Protokoll der Sitzung vom 15.01.2009

[Beifall bei den Grünen]

Eine weitere Möglichkeit in Berlin – es gibt auch hier Handlungsmöglichkeiten – ist zum Beispiel, Bolzplätze und Skateranlagen nicht nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung zu beurteilen, sondern sie wie Spiel

plätze anzusehen. Das würde die Möglichkeiten, sie zu nutzen, erweitern und wäre zum Wohl der Kinder.

[Beifall bei den Grünen]

Eine weitere Möglichkeit, wo die Koalition handeln könnte, bieten die Hausordnungen der Wohnungsbaugesellschaften, insbesondere der gemeinnützigen. Diese müssen kinderfreundlicher werden.

[Beifall von Stefan Ziller (Grüne)]

Es muss klar und deutlich sein, dass der Kinderlärm auch im Haus gesellschaftlich akzeptiert wird. Das muss sich in den Hausordnungen wiederfinden.

Lärmfragen sind auch immer Fragen gegenseitiger Rücksichtnahme und Toleranz. Wir können hierbei von der Stadt München lernen. Sie hat eine Toleranz- und Akzeptanzkampagne für mehr Kinderlärm in der Bevölkerung durchgeführt. Daran kann sich Berlin ein Beispiel nehmen, denn in einem hat die CDU recht: Kinderlärm ist Zukunftsmusik.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kubala! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt die Abgeordnete Demirbüken-Wegner.

Frau Kubala! Ich bedauere außerordentlich, dass heute Ihre familienpolitische Sprecherin, Frau Jantzen, nicht da ist.

[Beifall von Oliver Scholz (CDU)]

Ich denke, sie hätte andere Töne gefunden, insbesondere wenn Sie sich als Fraktionskollegin einmal ihre Website angesehen hätten. Darin steht unter November 2008:

Wir werden daher eine Initiative zur Novellierung des Berliner Immissionsschutzgesetzes ergreifen. Es muss möglich sein, nicht nur Glockenläuten, Erntearbeiten und Glättebekämpfung gesetzlich zu privilegieren, sondern auch Kindergeschrei und Getöse.

Es wäre schön, wenn Sie sich rückversicherten, bevor Sie als Expertin zu diesem Thema sprechen. Sie wissen gar nicht, was Kinderlärm, Musik und Zukunft bedeuten.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete! – Frau Kubala möchte antworten. – Bitte!

Frau Demirbüken-Wegner! Ich möchte jetzt nicht mit Ihnen diskutieren, wer besser geeignet ist, Kinderlärm zu

ertragen, oder wer darüber am besten sprechen kann. Ich möchte gar nicht anführen, dass ich als dreifache Oma auch immer wieder mit Kinderlärm konfrontiert bin und die Grenzen der Erträglichkeit durchaus kenne.

[Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Das steht auf Ihrer Website!]

Eine persönliche Betroffenheit ist das Eine, was uns hierbei zum politischen Handeln auffordert, aber das andere sollte der klare Blick auf das sein, was möglich ist und was wir an Gesetzesanträgen einbringen. Sie können sicher sein, dass meine Positionierung in enger Absprache mit Elfi Jantzen, unserer familienpolitischen Sprecherin, erfolgt ist.

[Gregor Hoffmann (CDU): Umso peinlicher!]

Ich kritisiere an Ihren Anträgen – das habe ich auch schon im Vorfeld kritisiert, als Sie die Anträge an uns mit der Bitte herangebracht haben, sie gemeinsam einzubringen –,

[Ah! von der SPD – Zuruf von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)]

dass sie rechtlich nicht sauber gemacht sind und dass Sie hier das Landes-Immissionsschutzgesetz heranführen.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Umweltschutzgesetz – und das habe ich noch einmal klar definiert – nicht geeignet ist, diese Thematik zu bearbeiten, oder es ist nur sehr begrenzt dafür geeignet. Ich habe Ihnen verschiedene Möglichkeiten aufgeführt, wo Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten bestehen: bei der Baunutzungsverordnung. – Ich habe Ihnen klar aufgeführt, dass es Handlungsmöglichkeiten gibt – bei Bolzplätzen und Skateranlagen, bei Akzeptanz- und Informationskampagnen, bei der Hausordnung von Wohnungsbaugesellschaften usw. –, um sich diesem Problem zu nähern. Wir haben alle das Anliegen, dieses Thema adäquat zu behandeln, aber bitte verschonen Sie uns mit Ihren Schnellschüssen, denn die dienen wahrlich nicht der Problemlösung!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion – Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Ich habe Ihnen nur Ihre eigene Website vorgelesen!]

