Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

„Öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger“! – Wir sind uns einig: Bisher tut es nicht der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger. Das ist die erste Feststellung, Herr Lindner, weder in einem wettbewerblichen Verfahren noch sonstwie an die ALBA-DASS-GmbH, um den Namen zu erwähnen, vergeben. Bisher ist das kein Wettbewerb, weil die DSD das direkt gemacht hat, ohne eine Ausschreibung. Das konnte Ihnen eigentlich auch nicht gefallen, das haben Sie aber nie moniert. Das sollte man einmal festhalten.

[Zuruf von Felicitas Kubala (Grüne)]

Dann sollte man sich darüber im Klaren sein, dass diese Abstimmungsvereinbarung, die überall öffentlich kritisiert wird, einen wichtigen Inhalt hat: Es geht um die Abstimmung zwischen dem bestehenden Sammelsystem des öffentlichen Entsorgers BSR und dem, was für die Sammlung beim Grünen Punkt passiert. Das ist Inhalt der Abstimmung. Es gibt bundesweit gültige Abstimmungsvereinbarungen, Frau Kollegin Kubala, die dann auch in Berlin angewandt werden.

[Felicitas Kubala (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Man muss vor allem sehen, was andere Bundesländer, andere Städte, andere Kommunen machen. Sie machen es oft genau so, wie wir es jetzt mit diesem Gesetz in Berlin einführen.

[Henner Schmidt (FDP): Es gibt kein einziges Beispiel dafür!]

Wir werden das gleich ausführen, gerne.

Entschuldigung, Herr Buchholz! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Kubala?

Da Frau Kubala gleich reden wird, verzichte ich, und wir schauen, ob wir das dann in der nächsten Runde machen.

Ich glaube, wir werden darüber heute noch länger diskutieren.

Es gibt also mehrere Kreise und Städte, die diese Funktion auch an ihre Eigenbetriebe und an Zweckverbände übertragen haben. Das ist so. Das können Sie im Internet nachlesen, wenn Sie ein bisschen recherchieren.

Da ist eines interessant: Wie bewertet das Duale System Deutschland die Vergabe – die Neuorganisation und dann Änderung des Gesetzes –, die wir jetzt hier vorhaben? – Dazu werde ich Ihnen ein Zitat aus dem Berliner „Tagesspiegel“ von gestern vorlesen. In dem Artikel war die Frage, ob Wettbewerbsverzerrung auftrete, ob letztlich ein Monopolist BSR sich selbst etwas zuschustern könnte.

Auch beim DSD in Köln heißt es: „Das geht gar nicht. Als Verantwortliche für die Ausschreibung würden wir das auch nicht mitmachen.“

Das war die Aussage vom DSD – Duales System Deutschland GmbH – gestern. Heute gibt es eine Pressemitteilung des Vorsitzenden der Geschäftsführung des DSD, Herrn Schreiter, der exakt das Gegenteil sagt, eine 180-Grad-Wendung macht. Er sagt, es sei nicht mehr akzeptabel. Wir würden gar einen Rückfall in die Staatswirtschaft erleben.– Da fragt man sich schon, wie so etwas über Nacht zustande kommt.

[Michael Schäfer (Grüne): Er hat sich die Sache angeguckt!]

Ich habe den Redakteur des „Tagesspiegels“ gefragt, er hat den Pressesprecher des Dualen Systems Deutschland dazu befragt. Das war gestern kein Satz, den er sich selbst ausgedacht hat. Heute behauptet dann der Vorsitzende der Geschäftsführung das Gegenteil. Das sollte uns allen sehr zu denken geben, dass eine Gesellschaft, die bundesweit –

Herr Abgeordneter Buchholz! Ich weise Sie darauf hin, dass Ihre Redezeit beendet ist. Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, vorletzter Satz! – als neutrale Institution dastehen muss, meint, sich hier so einmischen und von einem Tag auf den anderen auch noch gegensätzliche Ausführungen machen zu müssen. Wir werden mit dem Antrag, den wir hier eingebracht haben, die Entsorgungsaufträge für Verpackungsmüll in Berlin effizient vergeben können. Sie werden ausschließlich und weiterhin nur durch den Betreiber des Dualen Systems ausgeschrieben. Dabei bleibt es, da gibt es kein Zuschanzen, –

Herr Buchholz! Bitte kommen Sie zum Schluss!

auch keine Staatswirtschaft, das ist eine sehr vernünftige Lösung.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Buchholz! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Wilke das Wort. – Bitte!

[Zurufe von Dr. Martin Lindner (FDP) und Christian Gaebler (SPD)]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Buchholz! Ich glaube, wir ordnen jetzt die Gedanken systematisch. Der vorliegende Entwurf zur Novellierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zielt darauf ab, der BSR den Status als Träger der öffentlich-rechtlichen Entsorgung zu übertragen, den bisher das Land Berlin innehat. Das ist Ihr Wille. Damit würde das Land Berlin seine entsorgungspolitische Kontrollfunktion über die BSR verlieren. Dem Senat soll also die Verantwortung über eine wichtige Kontroll- und Steuerungsfunktion durch die eigene Koalition entzogen werden. Diesem Senat, Herr Kollege Buchholz, Kontrolle und Steuerung zu entziehen, macht man mit der Wahl 2011, aber nicht mit einem Artikelgesetz, schon gar nicht mit diesem.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Der uns vorliegende Antrag ist für die CDU-Fraktion vollkommen inakzeptabel. Was Sie da vorhaben, ist so, als integrierten Sie den Aufsichtsrat eines Unternehmens, in dessen Unternehmensvorstand. Das ist doch absurd, meine Damen und Herren, vollkommen absurd!

[Tom Schreiber (SPD): Weil Sie es nicht verstanden haben! – Jutta Matuschek (Linksfraktion): Das ist ja Unsinn!]

Als Träger der öffentlich-rechtlichen Entsorgung würde die BSR über die sogenannte Abstimmungsvereinbarung mit dem Dualen System Deutschland die Rahmenbedingungen für die Wertstoffsammlung in Berlin festlegen. Diese Aufgabe hat seit 1991 das Land Berlin, jetzt vertreten durch die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Damit würde die BSR, die heute über ihre Tochter Berlin Recycling GmbH am Wettbewerb im Wertstoffgeschäft teilnimmt, gleichfalls zum Schiedsrichter dieses Wettbewerbs werden und dessen Regeln definieren.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Meinen Sie als die hier koalierenden Genossen, man tue der BSR einen Gefallen, wenn Sie den Marktteilnehmer zum Schiedsrichter ernennen? – Genau das Gegenteil wird der Fall sein, denn die BSR wird ständig Angriffen der Mitbewerber ausgesetzt sein, und das ganz zu Recht.

Oder geht es Ihnen in der Koalition lediglich darum, im Zuge der vorgestern abgehaltenen BSR-Personalversammlung vor der Belegschaft etwas zu glänzen?

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Das wäre dann unseriös, denn eine so zum Ausdruck gebrachte Solidarität mit der BSR im Interesse der Sicherung der dortigen Arbeitsplätze könnte wiederum Arbeitsplätze bei anderen Entsorgern vernichten. Aber bei den Personalversammlungen der anderen müssen Sie ja nicht auftreten. Es ist überhaupt unseriös, sich ständig als Gralshüter der landeseigenen Unternehmen darzustellen, denn es geht letztlich um Entgelt, das Verbraucher zahlen müssen. Ein solches Entgelt sinkt bekanntlich nur durch Wettbewerb und nicht durch Monopolgarantieren. Es ist immer die Balance des Wettbewerbs, Herr Buchholz, die Arbeitsplätze bei der BSR wie auch bei anderen Entsorgungsunternehmen garantiert.

In der Vergangenheit hat die BSR das Wertstoffgeschäft vernachlässigt. Sie investierte vor allem in die Müllverbrennungsanlagen statt in moderne Recyclingsysteme und Sortieranlagen. Die BSR hat auch in Zukunft ein hohes Interesse an der Auslastung der Müllverbrennungsanlage in Ruhleben, die sie erweitern will. Eine solche Erweiterung wäre ein Rückschritt für die bisherige erfolgreiche Umwelt- und Recyclingwirtschaft in Berlin. Ca. 500 Unternehmen in Berlin, die einen dreistelligen Millionenbetrag in moderne Wertstoffanlagen investiert haben,

[Daniel Buchholz (SPD): Das hat doch gar nichts mit dem Thema zu tun!]

werden künftig nur vom Wohlwollen der BSR abhängig sein. Damit werden nicht nur die bisher erreichten Fortschritte in der Wertstoffwirtschaft aufs Spiel gesetzt, sondern auch die erheblichen Betriebskosteneinsparungen für die Berliner Mieterinnen und Mieter sind dann gefährdet.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Das bisherige Wertstofferfassungssystem in Berlin mit gelber Tonne und gelber Tonne plus hat der Berliner Wohnungswirtschaft und damit den Mietern Betriebskosteneinsparungen von etwa 60 Millionen Euro jährlich gebracht. Der Anteil der BSR an diesen Einsparerfolgen für die Bürger fällt dabei relativ gering bzw. dürftig aus.

Der Gesetzentwurf sieht ebenfalls vor, dass die sogenannten Nebenentgelte, das heißt, die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit, die bis zu 50 Prozent an die BSR und private Dritte geflossen sind, wo Sie uns hier weismachen wollen, dass das der Hauptbestandteil Ihres Artikelgesetzes ist, in Zukunft komplett von der BSR vereinnahmt werden sollen. Dieses wird von uns gar nicht generell infrage gestellt, allerdings knüpfen wir es dann an die Bedingung der Nachweisführung über die Mittelverwendung durch die BSR, die einzufordern ist.

[Zurufe von Daniel Buchholz (SPD) und Christian Gaebler (SPD)]

Die bisherige Intransparenz ist abwegig und ein Beleg dafür, dass die Koalition in Berlin jeden Ansatz aufgegeben

hat, von der BSR Kontrolle und Rechenschaft einzufordern.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Sollte es bei diesem unbefriedigenden Zustand bleiben, wäre über eine Ausschreibung der Nebenentgelte nachzudenken. Schon in Anbetracht dessen, was heute über Filz, Sozialdemokratie und diesen Antrag zur öffentlichen Berichterstattung kam, ist es das Beste, Sie ziehen den Antrag zurück. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wilke! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Platta das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wilke! Manchmal hat man den Eindruck, dass Sie den Text nicht so richtig gelesen haben,

[Beifall von Marion Seelig (Linksfraktion) und Daniel Buchholz (SPD)]

weil sich die Übertragung der Rechte des öffentlichen Trägers auf § 5 bezieht und nicht auf das gesamte Prinzip der Abfallwirtschaft.

[Carsten Wilke (CDU): Man merkt, wie Sie es verstehen!]