Protokoll der Sitzung vom 15.01.2009

sondern nur durch entsprechende Belehrungen und das Einwirken auf die Betroffenen.

Unserer Einschätzung nach hängt das Ganze auch mit dem zusammen, was Sie unter der Frage 2 formulieren. Die Bundesrepublik Deutschland und der Bundesgesetzgeber haben sich vor einigen Jahren entschieden, Prostitution rechtlich anders einzuordnen, als dies früher der Fall war. Man hat die Prostitution legalisiert. Man hat denjenigen, die der Prostitution nachgehen, legale Möglichkeiten gegeben, in der Bundesrepublik Deutschland die Prostitution auszuüben. Man hat damit verschiedene Ziele verfolgt. Zum einen hat man das Ziel verfolgt, eine Diskriminierung per se zu beseitigen, aber auch das Ziel, die Prostitution zu entkriminalisieren und insbesondere die Umstände der Prostitution zu entkriminalisieren – Menschenhandel, Prostitution von Jugendlichen und Ähnlichem.

Die Angebote, die die neue Gesetzgebung gemacht hat, sind bisher nur sehr zögerlich angenommen worden. Das heißt, der Weg der Legalisierung, des Selbstgangs der Legalisierung ist auch von Prostituierten sehr zögerlich beschritten worden. Trotzdem hat das Gesetz meiner Meinung nach einen positiven Grundeffekt gehabt, weil man durch die Legalisierung die Möglichkeit eröffnet hat, der Prostitution ohne Diskriminierung, ohne Erpressungsmöglichkeit oder Nötigung nachzugehen.

Es bleibt aber noch vieles zu tun, um den kriminellen Hintergrund, den es in diesem Gewerbe leider zu einem nicht unerheblichen Teil gibt – ich erinnere an Menschenhandelsverfahren, Prostitution von Minderjährigen etc. –, aufzuhellen und zu unterbinden. Insofern ist das, was der Bundesgesetzgeber beabsichtigt hat, auf den Weg gebracht worden. Es ist aber nicht zu einem Endergebnis geführt worden; daran werden wir noch gemeinsam arbeiten müssen.

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt gibt es eine Nachfrage der Frau Kollegin Baba. – Bitte, Sie haben das Wort!

Danke! – Herr Senator! Es gibt eine Lageeinschätzung der Polizei vom 17. November 2008. Eine weitere, aktuelle Lageeinschätzung hätte es eigentlich geben müssen. Sie existiert jedoch nicht. Ich würde gern noch etwas über die Lageeinschätzung der Polizei wissen wollen, wie die Polizei die Lage insgesamt einschätzt.

Herr Senator Dr. Körting – bitte schön!

Es geht bei der Prostitution konkret um ein bestimmtes Gebiet, in dem sie stattfindet. Das ist Potsdamer Straße/Kurfürstenstraße. Dort haben wir im Verhältnis zu anderen Straßen eine verstärkte Prostitution. Es gibt auch andere Straßenzüge, wo Straßenprostitution stattfindet, aber in den genannten Straßen findet sie verstärkt statt.

Ich verstehe – wie gesagt –, dass der Bezirksbürgermeister und die Anwohner sagen, sie wollen möglichst davon nicht belästigt werden und das möglichst niedrig halten. Aber dieser Alarmruf, es hätte sich sensationell etwas verändert, kann von der Polizei aufgrund ihrer Erfahrung nicht bestätigt werden. Es gibt sozusagen eine statische Einschätzung der Situation Potsdamer Straße/Kurfürstenstraße.

Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen: Es gab im Zusammenhang mit dieser Gegend auch die Debatte um die Frage, ob man dort Prostitution im Gebäude, mit einem sogenannten Laufhaus, zulässt. Auch da hat sich der Bezirk mit Vehemenz dagegen gewandt. Vielleicht wären die Probleme, die der Bezirk auf der Straße sieht, entkrampfter, wenn man Prostitution in einem solchen Laufhaus zugelassen hätte. Das war jedoch eine Entscheidung des Bezirks, die im Ergebnis auch vom Senat gestützt worden ist, weil man das so machen kann. Dagegen wird zurzeit geklagt. Doch: Warten wir mal ab!

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage des Kollegen Jotzo von der Fraktion der FDP. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Innensenator Körting! Teilen Sie meine Auffassung, dass sechs Jahre nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes und der Gleichstellung der Prostitution mit anderen Gewerben es langsam an der Zeit wäre, darüber nachzudenken, ob man nicht gewerberechtliche und straßenrechtliche Instrumente auch gegenüber der Straßenprostitution in Anwendung bringt wie in anderen Gewerben auch, um Mindeststandards im Prostitutionsgewerbe sicherzustellen, um die Gesundheit der Prostituierten zu schützen und um auch Anwohnerinnen und Anwohner und besonders schützenswerte Einrichtungen vor den negativen Auswirkungen von Straßenprostitution zu schützen?

