Protokoll der Sitzung vom 15.01.2009

[Beifall bei der FDP]

Einer der Anlässe zur Diskussion um Kinderlärm war der Streit um die Kita „Milchzahn“ in Friedenau. Das Beispiel wird immer für die sogenannte Kinderlärmdiskussion herangezogen. Nur wird häufig verkannt: Es ging hier – zumindest vordergründig – rechtlich nicht um Kinderlärm, sondern um eine Fehlnutzung. Eine Ladenwohnung wurde als Kinderladen genutzt und unterfiel somit der gewerblichen Nutzung. Das zeigt letztlich – was die Kollegen auch schon angesprochen haben –: Die geeignete Lösung ist die gesellschaftliche Lösung von Konflikten bei sogenanntem Kinderlärm. Da müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Es gibt Stellen in Berlin wie den Berliner Mieterverein, die eine Mediation anbieten und bei Konflikten schlichten. Es gibt aber auch – die Kollegin Kubala verwies auch schon auf die Stadt München – Projekte in München. Dort wurde bei der Kinderbeauftragten eine Ombudsstelle eingerichtet, die Eltern berät und im Zweifel – wenn Konflikte nicht lösbar sind – einschreitet und hilft. Des Weiteren gibt es eine Postwurfsendung, mit der der Münchner Oberbürgermeister Ude für mehr Kinderfreundlichkeit in der Stadt wirbt. Man kann sie ausdrucken und an alle Nachbarn verteilen. Daran kann unser Senat sich ein Beispiel nehmen und ebenfalls mit einer entsprechenden Postwurfsendung ein Werben in unserer Stadt beginnen.

Herr Abgeordneter Dragowski! Ihre Redezeit ist bereits beendet!

Frau Präsidentin! Ich komme zu meinem letzten Satz. – Wir Liberale fordern des weiteren: Nutzen wir die jetzigen Ressourcen für Spiel- und Freizeitflächen besser aus! Öffnen Sie Schulhöfe und Sportplätze auch außerhalb der Schulzeit und in den Ferien! Dann haben Kinder noch weitere geeignete Spiel- und Freizeitflächen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dragowski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Anträge Drucksache 16/2029, Drucksache 16/2030 und Drucksache 16/2031 sollen zur Beratung federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie überwiesen werden, der Antrag Drucksache 16/2032 allein an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. – Zu diesen Überweisungen höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 b:

a) Antrag

Praktische Integration

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2043

b) Antrag

Verknüpfung der Maßnahmen der Sprachförderung und beruflichen Qualifizierung für Migrantinnen und Migranten verbessern

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2044

Das ist die gemeinsame Priorität der Fraktion Die Linke und der Fraktion der SPD unter der lfd. Nr. 34.

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Frau Radziwill hat das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir das Thema Integration heute als Priorität besprechen können. Die Schlüssel zu guter und gelungener Integration sind – wie wir alle wissen – Sprachkenntnisse und Arbeitsmarktchancen und nicht – worüber so häufig debattiert wird – Integrationspolitik über Themenfelder wie „Schulschwänzen konsequent ahnden“, „Repressionen bei den Eltern“ oder „In der

Kriminalitätsbekämpfung den Hintergrund der Betroffenen erfassen“. Ich gehe davon aus, dass wir uns mit der Integrationsthematik gemeinsam inhaltlich befassen und auch weit reichende Schritte gehen wollen. Diese beiden Anträge sind deshalb sehr wichtig für uns.

„Praktische Integration“ ist ein Antrag, den ich eingebracht habe insbesondere aufgrund zweier Erfahrungen, die ich Ihnen kurz mitteilen möchte. Einmal habe ich in einem Gespräch mit einer Frauengruppe, die einen Integrationskurs besucht hat, mitgenommen, dass sehr viele der Frauen häufig nicht die Gelegenheit haben, das in der Theorie sehr schwer erlernte Deutsch in die Praxis umzusetzen. Sie haben oft nicht die Gelegenheit, mit anderen in Kontakt zu kommen und das Theoretische in der Praxis so zu festigen, dass es ihnen im Alltag richtig weiterhilft. Nur beim Bäcker ein Brot zu bestellen, reicht nicht. Deshalb halte ich es für sehr wichtig, dass die Menschen, die neu in unser Land kommen, aber auch die Menschen, die schon in diesem Lande leben, die Gelegenheit bekommen, in dieses System hineingeführt zu werden, Begegnungsmöglichkeiten zu haben und Kontakte zu knüpfen. Auch das ist in der Integrationsdebatte ein sehr wesentlicher Teil.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist sehr spannend, wie wir dieses Projekt „Praktische Integration“ in Berlin umsetzen wollen. Wir haben bewusst in den Antrag geschrieben, dass wir zunächst einmal in einem Modellprojekt Erfahrung sammeln möchten. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir sehr positive Erfahrung damit sammelten und in der nächsten Zukunft den Integrationskursen eine Verpflichtung beifügen könnten, sodass die Menschen zu dem theoretisch Gelernten auch zeitnah ein Praktikum im Umfeld machen können.

