Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

[Zurufe von der CDU: Was?]

Sie haben nicht wie wir die Möglichkeit, ab und zu schon vorher eine Information von der Senatorin zu bekommen. Das tut mir leid, aber daran werden Sie sich in den nächsten zehn Jahren gewöhnen müssen, weil Sie immer in der Opposition sitzen werden, solange Sie solch eine Politik machen.

[Beifall bei der SPD]

Aber nun zu dem eigentlichen Punkt. Neues – außer Sanierungsstau und Abzocke – gibt es hier gar nicht. Sie haben eins übersehen, das werden wir auch im Ausschuss bereden: Der entscheidende Irrtum in der Gesetzgebung war, dass wir 1995 das unsägliche Erschließungsbeitragsrecht vor allen Dingen in Ostberlin eingeführt haben – und das, obwohl im Einigungsvertrag festgehalten wurde, dass Straßen in der ehemaligen DDR, die den ortsüblichen Zustand hatten, nicht mehr mit Erschließungsrecht abgerechnet werden können. Unsere beiden Fraktionen, sowohl die CDU als auch die meinige, haben sich damals von Bausenator Nagel übertölpeln lassen und gesagt: „Das müssen wir machen! Das gilt in Westberlin, und das muss auch in Ostberlin gelten.“ – Im Gegensatz zu Berlin haben die neuen Bundesländer diesen Passus im Einigungsvertrag berücksichtigt. Was haben sie gemacht? –

Weil sie wussten, dass sie die Straßen nach Erschließungsrecht nicht mehr ausbauen können, und weil die Straßen in der DDR so waren, wie sie waren – grottenschlecht –, haben sie sich vor der Aufgabe gesehen, etwas zu tun – etwas, was in allen alten Bundesländern bis auf Baden-Württemberg gilt –, nämlich ein Straßenausbaubeitragsgesetz zu erlassen. Seit Anfang der Neunzigerjahre wurde danach in den neuen undesländern gehandelt. B Wir hingegen erlassen ein Erschließungsrecht. Die Straßen werden ausgebaut wie bei uns in Karow und mit 90 Prozent der Kosten umgelegt. Das ist der entscheidende Fehler, den unsere beiden Fraktionen sich vorwerfen lassen müssen – übrigens mit Zustimmung von den Grünen und der FDP; lediglich die PDS hat damals dagegengehalten – zu Recht! Und weil wir diesen Unsinn nicht mehr mitmachen wollten, weil es nicht gerecht ist, dass in allen Bundesländern ein Straßenausbaubeitragsgesetz existiert, wir aber von diesen Ländern – wie von Hessen und von Bayern – durch den Länderfinanzausgleich profitieren, waren wir am Zuge, dieses auch zu erlassen. Mit Ihnen als damaliger Koalitionspartner war das nicht zu machen. Wir mussten uns mit der PDS einigen – mit Dr. Nelken ein schwieriger Weg, aber wir haben es gehafft. sc

Der entscheidende Punkt – den gebe ich Ihnen mit auf den Weg, darüber können Sie nachdenken – war die faktische Abschaffung des Erschließungsbeitragsrechts vor allen Dingen in Ost- aber auch in Westberlin. In Westberlin kamen die Bananen nämlich alle aus Bonn, deswegen mussten Sie nie etwas tun.

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Egal, wie der Haushalt war – Sie mussten die Leute nicht abzocken, sondern Sie haben das Geld aus Bonn bekommen. Bei uns wurden die Straßen mit 90 Prozent umgelegt. Und das ist der entscheidende Punkt.

[Frank Henkel (CDU): Euer Geld kam auch aus Bonn! – Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Hören Sie doch einfach einmal zu, Czaja – Sie mit Ihren vielen Doktortiteln!

[Beifall bei der SPD]

Wir haben gesagt: An dem Tag, an dem das Straßenausbaubeitragsgesetz in Kraft tritt, muss das Erschließungsbeitragsrecht auslaufen. Und das genau ist passiert. Ihr Prof. Driehaus, Mitglied der CDU, ehemaliger Bundesverwaltungsrichter, hat auch festgestellt: In dem Augenblick, in dem das Straßenausbaubeitragsgesetz zur Anwendung kommt, darf die Berliner Verwaltung Straßen nicht mehr nach dem Erschließungsrecht abrechnen. Das ist Gesetz, es gibt ein Urteil vom Berliner Verwaltungsgericht. Lesen Sie das einmal durch!

