Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Herr Senator Dr. Sarrazin!

Ich war immer ein engagierter Gegner der Planung von Kollhoff, der alles das beseitigen und dort irgendwelche Hochhäuser hinsetzen würde, sodass das aussieht wie in New York. Ich fand, dass man diesen Platz vernünftig weiterentwickeln muss, und als Vorsitzender der TLG, der ich einige Jahre danach war, wo meinem Unternehmen der halbe Alexanderplatz gehörte, hatte ich mich konkret dem Bebauungsplan verweigert, und für diesen Teil des Alexanderplatzes wurde eine Ausnahmeregelung erlassen, insofern habe ich sozialistisches Erbe verteidigt.

[Heiterkeit und Beifall – Dr. Martin Lindner (FDP): Auf Arme, Ossis und Mehdorn, das ist sein Tag heute!]

Danke schön, Herr Senator!

Nun gibt es noch eine Frage des Kollegen Mutlu! – Herr Mutlu, Sie haben das Wort!

Ich frage den Bildungssenator, Herrn Prof. Dr. Zöllner: Wie will der Senat die sehr große Nachfrage nach Mütterkursen in den Schulen und nicht nur in den Innenstadtbezirken begegnen, und wann will der Senat endlich das Versprechen einlösen, Mütterkurse auch in Kitas einzurichten?

Herr Senator Prof. Zöllner – bitte!

Wir werden uns bemühen, im Rahmen der durch den Haushalt gegebenen Möglichkeiten dieses so schnell und konsequent wie möglich durchzusetzen.

Eine Nachfrage des Kollegen Mutlu! – Bitte schön!

Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Senator, dass Sie planen, im Nachgang zum Haushaltsplan 2008/2009 für diesen Bereich zusätzliche Mittel bereitzustellen, damit die Mütterkurse auch in den Außenbezirken und den Kitas eingerichtet werden können?

Herr Senator Prof. Zöllner!

Sie können mich gar nicht richtig verstanden haben, weil ich nicht gesagt habe, dass ich beabsichtige, im Nachtrag zu dem Haushalt noch irgendetwas zu machen.

Danke schön, Herr Senator! – Damit hat die Spontane Fragestunde ihren Abschluss gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Aufs falsche Gleis gesetzt? Risiken und Nebenwirkungen einer Teilprivatisierung der Deutschen Bahn

Antrag der SPD und der Linksfraktion

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. Das Wort für die Fraktion der SPD hat deren Vorsitzende, Herr Kollege Müller. – Bitte schön, Herr Müller!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Monaten wird – quer durch die Republik – eine aufgeregte Debatte um die mögliche Privatisierung der Deutschen Bahn geführt.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Vor allem innerhalb der SPD!]

Der Kollege Gaebler hat vorhin in seiner Begründung zur Aktuellen Stunde deutlich gemacht, dass das auch eine wichtige Debatte für Berlin und Brandenburg ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Hier geht es darum, wie es mit diesem großen und wichtigen Arbeitgeber weitergeht, wie es mit dem hervorragenden Angebot der Bahn und der S-Bahn in Berlin und Brandenburg weitergeht. Ich sage gleich vorneweg: Nach allem, was ich bislang von den Überlegungen zur Privatisierung oder Teilprivatisierung der Deutschen Bahn kenne – diese Privatisierung darf so nicht kommen!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich empfinde es als ärgerlich, dass in einigen Kreisen nur noch darüber diskutiert wird, wie man eine Privatisierung durchführt,

[Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig!]

nicht mehr, ob man sie überhaupt macht und ob sie sinnvoll und nötig für den Konzern ist. Gerade dieses „ob“ ist es, worum es in der Debatte gehen muss.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir haben in diesem wichtigen Bereich nun einmal einen grundgesetzlichen Auftrag. In dem Bereich der Daseinsvorsorge – und nichts anderes ist es – haben wir den Auftrag, die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sicherzustellen, nicht nur in den Ballungszentren, nicht nur in den Städten, sondern auch in den dünn besiedelten Regionen. Das ist die Aufgabe der Deutschen Bahn und zwar hier am Standort. Es ist nicht ihr gesetzlicher Auftrag, Global Player zu sein und international zu agieren, sondern die Daseinsvorsorge muss hier sichergestellt werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich behaupte, dass dieser Auftrag mit Privaten nicht umzusetzen ist. Private wollen Rendite erzielen – völlig legitim, völlig in Ordnung, 5 Prozent, 10 Prozent Verzinsung für das eingesetzte Kapital. Private wollen zudem über ihr Eigentum, auch über ihr Teileigentum, bestimmen und mitentscheiden. Wir haben international Erfahrungen gemacht, wie es endet, wenn Private sich in diesem Bereich beteiligen – in Großbritannien, in den USA, in Neuseeland. Jedes Mal ist es in einem Desaster geendet, und der Staat musste Aufgaben und Verantwortung zurückholen, weil es mit den Privaten nicht ging.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Lindner?

