Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Die nächste Frage stellt der Kollege Lehmann von der FDP-Fraktion.

Danke schön, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Frau Knake-Werner, ausgehend von einem Artikel im „Tagesspiegel“ vom 11. Dezember. Dort steht:

Mit dem Fest rückt das Chaos näher. Beim Behindertenfahrdienst brechen die Leitungen

zusammen. Ich möchte von Ihnen wissen, wie in diesem Jahr sichergestellt wird, dass Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf Mobilität wahrnehmen können, zum Weihnachtsfest nicht isoliert zu Hause sitzen müssen und zu ihren Angehören gelangen, insbesondere diejenigen, die nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können. Warum – das haben mir einige Vereine zugeschickt – wurde die Kleine Anfrage der Abgeordneten SarantisAridas mit sehr dezidierten und guten 27 Fragen zum Behindertenfahrdienst immer noch nicht beantwortet? – Sie datiert vom 18. September dieses Jahres.

Frau Senatorin Knake-Werner!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lehmann! Diese Frage hat zwar schon der Herr Hoffmann gestellt, und wir werden sie ihm schriftlich beantworten, weil sie mündlich nicht mehr zum Zuge gekommen ist, aber ich bin gerne bereit, auch Ihre Frage zu beantworten, obwohl das nicht die Regel ist.

Zum Sonderfahrdienst in diesem Jahr ist Ähnliches zu sagen wie in den Jahren zuvor. Sie wissen als Kenner der Szene, dass insbesondere zu Weihnachten ein sehr großer Bedarf besteht. Wir haben deshalb dem Regiebetrieb zugesagt – und die organisatorischen Entscheidungen sind dort auch getroffen –, das Aufkommen an Fuhrleistungen zu erhöhen. Wir haben die Fuhrleistungen an den Feiertagen um 30 % erhöht. Ich denke, es wird trotzdem eng

werden, weil an solchen Tagen viel mehr Bedarf an Behindertentransporten vorhanden ist als sonst.

Wir haben deshalb gemeinsam mit dem Regiebetrieb appelliert, dass diejenigen, die in der Lage sind, auch ein Taxi zu nutzen, dies auch tun mögen. So kann der Fahrdienst von den Menschen, die nicht in der Lage sind, auf das Taxi auszuweichen, und absolut auf den Fahrdienst angewiesen sind, genutzt werden.

Herr Kollege Lehmann! Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön!

Die Frage hatte noch einen zweiten Teil, und hier frage ich gern noch einmal nach. Es ging um die Kleine Anfrage mit den sehr dezidierten Fragen zum Fahrdienst und wie es dort weitergeht. Ich frage Sie, wann diese beantwortet wird. Die Frage liegt bereits einige Zeit zurück, und die Vereine und Verbände haben ein Recht, hier eine Antwort zu bekommen.

Frau Senatorin!

Herr Lehmann! Wenn Sie Fragen stellen, antworte ich Ihnen auch ganz direkt. Das könnten Sie bestimmt auch an alle weitergeben, die ein Interesse an dem Fortgang des Sonderfahrdienstes haben.

Zu der Kleinen Anfrage weiß ich, dass wir um Verlängerung gebeten hatten, weil sie den Charakter einer ziemlich großen Anfrage hat, wie Sie selbst schon deutlich gemacht haben.

[Gregor Hoffmann (CDU): Dem Problem angemessen!]

Den genauen Sachstand kann ich Ihnen nicht sagen, werde mich aber in meiner Verwaltung erkundigen, ob diese Anfrage inzwischen bereits beantwortet ist. Ich weiß, dass es im September die Bitte um Fristverlängerung über eine längere Zeit gegeben hat.

Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Mit dieser Antwort ist die Spontane Fragestunde abgelaufen.

Wir kommen nun zu

lfd. Nr. 4:

Aktuelle Stunde

Verbraucherschutz vergammelt unter PDS-Senatorinnen – Gammelfleischskandal jetzt in Berlin!

