Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Es ist Sonntag, 7.00 Uhr, der Wecker klingelt. Sie spielen seit vielen Jahren Fußball und haben heute ein Auswärtsspiel. Sie sind mit Migrationshintergrund in Deutschland aufgewachsen. Sie wissen, dass es bei dem gastgebenden Verein immer wieder diskriminierende Äußerungen gegenüber Spielern und Zuschauern gegeben hat. Nun frage ich Sie: Mit welchen Gefühlen fahren Sie zu diesem Spiel? – Im Übrigen handelt es sich um ein Phänomen, das nicht bei allen Sportarten in gleicher Weise auftritt. Schwerpunktmäßig sind leider Fußball, Boxen, aber auch Eishockey betroffen. Noch nie ist mir beim Basketball oder Rudern Derartiges aufgefallen oder bekannt geworden. Woran mag das liegen?

[Beifall bei der SPD]

Eingedenk dieser Situation, die uns in Berlin und darüber hinaus immer wieder begegnet, haben die Koalitionsfraktionen von SPD und Linksfraktion den Antrag „Kein Platz für Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung in öffentlichen Sportanlagen“ eingebracht und hoffen, dass alle Fraktionen diesem Antrag, der den Senat beauflagen soll, die in der Sportanlagennutzungsverordnung enthaltenen Haus- und Nutzungsordnungen so zu ergänzen, dass auf Sportanlagen kein Platz mehr für Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung ist, zustimmen. Gerade wir in Deutschland Lebenden sind aufgefordert alles zu tun, damit dieses rechtsextreme und antisemitistische Gedankengut keinen Platz findet. Dies hat auch vor Kurzem unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Is

rael nachhaltig zum Ausdruck gebracht. Wir sind hier in einer Verpflichtung.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich komme aus Köpenick. Wenn wir auf den Bezirk Treptow-Köpenick schauen, stellen wir fest, dass es gute Beispiele dafür gibt, dass an dieser Stelle auch in den Bezirken gehandelt wird. Beispielsweise hat in TreptowKöpenick der Sportausschuss am 14. November 2007 empfohlen, in den bezirklichen Regelungen ähnliche Formulierungen aufzunehmen, wie wir sie jetzt für die Sportanlagennutzungsverordnung vorschlagen. Deshalb möchte ich abschließend auch Sie, Herr Statzkowski, ganz herzlich einladen – im Vorfeld habe ich mir überlegt, dass von Ihnen bestimmt wieder der Punkt Linksextremismus genannt wird, was dann auch geschehen ist –, über den Antrag zu diskutieren. Im Sportausschuss haben wir immer einen guten Weg gefunden, wie wir einen Antrag, der im Interesse aller ist, gemeinsam beschließen können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Kollege Schaddach! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat die Kollegin Frau Herrmann. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Guten Abend, das kann man schon sagen um halb acht. Worum geht es hier eigentlich? – Ja, Berlin ist eine Sportstadt, ja, Frau Hiller, es gibt viele sportlich Aktive. Ich glaube, auch Sie zählen dazu, auch ich mache hin und wieder Sport. Aber heute geht es darum, dass es in dieser Stadt Probleme mit einem erstarkenden Rechtsextremismus gibt, und die gibt es leider auch im Sport. Wir dürfen hier nicht wegschauen, sondern müssen offen darüber reden.

[Beifall bei den Grünen]

Wir begrüßen grundsätzlich den Antrag der Koalitionsfraktionen, in den Hausordnungen öffentlicher Sportanlagen das Äußern rechtsextremer Parolen oder das Tragen und Verwenden rechtsextremer Symbole zu verbieten. Doch es gibt auch einige Ungereimtheiten in dem Antrag, die zum Teil bereits angesprochen worden sind. Wie beispielsweise soll gewährleistet werden, dass das auch umgesetzt wird? Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Wie sollen Sanktionsmaßnahmen konkret aussehen? Im Kampf gegen Rechtsextremismus gibt es, insbesondere im Spitzensport, den Anfang der Sensibilisierung der Beteiligten.

Auch die Berliner Polizei, die sonst von mir kritisch betrachtet wird, muss in diesem Fall gelobt werden. Es gibt gute Beispiele dafür, wie die Berliner Polizei Großlagen mit rechtsradikalen und gewaltbereiten Fans meistert. Ich erinnere nur an das Spiel 1. FC Union gegen 1. FC Dynamo Dresden. Mein Kollege Lux hat es sich angesehen

und mir berichtet, dass vor und nach dem Spiel der Polizeisprecher Schadrowski die Menge beruhigt hat, der Einsatz wurde von Michael Knape geleitet. Das war ein Erfolg der Berliner Polizei, und das muss man hier erwähnen.

