Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der fünf Artikel miteinander zu verbinden und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis V Drucksache 16/0786. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.
Der Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfiehlt mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP die Annahme der Vorlage zur Beschlussfassung Drucksache 16/0786. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Das sind die anderen drei Fraktionen. Damit ist dem Antrag stattgegeben und das Sechsundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes angenommen.
Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung stehen den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linksfraktion. Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Dr. Lederer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen verfolgt das Ziel, die nach wie vor bestehende Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Beamtenversorgungsrecht aufzuheben. Beschließen wir das vorliegende Gesetz – ich hoffe, dass es uns noch vor der Sommerpause gelingt –, dann kommen auch Lebenspartner von Beamten und Beamtinnen in den Genuss der versorgungsrechtlichen Ansprüche, die für die Ehe bereits seit Jahren bestehen.
Es ist vonseiten des Senats – darauf will ich hier noch einmal verweisen – in das Beratungsverfahren unseres Hauses bereits ein weiterer Antrag eingebracht worden, der diese Gleichstellung auch für das Beamtenbesoldungsgesetz vorsieht. Das ist gut. Auch hier sollten wir nicht zögern und das Gesetzgebungsverfahren möglichst zügig abschließen.
Mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft auf Bundesebene ist keine vollständige Gleichstellung gegenüber der Ehe erfolgt. Wir wissen beispielsweise, dass es nach wie vor unterschiedliche Regelungen in Bezug auf das Adoptionsrecht gibt. Auch im Hinblick auf die Besoldung und die Hinterbliebenenversorgung ist der Bundesgesetzgeber seinerzeit nicht tätig geworden. Wenn es schon ein solches Rechtsinstitut gibt, ist die völlige Gleichstellung mit den Rechten und Pflichten aus der Ehe das oberste Gebot.
Nicht in allen Bereichen sind wir Berliner Parlamentarier in der Lage, diese Ungleichbehandlung zu beenden. Im Beamtenversorgungs- und -besoldungsrecht geht es. Mit dem 1. September 2006 ist durch die Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für diese Rechtsmaterie auf das Land Berlin übergegangen. Es ist an der Zeit, dass wir sie nutzen, wie sie im vergangenen Sommer das Land Hamburg genutzt hat. Ich freue mich, dass zwischen den Koalitionsfraktionen darüber Einigkeit erzielt werden konnte, jetzt schnell nachzuziehen.
Eines müssen wir allerdings im vorliegenden Gesetzgebungsverfahren noch nachbessern. Ich halte es für europarechtlich und politisch geboten, dass die Versorgungsansprüche von den Betroffenen auch rückwirkend geltend gemacht werden können. Wir müssen sicher sein, dass unsere Gesetze dem gerecht werden. Bei dem Antrag zur Änderung des Landesbesoldungsrechts ist das der Fall. Auch dessen müssen wir aber ganz sicher gehen. Bei beiden diskutierten Fragen handelt es sich nämlich nicht um ein großzügiges Entgegenkommen, sondern um die Been
digung einer Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung, zu der die Bundesrepublik Deutschland schon seit dem Ende der Umsetzungsfrist zur Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 verpflichtet war. Darauf hat EU-Kommissar Špidla die Bundesregierung mit Schreiben vom 31. Januar 2008 hingewiesen. Špidla hat ein Vertragsverletzungsverfahren in Aussicht gestellt, weil die Bundesrepublik ihrer Umsetzungspflicht bisher nur ungenügend nachgekommen ist. Dieser Zustand hat aber europarechtlich zur Folge, dass diese Richtlinie mit Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbare Wirkung entfaltet hat und auf ihrer Grundlage direkt Ansprüche geltend gemacht werden können. Wir sollten als weltoffene und tolerante Stadt und im Wissen um den Diskriminierungscharakter bisherigen gesetzgeberischen Unterlassens den Betroffenen langwierige Klageverfahren ersparen, die zwingend Erfolg haben würden. Es gibt hier einfach kein Vertun mehr.