Herr Senator Dr. Körting – bitte schön!

Herr Kollege Jotzo! Ich verweise auf meine schriftliche Antwort auf Ihre Kleine Anfrage, in der ich das im Einzelnen ausgeführt habe.

Ich teile Ihre Auffassung, dass insbesondere die Legalisierung der Prostitution mehrere Funktionen hatte, auch die, Prostituierte zu schützen. Das setzt aber voraus, dass von den Möglichkeiten des Gesetzes auch in ausreichendem Maß Gebrauch gemacht wird, d. h. dass diejenigen, die diesem Gewerbe nachgehen, auch den Schutz, den die gesetzliche Legalisierung bietet, nachsuchen. Im Übrigen stützt der Senat zum Beispiel das von ihm geförderte Projekt Hydra und Initiativen, mit denen Prostituierte von den Bezirken beraten werden. Ich bin der Auffassung, dass das, was man von Staats wegen tun kann, in Berlin getan wird.

Es bedarf aber vielleicht auch noch eines Mentalitätswechsels bei allen Beteiligten. Das betrifft übrigens auch die Freier. Da bedarf es eines dringenden Mentalitätswechsels hinsichtlich der Prostitution von Jugendlichen oder ähnlichem. Es sind eben nicht nur die Kriminellen, die Kinder oder Jugendliche zur Prostitution anbieten, sondern es sind auch die ehrbaren Freier, die derartige Angebote nutzen.

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es weiter mit der Mündlichen Frage Nummer 9 des Kollegen Mutlu von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema

Wie geht der Senat mit dem Bildungsnotstand in Mitte und in anderen sozial benachteiligten Gebieten um?

Bitte schön, Herr Mutlu!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz Mitte ist Rütli! Deshalb frage ich den Senat:

1. Wie bewertet der Senat, zwei Jahre nach dem RütliBrandbrief, den alarmierenden und dramatischen Hilferuf der Schulleiter/-innen des Bezirks Mitte, und sieht der Senat den Bildungsnotstand in Mitte und anderen Bezirken als dringlich zu behebenden Misstand an?

2. Mit welchen zielgerichteten und konkreten Maßnahmen will der Senat der überproportionalen Belastung von Schulen in Mitte und in anderen sozial benachteiligten Bezirken entgegenwirken? Welche zusätzlichen personellen und materiellen Finanzmittel möchte der Senat dafür bereitstellen, und wie will der Senat mehr und echte Eigenverantwortung herstellen?

Wir wollten diese Frage mit dem Thema von Frau Senftleben von der Fraktion der FDP

Hilferuf der Schulleiter in Mitte

zusammenfassen. – Bitte schön, Frau Senftleben!

Herr Präsident! Ich frage den Senat: Welche Maßnahmen wird der Senat in Reaktion auf die Kapitulation der Schulleiter in Mitte ergreifen?

Der Senator für Bildung! – Bitte schön, Herr Prof. Zöllner!

Herr Präsident! Frau Senftleben! Herr Mutlu! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Einzelfragen im Zusammenhang beantworten.

Der Brief der Schulleiterinnen und Schulleiter von Mitte behandelt im Wesentlichen vier Problembereiche. Einmal die besonders schwierige Situation, in der sich die Schulen in diesem Bezirk in Bezug auf die teilweise beachtlich große Zahl von Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache und eines sehr großen Anteils von Schülerinnen und Schülern aus sozial schwierigen Gebieten befinden. Der erste Punkt ist einer, der sicher in die primäre Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Senats führt, wobei hier keine konkreten Forderungen gestellt werden, sondern darauf hingewiesen wird, dass es notwendig ist, den Schulen die Ausstattung dieser zusätzlichen Belastung adäquat zur Verfügung zu stellen.

Ich gehe davon aus, dass allen, die diesen Brief kennen – den beiden Fragestellern dürfte er auch bekannt sein – , nicht entgangen ist, dass im Vorspann die Anstrengungen und die Arbeit des Senats von den Betroffenen ausdrücklich positiv zur Kenntnis genommen wurden. Es wird gesehen, dass der Senat das Problem entschlossen und zielgerichtet anpackt, was nicht bedeutet, dass das in jedem Fall schon ausreichend ist.