Es gibt weitere gute Beispiele, wie beispielsweise unsere Hertha. Im Olympia-Stadion ist es bereits heute untersagt, bei Spielen Thor-Steinar-Kleidung zu tragen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aber hier sind wir auch schon bei einem Problem. Das Erkennen rechter Symbole ist heute gar nicht mehr so einfach. Das Klischee vom glatzköpfigen Nazi in Springerstiefeln und Bomberjacke trifft nicht mehr zu. Heute tragen Nazis Palästinensertücher, Che-Guevara-T-Shirts oder Kleidung, die erst auf dem zweiten Blick beladen ist mit völkischer Symbolik wie „Thor Steinar“. Wir haben bereits jetzt mit „Erik & Sons“ eine zweite Marke, die auf den Weg kommt und dem Konzept „Thor Steinar“ nacheifert. Nur wenige Menschen wissen davon. Nazigeschäfte liegen in renommierten Innenstadtlagen, verkaufen scheinbar schicke Kleidung für jedermann, „jedefrau“ und bald auch für jedes Kind. Dies alles untermauert die Strategie der Rechtsextremen, ihre Ideologie in die Mitte der Gesellschaft voranzutreiben, und sie zeigt erschreckende erste Erfolge. Das müssen wir zivilgesellschaftlich und rechtstaatlich bekämpfen. Dafür ist es am wichtigsten, Aufklärung, Aufklärung und noch einmal Aufklärung zu leisten,

[Beifall bei den Grünen]

auch bei denjenigen, die diese Hausordnungen durchsetzen wollen. Es darf nicht einfach pauschal gesagt werden: Jeder, der im Stadion ein Palästinensertuch und ein Che-Guevara-T-Shirt trägt, darf hier nicht hinein. Nein, man muss genauer hinsehen, ob er noch einen Thorhammer und einen Anti-Antifa-Button trägt, denn dann ist die Lage eindeutiger.

Der Antrag und auch die Reden zielen vor allem auf die Besucher und Besucherinnen, auf die Fans. Doch es gibt auch Probleme in den Vereinen selbst. Sie stellen sich als guter Anlaufpunkt für Otto und Anna Normalsportler/ -sportlerin heraus. Wie aus anderen Bundesländern, zum Beispiel aus Thüringen, bekannt ist – und auch vom Beratungsteam Ostkreuz bestätigt wird –, gibt es das Bestreben der rechten Szene, in die Vereine einzudringen und sich dort insbesondere über Jugendtrainer zu verwurzeln. Dem müssen wir entgegenwirken. Dabei müssen die Vereine unterstützt werden.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Uwe Doering (Linksfraktion) und Mirco Dragowski (FDP)]

Solche Tendenzen müssen rechtzeitig erkannt und mit den richtigen Mitteln, wie Ausschlüssen oder Satzungsänderungen, die es zum Teil in Spitzenvereinen wie Schalke 04 schon gibt, bekämpft werden. Dies muss vorange

trieben werden, damit den Rechten der Nährboden genommen wird.

Wir halten den Antrag der Koalitionsfraktionen durchaus für unterstützenswert. Den Nazis muss das öffentliche Auftreten genommen werden. Das kann aber immer nur ein Punkt sein. Das einfache Verbieten ist die eine Maßnahme. Allerdings fehlen uns im Antrag auch wichtige Punkte wie zum Beispiel die bereits angesprochene Aufklärung oder Präventionsprojekte, bei denen in der Vergangenheit gekürzt worden ist. Am Wichtigsten ist es, dass in den Sportanlagen der Inhalt der Hausordnungen tatsächlich gelebt –

Frau Kollegin!

und nach außen vermittelt wird, dass Menschenfeindlichkeit und Rassismus keinen Platz haben in Berliner Sportanlagen – und auch nicht sonst irgendwo. – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Czaja. – Bitte schön!

Sebastian Czaja (FDP) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die Überschrift des Antrags liest, stimmt mit all den Vorrednern überein – wir tun es –, dass man dem Antrag im Grunde genommen nur zustimmen kann. Diskriminierung spielt leider in Sportanlagen immer noch eine große Rolle, und leider nicht nur in den Sportanlagen, sondern auch unter Zuschauern und unter den Sportlern. Sportler können heutzutage mit Sanktionen der Verbände und des Sportrechts sanktioniert werden. Bei Zuschauern ist das derzeit anders und auch deutlich schwerer.