Hierfür haben wir aus meiner Sicht auch die Gesetzgebungskompetenz, selbst wenn die rückwirkende Geltendmachung für einen gewissen Zeitraum eingeräumt wird, der vor der Föderalismusreform liegt. Gesetzgeberisches Unterlassen kann der Bund nämlich nicht mehr selbst heilen. Er hat dafür keine Gesetzgebungskompetenz mehr, das ist sicher. So können nur noch wir durch eine entsprechende Klarstellung im Gesetz in Ordnung bringen, was anderenorts versäumt wurde.
Ich weiß, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 5. Februar eine Klage gegen die Berliner Ärzteversorgung abgelehnt hat, die auf das analoge Ansinnen gerichtet war. Wir müssen aber festhalten, dass mit dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Maruko vom 1. April 2008 eindeutig geklärt ist, dass Ansprüche auf Versorgung wie selbstverständlich auch Ansprüche auf Besoldung durch die genannte Richtlinie zwingend gegeben sind. Diese Ansprüche bestehen laut EuGH rückwirkend. Das gilt für die unmittelbare und mittelbare Staatsverwaltung genauso wie für berufsständische Versorgungswerke. Das Bundesarbeitsgericht hat inzwischen darauf hingewiesen, dass diese Anforderung auch für private Betriebsrentensysteme gilt. Es tut sich einiges. Wir sollten dabei ganz aktiv sein!
Das Land muss bei der umfassenden Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit einer ganz klaren Haltung vorangehen und das auch in den genannten Gesetzen klarstellen. Es handelt sich um Ansprüche, die ihre Ursache im Arbeitsverhältnis haben und damit dem Gebot der Nichtdiskriminierung beim Arbeitsentgelt unterfallen. Und was die bislang noch immer unbefriedigende Lage bei einzelnen Versorgungswerken, etwa der Ärzte, anbetrifft: Wir müssen mit dem Maruko-Urteil im Rücken alles unternehmen, damit hier endlich rechtlich haltbare Zustände geschaffen werden, die dem Verbot der Diskriminierung im Hinblick auf das Arbeitsentgelt entsprechen.
Ich komme jetzt zum Ende, Herr Präsident! – Ich halte es für skandalös, wenn die Berliner Ärzteversorgung das Bemühen der Bundesministerin Schmidt, hier für diskriminierungsfreie Zustände zu sorgen, als skandalöse Einmischung in die Ärzteselbstverwaltung bezeichnet. Was hier unternommen wurde, ist eine Selbstverständlichkeit. Die Stellungnahme der Ärzteversorgung deutet darauf hin, dass man dort noch immer nicht verstanden hat, welche Anforderungen sich aus der Unterbindung von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ergeben. Für die Ärztinnen und Ärzte in Berlin ist das eine Schande. Die Koalition wird alle Möglichkeiten nutzen, um auf die Einhaltung des viel zu lange unbeachteten geltenden Rechts hinzuwirken. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Beamtenversorgungsgesetz scheint notwendig zu sein, um im Versorgungsrecht die eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichzustellen. Allerdings ist es erstaunlich: Um die Gewerkschaften, die Berufsverbände und einen Vertreter des Hauptpersonalrates nicht gemäß § 60 Landesbeamtengesetz zu beteiligen, haben die SPD und die Linksfraktion diesen Antrag in das Parlament eingebracht.
Welch ein Demokratieverständnis der beiden Fraktionen, die doch immer behaupten, dass sie auf der Seite der abhängig Beschäftigten bzw. der Werktätigen stehen!
Ich nehme jedoch an, dass die Beteiligung der Gewerkschaften und Personalräte im Innenausschuss nachgeholt wird.
