Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Kreativbranche und Kleinkredite für junge, kreative Unternehmen.

[Beifall bei den Grünen]

Die technische Entwicklung, die Digitalisierung, birgt das Kernproblem – ich habe es gesagt –: keine Trennung von Netzen und Programmanbietern. Sogenannte Plattformbetreiber wie die Kabelgesellschaften wollen selbst bestimmen, was in den Wohnzimmern der Menschen ankommt. In den künftigen Rundfunkstaatsverträgen muss geregelt werden, dass die Grundversorgungsangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks genauso in die digitalen Netze gelangen wie lokale und regionale Anbieter und nicht mit einem zu hohen Kostenzugang belastet werden dürfen. Noch immer warten wir auf einen entsprechenden Staatsvertrag, der den digitalen Wildwuchs in eine diskriminierungsfreie Zugangsordnung überführt. Aber bisher gibt es keine Initiative aus Berlin. Es wäre gut, wenn sich der Regierende Bürgermeister initiativ um diese Sache kümmerte.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Frau Ströver! Darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit zu Ende ist?

Das Ganze bündelt sich für uns in einer zentralen Forderung: Die Medienaufsicht der Länder ist zu zersplittert. Damit wir uns auch gegenüber der Europäischen Union behaupten können, brauchen wir dringend eine gemeinsame Medienanstalt der Länder. Nur so kann man sich dem Zugriff der Konzerne und der Internationalisierung in diesem Bereich entgegenstellen. Wir brauchen Transparenz beim Zugang der Frequenzen, und wir brauchen insgesamt eine bessere Kontrolle. Diese ist nur durch eine Medienanstalt der Länder zu realisieren und nicht durch zwölf verschiedene Medienanstalten in diesem Land. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Ströver! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Herr Dr. Lindner, das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Die Anfrage, über die wir heute zu sprechen haben, zeigt ziemlich eindrucksvoll, worin der Unterschied zwischen einer Großen Anfrage und einer langen Anfrage liegt. Eine Große Anfrage der Regierungsfraktion wäre es gewesen, wenn Sie sich auf zwei, drei wesentliche Punkte kon

zentriert hätten, über die wir hätten vertieft sprechen können. Es ist eine lange Anfrage geworden, mit 16 Einzelpunkten. Es ist ganz unmöglich, diese Anfrage in zehn Minuten abzuhandeln. Deswegen konzentriere ich mich und gebe auf diese Anfrage wenigstens eine große Antwort der FDP-Fraktion.

Zunächst gebe ich eine Antwort auf die aktuellste und spannendste Frage, das ist die Folge des Gebührenurteils des Bundesverfassungsgerichts und die Einstellung des EU-Beihilfeverfahrens. Ich bedauere alle beide. Ich bedauere erst einmal die Einstellung des EU-Beihilfeverfahrens. Es hätte uns geholfen, noch einmal über die Frage zu diskutieren, ob wir überhaupt öffentlichen Rundfunk brauchen. Es ist eine Frage – da lachen Sie, Frau Ströver! Sie haben sich, genau wie Herr Zimmermann, als Apologetin des Staatsrundfunks geoutet –, die sich zu betrachten lohnt.

Historisch hat sich das Verlagswesen entgegengesetzt entwickelt. Da gab es seit dem Druck der GutenbergBibel zunächst nur private Verlage. Und kein Mensch – nicht einmal Sie – käme auf die Idee, eine Art öffentliche Zeitung zu fordern.

Beim Rundfunk hat es sich historisch anders entwickelt. Wir wissen alle noch, als wir selber angefangen hatten, fernzusehen, gab es drei öffentliche Programme, und wer näher an der Grenze wohnte, konnte dann vielleicht auch noch einen ausländischen Sender empfangen. Das war nur öffentlicher Rundfunk, und der private kam erst sehr viel später. Heute haben wir eine sehr plurale, breite Medienlandschaft allein durch die privaten Sender in Deutschland, die relativ alles abdecken, wo es Bedarf an Rundfunk gibt.

Deswegen lohnt sich die Debatte, vor allem, wenn wir uns anschauen, wie sich der öffentliche Rundfunk in Deutschland in den letzten Jahren entwickelt hat. Er ist von einer Grundversorgung der Bevölkerung mit den Dingen, die kulturell und politisch wichtig sind, Wissenschaftsbeiträge, ein breites Spektrum an Sportberichterstattungen, weggekommen, hat sich dahin gewendet, den aufgekommenen Privaten vor allen Dingen da Konkurrenz zu machen, wo es um Quote geht: Wiederholungen von Krimis, Musikantenstadl und Ähnliches. Und das, für das wir eigentlich Gebühren bezahlen – ich hoffe, alle, die hier sitzen, bezahlen auch Gebühren –, wird in Spartenkanäle abgedrängt. Das kommt weg in Spartenkanäle, und da ist dann das Interessante, und im Hauptprogramm unterscheidet sich ARD und ZDF von RTL und SAT.1 nur noch geringfügig. Das ist doch die ganze Wahrheit.

[Beifall bei der FDP]

Vor diesem Hintergrund müssen wir diskutieren, wie wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu werten haben. Sie, Herr Zimmermann, Frau Ströver und Frau Hiller, nehmen das als Einladung zum Abkassieren der Bürger. Jetzt sind die Schranken gefallen. Jetzt soll es nur noch eine Anmeldung des Bedarfes bei der KEF geben, dann kommt dieses Pseudo-Verfahren, dann werden re

gelmäßig drei Prozent bis vier Prozent einfach heruntergenommen, und dann müssen die Ministerpräsidenten, vor allen Dingen die Landtage – und einem solchen gehören wir an – das akzeptieren, was die KEF uns vorgeschrieben hat.

Abenteuerlich finde ich Ihren Vorschlag, Herr Kollege Zimmermann, das an einen Index zu knüpfen. Das ist eine Einladung zur weiteren Inflation. Indizes sind mit äußerster Vorsicht zu genießen, und wenn Sie eine solche breitenwirksame Gebühr an einen Lebenshaltungsindex knüpfen, dann ist das inflationsbeschleunigend. Das werden Ihnen vielleicht die wenigen Volkswirte, die Sie in Ihrer Fraktion haben, näher erläutern können.

[Beifall bei der FDP]

Frau Ströver! Übrigens war der Handy-Vergleich abenteuerlich, aber er zeigt das verquere Denken der Freunde und Apologeten des Staatsrundfunks. Der Unterschied zur Handy-Gebühr, Frau Kollegin, ist doch: Jeder von uns kann sich aussuchen, ob er ein Handy benutzt oder nicht oder ob er eine Prepaid-Karte wählt oder nicht, aber niemand von uns kann sich aussuchen, ob er die Zwangsabgabe Rundfunkgebühr zu bezahlen hat oder nicht. Sie wird wie eine Steuer abkassiert, und das ist das Fragwürdige an dem System. Das ist eine Zwangsabgabe, und die Schranken zur Festsetzung dieser Zwangsabgabe sollen nach Ihren Vorstellungen völlig fallen.

[Beifall bei der FDP]

Ich sagte gerade, als wir alle anfingen fernzusehen – bei dem einen oder anderen Jüngeren war es vielleicht schon ein etwas breiteres Angebot –´, gab es noch eine unwiderlegliche Vermutung, dass derjenige, der sich ein Rundfunkgerät kaufte, also ein Radio oder einen Fernseher, auch ausschließlich öffentlichen Rundfunk konsumierte. Man konnte nicht davon ausgehen, dass das einer dazu nimmt, um seinen Zierfisch darauf zu stellen und es nicht anschaltet. Aber heute sieht es anders aus. Bei dem Spektrum an privaten Angeboten ist es schon äußerst fragwürdig, ob es gerade bei jüngeren Bürgern einen angemessenen Gebrauch, der die 17 € rechtfertigt, gibt.

Verrückt wird die Geschichte, wenn das jetzt auch noch an PCs geknüpft wird. Frau Hiller! Sie haben gesagt: Man müsste es sich überlegen, ob man die Zwangsabgabe auch an Handybenutzung knüpft. Dann habe ich zugerufen: Ja, unbedingt! – Das war nicht ganz ernst gemeint. Ich weiß, bei Ihnen in der Fraktion muss man, wenn Ironie im Spiel ist, so wie bei der Honecker-Ehrengrab-Geschichte, eine Fraktionsabstimmung zuzuführen, ich hoffe, das erspart mir meine Fraktion und uns allen, dass wir dann eine ironiefreie Pressemitteilung machen, dass die FDP-Fraktion natürlich nicht für eine Zwangsabgabe bei der HandyBenutzung für den öffentlichen Rundfunk ist. Das war eine ganz lustige Geschichte, aber ernsthaft ist es doch ein riesiges Problem, beispielsweise einem Handwerksbetrieb, einer Schreinerei oder Schlosserei, die einen Computer hat und nichts anderes damit macht, als den E-MailVerkehr der Geschäftsleitung abzuwickeln, eine solche

Rundfunkgebühr abzukassieren. Das lehnen wir ab. Das ist maßloses Abkassieren der Bürger.