Die anderen drei Punkte beschäftigen sich mit der Personalausstattung im Bereich der Hausmeister und Sekretärinnen, dem Bereich von Bau und Bauunterhalt und – ausdrücklich, wie in einem Interview eines der Beteiligten heute noch einmal klargestellt wurde – mit der Arbeitsweise und der Kommunikation der entsprechenden Ämter des Bezirks. Ich werde deshalb nach dem Gespräch mit einer Delegation der entsprechenden Schulleiterinnen und Schulleiter selbstverständlich mit dem Bezirk darüber sprechen.

Ich muss – das ist mir ein besonderes Anliegen, weil ich es nicht für nebensächlich halte – in dem Zusammenhang aussprechen, Herr Mutlu, dass ich die Diskussion um diese unstrittigen Problembereiche in Assoziationen mit Rütli – vorsichtig formuliert! – für gefährlich halte, weil damit die engagierte Arbeit und auch teilweise die überaus erfolgreiche Arbeit dieser Schulleiterinnen und Schulleiter verglichen wird mit einer Situation, die in ihrer Aktualität und ihrem Inhalt anders war und dazu führen kann, dass die Schulen dieses Bezirks diskreditiert werden, was letzten Endes auf die Perspektiven des gesamten Bezirks zurückfallen würde. Deswegen meine ich, sollten wir alles tun, damit die Diskussion um diese unstrittigen Probleme nicht irgendwann einmal in ein Lehrbuch eingeht als ein klassisches Beispiel einer selbsterfüllenden Prophezeiung.

Inhaltlich habe ich sehr viel Verständnis für das, was sie mir vorgetragen haben, vor allem für den Bereich, für den der Senat, d. h. das Land Berlin verantwortlich ist. Das sind keine Lippenbekenntnisse. Wir stellen diesem Bezirk mehr als 270 zusätzliche Stellen zur Verfügung, die er ohne die besondere Situation nicht bekommen würde. Die Zuweisung dieser Stellen erfolgt so, wie es die betroffenen Schulleiterinnen und Schulleiter fordern, nämlich nach dem Ausmaß der individuell unterschiedlichen Belastung der Schulen. Um das zu konkretisieren: Besonders belastete Schulen im Grundschulbereich haben ein Schüler-Lehrer-Verhältnis von 12:1. Das kann man nicht als Überfüllung betrachten. Bei Schulen ohne diese Belastung liegt das Verhältnis bei 17/18:1. Das belegt, dass die Entwicklung in Berlin auch nach dem von Ihnen genannten Ereignis fortgeschritten ist. Man hat das Problem erkannt und steuert dagegen. Ohne Zweifel ist das in vielen Bereichen nicht ausreichend. Hier müssen Sozialarbeiter eingesetzt werden. Diesen Weg müssen wir gerade im Grundschulbereich verstärkt gehen.

Ich richte mich speziell an Herrn Steuer und seine Begründung der Aktuellen Stunde der CDU: Das ist der Hintergrund dafür, dass alle Bundesländer – und zwar unabhängig von den sie regierenden Parteien – im Rahmen der Diskussion um den Bildungsgipfel einen gemeinsamen Punkt für ein Bundesprogramm gefordert haben, nämlich ein Programm über die Bundesanstalt für Arbeit, mit dem in größerem Maß Sozialarbeiter – auch für den Problembereich Schule – zur Verfügung gestellt werden können.

In diesem Zusammenhang habe ich – dazu stehe ich – auf die Frage eines Journalisten, ob das Problem so groß sei, dass sich seiner jetzt Frau Böger annehmen müsse, geantwortet – und ich musste ein bisschen schmunzeln –: Wenn es die Erkenntnis, dass es dieses Problem gibt, schon zum Bildungsgipfel gegeben hätte, hätten wir mit dem Bund vielleicht ein solches Programm auf den Weg gebracht, damit in der Bundesrepublik Deutschland real etwas zur Verbesserung dieses Bereichs geschieht.

Das bedeutet: Der Weg, den wir gehen, ist richtig. Es sind sicher nicht alle Probleme gelöst. Weil ich auch eine persönliche Verantwortung für Bereiche empfinde, die ich formal abschieben könnte, werde ich mit den betroffenen Schulleitern und dem Bezirk reden. Ich hoffe, dass wir aus der aktuell schwierigen Situation herauskommen. Ich habe gehört, sie sei dadurch entstanden, dass den Schulen kurz vor Jahresende mitgeteilt wurde, es komme zu massiven Einsparungen im Bezirkshaushalt der Schulen.

Danke schön, Herr Senator! – Nun ist der Kollege Mutlu mit einer Nachfrage an der Reihe. – Bitte schön!

