Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Ich habe selbst vor zwei Wochen bei der Ehrung unserer SPD-Jubilare noch einmal eindrücklich die Situation 1946 von Zeitzeugen geschildert bekommen. Menschen wie Klaus Schütz sind damals in die SPD eingetreten

[Mieke Senftleben (FDP): Was sagt der denn dazu?]

und haben für die Urabstimmung und die Eigenständigkeit gekämpft. Wer damals tatsächlich noch, wie von Frau Nehring-Venus vorgetragen, ehrlicher Anhänger einer Einheit der beiden Arbeiterparteien war, unterlag einer kolossalen Fehleinschätzung. Es ging nicht um die Einheit der Arbeiterparteien, es ging, wie Ditmar Staffelt es im „Tagesspiegel“ richtig beschrieben hat, um die vollständige Einverleibung des gefährlichsten politischen Widersachers der von Ulbricht, Pieck und der sowjetischen Militäradministration gleichgeschalteten KPD, der SPD. Eine demokratische Substanz in der KPD gab es zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr. Und das ist die historische Leistung der Berliner SPD, dass sie sich diesem Druck widersetzt hat, dass mit der trotz Repressalien, Drohungen, Verboten und Verhaftungen durchgeführten Urabstimmung der klare Wille nach einer selbständigen, demokratischen Arbeiterpartei ausgedrückt wurde.

[Beifall bei der SPD]

Und ein Wort zur Rolle Stalins. Unbestritten hat das russische Volk den größten Blutzoll bei der Befreiung Europas vom Faschismus gezahlt. Zusammen mit den anderen Alliierten hat die Sowjetunion das getan, was die Deutschen aus eigener Kraft nicht geschafft haben: die Befreiung vom Hitlerfaschismus.

Das ist aber sicher kein Verdienst Stalins. Dieser hat den Pakt mit Hitler zulasten Polens und der baltischen Staaten geschlossen. Stalin hat Millionen Menschen in der Sowjetunion und ganz Osteuropa verschleppen, foltern, ermorden lassen. Das stalinistische System wurde in alle zunächst befreiten, anschließend besetzten Länder exportiert, auch in den sowjetisch besetzten Teil Deutschlands. Die gegen diese Ausbreitung gerichtete Politik der Westalliierten unter Führung der USA damit gleichzustellen, ist entweder dumm oder bösartig, in jedem Falle unakzeptabel.

[Beifall bei allen Fraktionen]

Ich zitiere aus der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und PDS vom Januar 2002:

Wenn SPD und PDS jetzt eine Koalition eingehen, so sind sie sich der Verantwortung bewusst, die mit diesem Schritt verbunden ist. Die Erfahrung des Sieges des Faschismus über die gespaltene Arbeiterbewegung führte in Teilen der Mitgliedschaft von SPD und KPD nach 1945 zum Wunsch nach Vereinigung. Dieser Wunsch wurde missbraucht zu einer Zwangsvereinigung ohne freie Entscheidung, insbesondere der Mitglieder der SPD, die sich im Westteil der Stadt in einer Urabstimmung gegen die Vereinigung aussprachen und die im Ostteil an der freien Abstimmung gehindert wurden. Von vornherein beabsichtigte die KPDFührung, nach der Vereinigung alles sozialdemokratische Gedankengut aus der SED zu verbannen. Für die Verfolgung von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und anderen Teilen der demokratischen Opposition, für deren Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen bis hin zum Tod und für die Hinrichtung Andersdenkender trägt die SED eine bleibende Schuld.

[Beifall bei allen Fraktionen]

Das ist das klare Bekenntnis beider Koalitionsparteien. Die Linkspartei muss den Weg, den sie mit der Erklärung von 2002 und mit der Entschuldigung für Zwangsvereinigung und Repression durch die damalige PDS-Landesvorsitzende Petra Pau eingeschlagen hat, konsequent und ohne Seitenpfade weiter beschreiten.

[Alice Ströver (Grüne): Na, dann los!]

Da werden wir auch nicht nachgeben.

[Mieke Senftleben (FDP): Ja, und?]

Die Vorhaltungen von CDU und FDP sind hier allerdings völlig unangebracht. Herr Müller hat es vorhin deutlich gesagt. Ihre Parteien – FDP und CDU – haben völlig skrupellos die Mitglieder und das Geld von jeweils zwei Blockparteien übernommen.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Eine kritische Auseinandersetzung mit der Ost-CDU, der LDPD, der Bauernpartei, der NDPD – Fehlanzeige! Herr Henkel, dazu hätten Sie heute auch einmal etwas sagen können!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die Linkspartei setzt sich wenigstens mit ihrer Vergangenheit auseinander,

[Mieke Senftleben (FDP): Aber wie!]