Herr Stadtkewitz! Vor einem halben Jahr haben wir uns über meinen Fehler gestritten, als ich gesagt hatte, die Anwohner der Streckfußstraße brauchen nicht zu bezahlen. Es gab ein Urteil, dass sie doch bezahlen müssen. Die Veranlagungen wurden verschickt. Nun lesen Sie sich das

Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts durch! Der Bezirk Pankow muss die Bescheide zurücknehmen.

[Mario Czaja (CDU): Das haben wir Ihnen alles vorher gesagt!]

Die Anwohner müssen nicht bezahlen, obwohl die Maßnahmen vor dem Inkrafttreten des Straßenausbaubeitragsgesetzes veranlasst wurden.

[Beifall bei der SPD]

Fazit ist: Ich bin froh, dass Sie dieses Thema aufgeworfen haben. Wir werden im Ausschuss darüber reden, welche Vor- und welche Nachteile, welche Probleme es gibt.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Hillenberg!

Ich frage Sie als Allerletztes: Warum kann nur der Bezirk Pankow – Herr Kirchner – in vorbildlicher Art und Weise vernünftige Bürgergespräche führen, vernünftige öffentliche Veranstaltungen durchführen? Alle anderen Bezirke, in denen es übrigens CDU-Baustadträte gibt, machen das nicht. Da frage ich mich, worauf sie den Eid geleistet haben, wenn sie ihre Aufgaben nicht erfüllen. Das ist ein Skandal!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Einen Hinweis vom Präsidium an die beiden Herren: In fünf Minuten Redezeit müsste es möglich sein, sich gegenseitig mit „Herr“ anzusprechen. – Jetzt hat Herr Stadtkewitz das Wort zu einer Kurzintervention.

Herr Hillenberg! Ich fasse kurz zusammen: Das war ganz klar „Thema verfehlt!“. Ich hatte vom Straßenausbaubeitragsgesetz und nicht vom Erschließungsbeitragsrecht gesprochen. Man kann das natürlich alles vermischen. Ich versuche einmal aufzugreifen, was Sie gesagt haben.

Genau das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben, ist wahr. Das Straßenausbaubeitragsgesetz wirkt sich gerade im Ostteil der Stadt besonders hart aus. Das zeigen die Vorankündigungen auch. Das Erschließungsbeitragsrecht, zu dem sie den Einigungsvertrag erwähnt haben, wäre bei vielen Straßen im Ostteil der Stadt gar nicht anzuwenden.

[Ralf Hillenberg (SPD): Das ist doch gemacht worden!]

Sie haben es aufgehoben und gesagt: „Jetzt führen wir ein Straßenausbaubeitragsgesetz ein.“ Und jetzt kassieren Sie dort ab. In diesen Straßen sind aber die Rückstände viel größer, deswegen sind die Bescheide so hoch.

Haben Sie über die Pasewalker Straße gelesen? – Wir haben uns hier einmal über einen Betrag von 72 000 € gestritten.

[Ralf Hillenberg (SPD): Wie groß war denn das Grundstück?]

Da wurde gesagt: „Um Gottes willen, das kann gar nicht stimmen!“ Da wurden wir als Lügner dargestellt. Jetzt will das Bezirksamt irgendwann von einem Grundstück in der Pasewalker Straße 142 000 € haben.

[Ralf Hillenberg (SPD): Und wie groß ist das Grundstück?]

Jetzt sagen Sie nicht, dass das Peanuts sind und dass das Gesetz ein Segen für die Leute war. Es ist eine Abzocke, es bleibt dabei! Wir sind dagegen, wir werden Sie weiter treiben und hoffen, dass das Gesetz irgendwann wieder aufgehoben wird.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Stadtkewitz! – Herr Hillenberg möchte antworten und hat dazu jetzt die Gelegenheit. – Bitte sehr, Herr Hillenberg!

