Es stimmt natürlich, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, dass nach dem Zweiten Weltkrieg, der durch Befreiung Deutschlands, insbesondere durch die Sowjetunion, beendet wurde, im östlichen Teil Deutschlands eine Diktatur entstanden ist, wie Sie es in Ihrem Antrag sagen, eine „Diktatur des Proletariats“, wie es die SED nannte. Es war und ist menschenverachtend, Menschen für andere politische Auffassungen zu unterdrücken und dafür zu erschießen, dass sie ihr Land verlassen wollen.
Obwohl Stalin tatsächlich länger ein einheitliches Deutschland wollte, wie Herr Pflüger vorhin bestätigt hat,
... die Politik Stalins war, ein Deutschland nach seinem Bilde und seinen staatlichen Strukturen zu formen.
Dies hat Almuth Nehring-Venus in ihrer Ausstellungseröffnung so auch gesagt. Dass ein wichtiger Baustein die
Ja, es waren viele „aufrechte SPDler“, wie Sie in Ihrem Antrag formulieren, die sich dem Zwang entgegenstemmten, den es ohne jeden Zweifel und massiv gegeben hat. Almuth Nehring-Venus sagte dazu bei der Ausstellungseröffnung:
Es gab Verfolgung und Repression von SPDMitgliedern in der sowjetischen Besatzungszone. Es gab das repressive Vorgehen der sowjetischen Kommandantur gegen die Urabstimmung zur Vereinigung von KPD und SPD, sodass die Abstimmung nur in den westlichen Beatzungszonen stattfinden konnte. Es hat die unter Vorwänden erzwungene Amtsenthebung von Prenzlauer Bergs Bürgermeisterin Ella Kay aus politischen Gründen gegeben.
Ist es deswegen nicht zulässig, auch darauf hinzuweisen, wie die Fragen bei der Urabstimmung lauteten? Nämlich: Bist du für den sofortigen Zusammenschluss beider Arbeiterparteien, oder bist du für ein Bündnis beider Parteien, welches gemeinsame Arbeit sichert und Bruderkampf ausschließt?
Ich finde, es stimmt, dass zwischen diesen beiden Fragen ein „sowohl – als auch“ für die Entscheidung der SPDMitglieder stand. Nicht jeder, der sich gegen die sofortige Vereinigung ausgesprochen hatte, muss also prinzipiell für immer dagegen gewesen sein. Aber: Es war die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die SED, die nach der Vereinigung nahezu alle Befürchtungen der Vereinigungsgegner bestätigte, indem sie sich in eine Partei verwandelte, die sich außer im Namen kaum von den anderen kommunistischen Parteien Osteuropas unterschied.
Mit der Ausgrenzung von Sozialdemokraten aus wichtigen Funktionen der SED und deren Verfolgung in der DDR war klar, dass es im Ergebnis eine Zwangsvereinigung war. Sie selbst weisen in Ihrem Antrag mit der Formulierung, dass es neben Repressionen, Verboten und Verhaftungen auch innerparteiliche Debatten und Auseinandersetzungen in der SPD gab, darauf hin, dass es nach dem Krieg und aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus Kommunisten und Sozialdemokraten gab, die eine Vereinigung ihrer beiden Parteien wollten. Ist es bereits Verklärung der Geschichte, darauf hinzuweisen?
Dr. Lindner, der Geschichtsexperte der FDP, der schon mal Abgeordneten vorwirft, im Stil des Nazirichters Freisler zu agieren, beziehungsweise Thomas Flierl als Patron der Stasi im Senat bezeichnet, hat nunmehr Frau Nehring-Venus zur stalinistischen Agiprop-Extremistin gemacht. Ich kann Ihnen versichern, Stalinisten werden bei uns nicht in Regierungen berufen. Herr Lindner, meinen Sie wirklich, dass ehemalige Häftlinge des Haftkellers an der Prenzlauer Allee sich bei einer stalinistischen Agiprop-Extremistin dafür bedanken würden, dass sie sich aktiv dafür eingesetzt hat, dass die Menschenrechtsverletzungen von NKWD und MfS, die in dem Haftkeller
begangen wurden, offen und klar verurteilt werden und die Opfer mit einem Denkzeichen Wiedergutmachung erfuhren?
