Wie würden sich die Venezianer und Züricher vorkommen, wenn die gleiche Senatsbaudirektorin behauptete, der damalige Wettbewerb – wohlgemerkt 1999 – hätte bereits alle Anforderungen kongenial mit aufgenommen, und zwar in offensichtlich hellseherischer Begabung jene Anforderungen, die erst drei Jahre später – nämlich 2002 – mit dem Beschluss zum Bau des Humboldt-Forums in der historischen Fassade definiert wurden? Sie würden sich zu Recht veralbert vorkommen. Stoppen Sie daher die aktuellen Pläne, und lassen Sie uns über einen historischen Entwurf der Brücke diskutieren!
Nun noch ein Wort zum Innenraum der Staatsoper unter den Linden: Die Staatsoper gehört als das zentrale preußische Staatstheater und auch durch ihre Lage zum Kernbereich der historischen Mitte. Ihre äußere Gestalt ist ein Blickfang und hat trotz aller Umbauten eine historische Anmutung in hoher Vollendung. Die Innengestaltung – unter den Vorstellungen und Möglichkeiten der Nachkriegszeit durch Richard Paulick entstanden – hat dieses Äußere behutsam aufgenommen und trotz aller baulichen
Unzulänglichkeiten einen Opernraum geschaffen, der den Besuchern eine Ahnung von der feierlichen Erhabenheit und der Pracht des einstigen knobelsdorffschen Interieurs bietet.
Die Berlinerinnen und Berliner und alle Gäste haben diesen Stil verinnerlicht und erwarten auch nach einer Modernisierung eine vertraute Atmosphäre in ihrer Staatsoper. Würden wir sie fragen – und eine solche Befragung wünschen wir uns als CDU –, würde sich mit Sicherheit ein klares Ergebnis in diese Richtung zeigen. Wohlgemerkt geht es hier nicht um die Verhinderung von Verbesserungen bei der Akustik und der Sicht nach dem Stand der heutigen Technik, hier geht es um die Bewahrung eines Stücks von Identität. Der aktuelle Siegerentwurf in seiner Anmutung zwischen einem lilafarbenen Guggenheim-Museum und einem Multiplex-Kino ist nicht geeignet, diese Identität zu schaffen.
Ich komme zum Schluss. – Wir brauchen aber dieses Gefühl des Aufgehobenseins, des Hingehörens, gerade im Zentrum unserer Stadt. Eine Stadt, die eine große Zukunft haben will, braucht auch eine klare Herkunft. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die sichtbaren Wurzeln unserer Stadt gerade in ihrer so wichtigen und sensiblen historischen Mitte nicht verloren gehen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In Vorbereitung auf die heutige Sitzung habe ich wahlweise einige Touristen vor dem Preußischen Landtag befragt, wo sie heute gewesen seien. Natürlich kamen die Antworten: Wir waren in der historischen Mitte. Wir waren am Berliner Dom, wir waren am Lustgarten, wir haben uns die Baustelle des Palastes der Republik angeguckt, wir haben Kaffee getrunken auf dem Alexanderplatz. Nun sind wir auf dem Weg zum Pariser Platz. – Diese zugegeben nicht repräsentativen Ergebnisse zeigen schon das Grundproblem der historischen Mitte, nämlich das der Definition. Diese ist heiß diskutiert und in ihren Facetten schillernd bis emotional. Herr Juhnke! Auch Ihre Rede hat dazu keine Klarheit gebracht.
Wir sind uns einig, keine Metropole dieser Welt hat einen so zentralen urbanen Platz wie Berlin. Doch zur Klarheit müssen wir sagen, es gibt die historische Staatsmitte mit dem Hintergrund der Vergangenheit von Berlin und Preußen, welche sich unter anderem architektonisch in Barock und ziselierten Figuren wiederfindet, auf der anderen Seiten haben wir die Stadtmitte, den historischen Kern Berlins, der eben nicht deckungsgleich mit der Staatsmitte ist. Aber alle reden immer von der Staatsmitte, nur weiß keiner genau, wie sie definiert ist.
Wir wollen über Bauten und Vorgaben eine Identifikation ermöglichen, und zwar eine Identifikation mit der Mitte der historischen Stadt Berlin. Die Diskussion über die historische Mitte zeichnet sich durch eine Vielzahl von Beiträgen von Expertinnen und Experten aus. Einen zusätzlichen Beirat zu gründen, halten wir für nicht zielführend, vor allem nicht für entscheidungsfreudig. Nach dem Motto: Wenn du nicht mehr weiter weißt, so gründe einen Arbeitskreis bzw. wenn du dich nicht mehr entscheiden kannst, so gründe einen Arbeitskreis, kann es nicht gehen. Parteipolitische Streitereien über die Gremienbesetzung oder die Legitimation von Entscheidungsfindungen – ich erinnere an die aktuellen Diskussionen rund um den Staatsopernsaal – halten wir ebenfalls für nicht zielführend, zumal die Rahmenbedingungen und Leitlinien vorgezeichnet sind.
