Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Frau Dr. Tesch, Sie haben die Möglichkeit, zu antworten. Möchten Sie diese Möglichkeit nutzen? – Das ist der Fall. Bitte, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, dass ich mit unserem kleinlichen Streit das gesamte Plenum belasten muss, denn darüber könnten wir uns im Prinzip auch unter vier Augen austauschen. Aber es wird sich nicht ändern. Herr Steuer ist ja keinen Argumenten zugänglich, weder vernünftigen Argumenten noch Zahlen. Ich bin auch überhaupt nicht kleinlaut und habe auch keine Angst vor irgendeinem Volksbegehren an dieser Stelle, weil ich die Berliner für so vernünftig halte, dass

sie wollen, dass unsere Kinder gemeinsam miteinander lernen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die Frage ist doch ganz klar gestellt. Objektiver geht es nicht, Herr Steuer. Wollen Sie, dass die Kinder entweder am gemeinsamen Ethikunterricht oder an einem bekenntnisorientierten Religionsunterricht teilnehmen?

[Sascha Steuer (CDU): Genau das war nicht die Frage!]

Das ist Ihre Mogelpackung von Wahlpflichtfach, was Sie als Wahlfreiheit verkaufen. Langsam reicht es. Ich hoffe, die Berliner sind schlau genug, um sich nicht von Ihnen manipulieren zu lassen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Tesch! – Das Wort für eine weitere Kurzintervention hat jetzt Frau Abgeordnete Senftleben. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich möchte doch noch einmal nachfragen, nachdem Frau Dr. Tesch und unser Senator Zöllner die Bedeutung dieses Faches so hoch gehoben haben. Sind Sie eigentlich der Überzeugung, Frau Dr. Tesch, dass andere Bundesländern, die eine andere Regelung haben, in Sachen Wertevermittlung versagen? Ist das wirklich der Fall? Oder müssen wir nicht zugeben, dass in anderen Ländern eine vernünftige Wertevermittlung als Wahlpflichtfach stattfindet? Hier ist Berlin die Ausnahme und nicht die anderen Bundesländer.

Frau Dr. Tesch! Sie sind nicht gegen Religion. Wir geben 50 Millionen € im Jahr aus. Das ist alles wunderbar. Geld ausgeben ist das eine, aber Steine in den Weg legen ist das andere. Genau das tun Sie.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben. – Frau Dr. Tesch eilt schon zum Mikrofon und möchte antworten. – Bitte sehr!

Frau Senftleben, wenn man keine Zeit mehr hat, macht man das mit Kurzinterventionen. Ich bin gern bereit, darauf auch wieder einzugehen. Wir legen doch nicht Steine dadurch in den Weg, dass wir ein neues Fach Ethik einführen. Frau Senftleben, was ist das für ein Quatsch? Sie könnten auch sagen, hören Sie auf, Sie führen ein neues Fach Wirtschaft beispielsweise ein oder verstärken ein Fach, und damit behindern Sie den Religionsunterricht. Das ist überhaupt nicht der Fall.

Es gibt diese Vereinbarung – wie Sie wissen – von 1949, die in Berlin und Bremen gilt. Das ist richtig.

[Mieke Senftleben (FDP): Das haben wir schon dreimal gehört. Das müssen Sie nicht wiederholen!]

Dabei sind wir eine Minderheit. Wer hat denn damals aber diese Vereinbarung geschlossen, Frau Senftleben? – Das war eine sozialliberale Koalition. Das war ein liberaler Grundsatz und nicht das, was Sie hier heute an der Stelle als liberale Politik verkaufen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Tesch! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Zillich das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe noch zwei Minuten. Die nutze ich jetzt aus. Ich finde die Auseinandersetzung um die Umfragen ein wenig kleinlich. Natürlich hängt das Ergebnis von Umfragen auch davon ab, wie die Frage gestellt wird. Das ist doch völlig klar. Erstens gilt das auch für Fragen: „Bist du für Wahlfreiheit oder nicht?“. Zum Zweiten ist es legitim, nach einem bestimmten Erkenntnisinteresse zu fragen. Wenn ich einen Wald habe und jemand einen Parkplatz bauen will – um das Beispiel zu nennen –, dann werde ich mehr Zustimmung bekommen, wenn ich frage, ob mehr Parkplätze gewollt werden, als wenn ich frage, ob das Abholzen des Waldes gewünscht wird. Trotzdem ist es genauso legitim zu sagen: Was passiert mit dem Wald? – Wir sind an dieser Stelle für den Wald. Ja, es ist unser Interesse, den gemeinsamen Ethikunterricht zu erhalten, weil er für diese Stadt eine ganz besondere Funktion für das friedliche Zusammenleben hat. Es ist eine Funktion, die ein Bekenntnisunterricht, aufgeteilt in unterschiedliche Bekenntnisse, den es daneben trotzdem geben soll und gibt, nicht erfüllen kann. Wir wollen diesen gemeinsamen Ethikunterricht, weil er wichtig für die Schule und das friedliche Zusammenleben in dieser Stadt ist.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zillich! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 4 a:

Zwei Jahre Straßenausbaubeitragsgesetz – Abzocke und Chaos

Antrag der CDU Drs 16/1460

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Herr Stadtkewitz hat schon am Mikrofon Aufstellung genommen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir fordern den Senat auf, einen Bericht vorzulegen, der die bisherigen Erfahrungen mit dem rot-roten Straßenausbaubeitragsgesetz einmal ganz nüchtern und vor allen Dingen ganz ehrlich darstellt.

[Beifall bei der CDU]

Dies fordern wir aus gutem Grund. Schon jetzt ist klar, welch Chaos dieses Gesetz in Berlin angerichtet hat. Das Gesetz hat sich schon jetzt zu einem Bürokratiemonster entwickelt, das die Verwaltung überall in Berlin überfordert. Schon jetzt ist klar, dass es wohl keinen einzigen Bescheid geben wird, gegen den nicht am Ende geklagt wird. Berlin droht eine riesige Klagewelle, die SPD und die Linksfraktion verursacht haben.

Sie begründen die Abzocke der Anlieger mit dem sogenannten Ausbauvorteil. Dass der aber für die Anlieger, wie sich zeigt, in den meisten Vorhaben überhaupt nicht vorhanden ist, verschweigen Sie. Welchen Vorteil haben denn Anlieger, deren Straße nach dem Ausbau stärker belastet wird als vor dem Ausbau? Schauen Sie sich die Straßen an, für die der Ausbau gegenwärtig vorbereitet wird. Fast überall sind dies Straßen, die für die Allgemeinheit von großer Bedeutung sind und wichtige Verkehrsfunktionen erfüllen. Wenn wir von einem Vorteil reden, dann haben die vielen Verkehrsteilnehmer den Vorteil – zum Nachteil der Anlieger –, die diese Straßen täglich nutzen. Das sind wir alle. Deshalb ist der Ansatz der Kostenabwälzung für die Anlieger höchst ungerecht und vollkommen falsch.

Es geht Ihnen in Wirklichkeit um nichts anderes als um den erheblichen Sanierungsrückstau der Berliner Straßen von vermutlich mehr als einer halben Milliarde €, den Sie auf die Anlieger abwälzen wollen. Das geben Sie aber nicht zu.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Genauso wollen Sie nicht zugeben, dass Ihre Beteuerungen falsch waren. Wie oft beteuerte Frau Junge-Reyer: 2 000 € für ein Einfamilienhaus, bei ganz großen Grundstücken könnten es auch einmal 3 000 € oder 4 000 € sein. Das sagte die Senatorin sinngemäß. Aber nun – wie absehbar – geht es um weit höhere Beträge als in den Ankündigungsschreiben. In fast jedem dieser Schreiben wird den Anliegern klar, dass die Senatorin, dass der rot-rote Senat, dass Rot-Rot die Berliner belogen haben.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielleicht erinnert sich Herr Hillenberg an seine Ausführungen hier in diesem Haus, als er zu Alternativen beteuerte, ich zitiere aus dem Protokoll des Abgeordnetenhauses vom 10. November 2005:

Wir haben drei Alternativen: Erstens, es bezahlt derjenige, der eine Immobilie besitzt. Zweitens, es bezahlt der Steuerzahler. Drittens, es soll eine Grundstückssteuererhöhung geben, die man dann im Rahmen der Betriebskosten auf die Mieter umlegen kann. Diese dritte Alternative entspricht dem Vorschlag des VDGN. Aber das ist mit uns nicht machbar. Die Mieter dieser Stadt haben nichts zu befürchten.

Ja, was denn nun? Ein Prozent, Herr Hillenberg, hätten gereicht, um die von Ihnen prognostizierten Ausbaukosten zu zahlen. Aber Sie haben die Grundstückssteuer drastisch um 23 Prozent erhöht. Sie haben den Hebesteuersatz von 660 auf 810 hochgeschraubt und damit nicht nur die Eigentümer von Einfamilienhäusern belastet, sondern auch eine drastische Mieterhöhung ausgelöst. Damit ist genau das passiert, was Sie den Leuten versprochen haben, nicht zu tun.

Die Berliner dürfen aber sicher sein, dass das Geld nicht in den Straßenbau geht, wohin immer dieses Geld fließt. Dafür werden sie noch einmal zur Kasse gebeten, eben durch dieses Straßenausbaubeitragsgesetz. Wie sonst darf man es nennen, wenn nicht Abzocke? Dann sagen Sie, dass das Gesetz so einmalig ist, es gebe eine großzügige Betroffenenbeteiligung. Nennen Sie mir ein einziges Beispiel, wo Einwendungen und Vorschlägen der Anlieger gefolgt worden sei. Nennen Sie ein Beispiel, wo die Vorschläge der Anlieger genutzt worden sind, um die Gesamtkosten zu senken. Die von Ihnen gepriesene Anliegerbeteiligung ist eine Farce, weil es nur Einwände und Vorschläge sind, die die Verwaltung fein säuberlich auflistet, die sie aber letztlich gar nicht beachten und auf die sie nicht eingehen muss und im Grunde auch nicht kann. Was fehlt, ist ein Vetorecht. Alles andere ist keine Bürgerbeteiligung, sondern eine Volksverdummung.

[Beifall bei der CDU]

Wir werden nicht locker lassen. Wir werden Sie treiben. Vielleicht kommen Sie eines Tages doch zur Vernunft. Warten Sie nicht ab, bis die ersten Bescheide erlassen werden! Reden Sie mit den Betroffenen! Reden Sie mit denen, die sich über viele Jahrzehnte verschuldet haben, um ihren Kindern ein Einfamilienhaus in Berlin zu bauen, die sich entschieden haben, in Berlin zu bleiben!

Herr Stadtkewitz! Darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit bereits beendet ist?

Ich komme sofort zum Schluss. – Reden Sie mit ihnen! Schon in einer Woche werden Sie die Gelegenheit dazu

haben, wenn der VDGM am 5. Juni zu einer Kundgebung in den Pankepark einlädt. Nutzen Sie die Gelegenheit, und denken Sie noch einmal nach! Es ist keine Schande, sich zu korrigieren, aber es ist eine Schande, an dem Unsinn festzuhalten. – Danke schön!

[Bravo! von der CDU – Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Stadtkewitz! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Hillenberg das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Stadtkewitz! Erst einmal habe ich mich gewundert, dass nicht Herr Czaja an Ihrer Stelle geredet hat. Aber wahrscheinlich ist er ein bisschen „verbrannt“, so dass Herr Stadtkewitz zu Wort kommen musste. – Ich habe mich auf diese Rede gar nicht vorbereitet, weil ich wissen wollte, was Sie sagen. Aber Sie haben nichts Neues gesagt, sondern denselben Quatsch wie immer erzählt.

[Beifall bei der SPD]

Aber Sie, Herr Stadtkewitz, hätten besser wissen müssen, welchen Vorteil – auch für Sie persönlich – das Straßenausbaubeitragsgesetz hat. Im Übrigen bin ich Ihnen dankbar dafür, dass Sie diesen Antrag gestellt haben, denn auch wir wollen wissen, wie mit dem Straßenausbaubeitragsgesetz nun umgegangen wird, welche Belastung es gibt und wie unterschiedlich in den Bezirken danach gearbeitet wird. Ich kann verstehen, dass Sie das Thema an die Öffentlichkeit bringen;

[Zurufe von der CDU: Was?]