Die andere Erfahrung, die ich gemacht habe: In einem Integrationsprogramm wurde ein Konzept eingereicht, das ich auch sehr spannend fand. Und zwar wurden Menschen, insbesondere Migranten, Rundgänge angeboten, bei denen sie ihren Stadtteil kennenlernen konnten. Es waren häufig Menschen, die schon sehr lange in diesem Stadtteil wohnten, aber nicht wussten, was sich drei Straßen weiter befand. Dieses Projekt hat einen Integrationspreis bekommen. Nachdem wir 40, fast 50 Jahre Integrationspolitik oder Zuwanderung in diesem Land haben, halte ich es spätestens jetzt für sehr wichtig, dass wir auch solche Rundgänge anbieten. Momentan sollen sie noch auf freiwilliger Basis durchgeführt werden, es wäre sinnvoll, sie in der Zukunft fortzuschreiben. Es ist Teil der Willkommenskultur!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ein Punkt in dieser ganzen Integrationsdebatte ist mir ganz wichtig, darauf gehe ich jetzt, zum Schluss meiner Rede, noch ein. Häufig schwingt bei Integrationspolitik im Raum: Migrant gleich Problem. – Migranten sind keine Probleme. Menschen können kein Problem in diesem Land sein, sie dürfen es auch nicht. Migranten haben Probleme. Viele von ihnen – nicht alle – schaffen die Integration in diesem Land aus eigener Kraft, aber wir

müssen trotzdem verlässliche Rahmenbedingungen für sie anbieten. Und zu diesen verlässlichen Rahmenbedingungen gehört auch, dass sie mit ihrem Spracherwerb die Voraussetzungen dafür erlangen können, auf dem Arbeitsmarkt vorwärts zu kommen.

Weil wir in einem politischen Rahmen auch solche Debatten führen sollten, mache ich Sie auf Folgendes aufmerksam: Ich möchte, dass wir von Begriffen wie „Problemkiezen“, „Problemgruppen“ oder „Problemmenschen“ wegkommen und hinkommen zu „Kiezen mit hohem Bedarf“ und „Kiezen, die Hilfe brauchen“.

[Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

Darum müssen wir uns gemeinsam bemühen. – Ich freue mich, wenn wir die eingebrachten Anträge im Ausschuss konstruktiv debattieren und entsprechend in Berlin umsetzen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Radziwill! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Wansner das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Integration ist zurzeit in Deutschland in aller Munde. Als Thema ist es in den letzten Jahren endlich vom Rand in die Mitte der Politik gewandert, von einem Thema für Wohlfahrtsverbände wurde es zu einer harten Standortfrage. Integration ist mittlerweile Chefsache, jedenfalls in fast allen Bundesländern in Deutschland, aber insbesondere bei der derzeitigen Bundesregierung. Auf dem Integrationsgipfel der Bundesregierung zeigen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zwischenzeitlich, dass sie die Bedeutung des Themas für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes begriffen haben und aktiv geworden sind. Es ist eigentlich nicht mehr an der Zeit, auf die Notwendigkeit von Aktivitäten und Verpflichtungen zur Integration aufmerksam zu machen.

Aber in Berlin ist alles ganz anders. Chefsache war Integrationsarbeit in dieser Stadt noch nie, und für den Regierenden Bürgermeister scheint es dieses Thema überhaupt nicht zu geben. Heute bekommen wir von den Regierungsparteien SPD und Linke zwei Anträge vorgelegt mit der Überschrift: „Praktische Integration“ bzw. „Verknüpfung der Maßnahmen der Sprachförderung und beruflichen Qualifizierung für Migrantinnen und Migranten verbessern“. Unter dem Antrag „Praktische Integration“ lesen wir:

Sprachgelegenheiten schaffen, um die theoretischen Deutschkenntnisse schneller festigen zu können.