Zum Thema Erhaltungssatzung möchte ich noch einige Worte verlieren. Ja, natürlich können Erhaltungssatzungen in ähnlichen Bereichen ähnliche Probleme lösen. Es scheint uns für dieses große Gebiet ebenfalls nicht sinnvoll. Die Frage nach der historischen Definition der historischen Mitte wird hier wieder aufgemacht und neu gestellt. Selbst im Rahmen des räumlich kleinen Projekts des Pariser Platzes, wo solche Verfahren angewandt wurden, ist die nachträgliche Kritik groß. Eine Erhaltungssatzung ist kein Allheilmittel, wie Ihr Fraktionskollege Herr Dr. Lehmann-Brauns bei der Urania-Veranstaltung im April verlauten ließ. Das sollte man respektieren.
Zudem bekommt diese Geschichte ein weiteres Anliegen. Ist es denn sinnvoll, einen großen Raum ohne Berücksichtigung der historischen Brüche juristisch bzw. planungsrechtlich festzuschreiben? Eine Schaffung von Übergängen zwischen den Epochen und Stilen ist sinnvoll und tut dieser Stadt gut. Aber das stadtplanerische Instrument der Erhaltungssatzung kann auf diese Notwendigkeit, auf diese Größe nicht mehr reagieren.
Wir wollen Sicherheit schaffen für die kleinen Räume innerhalb des großen historischen Raums. Die vorhandenen Bebauungspläne enthalten schließlich klare Aussagen über den Städtebau und schätzen durchaus historische Aussagen. Sie SPD-Fraktion hat frühzeitig – schon 2001 und 2002, das könnten Sie nachschauen – mit einem Aufschlag einen Kriterienkatalog für die historische Mitte vorgelegt und vorgestellt. Wir halten es deshalb für sinn
sinnvoll, dass ein solcher Kriterienkatalog im Rahmen der vorhandenen Planungsinstrumente – hier besonders das Planwerk Innenstadt und die vorhandenen Bebauungspläne – weiterentwickelt wird.
Nun zum Schluss noch einen Punkt, der umstritten ist: Was die Rathausbrücke betrifft, gestaltet sich deren Neubau für uns besonders. Wir bedauern es, dass es angesichts des Entwicklungsstands und der Planungen nicht zu einer Aktualisierung der Planung gekommen ist. Es gibt nicht wenige Stimmen, die eine historische Barockbrücke wünschen. Diesbezüglich – vor allem bezüglich des Zeit- und Realisierungsstandes – möchte ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten Jean Jaurès zitieren, der da sagt:
Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat die Fraktionsvorsitzende. – Frau Eichstädt-Bohlig, bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Juhnke! Als erstes muss man sagen: Eine Erhaltungssatzung für die historische Mitte ist, so wie sie aussieht, nicht das geeignete Instrument, weil man mit einer Erhaltungssatzung eine städtebauliche Situation erhalten will, hier geht es im Endeffekt aber um die weitere Gestaltung. Insofern, glaube ich, muss die Instrumentenfrage gründlich durchdacht werden. Sie wollen doch wohl nicht den Parkplatz hinter der Friedrichswerderschen Kirche erhalten?
Sie wollen doch nicht, dass der Schinkelplatz und das Areal darum herum so bleibt, wie es zurzeit aussieht? Insofern finde ich es wichtig, die Instrumentenfrage sorgfältig zu prüfen, bevor man sie in einen Antrag schreibt.
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Dr. Martin Lindner (FDP)]
Worum es gehen muss, ist erstens, dass wir endlich eine klare Bauleitplanung für das ganze Areal HumboldtForum, Schlossplatz, Schlossfreiheit bekommen. Das geht nicht, dass nur auf der Grundlage: „wir haben einmal ein Planwerk Innenstadt gemacht“ gebaut wird. Das ist eine informelle Planung, da brauchen wir endlich einen Be
bauungsplan. Es geht durchaus darum, dass die Koalition das, was sie im Koalitionsvertrag geschrieben hat, endlich umsetzt, nämlich dass sie eine Gestaltungsverordnung auf der Grundlage der Berliner Bauordnung für die historische Mitte einführen will. Frau Senatorin! Hier erwarten wir, dass Sie endlich handeln und Ihre Koalitionsvereinbarung wenigstens an dieser Stelle ernst nehmen.
Allerdings, das sage ich auch in Richtung der Gäste von der Gesellschaft Historisches Berlin, wollen wir Grünen nicht, dass das gesamte Areal – wie immer man es abgrenzt, das ist schwierig – mit einer Architektur des historisierenden Zuckergusses übergossen wird. Wir meinen, gerade die Berliner Mitte braucht ein Spannungsfeld zwischen Moderne und historischer Erinnerung. Das ist durchaus möglich, das ist richtig, darauf wollen wir hinarbeiten, aber es soll nicht alles eine Art neues Disneyland werden.