[Beifall bei der FDP]

Wir fordern, dass der öffentlich Rundfunk sich diszipliniert, einen Grundversorgungsauftrag wahrnimmt, das wäre einmal eine Aufgabe, hier zu diskutieren, was Grundversorgung der Bevölkerung ist, was das rechtfertigt. Sie müssen sich disziplinieren, was Auslandskorrespondenten und Ähnliches angeht. Es kann nicht sein, dass vier, fünf Landesrundfunkanstalten jeweils in Madras einen separaten Berichterstatter haben. Sie müssen sich in ihren Kostenstrukturen disziplinieren, verschlanken und vor allen Dingen auf das konzentrieren, für was sie gut ist, kulturell und politisch wertvolle Beiträge, spannende Auftragsproduktionen. Das muss nicht langweilig und exotisch sein, aber es muss Grundversorgung der Bevölkerung sein und nicht bloßer Konkurrenzkampf gegenüber den Privaten,

[Beifall von Christoph Meyer (FDP)]

und zwar mit unfairen Mitteln. Die einen kassieren 7,3 Milliarden € pro Jahr an Gebühren und zusätzlich noch Werbeeinnahmen, und die anderen sind nur auf Werbeeinnahmen angewiesen. Das ist kein fairer Wettbewerb, sondern eine Wettbewerbsverzerrung.

[Beifall bei der FDP]

Wir müssen in diesem Zuge der Gebührenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine Neuordnung diskutieren, und da ist es Ziel und Zweck, eine Haushalts- oder Personenabgabe einzuführen. Herr Wowereit! Das wäre doch einmal eine Gelegenheit gewesen, hier einen klaren Standpunkt zu äußern. Da haben Sie gesagt: Na ja, da gibt es verschiedene Modelle, da gibt es Personenabgabe, Haushaltsabgabe. Da prüfen wir, da schauen wir einmal, da gibt es Vor- und Nachteile. – Da hätten wir gerne bei diesem ganzen „Blattvorgelese“, das Sie hier zum Besten gegeben haben, Ihren Standpunkt, losgelöst vom Blättchen Papier, das Ihnen ein Referent aufgeschrieben hat, gehört. Wir empfehlen eine Haushalts- oder Personenabgabe. Da kann man das auf breitere Füße stellen und von diesem antiquierten System des gerätebezogenen Gebührensystems wegkommen.

[Beifall bei der FDP]

Die Zeit läuft davon. – Eine Form der Medienaufsicht ist in jedem Fall zu empfehlen. Ich denke, es muss zu einer Zentralisierung kommen. Im Hinblick auf den Verbreitungsweg der modernen Medien ist es verrückt, dass wir das nach wie vor auf Länderebene gestalten wollen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bemerkung zum Medienstandort machen. Ich teile die Einschätzung der Kollegin Ströver, dass wir hier nach wie vor eine Zerstückelung der Förderung haben. Wir brauchen mehr Übersicht und Struktur. Ich möchte aber an dieser Stelle auch meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, ganz unabhängig davon, welcher Partei oder Fraktion man angehört, dass sich der Medienstandort in Berlin positiv entwickelt. Es ist erfreulich, dass auch internationale Produktionen in

Berlin immer mehr Eingang finden. Das ist auch für das Image der Stadt sehr begrüßenswert. Das muss auch aus der Opposition ganz klar festgestellt werden.

[Beifall bei der FDP]

Ich finde im Zusammenhang mit dem Streifen „Walküre“, bei dem Tom Cruise mitspielt, die Diskussion über seine Sektenzugehörigkeit abenteuerlich. Die FDP hat auf Bezirk- und Landesebene klar gemacht, was sie von Scientology Church hält, aber es kann doch nicht ernsthaft dazu führen, dass ein international renommierter Schauspieler, ganz egal, es kann auch ein Provinzschauspieler aus Posemuckel sein, deswegen Nachteile zu gewärtigen hat oder gar Drehverbote an bestimmten Orten in Berlin bekommt, weil er dieser Sekte angehört. Da habe ich ein anderes Verständnis von Kunstfreiheit. Dieser Film ist für Deutschland eine exzellente Werbung, wie wir sie im Moment noch gar nicht einschätzen können. Der deutsche Widerstand, der bisher international allenfalls ein paar Historikern bekannt war, wird über diesen Film und diesen Schauspieler international bekannt gemacht. Dieser Film nutzt dem Land Berlin, und deswegen ist es vernünftig, dass doch noch die Genehmigung für den Bendlerblock erteilt wurde. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Lindner! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen worden.

Die

lfd. Nr. 12:

Große Anfrage

Analphabetismus in Berlin

Große Anfrage der CDU Drs 16/0833

ist für heute vertagt.

Die lfd. Nr. 13 steht auf der Konsensliste.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 14:

Beschlussempfehlungen

Deutsch-polnische Beziehungen voranbringen: Einrichtung eines Verbindungsbüros in Warschau

Beschlussempfehlungen EuroBundMedienBerlBra und Haupt Drs 16/0807 Antrag der FDP Drs 16/0505

Bitte geben Sie die Redebeiträge hierzu zu Protokoll.