Frau Nehring-Venus – das kann ich aus unserer gemeinsamen Arbeit im Landesvorstand von 1999 bis 2003 versichern – hat sich vor keiner kritischen und schwierigen Auseinandersetzung um die Geschichte der DDR, der SED und des Stalinismus gedrückt. Sie hat sich öffentlich mit ehemaligen führenden Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit gestritten und deren Versuche, Geschichte zu relativieren, zurückgewiesen. Das wird sie – da bin ich mir sicher – auch weiterhin tun. Wir werden daher Ihren Antrag, sie zu missbilligen, ablehnen.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Es ist mittlerweile ein in den letzten fünf Jahren immer wiederkehrendes, gewohntes und fast schon etwas langweiliges Spiel: Auf der einen Seite haben wir Vertreter der PDS, die immer wieder bei solchen Gelegenheiten Lippenbekenntnisse für die Demokratie ablegen und erklären, dass alles bestens und alles kein Problem sei und dass es sich bei ihr um eine ganz normale Partei handele. Auf der anderen Seite laufen die Vertreter dieser Partei immer wieder draußen herum und betreiben eine fiese, miese Klientelpflege. So läuft das doch. Das haben wir jüngst mit Herrn Flierl in Hohenschönhausen erlebt, als er es zuließ, dass gepöbelt wurde und die Opfer verhöhnt wurden. Danach kommt Herr Liebich hier nach vorne und erklärt: Leute, so war es doch gar nicht gemeint! Wir dulden das nicht in unseren Reihen. Wir sind doch ganz sauber und ganz demokratisch. – Das erleben wir immer wieder. Es ist dasselbe gewohnte doppelzüngige Spiel: Auf der einen Seite der Anschein, demokratisch zu sein, hier dabei zu sein, gemeinsam mit anderen demokratischen Parteien gegen Rechts aufzutreten. All diese Sachen! Das ist ja ganz gut, aber auf der anderen Seite fischen Sie im Trüben. Sie fischen immer wieder im Trüben. Auch die Wolf-Beerdigung ist ein typisches Beispiel: Da läuft die alte Garde auf – die alten Kameradschaften. Es werden die Kränze für die HVA aufgelegt und anderes. Herr Bisky ist da, und andere Parteigranden sind da. Auf der anderen Seite wird dann aber hier wieder gemeinsam mit der SPD auf normale demokratische Partei gemacht.
In diese Reihe gehört auch das, was sich Frau NehringVenus geleistet hat. Das ist nicht zufällig geschehen und auch nicht herausgerutscht, sondern Sie haben genau das gemacht, was typisch ist: Sie fischen im Trüben, Sie pflegen die Klientel der alten Stasi-Angehörigen, Sie pflegen die Klientel der HVA-Angehörigen und der alten SEDEliten. Die müssen Sie auch immer wieder heranziehen, denn Sie haben ein dermaßen schlechtes Wahlergebnis
eingefahren und müssen sich bemühen, Ihre alten Eliten immer wieder an die Partei zu binden. Andererseits müssen Sie einen bestimmten Glanz haben und immer wieder Lippenbekenntnisse ablegen, damit die SPD Sie nicht herausschmeißt. Das ist das alte, langweilige Spiel, was Sie hier treiben.
Dass Sie das so machen, mag aus Ihrer Sicht so angehen. Sie haben eine Tradition, Sie wollen an der Macht sein und auf den Posten sitzen, und dazu sind Ihnen diese Mittel auch recht.
Ich möchte jetzt gar nicht die Schumachers, die Brandts und die Reuters bemühen – und die Gräber, in denen die gerade ihre Spiralen drehen.
Das ist nicht das Thema. Aber es ist auch schon erwähnt worden, und Sie, Herr Gaebler, haben es doch selber gesagt: Herr Schütz ist doch noch in Ihren Reihen. Sie haben doch noch Mitglieder in der SPD, die unter der Zwangsvereinigung gelitten haben, die gefoltert wurden, die vertrieben wurden. Die leben doch noch. Das sind doch Ihre Genossen, die hier in Ihrem Landesverband unter Ihnen sind. Wie erklären Sie das, was Sie hier treiben?