Ich sage das besonders wegen der Townhouses, die da geplant sind. Die können durchaus modern und frech sein. Es ist gut, dass dafür die Parzellenbauweise im Rahmen des Planwerks Innenstadt organisiert und festgelegt worden ist. Aber es wäre nicht gut zu meinen, daraus müssten wir ein neo-neo-barocken Stil machen. Das passt einfach nicht zu unserer Stadt. Das passt nicht zu diesen Häusern und zu den Menschen, die da leben sollen und wollen.
Ich möchte aber noch einmal die Forderung nach einem Bebauungsplan deutlich machen. Wir haben den Antrag gestellt. Wir halten es für nicht verantwortlich, ein Grundstück vor dem Staatsratsgebäude an Thyssen zu verscherbeln, typisch nach der Methode Liegenschaftsfonds und Sarrazin, ohne dass es dafür eine solide Bauleitplanung gibt. Das ist kein verantwortlicher Umgang mit der kommunalen Planungshoheit, sondern das ist einfach gemein, wenn Sie so etwas so machen.
Und was wir dringend fordern, ist ein tragfähiges Verkehrskonzept für den Bereich rund ums Humboldt-Forum. Es darf doch nicht das sein, was Sie, Frau Senatorin und Frau Lüscher, uns neulich vorgelegt haben, dass praktisch das Humboldt-Forum, die Schlossfreiheit und der künftige Schlossplatz von lauter Reisebussen umrahmt werden und dass Sie das dann den Architekten vorgeben und sagen: So, jetzt macht mal was damit – und die haben gar keinen Raum, wo sie das planerisch unterbringen sollen. Da sind Sie in der Verantwortung, Konzepte vorzulegen.
Ein Satz zur Rathausbrücke: Es ist nun einmal so, dass für die Schifffahrt heutiger Zeiten die Rathausbrücke in der alten, historischen Form nicht machbar ist. Was ich mir gewünscht hätte, wäre, dass ein Balkon an der modernen Brücke als Auskragung gestaltet worden wäre und dass diese für das Denkmal des Großen Kurfürsten von
Schlüter genutzt worden wäre. Das hätte ich in der Kombination von Moderne und historischer Erinnerung interessant gefunden. Es wurde uns im Ausschuss deutlich gesagt, dass das nicht geht. Und wenn es wirklich nicht geht, dann – finde ich – muss man das irgendwann akzeptieren und kann nicht immer wieder mit neuen Forderungen kommen. Dann ist es eben einfach so, und die Rathausbrücke wird so, wie sie jetzt geplant wird. Irgendwann muss man es akzeptieren.
Ein Satz noch zur Staatsoper. Auch hier finde ich, diese Diskussion, die jetzt stattfindet, hätte vor die Ausschreibung des Architektenwettbewerbs gehört.
Es kann nicht sein, dass man weiß, dass es zwischen Akustik und Blickbeziehungen zur Oper auf der einen Seite und dem denkmalgerechten Bau des paulickschen Raumes einen großen Zwiespalt gibt, und dann sagt: Weil wir zu feige sind, dazu eine Diskussion zu führen und eine Entscheidung zu fällen, sollen die Architekten das Problem lösen. – So steht es wörtlich in der Ausschreibung, und jetzt haben wir den Salat: Die einen sagen hüh!, die anderen hott! Und alle Architekten, die sich Mühe gegeben haben, sind Spielball dieser Feigheit des Berliner Senats, Diskussionen zu führen und Entscheidungen zu fällen.
[Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. Martin Lindner (FDP): Aber was wollt ihr denn jetzt, modern?]
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat mit Ihrer Priorität zweifellos ein wichtiges Thema gestellt, nämlich die Frage: Wie viel Geschichte brauchen wir?
Auf diese Frage hat übrigens Friedrich Nietzsche in 1870er Jahren bereits Gültiges gesagt: Nicht zu viel, nicht zu wenig, meinte er nämlich. Zu viel Geschichte schade dem Lebendigen, zu wenig nehme ihm seine Würde. Zitat:
Erst durch die Kraft, das Vergangene zum Leben zu gebrauchen und aus dem Geschehenen wieder Geschichte zu machen, wird der Mensch zum Menschen, aber in einem Übermaß von Historie hört der Mensch auf. Die Heiterkeit, das gute Gewissen, die frohe Tat, das Vertrauen auf das Kommende, alles das hängt davon ab, dass man ebenso gut zur rechten Zeit zu vergessen weiß, als dass man zur rechten Zeit sich erinnert.
Nietzsches Betrachtungen waren unzeitgemäß, weil er damals dem Historismus widerstehen wollte, jener geschichtsversessenen Epoche von der Romantik bis zum Wilhelminismus, die zu einem Übermaß an Geschichte führte, zu einem verzehrenden historischen Fieber, das die Kraft raubte, die Zukunft nach eigenen Maßstäben zu gestalten.