Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

Es bleibt unter dem Strich: Die Automobilindustrie befindet sich in einem Umschwung. Sie hat sich – auch die deutsche Automobilindustrie – leider nicht rechtzeitig den Anforderungen der globalen Klimakatastrophe gestellt.

Das Versäumte jetzt durch Großprojekte schnell nachzuholen und das Ganze durch staatliche Abnahmegarantien zu unterstützen, halte ich für den falschen Weg – übrigens auch nicht für einen wettbewerblichen Weg, der doch gerade von der FDP immer so hochgehalten wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Dr. Martin Lindner (FDP): Verstaatlichen, oder?]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Matuschek! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Abgeordnete Schmidt. – Bitte sehr!

[Christian Gaebler (SPD): Sie kommen doch nachher noch genug dran!]

Frau Präsidentin! Frau Matuschek! Eins wird wieder klar: Sie sind gegen Autos. Auch wenn sie keinen Lärm machen und keine Abgase produzieren, sind Sie trotzdem dagegen. Das ist Ihre Politik.

Ich weiß nicht, wie Sie zu der abstrusen Behauptung mit dem Lobbyismus kommen, wenn Sie den Antrag gelesen haben. In dem Antrag steht explizit, dass nicht ein einziges Autounternehmen, ein einziger Stromlieferant – die jetzt den Großversuch machen – bevorteilt werden und sich hier Strukturen schaffen soll. Der Senat verpennt das. Er wird zulassen, dass sich hier ein Monopol ausbreitet, und dann werden Sie sich in zehn Jahren wundern, warum plötzlich nur noch ein Hersteller und ein Lieferant da sind.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Sie sind diejenigen, die das verhindern müssen! In unserem Antrag steht, Sie werden aufgefordert, genau das zu verhindern. Wie Sie das ins Gegenteil verkehren können! Das kann nur daran liegen, dass Sie den Antrag nicht gelesen haben! – Danke!

[Beifall bei der FDP – Mieke Senftleben (FDP): Nicht verstanden! – Dr. Martin Lindner (FDP): Die Taktik der kleinen Marxisten!]

Frau Matuschek möchte nicht antworten. Dann hat für die Fraktion der Grünen die Frau Abgeordnete Hämmerling das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Dame, meine Herren von der FDP! Das Elektroauto als Priorität – na ja! Aber keine Angst, Ihr Anliegen unterstützen wir im Prinzip! Wir meinen jedoch, dass die Bedingungen

stimmen müssen, damit Elektroautos wirklich die umweltfreundlicheren Fahrzeuge, umweltfreundlicher als Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor sind. Es ist richtig, und es ist auch gut, dass Elektroautos keine Abgase in der Stadt erzeugen. Das verbessert die Umweltqualität. Aber Elektroenergie ist nicht per se eine saubere Energie. Es wäre unsinnig, ein gasbetriebenes, relativ umweltfreundliches Fahrzeug durch ein Elektroauto zu ersetzen, das mit Atomstrom oder dreckigem Kohlestrom betrieben wird. Das wäre sicherlich der falsche Weg. Dann hätte man das Immissionsproblem lediglich verlagert. Dem können wir nicht zustimmen.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Dr. Martin Lindner (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Lindner? – Dann hat er das Wort. – Herr Dr. Lindner – bitte!

Wir wollen alle nicht Probleme verlagern, aber finden Sie nicht auch, dass es eine Verlagerung von Problemen ist, wenn wir das Gas für Ihre sauberen gasangetriebenen Autos aus Russland importieren und die Russen als Ersatz dafür für den heimischen Markt Atom- und Kohlekraftwerke auf wesentlich geringerem technischem Level als in Deutschland bauen?

Wir können zumindest die umweltfreundlichen Energien, die wir hier in Deutschland erzeugen – die Windkraft, die Solarenergie – fördern, indem wir sagen: Wenn wir Elektroautos betreiben wollen, dann mit umweltfreundlichen Energien.

[Beifall bei den Grünen]

Ich habe den Vergleich gezogen, damit deutlich wird, dass es keinen Sinn hat, ein emissionsloses Auto in der Stadt fahren zu lassen und die Emissionen irgendwo an anderer Stelle in viel schlimmerem Umfang zuzulassen. Wir sagen aber auch, dass es sinnlos ist, Elektroautos in Berlin einzusetzen, wenn die Energieeffizienz schlechter ist als bei einem Auto mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor. Insofern muss man gucken: Woher kommt die Energie? – Bezüglich der Frage der regenerativen Energien hatte ich schon etwas gesagt.

Wir sagen trotzdem: Ja, wir wollen Elektroautos fördern, nämlich wenn die Rahmenbedingungen so geschaffen werden, dass die Autos mit umweltfreundlicher Energie betrieben werden. Außerdem müssten dann Anreize geschaffen werden, damit die Leute zu den Tages- und – besser – Nachtzeiten, in denen Strom im Überfluss vorhanden ist, ihre Batterien auftanken. Das kann man über Preisvorteile ermöglichen. Sie wissen: Jeder Autofahrer fährt einen Umweg von zig Kilometern, um ein paar Cent

billiger zu tanken. Das könnte man nutzen, damit die Menschen zu Tages- und Nachtzeiten Strom für Ihre Autos gewinnen, der günstig zu bekommen ist.

Wir warnen allerdings davor zu glauben, dass mit Elektroautos die Fragen der städtischen Mobilität geklärt werden können. Das können Sie mit Sicherheit nicht. Sie können damit auch nicht die Probleme des motorisierten Individualverkehrs lösen. Dazu hat Frau Matuschek bereits etwas gesagt, das ich nicht wiederholen will.

Das Hauptproblem für uns ist, dass Autos den öffentlichen Raum blockieren, wenn sie nicht unterwegs sind. Das ist ein Problem, das man mit keinem Auto, gleich welcher Antriebsart, lösen kann. Deswegen brauchen wir andere Formen der städtischen Mobilität. Wir brauchen andere Fortbewegungsmittel. Bis diese zur Verfügung stehen, ist das Elektroauto ein Mittel der Wahl, das man unterstützen kann.

Wenn Sie Änderungsvorschlägen, die wir zu Ihren Anträgen einbringen, zustimmen, können wir Ihren Antrag unterstützen.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Martin Lindner (FDP): Wenigstens eine sachbezogene Rede!]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hämmerling! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung beider Anträge federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr sowie mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Wir kommen zur Priorität der Fraktion der SPD

lfd. Nr. 4 d:

I. Lesung

Gesetz zur Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Berlin, der Problemabfallverordnung, der Verordnung zum Ausschluss von Abfällen von der Annahme bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR) sowie der Verordnung zum Ausschluss von Abfällen von der Entsorgung durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Land Berlin

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/1773

Das ist der ehemalige Tagesordnungspunkt 9. – Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. – Es beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Buchholz, bitte!

[Christoph Meyer (FDP): Ah, die BSR-Lobbyisten!]

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen! Meine Herren! Der hier vorliegende Antrag hat schon in den letzten ein, zwei Tagen für einigen Wirbel in der Berliner Presselandschaft gesorgt.

[Mieke Senftleben (FDP): Zu Recht! – Zuruf von Carsten Wilke (CDU)]

Offensichtlich liegt dieses Thema nicht nur der Koalition, sondern auch anderen am Herzen. Das ist gut so.

Worum geht es? – Es geht darum, dass die bundesweit gültige Verpackungsverordnung mit dem, was sie vorschreibt, endlich in Berlin konsequent und richtig angewandt wird. Es geht um Mittel für die Abfallberatung bei den sogenannten DSD-Nebenentgelten, um das, was wir als Verbraucher alle bereits bezahlt haben, nämlich den Grünen Punkt, der auf der Verpackung ist, nicht dessen Entsorgung, sondern nur die Abfallberatung zur Getrenntsammlung. Das hat ein Volumen von insgesamt 6 Millionen Euro pro Jahr, umgerechnet 1,79 Euro pro Einwohner und Jahr in Berlin. Davon sind 3 Millionen Euro schon vorab gebunden.

Und rund 3 Millionen Euro – um die es wirklich geht – sind die eigentlichen Mittel zur Abfallberatung. Die wollen wir, und das ist das Ziel dieses Antrags, nicht mehr durch eine private Gesellschaft bewirtschaften lassen, unabhängig und neben dem, was bisher schon an Abfallberatung durch unser landeseigenes Unternehmen BSR passiert. Diese Beratungsmittel für die Abfalltrennung sollen durch die BSR verwaltet und ausgeben werden.

Davon haben wir ein, zwei Vorteile. Zunächst einmal gibt es eine klare Zweckbindung für diese Mittel. Es gilt für die BSR ein reines Kostendeckungsprinzip, kein Gewinnerzielungsprinzip, das heißt, die Mittel werden vollständig zur Verfügung stehen, es muss keine Gewinnmarge abgeführt werden.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das ist doch eigenartig!]

Es gibt Synergien mit der bisherigen Beratung bei der BSR. Sie macht nämlich mit ihren Produkten in ihrer Öffentlichkeitsarbeit jede Menge Werbung für die getrennte Sammlung in Berlin. Wir werden wegen des Kostendeckungsprinzips eine umfassende Transparenz über die Mittelverwendung haben, über das, was die BSR jährlich vorlegt. Wir werden dazu noch einen jährlichen Bericht an das Abgeordnetenhaus einfordern, damit die Transparenz doppelt gesichert ist. Keiner wird sagen können, es sei weniger, sondern es wird deutlich mehr als bisher sein. Das müsste inhaltlich unstrittig sein. Wir hoffen es jedenfalls, dass dieser Teil unstrittig ist.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Halten Sie uns jetzt nicht mit den Nebensachen auf!]

Wie wir den Zeitungen entnehmen konnten, gibt es aber eine Diskussion über das, was mit der Gesetzesänderung verbunden ist, die sogenannte Übertragung der öffentlich

rechtlichen Entsorgungsträgerfunktion im Rahmen dieses Gesetzes.

[Zurufe von Heidi Kosche (Grüne) und Dr. Martin Lindner (FDP)]

Herr Dr. Lindner! Ein Blick in das Gesetz ist oftmals viel mehr wert als alle Polemik, die Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen verbreiten.

[Henner Schmidt (FDP): Das gilt auch für Sie! – Dr. Martin Lindner (FDP): Und Ihre Fraktionsgenossen!]

Da sollte man in die bundesweit gültige Verpackungsverordnung schauen:

Der Systembetreiber ist verpflichtet, sich an den Kosten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu beteiligen, die durch Abfallberatung für sein System entstehen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das Land Berlin!]