Wie vermitteln Sie das denen? Braucht es dazu Herrn Staffelt und andere, um Ihnen zu erklären, was für eine extreme Zumutung das ist, die Sie Ihren eigenen Genossen bei solchen Aktionen immer wieder bereiten? – Sie verkaufen Ihre Seele bei dieser Veranstaltung.
Das wäre so weit noch Ihr Problem. Wir wollen gar nicht, dass Sie jetzt an dieser Stelle aus der Koalition ausscheiden.
Machen Sie weiter! Es wird auch wieder eine Wahl kommen. Uns geht es jetzt gar nicht darum, sondern uns geht es nur darum, dass wir diesen isolierten Vorgang missbilligen. Herr Momper hat schon darauf hingewiesen, dass es nicht um eine förmliche Missbilligung geht – nach dem Gesetz –, sondern es ist größtenteils einfach das, was Sie, Herr Gaebler, in ziemlich wohlgesetzten Worten zu dem Vorgang, dieser doppeldeutigen Rolle Ihres Koalitionspartners gesagt haben. Wir sollten also jetzt dies gemeinsam missbilligen. Dadurch wird keine Koalition beendet. Es ist überhaupt kein Problem für Sie, diesem Antrag zuzustimmen. Wenn Sie nachher wieder aufrecht durch diese Tür hinausgehen wollen, können Sie das völlig unproblematisch machen. Stimmen Sie dem Antrag zu! Damit wird keine Koalition beendet. Damit wird kein
Regierender Bürgermeister abgewählt. Sie können als Koalitionsparteien in die Ferien fahren. Die werden nie deswegen aus der Koalition ausscheiden. Die kleben an ihren Sesseln.
Das ist eine machtorientierte, machtgierige Gesellschaft. Die wird Ihnen nie die Koalition aufkündigen. Sie können diesem Antrag ohne Problem zustimmen, und Sie werden Ihren eigenen Genossen draußen, die das miterlebt haben, die unter dieser Zwangsvereinigung gelitten haben, mal zeigen, dass Sie nicht nur einen Blick für Ihren Koalitionspartner haben, sondern auch für Ihre alten Genossen, die gekämpft haben, die aufrechten Gangs durch die Geschichte gegangen sind und nicht gemeinsame Sache mit diese Leuten gemacht haben. – Herzlichen Dank!
Bevor wir in die Abstimmung eintreten, kommen wir zu Folgendem: Zwei Kollegen des Hauses baten um eine persönliche Bemerkung nach § 65 der Geschäftsordnung. Ich weise darauf hin, dass persönliche Bemerkungen nur persönliche Angriffe zurückweisen oder eigene Ausführungen berichtigen dürfen. Zunächst hat Herr Dr. Lederer das Wort. – Bitte!
Meine Damen und Herren! Herr Henkel hat vorhin behauptet, die Linkspartei führe mit dem Vermögen der SED Wahlkämpfe.
[Zurufe: Nein, nein! – Joachim Esser (Grüne): Im Zweifel wissen Sie das gar nicht! – Weitere Zurufe]
Hören Sie mir doch erst einmal zu! – Durch diese Aussage fühle ich mich persönlich diffamiert und stelle hiermit fest: Die Linkspartei hat ihr Vermögen von der Kommission zum Umgang mit dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen rechtlich überprüfen lassen. Dabei wurde festgestellt, welches Vermögen auf rechtsstaatliche Weise erworben wurde. Die Kommission hat ihre Arbeit abgeschlossen, und die Linkspartei.PDS arbeitet mit dem ihr rechtsstaatlich zustehenden Vermögen.
Eine andere Darstellung weise ich hiermit als Diffamierung oder Unterstellung zurück, und ich fordere Sie auf, zu einem parlamentarisch akzeptablen Verhalten zurückzukehren.
Ich möchte die persönlichen Angriffe des Abgeordneten Gaebler zurückweisen, bei denen die Tatsache, dass wir auch mit der PDS in Marzahn-Hellersdorf kommunalpolitische Gespräche über Schwerpunkte geführt haben, in Einklang damit gebracht wird, dass ich zu denen gehöre, die Stalin-Unrecht und SED-Diktatur relativieren und die Äußerung der Staatssekretärin Nehring-Venus unterstützen. Dies ist nicht der Fall. Ich weise dies entschieden zurück.