Aus der Sicht der CDU-Fraktion ist dieser Antrag ein Schnellschuss. Es ist eigenartig: Jede Personalentwicklung, wie etwa bei Lehrern, Feuerwehr oder Polizei, wird vor dem Hintergrund von 61 Milliarden € Schulden unter den Finanzierungsvorbehalt gestellt. – Frau Seelig sagte es vorhin zum Thema „Schließung der Polizeiabschnitte“. – Bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst wird behauptet, für Tariferhöhungen und Einmalzahlungen gebe es im Haushalt keinen finanziellen Spielraum.
Nein! – Aber im vorliegenden Antrag ist über die finanziellen Auswirkungen nicht ein einziges Wort zu finden.
In der Begründung wird mit keinem Satz auf die Größe des Kreises der Anspruchsberechtigten eingegangen. Es gibt keinen Satz über die Entwicklung der Versorgungsausgaben, wenn der Kreis der Bezugsberechtigten erweitert wird. Wie viele Millionen € müssen zusätzlich in den Haushalt eingestellt werden? Es gibt keine Prognose über die Entwicklung der zukünftigen Versorgungsempfänger oder über die Entwicklung von Versorgungsausgaben. Der Bericht zur Entwicklung der Versorgungsausgaben, rote Nr. 0985, kann mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in den Mülleimer wandern; er muss neu geschrieben werden.
Abschließend sei noch einmal bemerkt, dass der Bund und 13 weitere Bundesländer, unter anderem die Geberländer Bayern und Baden-Württemberg, im Besoldungs- und Versorgungsrecht keine Regelung zu den Lebenspartnerschaften getroffen haben.
Aber das arme Land Berlin – arm, aber sexy – hat genügend Geld, um die zusätzlichen Versorgungslasten zu schultern. Eine merkwürdige Konsolidierungspolitik – sparen, bis es quietscht, aber den Kreis der Versorgungsempfänger vergrößern! – Schönen Dank!
[Beifall bei der CDU – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ist ja erschütternd! Von Menschenrechten reden und dann so was!]
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Kollege Trapp! Beim ersten Teil Ihrer Rede dachte ich noch, wir könnten dieses Gesetz in den Ausschüssen einvernehmlich beraten. Ich hoffe es immer noch, denn die Beseitigung von Diskriminierung sollte ein gemeinsames Anliegen aller Fraktionen in diesem Haus sein.
Ich gestehe, dass ich etwas verwundert bin, dass Sie die Beseitigung von Diskriminierung unter Finanzierungsvorbehalt stellen wollen und dass Sie offensichtlich die Ansicht vertreten, dass dieses Parlament keine Gesetze mehr selbst einbringen darf, sondern nur auf Senatsvorlage angewiesen ist. Das ist ein Demokratieverständnis – darüber müssen wir noch einmal länger reden. So verstehe ich Demokratie jedenfalls nicht.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Uwe Goetze (CDU): Sie haben nicht zugehört!]
Seitdem es das Lebenspartnerschaftsgesetz gibt, war es meiner Partei wichtig, die bestehenden Ungleichbehandlungen zwischen eingetragenen Lebenspartnerschaften und der Ehe zu beseitigen. So haben wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Da, wo Menschen für einander einstehen wollen, unterstützt der Staat diese Solidarität, ob in der Ehe oder in eingetragenen Lebenspartnerschaften.
Herr Kollege! Darf ich Sie unterbrechen? – Herr Kollege Gaebler und andere: Ich bitte Sie, dem Redner zuzuhören!
Ich verspreche, es dauert nicht mehr lange. – Der Kollege Lederer hat ausführliche Rechtsdarlegungen vorgetragen, die muss ich nicht wiederholen, sie waren richtig. Ich kann mich darauf beschränken, Sie alle noch einmal aufzufordern: Lassen Sie uns gemeinsam ans Werk gehen! Lassen Sie uns als Parlament des Landes Berlin ein deutliches Zeichen setzen, dass wir bestehende Diskriminierung beseitigen. Ich hoffe, dass wir dieses Gesetz nach den Ausschussberatungen einvernehmlich verabschieden können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!