Das Wort hat nun Frau Dr. Barth. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind uns wohl alle darüber einig, dass Kinderlärm zuweilen ziemlich nervig sein kann. Das gebe ich zu.

[Beifall von Stefan Liebich (Linksfraktion) – Buh! von der CDU]

Doch Kinderlärm gehört zu unserem Leben. Das möchte ich auch deutlich sagen. Wenn man bedenkt, dass wir uns

aus demographischen Gründen an vielen anderen Stellen dafür einsetzen, dass wieder mehr Kinder geboren werden, ist es grotesk, wenn Geräusche, die Kinder nun einmal zuweilen machen, zum Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen werden. Ich denke dabei z. B. an Kinderlachen, an Hausmusik, aber auch an Begeisterungsausbrüche bei einem Tor auf einem Bolzplatz.

Es wurde schon gesagt, dass sich die Gerichte in den letzten Jahren leider des Öfteren mit Klagen wegen Kinderlärm auseinandersetzen mussten. Dabei geht es nicht nur um das jüngste Beispiel, ich kenne auch viele Fälle, wo sogar über die Gerichte die Rechte der Kinder gestärkt wurden. Das ist gut so, aber ob die Probleme vor Ort in jedem Fall wirklich gelöst wurden, weiß ich nicht. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass das Problem Kinderlärm juristisch nicht geklärt werden kann, denn es geht dabei um die Einstellung der Gesellschaft und die Einstellung jedes Einzelnen zum Kind, zum Nachbarn, zum Mitmenschen und letztlich zu sich selbst. Da können Gerichte allenfalls den pädagogischen Zeigefinger in Richtung des Klägers und des Beklagten heben, aber wir sehen, dass es auch anders ausgehen kann.

Positiv möchte ich daran erinnern, dass auch das Oberverwaltungsgericht Münster feststellte, das Spielen sei ein elementares Bedürfnis des Kindes. Das muss man immer wieder betonen. Die dabei entstehenden Geräusche sind grundsätzlich allen Menschen zumutbar. Wer Kinderlärm als lästig empfindet, hat selbst eine falsche Einstellung zu Kindern. So heißt es auch wörtlich in dem Urteil. Das Landgericht München urteilte, dass Kinder grundsätzlich in Hof und Garten spielen können, doch während der Ruhezeiten sollten sie von den Eltern angehalten werden, nicht oder leise zu sprechen. Das ist selbstverständlich auch schon schwierig. Ein Spielverbot auszusprechen – so das Urteil – sei jedoch nicht rechtens.

Das ist es, worauf ich noch einmal verweisen möchte: Wir müssen darauf hinwirken, dass die Erwachsenenwelt das Recht des Kindes respektiert, sich altersgerecht zu verhalten, und dass Kinder und Jugendliche trotzdem angehalten werden, die Rechte anderer zu berücksichtigen, soweit sie altersgemäß dazu in der Lage sind. Es geht um Respekt, Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme auf beiden Seiten.

Meine Damen und Herren von der CDU! Ich weiß auch nicht genau, ob Ihre vorliegenden Anträge geeignet sind, eine kinder- und jugendfreundliche Einstellung in der Stadt auch in Bezug auf den Geräuschpegel von Kindern und Jugendlichen herbeizuführen und Respekt und gegenseitige Rücksichtnahme zu befördern. Da teile ich eher die Meinung aller derer, die sagen, dass die allgemeine Gesetzeslage eindeutig und ausreichend sei. Trotzdem bin ich auch auf Frau Senatorin Lompschers Seite, wenn sie Gesetzesänderungen nicht kategorisch ausschließt und prüft, inwieweit die derzeitig geltenden rechtlichen Regelungen den besonderen Interessen von Kindern und Ju

