Meine Damen und Herren von der FDP, dazu Folgendes: Jede Initiative, die ein Bürger- oder ein Volksbegehren beantragt, wird schon im eigenen Interesse darum bemüht sein, die Abstimmungsfrage so leicht verständlich und andererseits so rechtssicher wie möglich zu machen, denn man will ja seine Initiative durchsetzen, man will nicht die Bürger verwirren.
Das versteht sich von selbst. Deswegen können Sie den Vorgang völlig selbstverständlich der städtischen Selbstregulierung überlassen.
Warum also zwei zusätzliche Sätze in das Bezirksverwaltungs- und das Volksentscheidgesetz einfügen? Ist das Ihr Beitrag zur Entschlackung der Gesetze? Wer soll sich hier aufgefordert fühlen? Was ist die Konsequenz, wenn man sich nicht daran hält? Kann das Bezirkswahlamt das einklagen? Fragen über Fragen, aber Fragen, die wir uns nicht stellen müssen, weil Ihre beantragte Änderung so überflüssig ist wie ein Kropf.
Nun gestehe ich gern zu, dass es mitunter sehr sperrig ist, was auf Abstimmungszetteln formuliert wird. Sobald es aber eine öffentliche Debatte gibt, sobald das Thema eines Bürgerentscheids wichtig genug ist, wird jede Bürgerin und jeder Bürger wissen, wie sie oder er abzustimmen hat. So läuft das. Die Bürgerinnen und Bürger werden sich einmischen, und sie wissen auch wie. Ich wiederhole: Eine Initiative, ein Begehren wird sich bemüht sehen, rechtssicher und verständlich zu formulieren. Das regelt die gesellschaftliche Selbstorganisation. Dazu braucht man keine Gesetzesvorschriften.
Im Übrigen haben wir eine Evaluationsklausel. Wir werden uns sowieso in zwei, drei Jahren mit dem Zwischenstand befassen und überlegen, was man gegebenenfalls ändern kann und sollte. Da kann man dann darüber reden, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, darauf hinzuwirken, aber ich glaube, das ist völlig unnötig, das geht ganz von allein. Mein Eindruck ist, dass Sie hier lediglich die Gelegenheit nutzen wollten, sich ein bisschen selbst zu feiern.
Das von Ihnen mitgetragene Begehren war erfolgreich. Und weil Ihnen für Ihre Priorität nichts anderes eingefallen ist, haben Sie hier diesen armseligen Schaufensterantrag eingereicht.
Sie können den Satz noch fünfmal wiederholen, ich werde trotzdem nicht darauf eingehen. Ich habe verstanden, was Sie gesagt haben.
Meine Damen und Herren von der FDP! Offenbar ist Ihnen selbst aufgefallen, dass diese beiden Sätze in dem Gesetzesantrag ziemlich dünn sind. Deshalb haben Sie noch die Entschließung nachgeschoben, dass der Bewährungstest für direkte Demokratie durch den Bürgerentscheid in Charlottenburg-Wilmersdorf bestanden sei. Das ist jetzt noch größerer Kokolores.
Zum Ersten: Wir, die wir uns für eine Ausweitung direkter Demokratie eingesetzt haben, brauchten den Bewährungstest nicht zu fürchten. Wir konnten auf belastbare
Erfahrungen in den Ländern und Kommunen zurückgreifen. Es ist nichts, was wir hier neu erfunden haben, wir waren das Schlusslicht, aber jetzt sind wir auf Platz 1. Das ist der entscheidende Faktor.
Damals war der FDP allerdings noch nicht klar, ob sie dem Volk so viel Mitsprache zugestehen will, Herr Jotzo. Sie waren damals noch nicht dabei. Es war eine ziemliche Zitterpartie, und manche Ihrer Kollegen mussten direkt zur Abstimmung getragen werden. So war das leider. Deshalb freue ich mich, dass Sie die Praxis überzeugt hat. Wir waren von Anfang an der Ansicht, dass direkte Demokratie den politischen Prozess belebt. Deshalb müssen wir das hier nicht noch einmal deklamieren. Bekenntnisse müssen diejenigen abgeben, an deren Haltung Zweifel besteht. Das ist bei Ihnen in der Tat der Fall.
Zum Zweiten: Vielleicht haben Sie es verpasst, aber es gab bereits einige Bürgerentscheide in den Bezirken, die erfolgreich waren. Lieber Herr Gram! Die Sache mit der Dutschke-Straße dürfte der CDU in FriedrichshainKreuzberg nicht behagt haben. Der Bürgerentscheid zur Schulfusion in Lichtenberg hat meiner Partei im Ergebnis nicht gefallen, so ist das eben. Aber wo war da Ihr Entschließungsantrag? Die Grünen haben nun versucht, das mit ihrem Änderungsantrag zu kompensieren und darauf hingewiesen, welche Bürgerbegehren es bereits gegeben hat. Für mich bleibt Argument eins trotzdem – deshalb werden wir beide Anträge ablehnen –: Wir brauchen keine Bekenntnisse abgeben, weil in dieser Sache keinerlei Zweifel bestehen.
Okay, ein netter Versuch, sich auf diese Weise etwas öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Aber den lassen wir nicht durchgehen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Lux.
Danke, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn solch ein Bürgerentscheid am Sonntag stattfindet, kann man von allen Seiten hier im Parlament bekräftigen – auch wenn Ihre Partei nicht so viele Aktien in Westberlin hat: Wir finden das gut und richtig, dass die
Menschen an einem Sonntag abstimmen gehen. Dieses Zeichen hätte von allen Fraktion heute kommen können.