Begegnungsmöglichkeiten ermöglichen und fördern.

Anreize für Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement schaffen und gleichzeitig die Grundlage für berufliche Orientierung legen.

Die soziale Infrastruktur im sozialen Umfeld und Stadtteil kennenzulernen, um bei Bedarf diese selbstständig nutzen zu können.

Liebe Frau Radziwill! Das sind Selbstverständlichkeiten. Die muss man nicht in einem Antrag aufführen. Man muss sie einfach nur endlich machen. Wer hindert Sie daran, das in dieser Stadt durchzuführen?

[Beifall bei der CDU – Uwe Doering (Linksfraktion): Aber Anträge darf man doch noch stellen, oder?]

Im Integrationsprogramm I und II und mit Ihren unzähligen Aktionsprogrammen haben Sie, meine Damen und Herren, schon bessere Integrationsansätze geliefert. Sie sind zum großen Teil leider aber nicht umgesetzt worden, und die Erfolge blieben aus. – Liebe Frau Senatorin! Das ist eigentlich Ihre persönliche Tragödie. Peinlich ist nur, dass gerade in dieser Woche der Hilferuf der Schulleiter aus dem Bezirk Mitte bekannt geworden ist, knapp drei Jahre nach dem Verzweiflungsruf des Schulleiters der Rütli-Schule in Neukölln. Dazwischen lagen noch Hilferufe von Kreuzberger Schulleitern. Das bedeutet, dass Sie nach dem Hilferuf der Rütli-Schule nichts, aber auch gar nichts an den Schulen verändert haben, insbesondere nicht an den Schulen mit einem sehr hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund. Hier hätten Sie meiner Meinung nach – das haben wir Ihnen auch oft in den Ausschüssen vorgeworfen – handeln müssen. Hier haben Sie wiederum mindestens drei Jahre durch Untätigkeit geglänzt.

Wenn Integration in dieser Stadt eine Chance haben soll, dann nur mit vernünftiger Schulausbildung, damit die Jugendlichen die Möglichkeit haben, nach ihrer Schulzeit einen Arbeitsplatz bzw. eine Ausbildung zu bekommen. – Frau Radziwill! Ihnen sind doch die Statistiken bekannt, mit welchen Arbeitslosenzahlen wir gerade bei den Menschen mit Migrationshintergrund zu kämpfen haben. Ich bin entsetzt, wie Sie solche Anträge hier bringen können.

Wir sind deshalb dankbar, dass die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, die Staatsministerin Böhmer, die Lehrer aus dem Bezirk Mitte ins Kanzleramt eingeladen hat. Vielleicht hat sie die Möglichkeit, das Nichtstun dieses Senats zu beenden.

[Beifall bei der CDU – Ha, ha! von Lars Oberg (SPD)]

Der Aussage von Frau Böhmer: „Bildung ist der Schlüssel für Integration.“ – ist nichts hinzuzufügen. Ich werde es unserer Integrationssenatorin und unserem Schulsenator noch einmal schriftlich geben, damit sie es nicht wieder vergessen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Senator Dr. Jürgen Zöllner]

Man sollte die Möglichkeit ergreifen, sich beraten zu lassen. Aber ich bin mir bei Ihnen nicht so sicher, ob das überhaupt noch Zweck hat. – Möglicherweise sollten die integrationspolitischen Sprecher in diesem Hause einmal einen Hilferuf an Frau Böhmer senden, dass die gesamte Integrationsarbeit in dieser Stadt –

Herr Kollege! Kommen Sie bitte zum Schluss!

nachweislich nicht vorankommt. Ich glaube, hier sollten wir die Hilfe der Bundesregierung in Anspruch nehmen.

[Beifall bei der CDU – Stefan Liebich (Linksfraktion): Sie müssen nicht Hilferufe senden, sondern bessere Wahlergebnisse haben!]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Kollege Wolf!

Danke, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wansner! Wenn Sie sich ein bisschen mehr mit dem Thema befassen würden, anstatt einfach immer sozusagen Ihren Dancemix der letzten Jahre zu wiederholen, dann würden Sie feststellen, dass mittlerweile die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung von den Integrationskonzepten I und II Berlins abschreibt, und zwar die Vorlagen für den Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin.