Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Das können Sie nicht wegdiskutieren. Das ist so, und das bleibt so. Wenn ich dann noch diese Eiereien von Herrn Czaja in seinem Brief an die Bürger in seinem Wahlkreis

lese, demzufolge jetzt die Interessen der Bürger besonders wirksam vertreten werden, wenn man zur Lösung anstehender kommunaler Probleme mal eben guckt, ob man nicht doch mit der PDS zusammenarbeitet – –

[Mario Czaja (CDU): Mit allen redet, steht da! Lesen Sie doch richtig vor! Es ist unerhört!]

Ohne eine wie auch immer geartete Koalition mit der PDS eingegangen zu sein,

ich lese es gerne vor –

gelang es uns, mit der PDS als stärkster Fraktion der BVV konkrete Arbeitsschwerpunkte zu fixieren, die sich direkt an den Interessen auch von uns Mahlsdorfern und Kaulsdorfern orientieren. Dazu zählen 1. das Konzept der Siedlungsentwicklung von unten. 2. Ein Oberschulstandort wird im Siedlungsgebiet Kaulsdorf-Mahlsdorf erhalten und das Otto-Nagel-Gymnasium nicht infrage gestellt. Diese und weitere Schwerpunktsetzungen gehen weit über das hinaus, was bislang an Konsens der Parteien vorhanden war.

Was heißt denn das? – Sie haben wegen dieser drei lächerlichen Punkte Ihre große Abneigung gegen die PDS überwunden,

[Heiterkeit bei der SPD]

auch Ihre Abneigung gegen Frau Pohle, die Sie hier immer massiv kritisiert haben. Und Sie haben gesagt: Wir wählen jetzt Frau Pohle mit, dann haben wir wenigstens eine PDS-Bezirksbürgermeisterin, und anschließend verhindern wir Frau Köhnke, die SPD-Kandidatin, als Stadträtin zusammen mit der PDS.

[Dr. Frank Steffel (CDU): Das ist doch Ihr Koalitionspartner!]

Das ist Ihre Vorstellung von einem breiten kommunalpolitischen Bündnis im Interesse der Bürger.

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Czaja! Damit hat sich Ihr Antrag und Ihr ganzes Gesäusel hier erledigt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Bravo-Rufe von der SPD]

Vielen Dank, Herr Gaebler! – Jetzt hat Herr Otto von der Fraktion der Grünen das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Guten Tag, Frau Nehring-Venus! In dieser Art haben Sie Ihre Rede an jenem Tag in der Fröbelstraße in Prenzlauer Berg begonnen. Sie haben einen Gast mit „Guten Tag“ begrüßt und die anderen „sehr geehrt“. Das ist eigentümlich.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Was heißt denn das?]

Sehr geehrter Herr Gaebler! Sie haben jetzt viel über die PDS gesprochen. Wenn man die Drucksache studiert, geht es aber gar nicht um die Koalition hier im Haus und um die PDS, sondern dort geht es einzig und allein darum, dass Frau Nehring-Venus in ihrem Amt als Bezirksstadträtin in Pankow Äußerungen getan hat, die zu verurteilen sind. Das ist einzig und allein der Punkt, um den es heute geht.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Frau Nehring-Venus und ich kennen uns eine ganze Weile. Wenn man aus demselben Bezirk kommt und dort Politik gemacht hat, dann nimmt man sich wahr und arbeitet vielleicht auch zusammen. Als ich ins Abgeordnetenhaus kam und dann irgendwann die Liste der angehenden Staatssekretäre und Staatssekretärinnen auf den Tisch kam, haben die Kollegen gefragt: Wer kennt wen? –

Da habe ich gesagt: Frau Nehring-Venus, das ist eine kluge Frau, die sehr engagiert und nicht leichtfertig ist. Eine Woche später musste ich dies zurücknehmen, nachdem Sie, Frau Nehring-Venus, sich auf der Veranstaltung in der Fröbelstraße geäußert hatten.

Sie haben eine Ausstellung über das Gelände und seine wechselvolle Geschichte eröffnet. Da waren schlimme Zeiten dabei: Es gab eine Haftanstalt des sowjetischen Geheimdienstes, später der Staatssicherheit, da sind Leute eingesperrt worden. All dies wird dokumentiert. Sie haben sich geäußert, und Sie waren nicht irgendein Gast bei dieser Ausstellungseröffnung, sondern als verantwortliche Bezirksstadträtin zuständig. Wenn man als verantwortliche Bezirksstadträtin zuständig ist, dann ist es schon ein eigenartiger Vorgang, wenn man zunächst einmal die Ausstellung kritisiert, die Aufschriften einzelner Tafeln in Zweifel zieht.

Ich will in dem Zusammenhang einen Satz aus Ihrer Rede zitieren, wie Sie sie ins Internet gestellt haben:

Irgendwie stellte sich mir beim Lesen immer der Eindruck her, die politischen Gegner der KPD handelten per se demokratisch, die KPD selbst undemokratisch und willkürlich.

Dieser Satz von Ihnen ist so zu verstehen, als ob Sie denken könnten, es wäre umgekehrt gewesen.

[Martina Michels (Linksfraktion): Was?]

Ich finde, das ist skandalös.

[Martina Michels (Linksfraktion): Nein! Das ist diffamierend!]

