Protokoll der Sitzung vom 26.06.2008

Veränderte Lebensbedingungen erfordern die Förderung der Tagespflege!

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/1521 Antrag der FDP Drs 16/0253

b) Beschlussempfehlung

Transparenz in der Perspektive der Kindertagespflege

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/1522 Antrag der FDP Drs 16/1203

c) Beschlussempfehlung

Tagesgroßpflegestellen in Berlin erhalten

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/1524 Antrag der FDP Drs 16/1249

d) Dringliche Beschlussempfehlungen

Tagesgroßpflegestellen in Berlin erhalten und ausbauen

Beschlussempfehlungen BildJugFam und Haupt Drs 16/1574 Antrag der CDU Drs 16/0243

Der Dringlichkeit der zuletzt genannten Beschlussempfehlungen wird offensichtlich nicht widersprochen.

Ein Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zu allen vier Anträgen empfehlen die Ausschüsse jeweils die Ablehnung, und zwar gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen

und beim Tagesgroßpflegestellenantrag der FDP bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Ich lasse nun also abstimmen, zuerst über die Drucksache 16/0253, Stichwort „Förderung der Tagespflege“. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind FDP, Bündnis 90/Die Grünen und die CDU. Die Gegenstimmen! – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen sehe ich nicht.

Dann komme ich zur Drucksache 16/1203, Stichwort „Perspektiven der Kindertagespflege“. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP. – Danke schön! – Die Gegenprobe! – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen sehe ich nicht.

Dann komme ich zur Drucksache 16/1249, Stichwort „Tagesgroßpflegestellen“, dem Antrag der FDP. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDP und die CDU. Die Gegenstimmen! – Das sind die SPD und die Linke. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag abgelehnt. Bündnis 90/Die Grünen enthalten sich der Stimme.

Dann komme ich zur Drucksache 16/0243, Stichwort ebenfalls „Tagesgroßpflegestellen“, Antrag der CDU. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind FDP, CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Die lfd. Nrn. 23 bis 25 sind durch unsere Konsensliste erledigt.

Ich komme zur

lfd. Nr. 26:

Beschlussempfehlung

Mehr Wohlstand durch Wettbewerb (VIII): EU-Dienstleistungsrichtlinie zügig umsetzen – einheitlichen Ansprechpartner einsetzen

Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/1540 Antrag der FDP Drs 16/1159

Dazu wurden die Reden zu Protokoll gegeben.

Es ist zwar schon spät, aber das Thema ist es wirklich wert, auch jetzt noch debattiert zu werden. Bei der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie handelt es sich nämlich um alles andere als um einen Formalismus. Es handelt sich um eine Maßnahme, die substanziell in die Verwaltungsabläufe in Berlin eingreifen wird. Und es handelt sich um eine Maßnahme, die die Wirt

schaftsfreundlichkeit unser Stadt deutlich erhöhen kann und damit allen Bürgern und Unternehmen nutzt.

Um was geht es? Welche Chancen bieten sich für Berlin? Erste Chance: Für alle Fragen, die die Verwaltung betreffen, soll es in Berlin für alle Unternehmen nur einen einzigen Ansprechpartner geben – unabhängig davon, welche Senatsverwaltungen, welche Behörden, welche Bezirke fachlich zuständig sind. Zweite Chance: Der Stand der Genehmigungsverfahren wird zentral verfolgt – das schafft neue Transparenz darüber, welche Verwaltungen blockieren und welche sich wirklich als Dienstleister empfinden. Dritte Chance: Wenn das Verfahren zu lange dauert, ist der Antrag automatisch erledigt, das sorgt für schnelle Entscheidungen. Wer bisher für Genehmigungen durch die Verwaltungen der Bezirke tingeln musste oder das ständige Hin und Her zwischen Senatsverwaltungen und Bezirken am eigenen Leibe erlebt hat, der weiß: Das ist eine Revolution in der Berliner Verwaltung! Diese Revolution gilt nicht nur für ausländische Unternehmen. Der Einheitliche Ansprechpartner steht nämlich auch für die Berliner Unternehmen bereit.

Der Senat hat dies erkannt und will es so umsetzen. Das ist durchaus lobenswert. Auch alle Berliner Unternehmen bekommen so vereinfachten Zugang zu Genehmigungen. Auch für alle Berliner Unternehmen müssen Anträge in einer vorgegebenen Zeit bearbeitet werden. Was meinen Sie, was für ein Ansturm losbricht, wenn die Berliner Unternehmen dies verstanden haben? Wie viel unternehmerischer Elan kann dadurch ausgelöst werden! Wie viel Frust wird so abgebaut!

Die Umsetzung ist aber leider kompliziert: Schwierige Abstimmungsfragen zwischen den Bezirken und Senatsverwaltungen und ein neuartiges Zusammenwirken der IT-Systeme sind unabdingbare Voraussetzungen für den Erfolg. Das heißt: Viele Probleme, die bisher in der Verwaltungsreform nicht gelöst wurden, müssen jetzt schnell behoben werden. Jetzt kommt richtig Druck auf diese Fragen, und das ist gut so.

Deshalb ist es ganz wesentlich, die genaue Ausgestaltung des Einheitlichen Ansprechpartners zu diskutieren. Wesentliche Frage dabei ist: Wer soll es denn tun? Das Land Berlin? Die Kammern? Oder Private? – Aus Sicht der FDP-Fraktion braucht Dienstleistung privates Engagement. Wir glauben nicht, dass Landesbehörden sich wirklich zu echten serviceorientierten Dienstleistern umschulen lassen. Die Kammern kommen für uns als FDP hier nicht in Frage. Sie haben aufgrund der Pflichtmitgliedschaft eine besondere Pflicht, sich auf enge Kernaufgaben zu begrenzen. Zudem ist nicht sichergestellt, dass die Kammern externe Firmen völlig gleich mit ihren eigenen Mitgliedern behandeln. Die Kammern sind ja gerade Vertreter der Berliner Wirtschaft, nicht Externer. Deshalb kämen sie in einen Interessenkonflikt. Deshalb gilt: Ohne Private mit Dienstleistungserfahrung geht es hier nicht.

Wenn der Senat denkt, es ginge hier um eine reine Verwaltungsfrage, verpasst er wesentliche Chancen für die Wirtschaft unserer Stadt. Deshalb muss eine Lösung gefunden werden, die die Verwaltungserfahrung der Landesbehörden und die Dienstleistungseinstellung Privater zusammenbringt. Viele Auskunfts- und Betreuungsdienstleistungen, um die es hier geht, sind nicht hoheitlich und können von Privaten erledigt werden. Mit unserem Antrag wollen wir die Tür für die Einbeziehung privater Dienstleister offenhalten, wir wollen die bestmögliche Dienstleistung für unsere Berliner Unternehmen und alle Unternehmen, die hierher kommen wollen. Nutzen wir also die große Chance, die uns die EU-Dienstleistungsrichtlinie bietet, und machen wir das Beste für Berlin daraus! Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Es ist inzwischen gängige Praxis, dass Initiativen und Anträge der Opposition vonnöten sind, um den Senat in Sachen Europa auf Trab zu bringen. Nicht nur das skandalöse Abstimmungsverhalten Berlins im Bundesrat zum EUReformvertrag zeigt, dass der rot-rote Senat nicht willens und in der Lage ist, unsere Stadt für Europa fit zu machen. Im Gegenteil – das Verhalten des Senats bei europapolitischen Fragen spült Wasser auf die Mühlen der Europa-Skeptiker und schürt in der Öffentlichkeit die so oft beklagte Politikverdrossenheit.

Die CDU-Fraktion stimmt dem Antrag der FDP zur zügigen Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie ausdrücklich zu. Und wir fordern den Senat auf, die von der EU gesetzte Frist nicht bis zum letzten Tag auszureizen. Wir erwarten, dass unverzüglich mit den Vorbereitungen begonnen wird und die notwendigen Rahmenbedingungen nicht wie so oft im letzten Moment mit der sprichwörtlichen heißen Nadel gestrickt werden.

Herrn Senator Wolf rufe ich zu: Orientieren Sie sich bei der Einsetzung eines Einheitlichen Ansprechpartners für die Erbringer und Empfänger von Dienstleistungen nicht an Ihrer zahnlosen sogenannten One-Stop-Agency! Was die Stadt braucht, ist eine Institution, die in der Lage ist, ihren „Kunden“ auch tatsächlich die erwartete Unterstützung zu geben. Und weil Sie, Herr Senator, es selbst offenbar nicht können, empfehle ich Ihnen, den vorliegenden Antrag aufmerksam zu lesen und bei der Umsetzung vor allem die Zusammenarbeit mit kompetenten Partnern, beispielsweise den Kammern und Verbänden, zu suchen.

Einen Aspekt aus dem Sieben-Punkte-Papier möchte ich besonders herausgreifen, einen Punkt, bei dem die CDUFraktion noch mehr Handlungsbedarf sieht, als es der FDP-Antrag beschreibt. Wir meinen, der Senat sollte nicht nur auf eine Koordination mit dem Land Brandenburg achten. Mehr noch: Berlin muss gemeinsam mit Brandenburg am organisatorischen und inhaltlichen Rahmen für die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie arbeiten. Leider spüren wir oft genug, dass der Senat so agiert, als befände sich unsere Stadt unter einer Käseglocke. Es ist höchste Zeit, dass Wowereit und Co. begreifen:

Berlin ist mit der EU-Erweiterung in diesem Jahrzehnt in die Mitte der Europäischen Union gerückt. Es gilt, die dadurch entstehenden Chancen zu nutzen. Herr Wowereit! Krempeln Sie die Ärmel hoch und machen Sie Berlin in jeglicher Hinsicht fit für Europa! Wenn Sie und Ihre Senatsmannschaft nur ein Zehntel des Kampfgeistes der Deutschen Nationalmannschaft haben, sollte dies gelingen.

Wir werden hier – wie in den Ausschüssen – den Antrag ablehnen, weil zum Teil Selbstverständlichkeiten beantragt wurden, an denen der Senat, wie bei einem diesbezüglichen Besprechungspunkt deutlich wurde, bereits arbeitet und weil wir den durch die Dienstleistungsrichtlinie vorgeschriebenen Einheitlichen Ansprechpartner nicht auf den Markt werfen und befristen wollen, sondern diese Aufgabe in öffentlicher Hand und in Kooperation mit der IHK umsetzen wollen.

Der DGB hat uns jedoch in einem Schreiben gebeten, wiewohl er das auch von Berlin geplante bundesweit gemeinsame Vorgehen begrüßt, die DLR politisch zu würdigen. Diese Gelegenheit will ich hier gern nutzen: Als die Dienstleistungsrichtlinie, die ursprünglich vom EUKommissar Bolkestein vorgeschlagen wurde, 2006 durch den Kampf der Gewerkschaften, NGOs und auch linker Parteien wie unserer nachgebessert werden musste, wurde auch erreicht, dass „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ ausgenommen seien. Viele waren dann zufrieden, so die SPD, die diese DLR sodann unterstützte, aber auch der Widerstand der Gewerkschaften war nicht mehr erkennbar. Wir – Die Linke – waren weiter dagegen, und ich will Ihnen auch sagen warum: In Artikel 1 (3) heißt es nunmehr:

Diese Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht festzulegen, welche Leistungen sie als von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten, wie diese Dienstleistungen unter Beachtung der Vorschriften über staatliche Beihilfen organisiert und finanziert werden sollten und welchen spezifischen Verpflichtungen sie unterliegen sollten.

Klingt gut, oder? – Und noch besser:

Die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit sollten nur insoweit Anwendung finden, als die betreffenden Tätigkeiten dem Wettbewerb offen stehen, so dass sie die Mitgliedstaaten weder verpflichten, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu liberalisieren, noch öffentliche Einrichtungen, die solche Dienstleistungen anbieten, zu privatisieren, noch bestehende Monopole für andere Tätigkeiten oder bestimmte Vertriebsdienste abzuschaffen.

Wunderbar, da konnte man den Kampf ja wirklich beenden! Das Problem ist nur, dass es keine klare Definition

gab, was das heißt. Dies bleibt nämlich den Mitgliedsstaaten überlassen.

Unser Interesse ist dabei klar: eine möglichst breite Auslegung dieser Formulierung. Da treffen wir uns mit den Intentionen der DGB-Gewerkschaften, so z. B. der IG Metall und Verdi, die eine exakte Abgrenzung von Dienstleistungen im wirtschaftlichen Interesse im allgemeinen und im allgemein wirtschaftlichen Interesse verlangen, um die weitere Aushöhlung der Daseinsvorsorge durch die Hintertür zu verhindern.

Der Städtebund stellt jedoch fest:

Eine rechtssichere Definition der Begriffe „wirtschaftliche“ bzw. „nicht wirtschaftliche“ Dienstleistungen durch europäisches Recht fehlt. Der Kompromisstext räumt zwar den Mitgliedsstaaten die Hoheit bei Definition nicht wirtschaftlicher Leistungen der Daseinsvorsorge nach nationalem Recht ein. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass eine derartige Definition rechtssicher ist, zumal jede Dienstleistung nach wirtschaftlichen Kriterien messbar ist. Damit stehen große Bereiche öffentlicher Dienstleistungen letztlich wieder auf dem Prüfstand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes.

Und auf den EuGH als Instanz zu setzen, die den bisher nicht klar definierten Bereich in unserem Sinne auslegt, scheint nach dem Urteil gegen Niedersachsen in Sachen „Rüffert“ nicht aussichtsreich zu sein.

Es bleibt daher die Herausforderung, erstens und vor allem im Mitgliedsstaat Deutschland zu entsprechenden Klarstellungen zu kommen. Der Bundestag und die Bundesregierung sind hier gefordert. Noch wichtiger ist es aber, dass auch im Europäischen Parlament auf eine Klarstellung hingewirkt wird, damit nicht ein europäischer Wettbewerb der schlechtestmöglichen Interpretation einsetzt.

Und auch wenn ein einzelnes Bundesland – ich sage nur Vergabegesetz – auf europäischer Ebene nur sehr wenig zählt, muss auch Berlin aktiv bleiben. In Berlin setzen wir uns daher auch dafür ein, dass die Gewerkschaften an der Umsetzung beteiligt werden. Der Senat hat dies bei der Besetzung der Entscheidungsinstanz auch absichern können. Dies alles ist natürlich nicht das Problem der FDP. Sie will mehr Markt, mehr Private, mehr Ausschreibungen, und dem stimmen wir natürlich nicht zu! – Vielen Dank!

Alles wartet gespannt darauf, wer heute Abend der Gegner von Deutschland im Finale wird, da kann die Spannung darüber, wie die EU-Dienstleistungsrichtlinie in Berlin umgesetzt wird, wohl kaum mithalten.

Was ist das Problem: Ab Januar 2010 muss es in allen EU-Staaten, also auch in den Bundesländern, einheitliche