Nein! – Es ist ganz klar, und das haben die internationalen Erfahrungen gezeigt: Private sind in aller Regel nicht bereit, ihre Rendite zu erzielen über die Ausweitung von

Geschäftsfeldern oder indem sie neue Kunden gewinnen, sondern sie erzielen ihre Rendite über höhere Preise, über den Abbau von Arbeitsplätzen und über weniger Angebot dort, wo es ihnen nicht lukrativ erscheint. Diesen Weg sollten wir nicht mitgehen, da muss es ein eindeutiges Stoppschild geben!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir haben auch in Berlin Erfahrungen mit Privatisierung gemacht. Es ist inzwischen völlig unstrittig – nicht alles muss man selbst machen, nicht alles muss der Staat machen, und er kann schon gar nicht alles besser, auch das ist völlig klar. In der Koalitionsvereinbarung haben wir festgehalten, dass Privatisierungen selbstverständlich möglich sind. In den Bereichen der Daseinsvorsorge sehen wir aber ganz klar Grenzen. Insofern sage ich in Richtung CDU: Es ist ja wunderbar, dass es dort eine Haltung zur Privatisierung gibt: Landowsky, Steffel, Zimmer, Pflüger – jeder hat eine andere Position.

[Beifall bei der SPD]

Jetzt gibt es bereits wieder eine neue Position: Anders als im Wahlkampf sagt die CDU, man könne auch Vivantes, den Gesundheitskonzern, privatisieren. Auch das ist für uns, genau wie bei der Bahn, Daseinsvorsorge, dies werden wir nicht anrühren!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Wie beim Wasser, ja?]

Es gibt auch positive und nötige Erfahrungen, Bereiche, in denen es dringend nötig war, zu privatisieren – bei der Porzellanmanufaktur, bei der Bank. Es gibt aber auch kritische Erfahrungen, Herr Dr. Lindner, Sie haben völlig recht. Beim Thema Wasser gibt es so eine kritische Erfahrung. Aus der damaligen Situation heraus ist es nachvollziehbar, dass diese Entscheidung so gefallen ist. Heute aber wissen wir, dass bereits die Konstruktion sehr schwierig ist, privatisieren – ganz oder gar nicht! Diese Teilprivatisierung ist bereits sehr schwierig und könnte auch beim Thema Bahn Anlass zum Nachdenken geben. Besonders schwierig ist aber, dass es hier eine Teilprivatisierung in einem Bereich der Daseinsvorsorge gegeben hat, in dem gar kein Wettbewerb stattfinden kann, in dem es ein Monopol gibt.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das ist doch bei der Bahn anders!]

Nein, eben nicht! – Durch das System gibt es quasi auch bei der Bahn ein Monopol, das kann man nicht wegdiskutieren. Es gibt einen kleinen Wettbewerb, aber wenn Private sich erst einmal in dieses System eingeklinkt haben, werden die kein großes Interesse mehr an Wettbewerb haben, sondern sie werden Interesse daran haben, dieses System abzuschotten und als Anteilseigner selbst die Rendite einzufahren und keinen Wettbewerb zuzulassen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Ich glaube zudem, dass die derzeitigen Überlegungen schlichtweg ein schlechtes Geschäft darstellen. Je nach Berechnungen gibt es – so heißt es – bei der Bahn ein

Vermögen von 120 bis 180 Milliarden €. Manche sprechen von Volksvermögen – ich finde, nicht ganz zu unrecht. Es ist ein Vermögen, das in Jahrzehnten aus Steuergeldern aufgebaut wurde. 120 bis 180 Milliarden €! Aus dieser Teilprivatisierung möchte man rund 7 Milliarden € erlösen. Darüber hinaus bleibt der Bund in einer schon heute bestehenden Verpflichtung und will in den nächsten 15 Jahren rund 2,5 Milliarden € pro Jahr für den Erhalt des Netzes zur Verfügung stellen, also knapp 40 Milliarden €. Wenn wir nach 15 Jahren den Weg wieder rückgängig machen wollen – ich glaube, es ist eine rein theoretische Diskussion, aber nehmen wir mal an, er würde tatsächlich rückgängig gemacht –, müsste man noch einmal rund 7,5 Milliarden € für den Rückkauf auf den Tisch legen. Die Zahlen machen deutlich, dass diese mögliche Privatisierung auch finanzpolitisch ein Irrweg und abzulehnen ist.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Wir sollten uns für die Debatte noch einmal Zeit nehmen und nichts überstürzen. Möglicherweise kann die Bahn auch Kapital, das sie für ihre Aktivitäten braucht, über die Abgabe von Beteiligungen im Logistikbereich, im internationalen Bereich erzielen. Wir sollten auch das Modell der so genannten Volksaktie prüfen, und damit kann aus meiner Sicht nur die stimmrechtslose Vorzugsaktie und nicht die Namensaktie gemeint sein.

[Dr. Martin Lindner (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Sie brauchen sich nicht zu melden, Herr Dr. Lindner, Sie kommen doch gleich dran!