Die Haus- und Nutzungsordnung für die öffentlichen Sportanlagen enthalten keine entsprechenden Regelungen bezüglich der Diskriminierung, sodass eine Ergänzung im Sinne Ihres Antrags durchaus sinnvoll ist. Um nur die zahlreichen Verbände und Vereine in der Stadt zu nennen und auch zu unterstützen, ist dieser Antrag ein richtiges Signal. Es sei erinnert an Boxen statt Gewalt, Gleiches gilt für die Initiative gemeinsam gegen Rassismus. Herr Statzkowski hat es bereits gesagt.Hier wird viel in der Stadt von Verbänden und Vereinen gegen Rassismus und Gewalt im Sport getan.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir glauben, dass Ihr Antrag zum einen in die richtige Richtung geht, zum anderen aber in der einen oder anderen Passage schwammig formuliert ist. So führen Sie aus,

dass Sie alle rechtstaatlichen Mittel zur Verhinderung heranziehen wollen. Ich frage Sie, sollen sich die rechtstaatlichen Mittel über das Hausrecht hinaus erstrecken? Soll es auch Sanktionen für Vereine geben, die keine diskriminierungsfreien Veranstaltungen gewährleisten können? An dieser Stelle haben Sie den Antrag nicht zu Ende gedacht. Es ist lohnend, diesen entsprechend im Ausschuss zu beraten.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Auch beim Weiterlesen wird deutlich, dass Sie wesentlich zu kurz gesprungen sind. Der letzte Satz des Antragstextes steht völlig freischwebend da. Es ist keine Aussage vorhanden, an welche Sanktionen gedacht wird. Ist an Sanktionen beispielsweise in Vereinen gedacht? Es ist nicht beantwortet, wie Kontrollen organisiert werden sollen. Es ist nicht geklärt, wie Vereine entsprechend aktiv werden sollen. Ich glaube, dass kleine Vereine überhaupt nicht in der Lage, diese Art von Kontrollen, die Sie sich bislang vorstellen, in der Größenordnung durchzuführen. Deshalb ist es sinnvoll, diesen Antrag im Ausschuss noch einmal entsprechend zu qualifizieren und zu beraten.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich werfe die gleiche Frage auf wie der Vorredner der CDU. Warum ist eigentlich der Linksextremismus nicht aufgeführt?

[Uwe Doering (Linksfraktion): Das spielt im Stadion keine Rolle!]

Ich denke schon. – Wenn Sie mit dem Antrag tatsächlich das verfolgen, was Sie hier niedergeschrieben haben, ist er derzeit in der Praxis nicht erheblich. Da stimme ich Ihnen zu. Allgemein und langfristig soll der Antrag entsprechende Regelungen herbeiführen. Wenn es keine Gefährdung durch Linke gibt, wäre eine entsprechende Regelung unserer Auffassung nach unschädlich. Es wäre jedoch ein falsches Zeichen, diese nicht mit einzubeziehen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Nein! – Ich möchte aus Ihrem Antrag zitieren. Sie sprechen von Kleidungsstücken, deren Herstellung, Vertreibung oder Zielgruppen nach allgemeiner Ansicht im rechtsextremen Umfeld angesiedelt sind. Das ist nachvollziehbar. Wer bestimmt das? Was heißt, nach allgemeiner Ansicht? Sollen jetzt Kleidungsstücke von „Lonsdale“ etc. auf Sportanlagen verboten werden? Ich glaube nicht, dass eine solche Regelung auch juristisch haltbar sein wird. Auch hier gilt es, im Ausschuss entsprechende Qualifizierungen vorzunehmen.

Um diesen Antrag in einem breiten Konsens über alle Fraktionen hinweg zu beschließen, die durchaus für dieses Zeichen eintreten, kein Platz für Rechtsextremismus, kein Platz für Antisemitismus, kein Platz für Rassismus, Diskriminierung, Gewalt, Linksextremismus, ist es sinnvoll, eine entsprechende Beratung zu führen, die Regelung entsprechend zu überdenken, die Regelung mitzuberücksichtigen und darauf hinzuwirken, dass jegliche Diskriminierung im Sport sowohl unter Zuschauer wie auch unter Sportlern in Berlin in den Sportanlagen, in den Vereinen und Verbänden keinen Platz hat.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Sport, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 4 A:

Dringliche II. Lesung

Sechsundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes (Sechsundzwanzigstes Landesbeamtenrechtsänderungsgesetz – 26. LBÄndG)

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/1343 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0786

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der fünf Artikel miteinander zu verbinden und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis V Drucksache 16/0786. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.