Herr Senator! Eine konkrete Forderung der Schulleiterinnen und Schulleiter aus Mitte war die Abkehr vom Gießkannenprinzip. Sie fordern, sozial belastete Bezirke in stärkerem Maß als bisher mit Personal, Material und zusätzlichen DaZ- bzw. Strukturmitteln auszustatten. Wie stehen Sie dazu?

Bitte schön, Herr Senator Prof. Zöllner!

Ich finde es richtig, weg vom Gießkannenprinzip und hin zu einer zielgerichteten, nachvollziehbaren und dem Ausmaß der Belastung entsprechenden proportionalen Personalausstattung zu kommen. Das ist eine der Orientierungslinien meiner Bemühungen. Vielleicht erinnern Sie sich, dass die Zuweisung aus den Strukturmitteln – den früheren DaZ-Mitteln – und den Mitteln, die aufgrund von Teilungsstunden zur Verfügung standen, nicht durch Einzelentscheidungen, sondern gemessen an der Belastung erfolgen sollte. Das Prinzip folgt dem Grundsatz: Die, die mehr brauchen, bekommen mehr und die anderen weniger.

Jetzt stellt die Kollegin Senftleben eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Senator! Ich möchte einen anderen Punkt benennen, den die 68 Schulleiter angesprochen haben, nämlich die Einstellung von Personal, und zwar von der Sekretärin bis hin zum Lehrer. Das wurde dezidiert gefordert. Die Schulleiter erwarten Veränderungen. Sie wiesen in Ihrer Beantwortung etwas lapidar darauf hin, dass die Zuweisung innerhalb der Schule erfolge. Ich nehme an, dass das den Schulleitern nicht reichen wird. Wie werden Sie künftig und in diesem konkreten Fall mit der Forderung umgehen?

Bitte schön, Herr Senator Prof. Zöllner!

Ich werde mir zunächst aus meinem Haus die neuesten Zahlen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer direkt von den Schulleiterinnen und Schulleiter eingestellt wurden und wie viele zentral, geben lassen. Die Zahl der direkt eingestellten Lehrerinnen und Lehrer wird wahrscheinlich auch für die Schulleiterinnen und Schulleiter überraschend hoch sein. Die berühmten Castings, die in Berlin immer etwas abschätzig betrachtet werden, werden mehrheitlich organisiert, um den Schulleiterinnen und Schulleitern gezielte Einstellungen unbürokratisch zu ermöglichen. So können Vorstellungsgespräche an verschiedenen Schulen vermieden werden. Das ist sowohl für die Schulleiterinnen und Schulleiter als auch für die Bewerberinnen und Bewerber einfacher. – Langer Rede kurzer Sinn: Ich teile die Ansicht, dass wir jede Möglichkeit nutzen müssen, die Einstellungen direkt von den Schulen vornehmen zu lassen. Das ist viel öfter der Fall als vermutet. Ich bin gerne bereit, den prozentualen Anteil nachzuliefern.

Der Weg über PKB-Mittel stärkt die Eigenverantwortung der Betroffenen. Sie können sich darauf verlassen, dass ich jede Möglichkeit nutzen werde, die Verwendung frei verfügbarer Mittel und die Entscheidung, ob ein Sozialarbeiter, ein Erzieher oder Lehrer eingestellt werden soll, in größerem Umfang den Schulen zu übertragen. Es muss aber ein technisch vernünftiger Weg gefunden werden, wie das abwickelbar ist.

Danke schön, Herr Prof. Dr. Zöllner! – Nun ist der Kollege Nolte mit einer Nachfrage an der Reihe. – Bitte schön, Herr Nolte!

Herr Senator! Sehen Sie Chancen, dass die beiden Programme, die jetzt parallel laufen – einerseits die Schulstrukturreform, die Sie forcieren, mit neuen Perspektiven insbesondere für die Hauptschüler, und andererseits das Konjunkturprogramm der Bundesregierung mit hohen Investitionen im Bildungsbereich –, auch Schulen in Brennpunkten neue Perspektiven bieten können?

Bitte schön, Herr Senator!

Ein ausdrückliches Ja! Ich kann mich auch in diesem Fall auf den Brief beziehen. Darin steht – aus der Erinnerung, aber sinngemäß hoffentlich korrekt wiedergegeben –, dass die von mir vorgeschlagenen Strukturreform allein die

Probleme nicht löst. Dem stimme ich hundertprozentig zu. Der Satz impliziert aber auch, dass die Strukturreform einen wichtigen Beitrag leisten kann.