Antrag der CDU, der Grünen und der FDP

in Verbindung mit

Dringlicher Antrag

Konsequenzen aus dem Berliner „Gammelfleisch”-Skandal ziehen

Antrag der Grünen Drs 16/0118

Wird der Dringlichkeit des zuletzt genannten Antrags widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich stelle fest, dass jeder Fraktion eine Redezeit von bis zu 10 Minuten zur Verfügung steht. Das Wort hat zunächst die CDU-Fraktion mit Herrn Czaja. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit mehreren Tagen beschäftigt die Stadt das Gammelfleisch, und die Senatoren machen den Eindruck, als sei nur ein kleiner Fehler in der Senatsverwaltung passiert und alles sei gar nicht so schlimm. Deswegen will ich eingangs der Debatte auf die Chronologie eingehen und deutlich machen, was zu dieser Zeit an Fehlern passiert ist sowie was die Senatorin seinerzeit gemacht hat.

Da haben wir den 21. September: Am 21. September soll – so der Senat heute – eine Routineuntersuchung dazu geführt haben, dass man Gammelfleisch auf dem Fleischhof in der Beusselstraße entdeckte. Der Leiter des Veterinär- und Lebensmittelamtes in Mitte, Herr Bathe-Peters, sagte in der „Berliner Zeitung“ aber: Wir haben am 21. September einen ernst zu nehmenden Tipp bekommen und daraufhin noch am selben Tag die Lieferung kontrolliert. – Woher weiß eigentlich die Senatorin, dass es sich um eine Routineuntersuchung handelte, wenn heute von einem Tipp die Rede ist, es damals auch war und wenn Sie zum damaligen Zeitpunkt über den Vorgang gar nichts wusste?

Was machte Rot-Rot zu diesem Zeitpunkt, und was beschäftigte Frau Knake-Werner zu diesem Zeitpunkt? – Nicht dieses Projekt! Der „Tagesspiegel“ schreibt: „Die Linke kämpft ums Profil und um Rot-Rot.“ Es ging um die neue Landesregierung – Gammelfleisch passé.

Heute sagt der Senat in seiner Erklärung – und dies ist die zweite Frage, die völlig unterschiedlich, nahezu von Tag zu Tag, beantwortet wird: Am 21. September sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft 95 Tonnen des Fleisches in einem Kühlhaus sichergestellt worden. Nach bisherigen

Erkenntnissen sind in Berlin vor diesem Zeitpunkt 42,6 Tonnen des aus Italien gelieferten Putenfleisches in die Produktion gelangt. Die Lieferwege wurden nach aufwendigen Recherchen ermittelt und der Verbleib der Ware kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass nur noch in einem Betrieb in Friedrichshain-Kreuzberg Ware vorhanden war, die vernichtet wurde, da bereits Proben dieser Charge entnommen worden waren.

Richtig ist, dass die Senatsverwaltung zuerst nur von kleineren Mengen verdorbenen Fleisches, die in die Produktion gelangt sind, gesprochen hat und dass sie jetzt erst deutlich macht, dass 42,6 Tonnen bereits in die Produktion gekommen, im Übrigen davon 20 Tonnen bereits verkauft waren. Da es vor dem 21. September geliefertes Fleisch war, kann es gar nicht aus dieser Charge gewesen sein. Auch das bestätigt das Bezirksamt Mitte, aber die Senatorin völlig unterschiedlich – heute so, morgen so.

Dann gibt es die nächste Frage: Wann lagen die Untersuchungsberichte vor? – Nach Herrn Bathe-Peters nach circa einer Woche: Danach stellten wir fest, dass von 25 Proben 19 als gesundheitsschädlich herausgefunden waren und in 12 Proben Salmonellen nachgewiesen werden konnten. Er selbst sagt: Unmittelbar nach Vorlage der Analyse wurde die Gesundheitsverwaltung schriftlich benachrichtigt, ein Ermittlungsverfahren gegen den Fleischgroßhändler eröffnet. – Wieder glaubt die Senatsverwaltung, davon nichts gewusst zu haben.

Womit beschäftigte sich Rot-Rot? – Der „Tagesspiegel“ schreibt: „Gysi stimmt Genossen auf Rot-Rot ein.“ Das war das Thema, das in dieser Woche beschäftigte. Es war nicht der Gammelfleischskandal, und Sie hatten zu diesem Zeitpunkt auch gar kein Interesse gehabt, über dieses Thema zu reden.