Wir Grünen gestehen uns die Niederlage ein, freimütig. Wir sind trotzdem für mehr direkte, verständlichere Demokratie, selbst dann, wenn es gegen die Parkraumbewirtschaftung oder den offenen Vollzug geht. Das Anliegen der FDP-Fraktion ist richtig, eine verständlichere, direkte Demokratie herbeizuführen.
Trotzdem sollte man berücksichtigen – darauf hat Herr Dr. Lederer bereits hingewiesen –, dass die Parkraumbewirtschaftungsgegnerinnen und -gegner ein Selbstbestimmungsrecht haben. Sie hätten zu einem versierten Charlottenburger Anwalt gehen, der zufällig auch noch FDP-Mitglied ist, und die Frage stellen können, wie man das Anliegen verständlich macht. Herr Jotzo, dessen Partei das Bürgerbegehren unterstützt hat, hätte durchaus sagen können, dass die Frage nicht zu kompliziert sein sollte, sondern klar. In etwa so: Stimmen Sie für die Aufforderung an das Bezirksamt oder nicht? – Stattdessen wollen Sie jetzt eine Vorschrift, die per Gesetz Klarheit und Verständlichkeit erzwingt. Das ist aus meiner Sicht widersprüchlich. Das kann bürokratisch und heikel werden, wenn das Amt sagen muss: Das ist uns nicht verständlich genug, liebe Bürgerinitiative. Die FDP hat uns eine Verständnisklausel aufgedrückt und deshalb müssen wir Ihnen mehr hineinreden. – Ich wünsche mir etwas mehr Klarheit in Ihrer eigenen Antragsformulierung.
Nachher! – Noch etwas zu dem, was in der Feierstunde zwischen CDU und FDP angesprochen worden ist: Volksbegehren zum Flughafen Tempelhof. Ich persönlich habe keine Angst davor, mich diesem Volksbegehren zu stellen. Ich glaube, dass wir dieses Volksbegehren in der Sache gewinnen werden.
Wir werden dieses Volksbegehren gewinnen, weil die Berliner Bevölkerung überzeugt davon ist, dass dieser Flughafen in Tempelhof endlich überflüssig geworden ist und weil Schönefeld andernfalls nicht eröffnet werden kann. Die Argumente sind hinlänglich ausgetauscht. Jetzt gehen wir doch einmal hinaus auf die Straße und probieren dieses Instrument aus – von mir aus mit klaren und verständlichen Fragen. Ich glaube, Sie werden in diesem Fall als Verlierer vom Platz gehen.
Noch zwei inhaltliche Anmerkungen zu ihrem Gesetzentwurf: Ich verstehe nicht, weshalb sich Ihre Verständlichkeitsklausel allein auf den Bürgerentscheid bezieht, also den Abstimmungszettel in der Wahlkabine, § 46 Bezirksverwaltungsgesetz. Das kann man doch bereits in der ersten Stufe sagen und fordern, dass die Unterschriftenlisten klar formuliert sein müssen. Das wäre konsequent.
Zweitens, liebe FDP, war das ein Schnellschuss. Sie hätten berücksichtigen können, dass es bei Volksentscheiden um viel weiterreichende Rechte der Bürgerinnen und Bürger geht. Demnach müsste man für das Volksabstimmungsgesetz anders formulieren als für das Bezirksverwaltungsgesetz. Das ist Ihnen entgangen. Wir Grüne werden für mehr Differenzierung sorgen, und ich freue mich auf die Debatte.
Wir sollten keinen künstlichen Konflikt zum Entschließungsantrag der FDP-Fraktion konstruieren. Eines ist klar, das merken wir als Oppositionsfraktion in jeder Plenarsitzung: Wir brauchen mehr direkte Demokratie. Die rot-rote Mehrheit, die hier ständig ihre Senatsmitglieder mit bestellten Mündlichen Anfragen abfeiert, langweilt uns alle. Deshalb wäre eine Orientierung auf die Straße für uns alle hier im Haus von Vorteil,
gerade auch für die SPD- und die PDS-Fraktion, die hier mehr die Rolle willfähriger Verwaltungsmarionetten einnehmen.
Wir sollten uns auf das konzentrieren, worauf es bei dieser Frage entscheidend ankommt: die Novellierung des gesamten Volksabstimmungsgesetzes. Wir sind auf einem guten Weg. Unser Gesetzesantrag ist das Entscheidende. Der Senat hat ein Jahr lang geschlafen, nachdem die Volksabstimmung beschlossen worden ist. Jetzt erst hat er eine von der Innenverwaltung erarbeitete Senatsvorlage eingebracht, obwohl der Landesvorsitzende der Linkspartei im letzten Dezember angekündigt hat, dass dies eines der ersten Themen sein wird, mit denen sich der Rechtsausschuss beschäftigt. Nun hat es ein Jahr gedauert, und viel Gutes steht in der Gesetzesvorlage auch nicht. Die Menschen sollen gezwungen werden, beim Unterschriftensammeln den Personalausweis vorzuzeigen, und sie sind zu feige, eine Sperrwirkung zu implementieren. Deshalb gilt es, gemeinsam zu kämpfen, auch mit den Bürgerinnen und Bürgern, damit dieses attraktive Instrument direkter Demokratie noch mehr Anhängerinnen und Anhänger gewinnt.
Zur Drucksache mit der Nummer 16/0831 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung sowie an den Hauptausschuss.
Wie bereits zu Beginn unserer Sitzung unter Geschäftliches mitgeteilt, gelten diese Überweisungen auch für die korrespondierenden Vorgänge mit den Drucksachennummern 16/0690 und 16/0787.
Über den Entschließungsantrag mit der Drucksachennummer 16/0859 lasse ich sofort abstimmen. Zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der Grünen mit der Drucksachennummer 16/0859-1. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP.
Wer ist dagegen? – Das ist die Koalition. Letzteres ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.