Jugendlichen gerecht werden. Wir werden uns daher im Ausschuss ernsthaft damit auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren von der CDU! Ich möchte nur noch ein Wort zu Ihrem Antrag IV sagen: Ich finde es etwas deplaziert, diesen Antrag – „Jedes Kind soll ein Instrument erlernen dürfen“ – im Kontext von Kinderlärm unterzubringen. Nichtsdestotrotz unterschreibe ich die Überschrift des Antrags sofort, doch mit dem Inhalt des Antrags habe ich meine Probleme. Aber, wie gesagt, wir werden uns mit Fachausschuss dazu verständigen. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das Wort hat nun Herr Dragowski, unser Geburtstagskind. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Antrag: „Jedes Kind soll ein Instrument erlernen dürfen“ können wir uneingeschränkt zustimmen. Als Liberale setzen wir uns seit Langem dafür ein, dass Kinder in den Genuss einer musischen und kulturellen Bildung kommen. Gerade uns ist es wichtig, dass diese Möglichkeit jedem Kind in Berlin offen steht. Wir werden selbstverständlich dann auch bei der Frage der Finanzierbarkeit mitwirken, denn das ist ein wichtiger Punkt, über den gesprochen werden muss.

Bei den weiteren Anträgen unter der Überschrift „Kinderlärm“ können wir aber nicht mitgehen. Sie möchten den Kinderlärm gesetzlich verankern und in Form einer Gesetzesänderung eine rechtliche Lösung von Konflikten suchen, aber das kann nicht funktionieren, wie bereits mehrfach betont wurde. Sie wollen den Kinderlärm als „störende Geräusche“ in das Gesetz aufnehmen – also eher etwas Schlechtes – und dann wieder diese störenden Geräusche teilweise privilegieren – nachts und an Sonn- und Feiertagen. Ziel des Immissionsschutzgesetzes ist es eigentlich, Menschen gegen schädliche Umwelteinflüsse wie Lärm zu schützen. Würde man jetzt Kinderlärm in diesen Kontext aufnehmen, würde man Kinderlärm zu einem schädlichen Umwelteinfluss machen und ihn dann wiederum privilegieren.

Wir werden Ihnen jetzt noch einmal darstellen, warum eine solche Regelung nicht notwendig ist. In der Realität – das wurde schon mehrfach angesprochen – wird sogenannter Kinderlärm durch die Rechtsprechung privilegiert. Einige Formulierungen aus Urteilen – ich zitiere –:

Dem Spielbedürfnis der Kinder wird regelmäßig der Vorrang vor dem Ruhebedürfnis der Erwachsenen eingeräumt.

Anderes Zitat:

Spielende Kinder können auch Immissionsrichtwerte der gesetzlichen Regelung zum Teil erheblich überschreiten.

Ebenso wird das allgemeine Toleranzgebot genannt. Gerichte beziehen sich auch auf das Interesse der Allgemeinheit an einer kinderfreundlichen Umwelt. Ebenso wird formuliert, dass Lärm als Begleiterscheinung kindlichen Freizeitverhaltens auch den Bewohnern eines reinen Wohngebiets in höherem Maße zugemutet werden kann. Bis auf vereinzelte Ausnahmen – und diese Ausnahmen werden besonders hervorgehoben – urteilen die Gerichte zugunsten der Kinder. Über einige Punkte – die Kollegin Kubala hat sie schon angesprochen – wie beispielsweise über die Bolzplätze, die in dieser Stadt teilweise schließen mussten, müssen wir noch einmal reden. Aber grundsätzlich brauchen wir keine gesetzliche Aufnahme von Kinderlärm und keine gesetzliche Privilegierung von Kinderlärm.

[Beifall bei der FDP]

Nehmen wir einmal an, Ihr Antragsziel – die absolute Privilegierung von Kinderlärm – würde Wirklichkeit! Das hätte die Bedeutung, dass sogenannter Kinderlärm immer den Vorrang vor anderen Interessen hätte. Das Gebot der Rücksichtnahme würde ausgehebelt. Wir fragen uns: Wer schützt dann alte Menschen? Wer schützt kranke Menschen und Kleinkinder, die auch alle ein berechtigtes Ruhebedürfnis haben. Folgte man Ihrem Antragsziel, Lärm zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen zu gestatten, dann eskalierten die gesellschaftlichen Konflikte erst richtig. Und das wollen wir Liberale nicht.