Herr Stadtkewitz! Diese Demagogie geht mir auf die Nerven. Sie bringen keine Beispiele für Einfamilienhäuser, sondern für große Gewerbegrundstücke, für die hohe Beiträge entrichtet werden müssen. Dafür hat das Straßenausbaubeitragsgesetz Sozialklauseln, die beispielgebend in der Bundesrepublik Deutschland sind. Lesen Sie es einmal durch, dann werden Sie begreifen, worüber Sie reden! Aber Sie können wahrscheinlich gar nicht lesen!

[Beifall bei der SPD – Hoh! von der CDU]

Das Thema ist nicht verfehlt, weil Sie nicht darauf eingegangen sind, dass wir das unsägliche Erschließungsbeitragsrecht abschaffen wollten.

[Mario Czaja (CDU): Aber Sie haben’s nicht geschafft!]

Und dass die Straßen im Ostteil der Stadt so sind, wie sie sind, wie in der gesamten ehemaligen DDR, das wissen wir. Dass das nicht alles der Steuerzahler leisten kann, das wissen wir auch. Das wissen im Übrigen 15 Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland, nur Baden-Württemberg nicht, weil es reich ist. Dieser Verantwortung muss man sich stellen. Da Sie sich dieser Verantwortung nicht stellen, werden Sie auf der Seite der Opposition noch viele Jahre verbringen, das garantiere ich Ihnen!

[Beifall bei der SPD – Uwe Goetze (CDU): Das ist als Ausschussvorsitzender völlig unqualifiziert!]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hillenberg! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Otto das Wort. – Bitte sehr!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir machen hier heute offensichtlich die Pankower Runde. Das kann auch ganz interessant sein.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Nein, nachher komme ich noch!]

Herr Doering will das noch aufbrechen, sagt er.

Es ist sicher interessant darüber zu streiten, wer zuständig ist, und das würde ich auch gerne einmal machen. Wer haftet, wer bezahlt eigentlich für die Herrichtung von Infrastruktur, in diesem Fall von Straßen? Ist das der, der da wohnt? Ist es der, der vorbeifährt? Dann müsste man eine Art Maut erfinden. Oder sind das alle über die Steuer? Das ist eine interessante Debatte, die wir hier sicher einmal führen sollten.

Im konkreten Fall geht es aber um das Straßenausbaubeitragsgesetz, und das nimmt im hohen Maße die Anwohner in Haftung. Die sollen bezahlen, wenn ihre Straße grundhaft erneuert wird, wenn Verbesserungen gegenüber einem bisherigen Zustand erreicht werden. Darum geht es.

[Zuruf von Jutta Matuschek (Linksfraktion)]

Zwei Jahre ist das Gesetz alt. Das ist ein kurzer Zeitraum für die Planung von Straßen, für die Baumaßnahmen, für die Abrechnung. Da ist noch nicht viel passiert. Es gibt noch nicht viele Erfahrungen damit. Aber nach zwei Jahren müsste die Verwaltung, insbesondere der Senat, uns sagen können, wie abgerechnet wird, wen es betrifft und auf welche Art und Weise die Bezirksämter arbeiten sollen, wenn es bis heute keine Ausführungsvorschriften gibt.

[Zuruf von Ralf Hillenberg (SPD)]

Das ist das Problem, dass es ein großes Durcheinander gibt, das war schon in den Beratungen beim Entstehen des Gesetzes der Fall, wie man in den Protokollen nachlesen kann. Es ist immer noch der Fall, weil der Senat den Bezirken nicht richtig sagen kann, was gilt und was nicht.

[Ralf Hillenberg (SPD) meldet sich für eine Zwischenfrage.]

Herr Hillenberg hat das hier eindrucksvoll personifiziert, indem er den Fall berichtet hat, dass er selbst Versprechungen im Wahlkampf gemacht habe, die dann zurücknehmen musste. Jetzt fühlt er sich durch ein Gerichtsurteil wieder bestätigt. Sie können schon daran erkennen, dass die Koalition hier in Schwierigkeiten ist. Es ist ein ziemlich großes Kuddelmuddel. – Da meldet sich ein Kollege, Frau Präsidentin! Wollen wir da irgendetwas machen?