Sie haben dann später in Ihrer Rede darüber sinniert, wie viele Sozialdemokraten denn vielleicht der Zwangsvereinigung zugestimmt haben, wie viele vielleicht dafür waren. Da will ich einen Satz zu den Äußerungen von Herrn Müller sagen, der meinte, die SPD könne ihre Geschichte allein bearbeiten. Das will Ihnen auch keiner nehmen. Das

können Sie ruhig tun. Uns geht es hier um etwas ganz anderes.

Wenn man in der Geschichtsschreibung über die Errichtung der Diktatur in Ostdeutschland diskutiert, dann ist die Zwangsvereinigung ein Beispiel dafür, wie Walter Ulbricht und seine Gruppe ab 1945 einen Staat nach sowjetischem Vorbild errichtet haben. Sie müssen an das Motto von Ulbricht denken: Es muss immer demokratisch aussehen, aber wir müssen alles im Griff haben. – Das war das Motto, nach dem dort gearbeitet wurde. Das haben einige vielleicht nicht gleich erkannt, aber ich denke, bis heute sollte jeder begriffen haben, dass dieses Motto durchgezogen wurde und dass nach diesem Motto Demokratie im Keim erstickt werden sollte.

[Beifall bei den Grünen]

Frau Nehring-Venus! Sie waren wenige Wochen vor dieser Ausstellungseröffnung erneut zur Bezirksstadträtin gewählt worden, mit sehr vielen Stimmen, mit einer sehr großen Mehrheit. Ich bezweifele, dass Sie heute in Pankow noch einmal gewählt würden.

In diesem Haus fragen sich alle, warum Sie sich dort so geäußert haben. Müssen vielleicht angehende Staatssekretäre und Staatssekretärinnen der Koalition eine öffentliche Provokationsrede halten, um sich zu bewähren? Hat der Regierende Bürgermeister das verlangt? Oder ging es darum, bestimmte Wählerschichten, die der Koalition vielleicht abhanden gekommen sind, zu berücksichtigen und dort eindeutige Signale hinzusenden?

[Dr. Martin Lindner (FDP): Darum geht’s!]

Ich weiß es nicht, und ich würde es sehr gut finden, Frau Nehring-Venus, wenn Sie uns dies hier erklärten.

[Christian Gaebler (SPD): Kann Sie nicht! Sie darf hier nicht reden!]

Das können wir vielleicht noch organisieren, Herr Gaebler! –

[Unruhe]

Ich bin gestern extra nach Pankow gefahren, weil dort die BVV eine Aktuelle Stunde am Ort des Geschehens gemacht hat. Da dachte ich, dass sie eingeladen wird und sich dort erklären wird. Sie war nicht da. Ich finde, dass es so nicht geht.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht. Wir missbilligen, was Frau Nehring-Venus gesagt hat. Ich kann daher nur um Unterstützung aller für den Antrag bitten. – Danke!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Otto! – Jetzt hat das Wort von der Linksfraktion der Abgeordnete Liebig. – Bitte!

[Mieke Senftleben (FDP): Nicht nur schöne Worte!]

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Reden von Politikern und Politikerinnen unserer Partei so verstanden werden, dass sie stalinistische Politik verklären und relativieren würden, dass wir die dunklen Kapitel der Geschichte der Arbeiterbewegung weißwaschen wollen, dann ist es zuerst an uns nachzudenken, ob wir in jedem Moment und an jeder Stelle die richtigen Worte gewählt haben.

[Unruhe]

Wollen Sie unsere Position dazu wissen oder nicht? Wie ich hier rede, entscheide ich immer noch selbst. Ich dachte, Sie hätten ein Interesse an der Debatte. Sie, drei Fraktionen, haben das schließlich gefordert. Ich werde mich jetzt dazu im Sinne unserer Fraktion äußern. – Nach der Widerspiegelung der Rede von Almuth Nehring-Venus ist dies am 30. November nicht gelungen, und unsere Partei sowie auch Almuth Nehring-Venus selbst bedauern dies sehr, denn wir stellen uns mit offenem Visier der Debatte über die jüngere Geschichte Deutschlands, die immer auch eine Debatte ist, die mit Kritik an unserer Partei verbunden ist. Dazu möchte ich auch diese Diskussion hier nutzen.

Die Opposition dieses Hauses fürchtet, dass jemand als Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen ernannt wurde, der stalinistische Deutschlandpolitik verklärt. Das wäre in der Tat besorgniserregend, wenn es denn so wäre. Leider hat die Opposition in ihrem Antrag, in dem sie die Äußerungen der damaligen Stadträtin missbilligen möchte, auf einen Beleg verzichtet – Herr Pflüger, Herr Lindner, Herr Henkel, Herr Otto und Herr Ratzmann in der Aussprache zur Regierungserklärung und eben auch.

Es stimmt natürlich, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, dass nach dem Zweiten Weltkrieg, der durch Befreiung Deutschlands, insbesondere durch die Sowjetunion, beendet wurde, im östlichen Teil Deutschlands eine Diktatur entstanden ist, wie Sie es in Ihrem Antrag sagen, eine „Diktatur des Proletariats“, wie es die SED nannte. Es war und ist menschenverachtend, Menschen für andere politische Auffassungen zu unterdrücken und dafür zu erschießen, dass sie ihr Land verlassen wollen.