nicht immer freiwillig, manchmal stockend, aber der Prozess läuft. Wir machen da auch keine Abstriche bei den Anforderungen. Sie haben aber bis heute nicht mit der Aufarbeitung Ihrer Vergangenheit begonnen. Sie heucheln hier Unverständnis dafür, dass man mit der Linkspartei überhaupt zusammenarbeitet. Was macht Herr Czaja in Marzahn-Hellersdorf? – Er wählt eine Frau, die Sie, Herr Henkel, und andere hier im Haus als Stasi-IM bezeichnet und gesagt haben, sie dürfte gar nicht Mitglied dieses Hauses sein. Diese Frau lässt er zur Bezirksbür

germeisterin von Marzahn-Hellersdorf mitwählen. Und dann stellen Sie sich hier hin, machen uns Vorhaltungen und sagen, wir müssten jetzt den Koalitionspartner wechseln. Da lache ich doch herzlich.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie verhindern gemeinsam mit der PDS die Wahl der von der SPD vorgeschlagenen Stadtratskandidatin, Herr Czaja! Auch das eine Kooperation mit der PDS, mit der wir offensichtlich sofort die Koalition beenden sollen! Das ist doch lächerlich, was Sie hier treiben. Reine Showveranstaltung!

Auch auf die Grünen muss ich an der Stelle zu sprechen kommen.

[Oh! bei den Grünen]

Sie haben mit den Blockparteien nichts zu tun, keine Frage, aber Sie sind auch nicht frei von Kompromissbereitschaft bei politischen Bündnissen.

[Zurufe von den Grünen]

Erinnern Sie sich noch an den 60. Jahrestag des Kriegsendes und die Diskussion in Steglitz-Zehlendorf dazu, an die unsäglichen Äußerungen von Herrn Weber, damals Bezirksbürgermeister? – Ihre BVV-Fraktion hat jetzt Herrn Kopp, der damals als Fraktionsvorsitzender alles verteidigt hat, der Rechtsradikale in seinen Fraktionsreihen geduldet hat, zum Bezirksbürgermeister gewählt, weil es gerade politisch passte.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Offensichtlich ist alles Mögliche entschuldbar. Offensichtlich kann man mit allen Leuten zusammenarbeiten, wenn es nur ausreichend begründet ist.

[Alice Ströver (Grüne): Reden Sie lieber zum Thema!]

Insofern sind die Versäumnisse von Frau Nehring-Venus nicht mehr und nicht weniger zu kritisieren als das, was Sie in Ihren Bereichen gemacht haben. Eine Missbilligung von Staatssekretären –

Entschuldigung, Herr Gaebler, kommen Sie bitte zum Ende!

Entschuldigung! – sieht die Geschäftsordnung dieses Hauses aus gutem Grund nicht vor. Ihr Antrag ist der billige Versuch, politisches Kapital aus einem Vorgang zu schlagen, der für uns, was die Person betrifft, mit der Entschuldigung erledigt ist.

[Gelächter bei der CDU]

Die inhaltliche Auseinandersetzung werden wir weiter führen. Ihren Antrag lehnen wir ab.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Gaebler! – Herr Henkel hat nun das Wort zu einer Kurzintervention.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gaebler! Ihr Rundumschlag, insbesondere zu meiner Partei, war schon enttäuschend.

[Oh! bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Müller hatte mich vorhin schon nachdenklich, aber vor allem auch wütend gemacht. Sie haben gut angefangen mit der Analyse dessen, was wir heute hier besprechen. Aber der Vorwurf an die CDU als Blockpartei wird auch deshalb nicht richtiger, nur weil sie ihn des Öfteren im Hause völlig falsch wiederholen.

[Beifall bei der CDU – Michael Müller (SPD): Wo ist denn die Aufarbeitung?]

Aber zur Aufklärung: Die CDU verzichtete bereits im Herbst 1990 endgültig auf das nicht rechtsstaatlich erworbene Vermögen der Ost-CDU. Das bestehende Vermögen wurde den Alteigentümern zurückgegeben bzw. für gemeinnützige Zwecke in den neuen Bundesländern verwendet. Das ist die Wahrheit, anders als bei der PDS, die heute noch mit SED-Geldern Wahlkampf betreibt. Das ist der eindeutige Unterschied zwischen der sogenannten Blockpartei CDU und der Partei, mit der Sie hier koalieren.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Henkel! – Herr Gaebler möchte antworten und hat nun das Wort.

Was immer ein rechtsstaatlich erworbenes Vermögen sein mag, offensichtlich haben Sie noch einen Teil des Vermögens behalten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Frank Henkel (CDU): Hören Sie schlecht?]

Wichtig ist uns, Herr Henkel, die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Blockpartei, die Sie integriert haben, und zwar ziemlich geräuschlos, erstaunlich geräuschlos. Sie haben – gerade in den östlichen Bundesländern – immer noch die gleichen Funktionäre in hohen Funktionen wie vor der Wende.

[Beifall bei der SPD – Zurufe von der Linksfraktion]

Das können Sie nicht wegdiskutieren. Das ist so, und das bleibt so. Wenn ich dann noch diese Eiereien von Herrn Czaja in seinem Brief an die Bürger in seinem Wahlkreis