Dann kommt die Frage an die Senatsgesundheitsverwaltung, wann sie informiert wurde. In ihrer eigenen Pressemitteilung schreibt die Senatsverwaltung:

Bei solchen Vorfällen sind die notwendigen Informationswege in unterschiedlichen Verwaltungsvorschriften und Gesetzen klar und deutlich geregelt. Danach hätte angesichts der Bedeutung des Vorfalls das zuständige Fachreferat der Senatsverwaltung vom Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt und auch vom Untersuchungsinstitut unmittelbar nach Bekanntwerden der Probeergebnisse informiert werden müssen. Das unterblieb jedoch und geschah erst auf dem normalen Dienstwege, der 14 Tage dauerte.

Also: Die Rechnung bis zum 9. Dezember, wo etwas öffentlich geworden ist, scheint nicht ganz zu funktionieren: 14 Tage nach dem 28. September? Damit wird indirekt bestätigt, dass in Verwaltungsvorschriften und Gesetzen das Verfahren eindeutig geregelt ist, und der erste eigentliche Widerspruch entsteht dadurch, dass die Senatsverwaltung einerseits bestreitet, die Information gehabt zu haben, andererseits in einer eigenen Pressemitteilung mitteilt, dass sie auf dem regulären Dienstweg, also 14 Tage

nach der Untersuchung, diese Daten übermittelt bekommen hat.

Schlussfolgerung ist für mich, dass am 12. oder 13. Oktober jeder in der Senatsverwaltung Bescheid wusste und dass in keiner Weise davon ausgegangen werden kann, dass die Senatsverwaltung erst am 8. Dezember informiert worden ist.

Was geschah nach dem 28. September bis Ende Oktober? – Durch die Lieferlisten wurde ein Teil des Fleisches sichergestellt, Waren wurden in einigen Bezirken überprüft. Die Senatsverwaltung meint heute, sie hätte nichts davon gewusst. Dann der große Sprung: 9. und 10. November. Das zuständige Referat und das Bezirksamt informieren die zuständige Bundesbehörde und die EU. Wieder will Rot-Rot nichts davon gewusst haben. Der „Tagesspiegel“ schreibt an dem Tag: Lafontaine hat Bedenken gegen rotroten Senat. Er weiß nicht, wie lange der Friede hält. Euphorie sei nicht angesagt. – Wohl recht hatte der Mann an diesem Tag!

Und dann kommt der 8. Dezember – die Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Das ist wieder ein Monat später. Einen Monat später meint die Staatsanwaltschaft erneute Ermittlungen aufnehmen zu müssen, informiert die Senatsverwaltung und informiert die Öffentlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt fragt die Öffentlichkeit nach, was denn da eigentlich für ein Fall gewesen sei. Nun sagt die Senatorin weiterhin, sie wisse nichts und wolle sich erkundigen, und stellt dann am 12. Dezember in einer Pressemitteilung fest:

Angesichts zunehmender Probleme mit Lebensmitteln regte Frau Knake-Werner an, eine umfassende und nachträgliche Information der Öffentlichkeit auch gesetzlich zuzulassen. Bislang – so die Senatorin – sei die Rechtslage so, dass die Öffentlichkeit nicht mehr informiert werden dürfe, wenn die beanstandeten Lebensmittel bereits aus dem Verkehr gezogen sind.

[Gregor Hoffmann (CDU): So ist das mit dem Informationsgesetz!]

Das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit.

[Beifall bei der CDU]

Im Gesetz zur Information der Verbraucherinnen und Verbraucher im Lebensmittelverkehr im Land Berlin – Ihrem Gesetz – steht in § 2 Abs. 1, dass die oberste Landesbehörde jederzeit informieren kann, wenn hierbei ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Das hat sie übrigens in diesem Fall bis heute nicht getan, sondern öffentliche Berichterstattungen sind ausschließlich seitens der Staatsanwaltschaft erfolgt.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Die von der Senatorin angeführte Passage bezieht sich auf einen völlig anderen Paragrafen – nicht auf die Passage über ihre Aufgaben, sondern auf die folgende Passage: