbar. Gerade aus der Sicht meiner Partei wäre dieser Bürgerentscheid wirklich sehr dumm gelaufen, wenn die 85 Prozent eigentlich für Parkuhren stimmen wollten.
Also, liebe FDP, wenn Ihre Analyse des Bürgerentscheids zu diesem Ergebnis führt, dann sagen Sie es uns. Damit könnten Sie die SPD-Fraktion vielleicht dazu bringen, dass sie nicht dafür ist, ihren Gesetzentwurf abzulehnen. – Vielen Dank!
Ich bedanke mich auch. – Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Herr Abgeordnete Gram das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich ehrlich bin, und das sind Abgeordnete ja immer, muss ich zugeben, noch vor wenigen Jahren erschien mir das Element direkter Bürgerbeteiligung wie ein zwar hehres, aber doch etwas lebensfernes Ziel. Ich hatte das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zur repräsentativen Demokratie, deren Anhänger ich übrigens unverändert bin, zumindest rechtlich an meiner Seite.
So richtig konnte ich mir nicht vorstellen, dass Bürgerbeteiligung tatsächlich Auswirkung auf Politikgestaltung haben könnte. Aber mit dem Dienstalter kommt die Erkenntnis.
Wie anders ist die Lage heute. Der erfolgreiche Bürgerentscheid in Charlottenburg-Wilmersdorf gegen eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung liegt wenige Tage zurück. Der Kollege Jotzo hat es schon gesagt: Mit einer überwältigenden Mehrheit von 87 Prozent wurde dem rot-grünen Traum der Errichtung von drei neuen Parkzonen eine Absage erteilt. Diese Entscheidung entfaltete prompt Wirkung. Der Bezirk nahm von seinen Plänen zu einer Ausweitung sofort Abstand. Das zeigt, dass Voten direkter Bürgerentscheide auch ohne eine rechtliche Verpflichtung zur Übernahme wirksam sein können.
Was wir hier auf Bezirksebene erleben, wird in nächster Zeit auch auf Landesebene geschehen. Da wird die CDU federführend sein.
Wir werden es im nächsten Jahr erleben. Die Initiative der ICAT zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof und die Initiative ProReli zur Einführung des Religionsunterrichts an den Berliner Schulen haben bereits die erste
Hürde im Antragsverfahren genommen. Man muss kein besonderer Optimist sein, um diesen Initiativen Erfolg vorauszusagen.
In Sachen direkter Bürgerbeteiligung hat ein neues Zeitalter begonnen. Mit der Bürgerbeteiligung werden wir der Politik der rot-roten Bevormundung, einer Politik ohne Rücksichtnahme auf Interessen und Gefühlslage der Bürger, einen Riegel vorschieben.
Denn nicht wir sind es, die stets der Auffassung sind, sie wüssten alles besser als die Berlinerinnen und Berliner. Wir sind es nicht, die ständig meinen, nur wir hätten erkannt, was gut und richtig für die Menschen ist.
Wir machen keine Pfadfinderpolitik nach dem Motto: Wir helfen der alten Dame über die Straße, obwohl sie es gar nicht will. Unsere Politik war jeher auf die Erweiterung der Freiheitsräume und ein eigenverantwortliches Leben der Menschen ausgerichtet. Staatliche Bevormundung und Überregulierung sind eben nicht die Sache der bürgerlichen Kräfte in dieser Stadt. Einen ersten Denkzettel hat diese Bevormundungspolitik in Wilmersdorf erhalten. Und so wird es weitergehen.
Eine breite Mehrheit der Berliner will Tempelhof offenhalten. Sie hingegen ignorieren diesen Umstand. Geradezu hinterrücks versucht Rot-Rot, dem Flughafen mit allen Mitteln das Wasser abzudrehen. Mit Hilfe der direkten Demokratie werden wir den Hahn wieder aufdrehen, dass es nur so rauscht.
Was den Religionsunterricht in den Schulen angeht, so wird es nicht anders kommen. Sie werden noch froh sein, dass es dann wieder Menschen gibt, die den Senat eines Tages in ihr Gebet einschließen.
Zum Antrag der FDP selbst: Es kann doch gar nicht streitig sein, dass es richtig ist, auf eine leicht verständliche Fragestellung zu drängen. Ich will mich hier nicht in Einzelheiten verlieren, wie das gesetzgeberisch am besten zu machen ist.
Die Aufgabe ist, einen Wohlklang herzustellen zwischen Initiatoreninteresse und Erkennbarkeit des Ziels für den Bürger. Das unterstützen wir. Stellen Sie sich vor, es gäbe folgende Fragestellungen: Stimmen Sie nicht auch für eine Nichtweiterverbreitung des Wowereit-Memoiren in den Medien? – Wie bitte? – Dann doch lieber die Frage: Geht Ihnen der Rummel um Wowereits Memoiren auch gehörig auf die Nerven? – Da gibt es ein klares Ja, und die Welt ist wieder in Ordnung.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gram! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Lederer das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag „Gesetz für mehr Verständlichkeit von Volks- und Bürgerentscheiden“ das erste Mal gelesen habe, habe ich mir die Frage gestellt: Wer hat denen denn etwas in den Kaffee getan? Die beantragte Gesetzesänderung –da hat sich die FDP richtig viel Mühe gegeben – besteht aus zwei Sätzen, die allen Ernstes lauten:
Die Fragestellung des Bürgerentscheides/Volksentscheides soll verständlich und klar formuliert sein. Ist dies nicht möglich, ist die Folge des jeweiligen Abstimmungsverhaltens im Anschluss an die Fragestellung oder im Zusammenhang mit den jeweiligen Abstimmungsoptionen kurz zu erläutern.
Meine Damen und Herren von der FDP, dazu Folgendes: Jede Initiative, die ein Bürger- oder ein Volksbegehren beantragt, wird schon im eigenen Interesse darum bemüht sein, die Abstimmungsfrage so leicht verständlich und andererseits so rechtssicher wie möglich zu machen, denn man will ja seine Initiative durchsetzen, man will nicht die Bürger verwirren.